Thema: Alltag, medial gedoppelt
14. November 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Die beim Hören ihres Livealbums unweigerlich entstehende, überwältigend große Lust, diese Band endlich, ja endlich mal wieder live erleben zu können. Viel zu lange ist es hier.
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Thema: Hoerspiele
14. November 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Erst jetzt, im Radio, drauf aufmerksam geworden, leider einen Tag zu spät: Gestern tagte zum 5. Mal Plopp, das Forum für die unabhängige Hörspielszene Berlins, in der Akademie der Künste. Deutschlandradio stellte das Programm vor wenigen Tagen vor (hier im Audio-on-Demand von Deutschlandradio als mp3) und präsentiert hier, ebenfalls als mp3, ein Fazit danach. Das nächste Jahr: Bin ich dabei! (zumindest im Publikum)
(schöne Idee übrigens, dieses Audio-on-Demand)
(schöne Idee übrigens, dieses Audio-on-Demand)
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Thema: comics



Es macht große Freude in diesen Stories zu blättern, sich darin zu versenken und ästhetischen Genuss darauszuziehen. Dass sie schon über 60 Jahre auf dem Buckel haben sollen, ist angesichts ihrer ungeheuren Bild- und narrativen Dynamik eigentlich kaum zu glauben. Fast jede Seite ist noch ein kleines Kunstwerk für sich, das man gerne groß kopieren und sich an die Wand hängen möchte. (In der Tat der kurze Gedanke, genau dies mit einer besonders liebgewonnenen Geschichte zu machen, um damit meinen doch recht langen Flur etwas aufzupeppen.) Sie sind kleine Zeitreisen in die Geschichte des Comics und in eine charmante Genrenaivität, die heutigen zynischen Zeiten - been there, seen it all, done it twice - ziemlich abhanden gekommen scheint.
links: perlentaucher
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Thema: Weblogflaneur
14. November 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Volker Pantenburg von new filmkritik hat Francois Ozons neuester Film 5x2 (filmz.de) nicht sonderlich gefallen. Der Film, offenbar (ich habe ihn noch nicht gesehen und zweifele auch, ob dieses Textes, an der Dringlichkeit, diesen Umstand zumindest in naher Zeit zu ändern, weil, freilich, irgendwann sollte man ihn dann doch gesehen haben) nur eine Drehbuchspreizerei, wie sie in letzter Zeit populär ist, erzählt eine nicht gut enden werdende Liebesgeschichte eliptisch von hinten und gelangt vermittels dieser Organisation dann doch an sein Happy End, das, natürlich, an sich lediglich den Beginn der Liaison darstellt. Ganz pikant jedoch, und dies macht Volkers Text hinweisenswert, der Gedanke, der sich zum Ende des Filmerlebens und deshalb auch in den des davon berichtenden Textes heranschleicht, dass es doch spannend wäre, ertränken beide Liebenden zu Beginn ihrer Leidenschaften, der das Ende des Films markiert, ganz einfach in dem See, in dem sie gerade umherschwimmen.
Das ist in der Tat ein Film, auf den ich von nun an warte!
Das ist in der Tat ein Film, auf den ich von nun an warte!
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Thema: Alltag, medial gedoppelt
Über allem liegt das kalte, diesige Grau eines trockenen Novembersonntags. Volkstrauertag ist heute; das wüsste ich selbst nicht, das Radio hat es mir am Morgen beim Kaffee gesagt. Aber das interessierte mich nicht, also habe ich es vergessen. Deshalb stehe ich jetzt hier, am Boxhagener Platz, erwartet hatte ich das emsige Flohmarkttreiben, das hier allsonntäglich zu beobachten, zu erleiden, zu genießen ist, aber nichts dergleichen: Der Platz ist so karg wie der ganze Tag. Volkstrauertag, vermutlich deshalb, denke ich kurz, als ich mich wieder an die entsprechende Information aus dem Radio erinnere. Kein Flohmarkt, kein Treiben, keine schmuddeligen Bücherkisten mit kleinen und auch größeren Schätzen. En contraire, der Platz stellt seine weiß-grauen Flächen aus, wie sonst nie, das Grün in seiner Mitte: abgeriegelt, eine große Tafel klärt das Bauvorhaben auf, irgendein Bauarbeitermonstermobil steht herrenlos herum.
Doch egal, es ist noch vor Mittagszeit, ich bin schon eine ganze Weile wach und überdies kein Kind von Traurigkeit. Ich genieße es, im fast menschenleer gefegten Kiez für einen Moment so dazustehen, nicht zu wissen, was mit dem angebrochenen, nunmehr sinnlos erscheinenden Gang aus dem Hause anzufangen ist, und entschließe mich kurzerhand zu einem Spaziergang durch den Kiez und seine karge Novembersonntagmorgenwelt, sinnfreie, müßige Beobachtungen anzustellen. "Dieser Tag gehört nur Dir allein", hauchen, später: schreien, Dawnbreed in einem wunderbaren Song, der mich seit meiner Jugend Blüte an Morgen wie diesen (manchmal auch: an Morgen nach Nächten wie jenen) stets im Geiste begleitet.
Friedrichshain lässt sich, in dieser Ecke, als große Galerie begreifen. Überall gibt es was zu sehen. Nicht im Sinne des Ausdrucks natürlich, denn sensationslüstern geht es hier nur selten zu. Es gibt was zu sehen für jene, die Freude am Sehen haben, die nicht vom Anblick erschlagen werden, sondern einen solchen, der sich lohnt, ausfindig machen wollen. Ich beginne umherzustreifen und erstmals wieder seit langer Zeit (im Sommer war ich oft hier nachts unterwegs, aus gleichem Grund) erbllicke ich, befreit von der Zweckhaftigkeit meines Weges, das Viertel (oder besser: diese Ecke desselben) mit, in der Tat, wachen Augen. An den Wänden erblühen Generationen von Werken der Straßenkunst, die sich zunehmend komplexer gestalten (dies erschließt sich freilich nur dem, der das oft Aufregende, was hier an verfallenen Fassaden wuchert, über längere Zeit mitverfolgt). An manchen Gemäuern ist die Farbe kaum mehr auszumachen, dafür befinden sich darauf Dutzende, Aberdutzende kleiner Xerox-Art-Artefakte, die sich ergänzen, kommentieren, Strukturen in das Zettelchaos bringen, die doch nur die Strukturlosigkeit zum Thema haben. Oft und gerne bleibe ich stehen, fasziniert von dem Einfallsreichtum, mit dem sich Künstler jenseits von Kulturbetrieb, Museumsmuff und Fördergremien mit dem wenigen, was hier - jüngster Wahlbezirk Deutschland, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, Copyshops mit lachhaft kleinen Preisen - greifbar ist, aufschwingen, um Kreatives zu leisten, dem die eigene Vergänglichkeit, der eigene Ursprung aus Abfall der Populär-, Reklame-, was-weiß-ich-Kultur in jeder Nuance eingeschrieben ist.
Ich entdecke einen Hinweiszettel, auf dem der neue, sehr sympathische Buchladen Lit.List in der Mainzer Straße von einem öffentlichen und wöchentlichen Treffen in seinen Räumlichkeiten jeden Donnerstag Abend um 20 Uhr erzählt und alle Schreibenden, die das Zeug zum Vorlesen haben, herzlich einlädt (Buhrufer sollen, so der Zettel weiter, indes zu hause bleiben). Ich mag das, dass dieser Zettel überall hängt, die Möglichkeit dort donnerstags einfach hinzugehen, nur zwei Ecken weg von meiner Wohnung, das Gefühl, dass das genau hier ist, genau jetzt, ohne diesen ganzen Hippness-Scheiß, der sonst an here and now zu hängen pflegt. Ob ich hingehe, weiß ich nicht. Aber es ist schön, davon zu wissen, dass Menschen voller Leidenschaft andere, in dieser Hinsicht Gleichgesinnte suchen. Mit einem Zettel an einem Baum, an einer Wand, an Abfalleimern, die so zum zentralen Ort des öffentlichen Austauschs werden.
Und dann der ganze Abbruchcharme dieser Ecke. Kaputte, rusige Fassaden, abgeplatzter Putz, schäbige Antiquariate, die noch versuchen dem, was andere achtlos wegwarfen, einen schnellen Euro zum Leben abzuringen. Ich erinnere mich, wie ich selbst vor langer Zeit hierherzog, aus dem sauberen Franken/Westdeutschland, wie ich damals, 19jährig, geradewegs abgeschreckt war von diesen Insignien des Verfalls (die in den letzten Jahren weniger wurden, leider), wie ich mich lange Zeit weigerte, daran Gefallen zu finden, obwohl ich weiß Gott kein Spießerjunge war, und wie ich mich irgendwann dabei ertappte, das alles, dieses Spezifische dieser Gegend, bereits seit langer Zeit mit der Selbstverständlichkeit des heimisch Gewordenen zu lieben, ohne mir dabei des Bruchs dieser Ansicht bewusst gewesen zu sein. Heute, an diesem frösteligen Tag, um diese Zeit, liebe ich das Ambiente wieder ganz besonders. Ein kleiner Rumpelladen an der Ecke hat ein Akkordeon im Schaufenster hängen, das ich kurz näher beobachte, daneben wieder abgefledderte Straßenkunst. Diese Kreuzung hier mag ich, den "Feuermelder", eine abgeranzte, unheimlich charmante Kneipe, in der es gerne mal laut wird, im Rücken, ganz besonders.
Ich manövriere mich von Zeichen zu Zeichen, mäandere durch die Vertrautheit dieses Soziotops, denke kurz an die Situationisten, die das ziellose Umherschweifen als politischen Akt zelebrierten und frage mich kurz, ob das überhaupt die Situationisten waren. Egal. Eine andere Wand zeigt sich neu bemalt, die Hauseigentümer waren der wilden Zuständ' darauf wohl überdrüssig. Eigentlich beklagenswert, könnte man meinen, doch ich weiß es besser, denn nichts in dieser Ecke ist von Bestand und in spätestens drei Monaten wird die Wand wieder in alter Pracht erblühen, voller Schmierereien mit orthografisch zweifelhaftem Inhalt, ambitioniert-wilder Straßenkunst und Plakaten, die auf wundersame Ereignisse der nächsten Zeit in den lokalen Kleinclubs und dergleichen hinweisen. Bis dann wieder zuviel Farbe übrig ist und ein neuer Anstrich gewagt wird. Das Spiel vom Hasen und dem Igel.
Ich sehe mich satt an allen Ecken, gehe zufrieden nach Hause, fröstele etwas, da ich über meinem T-Shirt nur eine Kapuzenpullover trage. Ich denke mir, dass das zu diesem Tag passt, schüttele mich und weiß einmal mehr: Ich liebe diesen Flecken Erde von ganzem Herzen.
Doch egal, es ist noch vor Mittagszeit, ich bin schon eine ganze Weile wach und überdies kein Kind von Traurigkeit. Ich genieße es, im fast menschenleer gefegten Kiez für einen Moment so dazustehen, nicht zu wissen, was mit dem angebrochenen, nunmehr sinnlos erscheinenden Gang aus dem Hause anzufangen ist, und entschließe mich kurzerhand zu einem Spaziergang durch den Kiez und seine karge Novembersonntagmorgenwelt, sinnfreie, müßige Beobachtungen anzustellen. "Dieser Tag gehört nur Dir allein", hauchen, später: schreien, Dawnbreed in einem wunderbaren Song, der mich seit meiner Jugend Blüte an Morgen wie diesen (manchmal auch: an Morgen nach Nächten wie jenen) stets im Geiste begleitet.
Friedrichshain lässt sich, in dieser Ecke, als große Galerie begreifen. Überall gibt es was zu sehen. Nicht im Sinne des Ausdrucks natürlich, denn sensationslüstern geht es hier nur selten zu. Es gibt was zu sehen für jene, die Freude am Sehen haben, die nicht vom Anblick erschlagen werden, sondern einen solchen, der sich lohnt, ausfindig machen wollen. Ich beginne umherzustreifen und erstmals wieder seit langer Zeit (im Sommer war ich oft hier nachts unterwegs, aus gleichem Grund) erbllicke ich, befreit von der Zweckhaftigkeit meines Weges, das Viertel (oder besser: diese Ecke desselben) mit, in der Tat, wachen Augen. An den Wänden erblühen Generationen von Werken der Straßenkunst, die sich zunehmend komplexer gestalten (dies erschließt sich freilich nur dem, der das oft Aufregende, was hier an verfallenen Fassaden wuchert, über längere Zeit mitverfolgt). An manchen Gemäuern ist die Farbe kaum mehr auszumachen, dafür befinden sich darauf Dutzende, Aberdutzende kleiner Xerox-Art-Artefakte, die sich ergänzen, kommentieren, Strukturen in das Zettelchaos bringen, die doch nur die Strukturlosigkeit zum Thema haben. Oft und gerne bleibe ich stehen, fasziniert von dem Einfallsreichtum, mit dem sich Künstler jenseits von Kulturbetrieb, Museumsmuff und Fördergremien mit dem wenigen, was hier - jüngster Wahlbezirk Deutschland, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, Copyshops mit lachhaft kleinen Preisen - greifbar ist, aufschwingen, um Kreatives zu leisten, dem die eigene Vergänglichkeit, der eigene Ursprung aus Abfall der Populär-, Reklame-, was-weiß-ich-Kultur in jeder Nuance eingeschrieben ist.
Ich entdecke einen Hinweiszettel, auf dem der neue, sehr sympathische Buchladen Lit.List in der Mainzer Straße von einem öffentlichen und wöchentlichen Treffen in seinen Räumlichkeiten jeden Donnerstag Abend um 20 Uhr erzählt und alle Schreibenden, die das Zeug zum Vorlesen haben, herzlich einlädt (Buhrufer sollen, so der Zettel weiter, indes zu hause bleiben). Ich mag das, dass dieser Zettel überall hängt, die Möglichkeit dort donnerstags einfach hinzugehen, nur zwei Ecken weg von meiner Wohnung, das Gefühl, dass das genau hier ist, genau jetzt, ohne diesen ganzen Hippness-Scheiß, der sonst an here and now zu hängen pflegt. Ob ich hingehe, weiß ich nicht. Aber es ist schön, davon zu wissen, dass Menschen voller Leidenschaft andere, in dieser Hinsicht Gleichgesinnte suchen. Mit einem Zettel an einem Baum, an einer Wand, an Abfalleimern, die so zum zentralen Ort des öffentlichen Austauschs werden.
Und dann der ganze Abbruchcharme dieser Ecke. Kaputte, rusige Fassaden, abgeplatzter Putz, schäbige Antiquariate, die noch versuchen dem, was andere achtlos wegwarfen, einen schnellen Euro zum Leben abzuringen. Ich erinnere mich, wie ich selbst vor langer Zeit hierherzog, aus dem sauberen Franken/Westdeutschland, wie ich damals, 19jährig, geradewegs abgeschreckt war von diesen Insignien des Verfalls (die in den letzten Jahren weniger wurden, leider), wie ich mich lange Zeit weigerte, daran Gefallen zu finden, obwohl ich weiß Gott kein Spießerjunge war, und wie ich mich irgendwann dabei ertappte, das alles, dieses Spezifische dieser Gegend, bereits seit langer Zeit mit der Selbstverständlichkeit des heimisch Gewordenen zu lieben, ohne mir dabei des Bruchs dieser Ansicht bewusst gewesen zu sein. Heute, an diesem frösteligen Tag, um diese Zeit, liebe ich das Ambiente wieder ganz besonders. Ein kleiner Rumpelladen an der Ecke hat ein Akkordeon im Schaufenster hängen, das ich kurz näher beobachte, daneben wieder abgefledderte Straßenkunst. Diese Kreuzung hier mag ich, den "Feuermelder", eine abgeranzte, unheimlich charmante Kneipe, in der es gerne mal laut wird, im Rücken, ganz besonders.
Ich manövriere mich von Zeichen zu Zeichen, mäandere durch die Vertrautheit dieses Soziotops, denke kurz an die Situationisten, die das ziellose Umherschweifen als politischen Akt zelebrierten und frage mich kurz, ob das überhaupt die Situationisten waren. Egal. Eine andere Wand zeigt sich neu bemalt, die Hauseigentümer waren der wilden Zuständ' darauf wohl überdrüssig. Eigentlich beklagenswert, könnte man meinen, doch ich weiß es besser, denn nichts in dieser Ecke ist von Bestand und in spätestens drei Monaten wird die Wand wieder in alter Pracht erblühen, voller Schmierereien mit orthografisch zweifelhaftem Inhalt, ambitioniert-wilder Straßenkunst und Plakaten, die auf wundersame Ereignisse der nächsten Zeit in den lokalen Kleinclubs und dergleichen hinweisen. Bis dann wieder zuviel Farbe übrig ist und ein neuer Anstrich gewagt wird. Das Spiel vom Hasen und dem Igel.
Ich sehe mich satt an allen Ecken, gehe zufrieden nach Hause, fröstele etwas, da ich über meinem T-Shirt nur eine Kapuzenpullover trage. Ich denke mir, dass das zu diesem Tag passt, schüttele mich und weiß einmal mehr: Ich liebe diesen Flecken Erde von ganzem Herzen.
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