Dienstag, 21. Oktober 2014
(zuerst erschienen beim Perlentaucher)

Kaum ermessbares Leid ist den Frauen während des Genozids an den Armeniern widerfahren: Vergewaltigt, aus ihren Familien gezerrt, vielleicht in letzter Sekunde ins Ausland, ansonsten ausgezehrt in Lagern gelandet, wo sie hungernd ihrem eigenen Tod entgegensehen. Das zumindest erfährt man in Fatih Akins "The Cut", in dem der deutsch-türkische Regisseur als Abschluss seiner "Liebe, Tod und Teufel"-Trilogie vom Völkermord der Türken an den Armeniern erzählen will. Ein Film über die Frauenschicksale ist "The Cut" allerdings nicht geworden, ganz im Gegenteil unterhält er dazu ein reichlich instrumentales Verhältnis: Wenn Frauen leiden, dann dient dies zur Illustration des Leids, das Männer durchzustehen hatten - oder genauer gesagt, ein Mann, nämlich der per Schnitt durch die Kehle zum Verstummen gebrachte Nazaret (Tahar Rahim). Werden Frauen am Wegesrand vergewaltigt, senkt er den Blick in Gram - auch, weil er Frau und Töchter verloren hat -, wenn er seine abgemagerte Frau unter tausenden von Gefangen findet, die siech von ihm den Gnadentod verlangt, dann steht sein Seelenleid bei der Entscheidungsfindung und der Tat im Vordergrund. Und wenn seine Töchter in der Diaspora der USA landen - unzweifelhaft eine interessante Geschichte - , erzählt Fatih Akin die - ebenso unzweifelhaft deutlich uninteressantere - Geschichte, wie Nazaret ihnen nachreist.



Diese Perspektivierung des historischen Genozids ist symptomatisch für einen Film voller falscher Entscheidungen, einen Film, der stets den naheliegendsten, vorgeformtesten, aber eben auch uninteressantesten Weg wählt. Ist die Information, dass unter Völkermordbedingungen Familien auseinander gerissen werden und darunter gelitten haben, erhellend oder gar neu? Ist die Geschichte dieses Mannes, der sicher auch sein Leid zu tragen hat, sich aber doch relativ ereignisarm von Episode zu Episode seiner Suche hangelt, tatsächlich so interessant, wie der Film tut? Und was hat sie über diesen Völkermord zu sagen, der zu einer Sache bloßer Gemeinheit verkommt?

Der ausgestellte Professionalismus des Films tut sein übriges: Die Landschaften sind herrlich und breit, das Setdesign überzeugend, viel Mühe wurde darauf verwendet, das Elend per Make-Up gut in Szene zu setzen; ein Bewerbungsschreiben Richtung Hollywood, ein Versuch, ganz großes Kino - vom Bibelfilm über den Western bis hin zu den Epen David Leans - auf die Leinwand zu zaubern, was sich mit fortlaufender Spielzeit unangenehm als eigentliche Message über das wohl auch deshalb sonderbar vernachlässigte Sujet legt: "Schaut mal her, was wir können."



Was Akin leider nicht kann, ist ein Verhältnis zum historischen Gegenstand zu finden. Elend und Gewalt sind eine Sache des filmischen Affekts: Bazoooong, jaulen die runtergestimmten Gitarren auf, wenn es besonders zur Sache geht - boh, krass, soll man da denken. Erzählt wird das in einem Modus beständiger wechselseitiger Illustration und Versicherung, gerade so, als vertraue Akin seinem Publikum nicht und seinen Bildern noch viel weniger: Fliegende Vögel markieren Sehnsucht, natürlich heißt die Hauptfigur wenig subtil Nazaret (und sieht auch aus wie einem Bibelfilm entsprungen) und ein Telegramm mit schicksalshaften Informationen, das lange genug ins Bild gehalten wurde, um gelesen zu werden, muss im Anschluss nochmal rezitiert und das daraus folgende Vorgehen schwerfällig ausgeplaudert werden. So ungelenk, bieder und langweilig wird in einer Tour erzählt. Der Film befindet sich im ständigen Zirkelschluss: Krasser Völkermord ist krass, entbehrungsreiche Flucht ist entbehrungsreich, trauriger Mann ist traurig, schlimme Verlusterfahrung ist schlimm, sehnsüchtige Sehnsucht ist sehnsüchtig.

Dafür sampelt sich Akin quer durch die Bildwelten dessen, was als großes amerikanisches Kino gilt. Wenn Nazaret in den Staaten landet und vor jecken Rednecks durch den Dschungel flieht, fühlt sich das für einen Moment lang sogar nach Vietnamfilm an, sein Ende findet der Film vor südstaatendrama-artiger Kulisse. Man wird den Verdacht nicht los, dass die Story genau deshalb so sehr von der Ästhetik überformt wird, weil Akin eigentlich auch mal einen Western drehen wollte. Warum hat er es dann nicht einfach gemacht?


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Donnerstag, 2. Oktober 2014
(zuerst erschienen in der taz)




Schöne, neue, monochrome Welt: Nach einem Weltenbrand haben sich die verbliebenen Reste der Menschheit zu einer Gesellschaft der Gleichen unter Gleichen zusammengefunden - standardisiert, mütterlich behütet, wohltemperiert. Eine Welt der glatten Oberflächen, der geschmeidigen sozialen Kontakte, der mittig ausgepegelten Wallungen - ohne Gewalt, dafür voller schicksalsergebener Menschen ohne Geschichte und ohne Biografie im lauwarmen Glück vorgegebener Lebensplanung und Fürsorge. Ein Paradies, unter dessen sanfter utopischer Oberfläche die dystopische Kehrseite erahnbar ist.

Denn Frieden und Glück haben ihren Preis: Selbst noch die Erinnerung an Kunst und Literatur sind aus dem Alltag gebannt. Die Artefakte sind vor den Toren der Stadt beim "Hüter der Erinnerung" (Jeff Bridges) eingelagert, dem mit dem jungen Jonas (Brenton Thwaites) ein Nachfolger in spe zur Seite gestellt wird. Der beginnt mit erst ungläubigem, dann staunendem, schließlich zornigem Blick die einstige Fülle und Bandbreite menschlicher Gefühle und Ausdrucksweisen zu durchmessen und bald schon seinen einstigen Weggefährten und schließlich im Akt der Auflehnung der ganzen zwangsbeglückten Gesellschaft nahezubringen.

Die filmische Umsetzung von Lois Lowrys bereits 1993 erschienenem Jugendroman ist von sentimentalem Pathos - insbesondere Jeff Bridges, dem diese Verfilmung seit Jahren eine Herzenssache ist, gibt ordentlich Nuschel-Schmiere - ganz gewiss nicht frei. Hinter dem edlen, heutiger Apple-Ästhetik entlehnten Gadget-Look finden sich aber doch ein paar hübsche, im Rahmen eines mittelprächtigen Blockbusters überzeugende Gedanken zum dialektischen Verhältnis zwischen Utopie und Dystopie, zwischen jauchzendem Glück und tiefem Schmerz.

Um beflissenen "Lest mal wieder ein Buch"-Ratgeberkitsch für Kleinbürger geht es höchstens halb - dafür sind die zwar sanften Ambivalenzen an sich doch zu deutlich: Aufwallende Emotionen ziehen eben auch gewaltsame Konflikte nach sich und dass die dystopische Glücks-Gesellschaft nicht doch auch auf kühl rationale Weise Vorzüge vorzuweisen hat, bleibt ebenso kenntlich.

Sein Ende findet der Film im Weihnachtskitsch aus dem 19. Jahrhundert. In den USA beanspruchen ihn bereits Tea Party samt Konsorten als Plädoyer für die eigene, rechte Sache. Linke Kommentatoren warnen vor der dämonisierenden Verzerrung ihrer Ideen und Ideale. Völlig aus der Luft gegriffen sind die Wortmeldungen beider politischen Lager nicht.


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(zuerst erschienen beim Perlentaucher)



Verschwunden ist das Mädchen und zuvor schon die Liebe: Buchstäblich steht Nick (Ben Affleck) als er nach Hause kommt vor einem Scherbenhaufen - zunächst nur vor dem der Glasplatte des Wohnzimmertisches, doch metaphorisch ebenso vor dem seiner Ehe mit Amy (Rosamund Pike) und nicht zuletzt, wie sich in den kommenden Tagen zeigen wird, vor dem seiner Existenz. Mord? Wo ist die Leiche? Entführung? Wo sind die Kidnapper? Oder doch die fingierte Camouflage nach außen eines gewaltsam gelösten Ehekonflikts, die den Gatten alsbald selbst nicht nur in den Mittelpunkt der Ermittlungen, sondern auch des längst vor dem Haus postierten Medienapparats rückt?

Die Liebe zwischen Nick und Amy begann einst wie der schmalzige Traum eines naiven Teenies: Ausgezirkelte Flirt-Oneliner, Kuss im Puderzucker-Wirbel, leidenschaftlicher Sex in der Bibliothek, ein charmanter Heiratsantrag mit gerade jenem Schuss augenzwinkernder Obszönität, der die Sache prickelnd macht, einfallsreiche Hochzeitstagsgeschenke, ein großes Haus und eine hinreichend dicke finanzielle Decke. Das weiße, heterosexuelle Glück der Mittelschicht in Perfektion - zu schön, um wahr zu sein, wohl wahr! Und tatsächlich entblättert sich "Gone Girl", Finchers Verfilmung von Gillian Lynns gleichnamigem Bestseller, aus verschiedenen, teils überlappenden Erzählperspektiven, denen schwer zu trauen ist. "Gone Girl" ist nicht nur ein exzellenter Psychothriller mit einigen üblen Abgründen, sondern auch eine Meditation in Sachen unzuverlässigen Erzählens.

Oder genauer: manipulativen Erzählens. Wer erzählt hier wem was und zu welchem Zweck? Beide, Nick und Amy, entspringen der schreibenden Zunft und erzählen einander, welche Traumpartner sie ineinander gefunden haben (die hässliche Realität natürlich: Nick knallt in seinem Uni-Büro eine 20-jährige Studentin aus dem Kurs für kreatives Schreiben. Und Amys Realität ist eine eigene für sich). Amy wiederum erzählt einiges ihrem Tagebuch, das sich, aus gutem Grund, direkt ans Publikum wendet. Der Polizei erzählt Nick auch vieles - der hysterisierende Medienapparat wiederum erzählt eigentlich so gut wie nichts, und agitiert gerade deshalb besonders effektiv die Fernseh- und Internet-Öffentlichkeit gegen Nick, den bereits als solchen ausgemachten Ehefrauen-Mörder.



Reichlich meta das alles: Die einen (und manche anderen) manipulieren einander in Beziehungsknäste, als clever konstruierter Thriller manipuliert "Gone Girl" sein Publikum selbst in einem fort, lässt dabei das Pendel der Sympathien beständig ausschlagen und macht gerade in seiner grenz-satirischen Überspitzung die Manipulierbarkeit der öffentlichen Wahrnehmung und damit einen zentralen Mechanismus der heutigen Shitstorm-Medienkultur, in der alle eine Meinung über Entgleisungen und Fehltritte Einzelner haben, während die ganz großen Schweinereien ungestört in den Hinterzimmern ablaufen können, kenntlich. Denn das Gefecht um die Deutungshoheit der Geschehnisse wird auch von Nick selbst zusehends über die Medienkanäle bestritten, bzw. größtenteils an diese öffentliche Arena delegiert.

Schön fies, mitunter grenz-, wenn nicht sogar voll-heikel, welche kirren Borderline-Dimensionen Fincher das Manipulations-Ballett annehmen lässt (schön fies auch, dies ganz am Rande, wie auch die Filmkritik an die Kandare genommen wird, denn wirklich schreiben lässt sich über einen 150 Minuten langen Film, der bereits im ersten Drittel munter Plotwendungen aneinander reiht, die man schon aus Gründen der Fairness nicht spoilern sollte, kaum). Die Vorstellung der romantischen Paarbeziehung jedenfalls, wie sie Hollywood in der Regel auch heute noch ans Ende seiner zumindest gängigsten Konkretionen setzt, erfährt eine schöne Verschiebung ins nicht nur sacht Horrible. Nicht von ungefährt erinnern die Texte nicht weniger Liebeslieder bei genauerer Betrachtung eher an Stalker-Bekenntnisse, ausformulierte Besitzansprüche und konsequente Selbstaufgaben. "Romeo and Juliet are together in eternity" heißt es in dem Lied "Don't Fear the Reaper" von Blue Öyster Cult, das an einer Stelle in "Gone Girl" im Hintergrund läuft: Was unzählige Hippie-Turteltauben einst bei Kerzenlicht als Ausdruck vollkommener Hingabe an den Anderen goutiert haben, entpuppt sich in "Gone Girl" als existenzielle Drohung: Auf ewig Dein, auf ewig mein. Das perfekte Paar, ganz Hollywood, steht auch hier am Ende der Erzählung. Zu einem Preis allerdings, der schaudern lässt. Zumindest in dieser Hinsicht handelt es sich bei "Gone Girl" um Finchers großen Anti-Hollywood-Film - realisiert inmitten der Industrie. Was für eine Volte!


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Mittwoch, 17. September 2014
(zuerst erschienen im Standard, in der taz als gekürzte Fassung)



Ava Lord (Eva Green), eine Frau, für die gemordet wird. Eine Femme fatale, nicht wie sie im Buche - etwa bei Chandler oder Hammett - steht, sondern wie sie Frank Miller erst 1993 in seinem postmodernen Comic Sin City in nostalgischer Erinnerung an einstige Roman- und Filmlektüren ersonnen hat und nun gemein- sam mit Regisseur Robert Rodriguez im postmodernen Kino auf die große Leinwand bringt: einerseits handelndes Subjekt der Geschichte, das Männer für ihre Zwecke reihenweise um den Finger zu wickeln versteht, andererseits fetischisiertes Objekt des Films, an dessen Reizen die Kamera so untertänig wie übergriffig hängt.

Die Verkörperung von blankem Sex - mit blitzend bösen Augen, verführerisch gedämpftem Spiel, über weite Strecken des Films so verlockend wie gefährlich nackt. Weit weg also von ihren verhüllten, ihre Versprechungen nur andeutenden filmhistorischen Ahninnen und damit die überdeutliche Konkretion einer Venusfalle, für die jeder Mann seine Existenz umgehend aufs Spiel setzt. Kein Wunder, dass diese Frau von diesem Film, einem einzigen Konvolut aus Männerneurosen, am Ende für ihre Verlockungen bestraft werden muss.

Neun Jahre nach ihrem ersten, vielbeachteten Sin-City-Film legen Miller und Rodriguez nun ein Quasi-Prequel vor. Nicht nur bietet das die Möglichkeit, in Teil eins zwar aus dem Leben geschiedene, aber beliebte Figuren wie etwa den kantigen Marv (Mickey Rourke) wiederauftreten zu lassen, auch ansonsten gibt es "more of the same": versiffte Spelunken, Schlägereien, Huren, Psychos, miese Absteigen, korrupte Bullen, viel urbanen Gossenschmier, markige Sprüche aus dem Archiv des verwahrlosten Rock-'n'-Roll-Existenzialismus.

Eine - Stichwort: Pulp Fiction - verschachtelt episodisch erzählte Fantasie zwischen Sexheft und Pulproman, deren obsessive Reizpunkte das Team bewusst schwarz-weiß grell, überzeichnet, übergroß in Szene setzt. Mit dieser parodistisch-hyperbolischen Methode wird deren neurotischer Kern, wenn auch unfreiwillig, freigelegt.



Technisch gibt es einige Fortschritte zu verzeichnen. Vor allem das 3-D-Format steht Sin City 2 als zwischenzeitig hinzugekommenes Gestaltungsgimmick gut an. Das lindert das große ästhetische Problem des ersten Teils, mit dem auch dieser Film zuweilen etwas kämpft, ein wenig: Frank Millers oft ganzseitige und von viel, sehr viel Text begleitete Panels erzielten in der Comicvorlage eine Radikalität innerhalb des Mediums, zu der Robert Rodriguez in seinen sklavischen, um Bewegung ergänzten Bildnachstellungen keine adäquate filmische Entsprechung fand.

Der Raumeffekt verleiht der lustvoll verkommen imaginierten Stadt mit all ihren reizvollen und weniger reizvollen Fetischen nun eine angenehm überwältigende Wucht, die den zentrifugal davonstrebenden Drastiken einiges an manischer Dringlichkeit gibt. Zur masochistischen Tendenz dieser wie im Speedrausch heruntergerasselten Pulp-Geschichten passen diese Prügel für das Publikum so weit ganz gut.

Dennoch macht sich bald Übersättigung bemerkbar. Man fühlt sich wie nach einer hemmungslosen Fastfood-Orgie: durchaus zufrieden, aber eben auch pappsatt. Und man fürchtet die fiesen Pickel, die solchen Exzessen gnadenlos folgen.


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Freitag, 12. September 2014
(zuerst erschienen im Perlentaucher)

David Cronenberg goes Hollywood. Wenngleich nur, was das Setting betrifft: Vier Produktionsfirmen aus vier Ländern - nur eine davon us-amerikanisch und kein großer Fisch im Hollywood-Tümpel - zeichnen für "Maps to the Stars", mit dem sich Cronenberg nach Ausflügen ins frühe 20. Jahrhundert ("Eine dunkle Begierde") und die nahe Post-Kollaps-Zukunft ("Cosmopolis") wieder ganz der Gegenwart zuwendet, verantwortlich. Es mag auch an dieser Branchenferne liegen, dass Cronenbergs Blick auf die Abgründe der sich ohnedies sehenden Auges auf die Implosion zubewegenden Glitz-und-Glam-Welt von Los Angeles noch im strahlenden Sonnenschein düster, bösartig und gallig ausfällt, auch wenn der Cast mit Julianne Moore, Mia Wasikowska und (in einer Nebenrolle) Robert Pattinson eine Nähe zum Herzen der Industrie nahelegt. Das Komödien-Subgenre der beschwingt augenzwinkernden Hollywood-Farce, die es bereits mit mildem durch den Kakao Ziehen auf sich bewenden lässt, ein paar Wahrheiten vielleicht sogar anspricht, aber dabei - hey hey - die Kirche bitte im Dorf lässt, ist "Maps to the Stars" glücklicherweise nicht geworden. Nicht, dass ich zu der Fraktion zählen würde, doch wer dem kanadischen Altmeister des Body-Horror nachsagt, sich zuletzt von alten Tugenden spürbar entfernt zu haben oder gar altersmilde (bösere Zungen behaupten: langweilig) geworden zu sein, wird auch hier kein gewaltiges Comeback der alten blutig-sudeligen Form erleben. Doch schön mulmig und psychisch abgründig ist diese Reise ins Herz der Glamour-Finsternis schon geworden.



Die Körper sind wieder Schauplatz und Leinwand in einem: Hätte Cronenberg in den Siebzigern und Achtzigern den Neurosen- und Traumata-Komplexen auf zwei Beinen noch neue Organe wachsen lassen oder deren bereits bestehenden Organe zur Explosion gebracht, sind es hier Hautunreinheiten und Pickel, sowie nicht zuletzt großzügige Flächen verbrannter Haut und dergleichen Makel mehr, die sich dem Photoshop-Gloss der Hollywood-Körper nicht nur widerständig entgegenstellen, sondern auch insistierend darauf verweisen, dass die Wesen, über die sich diese Häute spannen, mit sich buchstäblich nicht im Reinen sind. Zwischen Psychotherapie und Yoga, aufblühendem und verwehendem Starruhm, kleinen und größeren Gehässigkeiten und nicht zuletzt aus jeder Menge Albdruck aus der Vergangenheit baut David Cronenberg einen großartigen Komplex des menschlichen Unglücks inmitten einer der realen Welt entrückten Industrie, die gerade dieser Welt doch verspricht, ihr die eigenen Träume und Sehnsüchte - mithin: das Glück selbst - zu verkaufen.

Ein kleiner, nicht erschöpfender Überblick über die Dramatis Personae: Die stets großartige Julianne Moore entgrenzt sich atemberaubend in die Rolle von Havana Segrand, einer spleenigen Soon-to-be-Has-Been-Darstellerin, der im Alter von 50 Jahren dramatisch die Rollen ausgehen. Ihre aktuelle Obsession: Ein Remake jenes Films, in dem einst ihre mittlerweile verstorbene Mutter, die sie in ihren Tagträumen noch immer heimsucht, reüssierte, mit ihr selbst in der Rolle der damals deutlich jüngeren Mutter. Dann ein Kinderstar (Evan Bird), der sämtliche Allüren und Großkotzigkeiten des Betriebs bereits vorbildlich verinnerlicht und in einer Kotzszene cronenbergisch-metaphorisch entäußert, der selbst schon unter dem Druck eines zusehends brutalisierten Starsystems im Zeitalter der ständigen Ersetzbarkeit aller Protagonisten zu äußersten Mitteln greift. Und, als Hauptfigur, die rätselhafte Agatha, gespielt von Mia Wasikowska, mit ihren Brandnarben die am eindeutigsten Gezeichnete von allen, die eine Twitter-Bekanntschaft mit Carrie "Prinzessin Leia" Fisher (die sich selbst spielt) nach Hollywood bringt und als zusehends ausgenutzte und seelisch missbrauchte Assistentin bei Segrand landet. Agatha wiederum, als mysteriöse, vermeintlich Außenstehende des Betriebs, entspringt tatsächlich ganz dessen Herzen - und hegt einen eigenen Plan.

Hollywood, eine gigantische Fabrik. Nach vorne produziert sie Träume, Oberflächen, Begehren: Der wirtschaftliche Hauptarm der Filmindustrie, für den sich Cronenberg kein Stück weit interessiert, ihn insbesondere ästethisch - wohl nicht nur aus Budgetgründen - konsequent ausspart. Vielmehr interessiert er sich für das, was am anderen Ende herauskommt: Einen eigenen Film fährt "Maps to the Stars", was Exkremente betrifft. Immer wieder geht es um Fürze und um Scheiße, die der Film, sofern ihre Provenienz aus einem Star-Anus tatsächlich beglaubigt ist, in einer zumindest auf Dialogebene bizarren Szene in den Rang eines veritablen, gut absetzbaren Nebenprodukts des Starsystems hebt. Auf diese Weise erzählt "Maps to the Stars" auch von der Erosion eines Systems, das einst auf der Aura der Distanz basierte und heute - dank Twitter, Facebook, Instagram - dem Fetisch künstlicher Nähe huldigt: Besitze auch Du ein bisschen Exkrement Deines Lieblingstars - noch heute, jetzt!



Ein Geflecht von Personen, Relationen, Verletzungen, Sehnsüchten und enttäuschten Wünschen, die Cronenberg mit kalt sezierendem Blick zu isolieren und doch auf einander zu beziehen versteht: Konsequenter als in "Cosmopolis" erscheinen die Menschen als Vereinzelte, die auffallend selten zu zweit einen Bildkader bewohnen. Man mag darin eine Allegorie auf die Ich- und neoliberale Eigenblutdoping- und Optimierungsgesellschaft sehen, auf das Alleingelassen-Sein in einer Welt, die von der Geborgenheit des Einzelnen im gesellschaftlichen Netz nichts wissen will, ihm aber alles gesellschaftliche Elend ohne weiteres zumutet. Vielleicht liegt in dieser Bildpolitik auch einfach der Horror davor, immer nur auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, keine Brücke zum anderen mehr aufbauen zu können, den Anderen nicht mehr erkennen zu können, vom Anderen nicht mehr erkannt zu werden, Zweisamkeit nicht mehr erfahren zu können.

Konsequent lässt Cronenberg diese Logik der Vereinzelung auf ein Wiedererkennen im gemeinsam geteilten Trauma hinauslaufen. Ein Moment der Zweisamkeit entsteht zuletzt, tödlich, von zugleich verstörender wie beglückender Poesie: In der zwanghaften Wiederaufführung des Moments einer einst ins Seelengewebe geschlagenen Verletzung mag ein Trost liegen. In diesem Film schlägt, wie schon in Cronenbergs düstersten Erkundungen der einsamen Menschen und ihrer Körper, ein dunkles, vor Schmerzen aufschreiendes Herz.


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Samstag, 6. September 2014
(zuerst erschienen im Freitag)

Die Traumstadt ist eine Altstadt: pittoresk verwinkelt, angenehm unherausgeputzt, touristisch nicht erschlossen, gelegen im letzten Winkel der Welt – im Film irgendwo hinter einer Karl-May-Wüstenlandschaft, in echt im tschechischen Erzgebirge. Preßnitz, die Traumstadt aus Johannes Schaafs gleichnamigem Film von 1973, die im furiosen Ende vor laufender Kamera gesprengt wird, wurde tatsächlich dem Erdboden gleichgemacht und liegt heute am Grunde eines Stausees.



So also sieht die Traumstadt aus, eine Art Dorfkommune, in die ein von Schaffenskrisen gebeutelter Künstler (Per Oscarsson, mit seiner hager-eitlen Körnerfresser-Weltabgewandtheit bestens besetzt) aus dem aufregend urbanen München der 70er Jahre aus seiner hippen Space-Age-Wohnung samt Gattin (Rosemarie Fendel) von einem mysteriösen Fremden mit dem Argument gelockt wird, dass man hier von den Zumutungen der Moderne frei und für alles gesorgt sei, dass man jedem Bedürfnis und jeder Lust nachgehen könne. Regressive Utopie: das Dorf mit bürgerlichem Anstrich – alles sehr 18., 19. Jahrhundert – als freiheitlicher Gegenort zum Urbanismus der Zeit mit seinen klaren Formen und Linien. Michael Endes Metropolen-Ennui lässt grüßen, folgerichtig verfilmt Schaaf später Momo.

In Traumstadt scheitert das Versprechen grenzenloser Freiheit schon daran, dass zum ausgelebten Begehren eben doch mindestens zwei zählen und diese miteinander übereinkommen müssen. Im Film, basierend auf Alfred Kubins einzigem, surrealen Roman Die andere Seite, schlägt die Utopie daher nach einem bürokratischen Zwischenspiel bald um in ein Wahnbild aus Enthemmung und Degeneration, irgendwo zwischen Federico Fellini, Alejandro Jodorowsky und Hieronymus Bosch, besonders augenfällig in einer grotesken Theaterszene, in der unzählige Akteure vor leerem Saal permanent obszön aneinander vorbeispielen.



Kurz nach 1968, in einer Zeit, in der der deutsche Sexfilm eine sieche Industrie über Wasser hält und die RAF längst zu den Waffen gegriffen hat, ist das trotz aller Weltferne als Statement zur Gegenwart zu lesen: Eine tiefe Skepsis gegenüber allen Verlockungen großer Freisprengungsnarrative durchweht den Film, immer mit Blick darauf, dass darin auch die Gefahr der Zerstörung des Gegebenen und Tradierten liegt. Der aktuelle Peter Sloterdijk mit seiner Klage über die schrecklichen Neuzeitkinder hätte seine Freude. In der DVD beiliegenden, eigens gedrehten Interviewfilm äußert Johannes Schaaf denn auch Zweifel, ob der Film im heutigen Kontext überhaupt noch richtig verstanden werden kann.

In der Tat wirkt nun manches etwas morsch, zumal der Künstlertypus Einsiedler in der Post-Christoph-Schlingensief- und Jonathan-Meese-Gegenwart eher ausgestorben scheint. Schöner ist die Stellenlektüre: Unter den Schichten an Weltuntergangsromantik, die am Ende sehr konkret in den Kader schießt, ist hier eben doch eine für den damals noch jungen deutschen Film ungewöhnliche Lust am drastischen, entrückten, bizarren Bild zu beobachten. Es sagt viel aus über die 70er-Jahre-BRD, dass man an die grellen Welten aus Jodorowskys zeitgleich entstandenem Heiligen Berg hierzulande näher kaum herangekommen ist – und auch dann nur mit mahnend erhobenem Zeigefinger. Allein für diese Erkenntnis ist der vorbildlichen Edition, die eine lange nur in Form defizitärer Fernsehaufnahmen kursierende Rarität der westdeutschen Filmgeschichte wieder zugänglich macht, zu danken.

Die hervorragende DVD ist bei Filmjuwelen erschienen.


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Freitag, 5. September 2014
(zuerst erschienen im Freitag)

Kein Filmstar von wahrem Glanz und Rang, der nicht mit der einen großen ikonischen Szene ins Bildgedächtnis eingegangen wäre. Die Monroe hatte den Fahrtwind aus dem Schacht, der ihren Rock in Turbulenzen brachte; Elizabeth Taylor den pompösen Großauftritt als Cleopatra – Hollywood-Überbarock in seinem besten Ausdruck.

Die Drag-Queen Divine (bürgerlich: Harris Glenn Milstead) wird dagegen für immer in jener Szene mit dem Hundehaufen erinnert werden, den sie in John Waters’ schmutzigstem Film Pink Flamingos (1972) unter sichtlichem Kampf mit dem Würgreflex vor laufender Kamera verschlang. Finaler Höhepunkt eines Proto-Punk-Films, der Divine in einer losen Abfolge bis heute verstörender, fröhlich dargebotener Geschmacklosigkeiten und Regelverletzungen endgültig zum Star machte. Fortan wurde sie gefeiert in den Nischen der queeren Gegenkultur, später zwischen trashigem 80er-Jahre-Dancefloor und Produktionen auch in Hollywood-Nähe. 1988 starb Divine, deren enormes Übergewicht neben ihrer demonstrativ konfrontativen Attitüde stets ein Markenzeichen war, kurz nach der Premiere von Waters’ Film Hairspray auf dem Gipfel ihres Erfolgs an einem Herzinfarkt.

Aufstieg, Triumph und melodramatischer Abgang eines Filmstars gegen alle Widerstände und Wahrscheinlichkeiten – dieses Narrativ übernimmt Jeffrey Schwarz in seiner nun auf DVD veröffentlichten Hommage "I Am Divine". Die Dokumentation montiert die für solche Filme üblichen Interview-Blurbs zahlreicher Weggefährten – darunter natürlich auch der „Pope of Trash“ John Waters – mit zum Teil bislang ungesehenem Archivmaterial. Der Film erzählt auf diese Weise die Geschichte eines zwar verfressenen, im Auftritt aber femininen und sensiblen Jungen, der unter den zahlreichen Gehässigkeiten seiner Mitschüler litt. Zuflucht und Anschluss fand er in der schwulen Underground-Kultur seiner Heimatstadt Baltimore mit ihren Drogen, Drag- und Film-Events („Lasst uns Bergman auf LSD sehen!“), ehe er schließlich den ewig gehegten Traum, Filmstar zu werden, mit seinem Partner in Crime John Waters in Angriff nahm – ohne Rücksicht auf sich selbst, mit billigstem Equipment und einer ziemlichen Naivität in Bezug auf das Business.



Für Milstead entpuppte sich die Kunstfigur Divine zunächst als Segen, weil sie ihm Türen öffnete. Am Ende aber, bei den Versuchen, als seriöser Darsteller in Hollywood Fuß zu fassen, erwies sich das Image mitunter als Fluch. Hier zeigt sich noch die bittere Dialektik selbst liberaler Heteronormativität: Wer einmal im Drag geduldet war, soll darin bitte schön bleiben. Milsteads fast tragisch anzusehende Versuche, sich der Öffentlichkeit des Mainstreams als „echter Mann“ anzubieten, scheitern mangels Interesse.

Vor allem die Vielfalt des versammelten historischen Materials macht aus I Am Divine einen sehenswerten Film – Interesse an Trash und Queer Culture vorausgesetzt. Ob man dem Leben eines Menschen, der mit allen Regeln und Tabus brach, mit einem formal recht gewöhnlichen und sein Sujet auf wenig überraschende Weise narrativisierenden Porträtfilm allerdings wirklich gerecht werden kann, bleibt zumindest fraglich. Mag der Film dadurch auch etwas brav geraten sein, ist die Geschichte vom gehänselten Jungen, der im Fummel nach den Sternen greift, doch anrührend. Dass sich Schwarz’ Film über weite Strecken wie eine klassische Hommage an einen Hollywood-Star anfühlt, hätte Divine wohl am besten gefallen.


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Donnerstag, 4. September 2014
(zuerst erschienen in Sissy - Magazin für den nicht-heterosexuellen Film)

Ein Dorf in Brandenburg. Öde Wohnhäuser aus grauem Beton mit Vorgarten, keine Gehsteige. Ein Fußballverein, herumlungernde Mofa-Jugendliche, ringsum viel Wald. Tristes Idyll, in dem eine eindeutige Sprache herrscht: „Wir sind hier doch nicht bei der Tuntenparade“, bellt es aus dem ruppigen Fußballtrainer Horvath (Uwe Preuss) heraus. Hier leben? Nein, danke.

Jakob (Michel Diercks) ist sichtlich abseits dieser umzäunten Gemeinschaft. Als junger Polizist steht er zwar symbolisch ein für die phallokratische Macht von Recht und Ordnung. Doch im Detail ist das Bild unstimmig: Schon das Gesicht ist zu sanft gezeichnet, um zumindest das Filmklischee vom deutschen Bullen zu erfüllen. Sein Blick ist melancholisch, seine Antworten zögerlich.

Ein „echter“, ein „ganzer“ Kerl ist er also gerade nicht. Zwar kommt er von hier, doch das hat nichts zu bedeuten: Als Autorität ist er faktisch nicht anerkannt, eher schon wird er skeptisch beäugt, unter spitzen Bemerkungen höchstens geduldet. Das mag damit zusammenhängen, dass dörfliche Gemeinschaften den öffentlichen Strukturen ohnehin meist nur zum Schein folgen, während man triftige Angelegenheiten für gewöhnlich unter sich ausmacht. Vielleicht aber auch damit, dass Jakob offenbar noch nie zu den Alpha-Männchen dieses Dorfrudels gezählt hat: „Jakob hat seine Pistole noch niemals abgefeuert“, wird einmal geunkt.

Stattdessen kümmert er sich fürsorglich um einen nachts in den Wäldern heulenden Wolf, den die Bevölkerung gerne aus der Welt geschafft sähe: Bonding unter Missverstandenen. Nicht zuletzt ein erster Hinweis darauf, dass es in „Der Samurai“ auch um eine verdrängte Form des Begehrens geht, und einen Brückenschlag zur Bilderwelt des Märchens, in dessen tieferen Schichten der Wolf meist ambivalent, mit deutlicher Angstlust besetzt, figuriert.

So wie der Wolf jüngst nach Brandenburg zurückgekehrt ist, so kehrt mit Till Kleinerts an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) entstandener Abschlussarbeit „Der Samurai“ auch der fantastisch-exzessive Film ins hiesige Kino zurück: vorsichtig zwar, ein wenig zögerlich, doch schließlich umso selbstbewusster. Die repressive Atmosphäre entlegener Dörfer zeichnet Kleinert binnen weniger Minuten mit kräftigen, prägnanten Strichen, Martin Hansl­mayrs Kamera fängt die Tristesse gut ein. Das im deutschen Kino so präsente Sozialdrama schneidet „Der Samurai“ zwar kurz an, um sich dann aber rasch für Motivik und Mittel des drastischeren Genre­kinos zu entscheiden. Und das zum Glück sehr selbstverständlich, sehr selbstbewusst, ganz ohne das auftrumpfende, elend nervende Pathos, mit dem andere Werbetrommelrührer in eigener Sache verkrampft den „Neuen Deutschen Genrefilm“ ausrufen.

Spätestens wenn sich die Nacht mit ihren Gefahren und Verlockungen, ihren poetischen Uneindeutigkeiten und Verzauberungen über dieses Nest legt, entrückt sich dieser im Schein der spärlichen Straßenbeleuchtung eigentümlich zu glühen beginnende Film in Richtung Märchen- und Horrorwelt, aus der auch der mysteriöse Samurai entsprungen scheint, der Jakob erst in ein verfallendes Hexenhaus lockt, um ihn dann in ein so brutales wie lüsternes Katz- und Maus-Spiel zu verstricken.



Eine durch und durch queere Gestalt: Hühnenhaft, viril, körperlich agil, mit blutrot geschminktem Mund, gekleidet in ein weißes Kleid – eine verlockende, tödliche Braut aus nichts als nervös überbordender Männlichkeit. Ein Symbol für den Rausch eines entfesselten Begehrens jenseits heteronormativer Strukturen: Phallisch und weiblich, anziehend und bedrohlich zugleich, insbesondere, wenn er seine scharfe Klinge schwingt und Köpfe von Rümpfen schlägt, um das in den Leibern gefangene Begehren wie ekstatisches Feuerwerk im Blutregen freizusetzen: Als ob man Champagnerflaschen köpfen würde, ein ejakulatorisches Spektakel inmitten der dunklen Provinznacht, wo solche Befreiungsschläge dringend not tun, auch wenn fürs Erste nur die aufgeräumten Vorgärten dran glauben müssen. Hinter den geschlossenen Jalousien zittert das Kleinbürgertum bald ängstlich, während allein Jakob sich auf den blutigen Tanz mit dem Samurai einlässt – nur um schließlich sein eigenes, hinter der Fassade des Ordnung wahrenden Polizisten verdrängtes Begehren zu entdecken und freizusetzen. Dass nun ausgerechnet Jakob zu Beginn der Hatz noch ein „Hör mit dem Versteckspiel auf und zeig Dich“ in den Wald, diesen Sehnsuchtsort unbefriedigten Begehrens, hineinruft, ist bewusst gesetzte Ironie, ein verdeckter Aufruf vielleicht auch an alle, die selber in der Provinz sitzen, allein gelassen mit ihrer sexuellen Lust abseits dessen, was heterosexuelle Männer als sanktionsfrei gekennzeichnet haben.

Eine Allegorie auf abweichendes sexuelles Begehren also, oder auch auf die Furcht, die man davor empfinden mag, wenn es sich regt und einen verwirrt. Ohne weiteres hätte man aus dem Stoff einen sehr verständnisvollen, pädagogisch wertvollen, nach allen Richtungen ausgewogenen und – jaja, gewiss – natürlich auch gesellschaftskritischen Fernsehfilm fürs Abendprogramm drehen können, sozialdemokratische Sorgenfalte inklusive. Und hätte mit einem solch braven Vorgehen nach Regelbuch ästhetisch und motivisch jenen betulichen Behaglichkeitswünschen des gesellschaftlichen Konsens zugearbeitet, die es ganz besonders zu unterwandern und zu brüskieren gilt. Zum Glück hat Till Kleinert die relative Freiheit, die ein Abschlussfilm noch bietet, zu nutzen gewusst und – eine kühne, tapfere, eines queeren Kino-Samurais sehr würdige Entscheidung – gerade kein Empfehlungsschreiben in Richtung Fernsehspiel gedreht, sondern einen schön ekstatischen, die Lust am Exzess immer wieder zelebrierenden Genrefilm, der dadurch, dass er sich nicht verzweifelt den US-Vorgaben andient, sondern seinen Stoff hier, in der sozialen Wirklichkeit Brandenburgs, ansiedelt, zu punkten versteht.

Wenn die Köpfe erst mal rollen, wird das saubere, aufgeräumte, theaterdeutsche Kino hier schön mit Kunstblut eingeschmiert, wie man das sonst nur von den bizarren Sudeleien eines Takashi Miike her kennt. Wie sich der Film dabei nach und nach enthemmt, also ganz buchstäblich ein Coming-Out zelebriert, das ist – trotz kleinerer Unebenheiten, die aber leicht verzeihlich sind – schon ziemlich toll. Im Grunde ist das schon gar kein Freiheitsdrang mehr, der hier aus den Bildern spricht, sondern ein selbstbewusst insistierendes Pochen darauf, dass solche Stoffe, solche Bilder, eine solche Ästhetik auch hierzulande möglich sein müssen – bis hin zu einem tapferen, jedes FSK-Gremium in Wallung bringenden Bild, in dem ein halberigierter Schwanz in Großaufnahme von der Leinwand auf sein Publikum herab blickt; Das offensichtlichste Indiz für männliches Begehren – gleich in welche Richtung auch immer – gilt in den bürgerlichen Prüfstuben immer noch als Maßstab, um zwischen sauberem Kino und akuter Jugendgefährdung zu unterscheiden, auch wenn nahezu jeder 16-jährige in seinem Leben einen steifen Schwanz schon in Händen gehalten haben dürfte, und wenn es nur der eigene war.



In all diesen Strategien der Veruneindeutigung nähert sich Kleinert dem allegorischen Potenzial eines queer gelesenen Horrorkinos, wie es etwa Louis Peitzman in einem Essay für Buzzfeed im vergangenen Jahr perspektiviert hat. Ein nicht geringer Teil der Angstlust am pubertären Slasherfilm – oft als Parabel auf einen neuen Puritanismus gelesen – bestehe demnach nicht zuletzt auch in der darin codierten Angst vor dem eigenen zwar queeren, sich gegenüber sich selbst aber noch nicht eingestandenen Begehren: in der spekulativen Lust an der buchstäblichen Über-Mannung durch eine stark phallisch codierte, monströse – also in seinen Komponenten eben nicht vereindeutigte – Präsenz. Wer sich solcher Allegorien bedient, dreht zwar keine pädagogisch wertvollen Plädoyer-Filme für ein schöneres Miteinander – aber er kriegt dadurch ein Partikel der Realität vieler junger Leute zu fassen, die der Betriebsblindheit eines braven Kinos grundsätzlich unzugänglich bleibt.


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(zuerst erschienen beim Perlentaucher)

Muskeln, Römer, Griechen - mit Filmen wie dem "300"-Sequel, "Pompeii" und dem bei Kritik und Publikum zwar gleichermaßen durchgefallenen, wegen seiner ganz eigenen Qualitäten aber von einigen Cinephilen derzeit versuchsweise rehabilitierten "Legend of Hercules" erlebte der Sandalenfilm zuletzt ein erstaunliches Comeback. Mit dem zweiten "Hercules"-Film der Saison, passend mit Dwayne "The Rock" Johnson in der Titelrolle besetzt, dessen Muskelberge sich mittlerweile zu Kontinenten auswachsen, endet der jüngste Höhenflug des Genres nun allerdings abrupt. Konnte "300: Rise of an Empire" noch als konsequente Durchfetischisierung und "Pompeii" als gegenüber dem Genre und seiner Geschichte respektvolle Reprise für sich bestehen, ist "Hercules" im wesentlichen eine so scham- wie charmlos depperte "Gung Ho"-Variante mit blöden Sprüchen und rustikaler "Aufs Maul"-Attitüde. Hübsch allein: Die zahlreichen Großaufnahmen von Johnsons Gesicht, wenn dieser sich redlich müht, als Held von Format ein gütiges, im Resultat allerdings nur dümmliches Grinsen zu bewerkstelligen - da findet der Film tatsächlich für wenige Sekunden einen Weg ins Herz des Publikums.



Nicht, dass sich der auf einem Comic von Steve Moore basierende Film keine Mühe gibt, das Geprügel ein wenig zu erden. Zum einen stellt er dem Geschehen von Beginn an einen mythenskeptischen Diskurs zur Seite: Besungen wird hier nicht nach alter Väter Sitte der große Held und dessen überirdische Taten, sondern ein Freelance-Söldner, der seine Taten quasi schon aus Gründen des Eigenblutdopings von einem Rhapsoden ausschmücken und überhöhen lässt - und damit die Messlatte so hochlegt, dass der Halbgott nur mit großer Mühe die selbst erweckten Ansprüche erfüllen kann. Zum anderen erzählt "Hercules" eine Geschichte mit sachten Shakespeare-Anflügen, ein Intrigendrama rund um Herrschaftsansprüche und Landbesitznahme, in dem Hercules einer bis dahin wenig durchschlagskräftigen Armee binnen kürzester Zeit zu Glanz und Glorie verhelfen soll.

Beides läuft freilich wenig rund. Will man einen antiken Held tatsächlich im ständigen Widerstreit mit seinem lancierten Image sehen? Und was ist damit gewonnen, die Fabelwesen der antiken Mythologie aufs reichlich Menschliche zurückzuwerfen? Die sich am Horizont drohend abzeichnenden Zentauren entpuppen sich hier bald als schnöde Reiter hoch zu Ross - fahler lässt sich Poesie kaum entzaubern. Und was ist spannend daran, einen aufgeputschten Dwayne Johnson dabei zu erleben, wie er einen Haufen schmaler Hemden mit Sprüchen aus der "Tschaka - Du schaffst"-Motivationsecke durch die griechische Pampa hetzt?

Auch ästhetisch bietet "Hercules" vor allem trocken Brot. Auf gepflegten Kintopp-Irrsinn wartet man nahezu vergeblich. Erst zum Showdown, und da schon viel zu spät, verirrt sich diese ansonsten reichlich durchschnittliche Hausmannskost für ein paar Momente in die Gefilde jenes gigantomanischen Schwachsinns, den man sich von einem "Hercules"-Film versprechen können sollte.


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Dienstag, 13. Mai 2014
Im folgenden nach langer Zeit in sanfter Überarbeitung dokumentiert: Meine Einführung zu Brian De Palmas "Blow Out", die ich im vergangenen Jahr im Kino Arsenal zu Beginn der Filmreihe "Real Eighties" gehalten habe..

Vielen Dank für die Einladung, hier im Kino Arsenal zu sprechen. Danke auch an meine lieben Freunde der Gruppe “The Canine Condition” - nicht nur für diese Einladung, sondern auch für diese tolle Reihe zum us-amerikanischen Kino der 80er Jahre, aus der in den kommenden Tagen der thematische Schwerpunkt “Neo-Noir” zu sehen sein wird. Ich denke, alleine schon die in ihrer Menge, aber auch in ihrem Zuspruch überwältigende Berichterstattung in allen großen Feuilletons in Österreich, Deutschland und der Schweiz legt offen, dass es ein schwelendes Bedürfnis gibt, die Geschichte vom Niedergang, als der das US-Kino der 80er gemeinhin eingeschätzt wird, einer Revision zu unterziehen, das Material neu zu sichten und auf Spuren und Splitter einer anderen Geschichte des Kinos der 80er Jahre hin zu untersuchen. Und sei es, wie in dieser Reihe, von den Rändern des Mainstreams her, mit Blick ins Zentrum einer Industrie, die sich zum Zeitpunkt, der uns hier und heute Abend ganz besonders interessiert - also ab Ende der 70er und besonders mit Anfang der 80er - in einem dramatischen Transformationsprozess befindet.



Material sichten ist auch ein gutes Stichwort für den Film, den wir gleich im Anschluss sehen werden. Bereits im Titel lehnt sich Brian De Palmas “Blow Out” an Antonionis “Blow Up” an. In beiden Filmen geht es, wenn man so will, um Medienarbeiter, deren jeweiliges Medium - dort die Fotografie, hier die Tonaufnahme - mit Gleichmut auch all das registriert, was sich der selektiven menschlichen Wahrnehmung entzieht. Und in beiden Filmen entwickeln die jungen Männer beim immer neuen Durchgehen des Materials eine rasende Manie, um das Rätsel zu lösen, das ihnen ihre Medienartefakte stellen: Hier nun ist es John Travolta als Tontechniker für räudige Exploitationmovies, der sich die Frage stellen muss, ob sein Aufnahmegerät in seinem unwissenden Beisein Zeuge eines Mordes wurde oder nicht. “Tontechniker”, schreibt Daniel Eschkötter in der aktuellen Ausgabe der Filmzeitschrift Cargo, “Tontechniker und Effektemacher, das sind, im Kino, Eingeweihte, Verstrickte, Skeptiker - Epistemologen des Wahns und der Zerrissenheit des Kinos”. Die “Zerrissenheit des Kinos” - in "Blow Out" nimmt diese ganz konkrete Fomen an: Zwar ist jede Tonaufnahme zunächst einmal Dokument eines akustischen Ereignisses, doch zur Einschätzung ihres Charakters braucht es äußere Parameter - etwa ästhetischer Kontext, eine quasi-notarielle Zeugenschaft, eine gut dokumentierte Provenienz. Oder aber anderer, beglaubigender Medien. In “Blow Out” liefert diese ein undurchsichtiger, ziemlich schmieriger Fotograf, der in mancher Hinsicht eine Art dunkler Zwilling zu Travoltas Figur darstellt - seine im Stil der Serienfotografie erstellten Aufnahmen erinnern einerseits an die Vorgeschichte des Kinos bei Muybridge und nehmen andererseits eine medientechnische Komplementärfunktion ein: Aus einzelnen Bildern wird ein Daumenkino, daraus ein Stummfilm und schließlich, unter Hinzunahme der vorliegenden Tonspur, ein Tonfilm - eine Verschaltung von Medien, die in ihrer Addition mehr ergeben als die Summe der einzelnen Teile: Ton und Bild erläutern und beglaubigen einander wechselseitig. Das gesammelte Material spricht in der Sichtung für einander.



Während kriminalistische oder gar konkret politische Aspekte bei Antonioni vergleichsweise unterbelichtet bleiben, kann an der Existenz einer Leiche in "Blow Out" kein Zweifel bestehen. Dass es sich dabei um den aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten handelt, verleiht der Sache eine Brisanz, die direkt ins Paranoia-Dickicht der großen Verschwörungsthriller der 70er Jahre führt, in denen sich die innere Krise der USA der 70er Jahre und die diffuse Ahnung, dass Filz und Cliquen die “Nation under god” übernommen haben, konkret bildhaft niederschlugen. Von der Idee getrieben, an der Oberfläche zur größten Verschwörung seit der Ermordung Kennedys zu kratzen, benennt Travolta seine im Diffusen agierenden Gegner einfach nur noch “them”, bzw “they”.

Für den historischen Kontext der Produktion mag es dabei nicht unerheblich sein, dass sich zeitgleich zu den Dreharbeiten Ronald Reagan im Endspurt auf dem Weg zum Weißen Haus befand. Dass der Film an den Kassen floppte, mag wiederum auch daran liegen, dass knapp drei Monate vor seiner Kinoauswertung das erfolglose Attentat auf den dann schon im Amt befindlichen Präsidenten Reagan stattgefunden hat. Nach den Krisenjahren der 70er standen die Zeichen der Zeit auf Konsolidierung und Aufbruch - sowohl nach innen, wie nach außen. Für einen Film wie "Blow Out", der gerade auf die Zerrissenheit der USA, die Krise insistierte, nicht die besten Voraussetzungen.

Real Eighties, die wahren 80er. Welches Verhältnis nimmt dieser Film am Beginn dieser Reihe, mehr noch aber, enstanden an der Schwelle zu diesem Jahrzehnt, zu den wahren, den echten 80ern ein?

Eine gewisse, in den Film eingravierte Janusköpfigkeit ist schwer von der Hand zu weisen. Das Dekors, die Kleidung, die starke Präsenz von Brauntönen verweisen auf das zurückliegende Jahrzehnt, die voluminösen Locken der zweiten Hauptrolle Nancy Allen schon sehr auf das kommende. Doch auch abseits solcher Texturaspekte wirkt "Blow Out" in mancher Hinsicht wie ein Abgesang auf eine Ära bei zeitgleicher Überführung in eine neue. Wenigstens passagenweise - man denke etwa an Coppolas auch thematisch verwandten “The Conversation” - wirkt der Film wie die Nachglühphase der Zeit New Hollywoods, die im Herbst zuvor mit Ciminos “Heaven’s Gate” und Scorseses “Raging Bull” gewissermaßen offiziell zu Ende gegangen war. Und doch mündet der Film in einen präzise choreografierten Actionbombast, der die energische Rohheit der Autoverfolgungsjagd aus Friedkins “French Connection” in den Modus des Thrillrides der künftigen Sommerblockbuster überführt und am Ende mit einem funkensprühenden Feuerwerk von einigem Oberflächen-Gloss die ästhetischen Präferenzen des 80er Jahre Kinos geradewegs einzuläuten scheint.



Auch eine andere Geschichte des Kinos, noch mehr aber der urbanen Kultur der 70er Jahre hat "Blow Out" - wenn auch zuweilen etwas argwöhnisch - im Blick. Sehr selbstverständlich liegt das Büro der kleinen Filmgesellschaft, für die Travolta arbeitet, über einem großen Pornokino, an den Wänden im Büro hängen reißerische Plakate zu Filmen, wie man sie in den 70ern in Grindhouse oder hierzulande in den Bahnhofskinos gesehen hat. Allein fünf Billigproduktionen - mit Titeln wie etwa “Bordello of Blood” - hat Travolta in den vergangenen zwei Jahren für die Gesellschaft vertont. “Blow Out” selbst beginnt, in Form völliger Absorption, als Film-im-Film im Gewand der aktuellsten Produktion, eines buchstäblich zusammengeschusterten Slasherfilms im Stil der kaum zählbaren Sequels von “Halloween”, “Friday the 13th” oder “Sleepaway Camp”. Der akustische Höhepunkt - der angsterfüllte Schrei eines Mordopfers, das wie bei Meister Hitchcock unter der Dusche steht - lässt allerdings sehr zu wünschen übrig und setzt damit die Geschichte überhaupt erst in Gang, wenn Travolta sich auf die Suche nach neuem Klangrohstoff begibt.

Was man sieht oder hört, sind die letzten Schnaufer des Bahnhofskinos in der urbanen Öffentlichkeit. Schon wenig später finden Pornografie und die formal gröbsten Exzesse des B-Movies dank des Siegeszugs von Homevideo vorrangig im Privaten ihren Raum. Als clever getarnter Slasherfilm im Gewand eines Verschwörungsthrillers, der "Blow Out" in letzter Konsequenz eigentlich ist, hält De Palmas auch Genre-Rückschau: Der Begriff “Peeping Tom” fällt im Zusammenhang seiner ursprünglichen Bedeutung, die Duschmord-Hommage wurde bereits genannt, spätere Morde gemahnen an die Ästhetik von Giallos, den italienischen Serienkillerfilmen, die ihrerseits auf “Psycho” rekurieren. Der bereits erwähnte schmierige Fotograf wirkt zumal in seiner aquivalent schmierigen Bleibe wie ein fernes Echo des von Joe Spinnell im Jahr zuvor eindrucksvoll und buchstäblich verkörperten “Maniac” aus dem gleichnamigen Slasher-Klassiker. Was alles nicht heißen soll, dass De Palma Anlauf zu einer lustvollen Umarmung nimmt - im Gegenteil, gerade in seiner formalen Virtuosität, seiner meisterlichen Inszenierungskunst unternimmt De Palma in “Blow Out” eine eigentlich paradoxe Doppel-Bewegung eines parasitären Aufgriffs der schmutziger Bilder bei gleichzeitiger Distanzierung zur Wahrung der damals noch wacker gehaltenen Position innerhalb der Filmindustrie: Zwar im Hinblick zu deren Zentrum durchaus bloß in Sichtweite, aber eben doch nicht in der Hölle runtergenudelter Slasherproduktionen, deren Schäbigkeit De Palma, wie sie gleich sehen können, paradoxerweise technisch geradezu brillant in Szene setzt.



Mit der Zerrissenheit des Kinos, die insbesondere der Beginn von Blow Out in einer waghalsigen Diskrepanz von Bild und Ton ausstellt, korrespondiert hier womöglich auch eine Zerrissenheit der USA, zumindest in den 70ern, als das Land innerlich aufzuplatzen - engl. “to blow out” - scheint - insbesondere und gerade auch im Kino. Diese Diskrepanz begründet den alles in Gang setzenden Konflikt, der am Ende, in einer einzigartig zynischen Volte, geschlichtet ist. Es geht in diesem Film am Ende auch um eine Wunde - griechisch Trauma - die zwar geschlossen scheint, unter der der Schmerz aber noch immer revoltiert.

Vielleicht also zum Abschluss eine kleine, mit aller Vorsicht formulierte Hypothese:

Es liegt eine gewisse Ahnung in diesem Film: Die Traumata der 70er scheinen überwunden, die Konkretizität der Gewalt wird tätlich überführt in unverbindlichen Nervenkitzel. Im Hinblick auf das zentrale US-Kino der 80er Jahre, das diese Reihe wie eine Art Leerstelle umkreist, scheint mir das zu diesem frühen Zeitpunkt durchaus hellsichtig und wie eine noch in der Resignation der letzten Bilder unversöhnliche Insistenz darauf, dass hinter den Bildern des offiziellen Reagan- und Traumabewältigungskinos noch immer eine Spur zu der realen Gewalt in der Geschichte führt. Die wahren 80er, das wird diese Reihe womöglich zeigen, fanden vielleicht im Modus der Überwinterung an den Rändern statt.



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lol