Sonntag, 9. Oktober 2005
Thema: Hoerkino
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Was braucht die Welt nötiger als ein deutschsprachiges, lebendes Lexikon für Indie- und Popkultur?

Weltfrieden? Ach was, du Hippie: here comes indiepedia.de!

Ein deutschsprachiges Wiki zum Thema Indie- und Popkultur.

Jeder ist eingeladen - nein: aufgerufen! - teilzunehmen. Denn wer kennt die Subkultur deiner Stadt oder die Elektropunkszene in Tadschikistan besser als du?
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Thema: DVDs
Der vor der Küste Großbritanniens auf der Insel Jersey stationierte DVD-Versender play.com lädt seit neuestem zum Asia Sale. Zahlreiche Schnäppchen sind zu machen! (allerdings sei angemerkt, dass die Titel aus der Reihe "Asia Extreme" des Anbieters Tartan nicht immer in qualitativ hochwertigen Editionen kommen)


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In the Line of Fire (Wolfgang Petersen, USA 1993)
Der Film weiß nicht so recht wohin mit sich. Spiegelung von US-Geschichte und ihrer Verwindung im Einzelschicksal oder aber Spannungskino nach üblicher Facon, das sind die beiden, nun an sich gewiss nicht unvereinbaren, hier aber zu keiner Einheit findenden Schwerpunkte. Der Film tritt an einem Zeitpunkt der Filmgeschichte auf, wo das Gimmick-Kino wieder stärker wird, bildet diese Schwelle zwar im Umgang mit der comichaft bleibenden Malkovich-Figur ab (die sich in immer neue Verkleidungen schmeißt und, eben, Gimmicks bastelt), kommt aber schlußendlich damit nicht zurecht, der Film selbst wird dabei zerrieben, nicht zuletzt in der oftmals bemerkenswert ungeschickten Montage, die aber eben keine Finesse im Spiel mit Zuschauerwartung und Verblüffung aufweist, sondern nur Unvermögen und Unentschlossenheit ausstrahlt. Nurmehr befremdlich ist die Behauptung, von der mithin die ganze Narration abhängt, dass die Malkovich-Figur als Meisterin der Chimäre in immer neuen Verkleidungen vollends unerkennbar würde, dabei aber eben doch immer nur, vor allem aber: eindeutig, als Malkovich erkennbar bleibt. So blind wie die Figuren davor, so blind bleibt der Film in Angelegenheiten ihn selbst betreffend. [imdb]

Immortel (ad Vitam) (Enki Bilal, Frankreich 2004)
Bilal adaptiert seinen eigenen Comiczyklus aus den 70er Jahren, der der seinerzeit üblichen Psychedelic Science Fiction (Psy-Fi?) zuzurechnen ist. Den Komplex aus Menschsein und künstlicher Erweiterung seiner Selbst, vermischt mit ägyptischer Götteresoterik und unverhohlener Sexbezogenheit, der vielleicht (!) auch einem Jodorowsky hätte entspringen können (und dass Jodorowsky später mit Moebius, der von all dem ebenfalls nicht weit weg ist, im Comic zusammengearbeitet hat, verwundert da nicht), transportiert er in einen, sozusagen, "Nicht-Film", zumindest was die Affizierung des Zuschauers betrifft. Die Warnung vor zuviel Künstlichkeit spiegelt sich wieder in geradezu aspetischen Computerbildern mit ebenso tot sich bewegenden Figuren aus dem Rechner, kontrastiert durch ein paar verloren durch die Welt schwankende Gestalten, die von echten Menschen buchstäblich verkörpert werden durften. Die gähnende Langeweile, die dabei entsteht, mag Teil des Konzepts sein, wie auch das eigentlich genussvolle Erliegen der Möglichkeiten einer komplett virtuellen Arbeitsumgebung beim Filmemachen nur mehr bezeichnend ist. Georg Seeßlen konnte dem viel abgewinnen, wie hier nachzulesen ist. Ich hingegen rate ab. [imdb]

Marebito (Takeshi Shimizu, Japan 2004)
Neben Kiyoshi Kurosawas herausragendem Kairo ist Marebito der vielleicht ambitionierteste Versuch der letzten Jahre, dem etablierten Medienhorror aus Japan eine neue Facette hinzuzufügen und in diesem Falle überdies noch mit einer Vampirgeschichte zu verbinden. Gerade letzteres erscheint zumal naheliegend, wie sich bereits bei Stoker, und etwa 100 Jahre später bei Kittler, nachschlagen lässt. Die Destabilisierung der Diegese bis hin zu einem Moment, wo die ihr zugesprochene, über die "Materialästhetik" des Bildes gekennzeichnete Sphäre selbst wiederum - erzielt durch Störungen und charakteristischem White Noise - den Status ungewisser "Pro-Filmizität" erreicht und der Film sich auf diese Weise, seiner eigenen Logik gehorchend, über den Bildschirmrand hinaus wagt und Verbindlichkeit auch im Außer-Filmischen für sich beansprucht, ist nicht ineffizient und in der Tat gelingt es in zahlreichen Spitzen, Momente einer Neuen Unheimlichkeit, wie sie in den letzten Jahren gehäuft - und oft in Japan - zu beobachten gewesen ist, zu etablieren. Doch Marebito ist nicht zur Gänze so gelungen, wie man sich dies in solchen Momenten (und in der herausragend spannenden Exposition) wünscht; gelegentlich gehen die Pferde mit dem Macher durch und der Film droht, in einer De-Fokussierung sich selbst aus den Augen - und damit seine Wirkkraft - zu verlieren. Dennoch, zumal aufgrund seiner Produktionsbedingungen - im Guerilla-Verfahren in wenigen Tagen abgedreht -, ein respektabler Film, der in seinen besten Momenten viel aussagt über das Verhältnis, das Technik, Medium und Horror spätestens seit den Zeiten der Laterna Magica in Beziehung setzt. [imdb]

Cannibal Ferox (Umberto Lenzi, Italien 1981)
Ein Jahr nach dem hochgradig reflektierten und komplex angelegten Cannibal Holocaust entstanden, fällt Lenzis später Kannibalenfilm zurück in die Logik des Abenteuerfilms, aus dem das Subgenre ursprünglich auch hervorgetreten war. Dies immerhin gelingt ihm soweit, dass die Story vielleicht nicht außergewöhnlich spannend geraten ist, aber eben - und dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit im kostengünstig gefertigten Italo-Exploitation-Film - auch nicht in gähnend langweilige Untiefen nicht vorhandener Dramaturgie sediert. Die ausgestellten Grausamkeiten sind, im Gegensatz zu Ruggero Deodatos Cannibal Holocaust, in kein nennenswert reflektiertes Korsett gepackt, nicht selten ergibt sich deshalb - zumal sie vorrangig und real an Tieren ausgeübt werden - der Nimbus des schlichtweg Unnötigen, Selbstzweckhaften. Interessant immerhin, wie sich der Film in die Kulturgeschichte des indigenen Kannibalismus aus Perspektive der Industrienationen, und eben dies heißt: in die Geschichte seiner Diskursivierung, einflechtet; ansonsten eher der Eindruck von Unerheblichkeit. [imdb]

Stosstrupp Gold (Brian G. Hutton, USA 1970)
In den Turbulenzen des Frontgeschehens im sich bereits zu Gunsten der Alliierten neigenden Zweiten Weltkrieg kommt eine Truppe Soldaten unter der Führung von Private Kelly (Clint Eastwood) dahinter, dass in einer Bank, etwa 30 Meilen hinter dem Verlauf der feindlichen Front gelegen, ein schwerer Goldvorrat gelagert ist. Gegen die Befehlslage macht man sich auf, den Schatz zu heben, um den weiteren Verlauf des Krieges aus entspannterer Perspektive zu beobachten.
Die reizvolle Ausgangslage (die auch Three Kings zur Vorlage gedient haben mag) wird kaum für nennenswert anderes als für eine müde Militärklamotte mit gelegentlichen Pyrotechnik-Einlagen genutzt. Lau bleibende Witzeleien und zum Zweck der müßigen Unterhaltung installierte Schrulligkeiten der Protagonisten erreichen zu keiner Stelle nennenswertes Raffinement, wie sich auch die breit angelegte und sich gemächlich entfaltende Handlung dieses Kreuzzugs auf eigene Faust (der sich im Verlauf natürlich als entscheidend für die verfahrene Situation an dieser Front erweisen wird) nie über ein solides Plätschern hinaufschwingt. Überraschungsarm und stets auf sicher kalkulierter Seite, ein eher ermüdendes Erlebnis. [imdb]

Agnes und seine Brüder (Oskar Roehler, Deutschland 2004)
Was ich nach dem wirklich schrecklichen Suck my Dick nicht mehr zu erwarten gewagt hatte, hat sich nun doch eingestellt: Roehler hat doch noch das Zeug, gute Filme zu machen. Zwar ist auch Agnes... nicht frei von Makeln, doch in seinen besten Momenten hat das alles Hand und Fuß, was Roehler hier als, wenn auch distanzierten, Krisenbericht aus dem Geschlechts- und Intimleben der Deutschen im frühen 21. Jahrhundert angelegt hat. Oft schmerzhaft (zum Beispiel in den Episoden mit Moritz Bleibtreus Charakter), oft schon boshaft amüsiert (die Figur Herbert Knaups, eine offenkundige, wenn auch gefällige, Abrechnung mit den Grünen im Zeitalter ihrer Regierungsfähigkeit), trifft Roehler auffallend häufig die richtige Tonlage. Ob Roehler damit nun wirklich, wie von vielen behauptet, in die Fußstapfen Fassbinders getreten ist, wird sich in Zukunft weisen. Man will es, nach diesem Film, zumindest nicht mehr vollends ausschließen; auf die Adaption von Houellebecqs Elementarteilchen darf man nun zumindest wieder gespannt sein (nach dem - an Vulgär-Houellbecqismen keineswegs armen - Dick-Film konnte man diesem Vorhaben schließlich nur mit Grausen entgegen sehen). [imdb]


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Thema: Kinokultur
Auf new filmkritik für lange texte, dem "Zweitblog" von new filmkritik, finden sich seit kurzem zwei lange Texte über Fassbinder: Hier von Harun Farocki und dort von Diedrich Diederichsen. Wenn mich nicht alles täuscht, wurden beide im Rahmen des Fassbinder-Doppelabends in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Ende Mai diesen Jahres als Vorträge gehalten. Die taz hatte seinerzeit berichtet, und ebenfalls auf new filmkritik für lange texte damals auch Michael Baute aus sympathisch subjektiver Perspektive.


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