Thema: Kinokultur
Wellen in der (us-amerikanischen) Movie-Blogosphäre schlägt gerade ein ziemlich unverhohlenes Review von Watchmen in einem Time-Blog. Der Grund dafür ist nicht direkt inhaltlich: Der Autor rechtfertigt sein frühes Review damit, dass er nicht zur Presse zähle und das über den Film verhängte Review-Embargo bis zum 06. März für ihn daher nicht gelte, zumal er ein Review ja auch gar nicht schreibe (dies zu bezweifeln fällt indes kaum schwer...). Pikant an der Geschichte aber ist weniger die eigentlich begrüßenswerte Dreistigkeit eines Bloggers, sondern vielmehr der Umstand, dass Time mit Warner verbändelt ist - und Warner den gehypten Film ins Kino bringt: Embargoboykott als wechselseitige Dienstleistung, Begeisterungsreview als Marketing für Warner, Früh-Review als Marketing für Time.

[Vergleichbares, okay: mit großem "najaaa", gab's in Deutschland auch. Der letzte Schweigerfilm, irgendwas mit Rittern, wurde bekanntlich der Presse nicht gezeigt (was ich, nur am Rande, keineswegs skandalös finde). Wer über ihn schreiben wollte, musste schon am Premierentag ein Ticket im nächsten Kino lösen. Mit Ausnahme von Filmkritiker Thomas Gottschalk freilich, der den Film in seiner Cineastenshow auf Tele5 breit vorab besprach bewarb, was ihm als einer der Hauptdarsteller auch nicht allzu schwer gefallen sein dürfte.]

Im übrigen schlage ich vor, diesem um sich greifenden Embargo-Mist endlich mal ein Schnippchen zu schlagen. Nicht rumheulen, weil man nicht schreiben darf, sondern einfach ein anonymes Gemeinschaftsblog irgendwo aufsetzen, in das jeder ohne großen Aufwand schreiben kann. Jeder setzt da sein Vorab-Review ohne Namenszeichnung ab. Sollen sie doch zusehen, wie sie /das/ aus dem Netz kriegen.


° ° °




kommentare dazu:



grammaton cleric, Mittwoch, 18. Februar 2009, 20:36
Warum kein Embargo?
Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum diese Embargos stets als negativ gesehen werden. Uns (Kritikern) wird eine Dienstleistung gegeben, die wir nicht immer erwidern (oder schreibt wirklich jeder Kritiker über jeden Film, den er vorab in einer PV sieht?). Klar ist es nochmal ein Unterschied zwischen Werbung und einer Besprechung, und natürlich ist es auch nicht ok, gar keine PVs zu veranstalten um gezielt negative Presse zu unterdrücken.

Aber hat ein solches "Embargo" zumindest für die Verleiher nicht auch Sinn? Zu THE RADER musste ich auch meine Unterschrift setzen, dass ich bis zur Berlinale nichts schreibe - und genau hier liegt ja auch due Krux: wenn ich unterschreibe gebe ich auch gleichzeitig mein Einverständnis. Und dann einfach drauf scheißen und doch vorab veröffentlichen? Bisschen asozial, oder?

Ich kann die Verleiher ja schon auch etwas verstehen - und meist ist es ja auch nicht so, dass man erst einen Tag vorher etwas veröffentlichen darf.

Vielleicht ist die ganze Sache aber auch nur wieder dieses "neues Zeitalter erfordert neue Regeln, neues (c) usw. usf. (siehe Musikdownloads et al.)", ich weiß es nicht ...


thgroh, Mittwoch, 18. Februar 2009, 21:25
Pressevorführung als Dienstleistung

Sehe ich nicht so. Filmverleiher haben ein handfestes Interesse, wenn sie Pressevorführungen anbieten: Presseberichte sind aus Verleiherperspektive kostengünstige Werbung, auch wenn die Kritiken schlecht ausfallen. Inwiefern dies eine Dienstleistung sein soll, ist mir schleierhaft.

Aber hat ein solches "Embargo" zumindest für die Verleiher nicht auch Sinn?

Gewiss, deswegen wollen sie ja auch eins. Aber muss die Sinnlage des Verleihs auch meine oder die von Journalisten sein? Sinnvoll aus Verleiherperspektive ist es auch, nur in lobenden Worten über einen Film zu schreiben. Würden entsprechende Bitten von Verleiherseite dann auch damit entschuldigt sein, da sie ja "Sinn haben"? Sinn hat vieles für jeweilige Seiten - daraus entstehen dann Diskurse und Kampf um politische/kulturelle Hoheiten und Gebiete -, nur ist dadurch allein noch nichts per se gerechtfertigt.

und genau hier liegt ja auch due Krux: wenn ich unterschreibe gebe ich auch gleichzeitig mein Einverständnis. Und dann einfach drauf scheißen und doch vorab veröffentlichen? Bisschen asozial, oder?

Sehe ich nicht so, da die Unterschrift aus einer Machtposition heraus erzwungen wird. Ein freier Journalist ist mitunter aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, über diesen oder jenen Film zu schreiben; darüber hinaus ist er aus denselben wirtschaftlichen Gründen vielleicht auch darauf angewiesen, weiterhin über Filme des Verleihers zu schreiben. Die Einverständniserklärung geschieht also keineswegs aus freiwilligen Stücken, sondern funktioniert wie die berühmte Pistole auf die Brust: Leistet er die Unterschrift nicht, verliert er nicht nur den Auftrag für diesen Film (und damit Honorar), er verliert mangels Zuverlässigkeit von dem beauftragenden Medium vielleicht auch zukünftige Aufträge und überdies, wenn er zu Pressvorführungen des Verleihs nicht mehr eingelassen wird, zudem noch Optionen auf zukünftige Aufträge. Sich gegen solche Diktate zu stemmen oder sie zu unterminieren halte ich für sinnvoll.

Warum ein Embargo negativ zu beurteilen ist:

01. Grundsätzlich, auch wenn's altbacken gilt: Pressefreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung. Freilich werden diese beiden Stützen einer freiheitlichen Kultur nicht durch vereinzelte Embargos dem Untergang überantwortet; dennoch halte ich beides für so wichtig, dass auch bei vorstemmenden Manövern im Zentimeterbereich das Prinzip hochgehalten werden muss. Niemand, auch kein Medienunternehmen großen Formats, hat einem journalistischem Medium per Regelung vorzuschreiben was es wann schreibt (sofern Grundsätze journalistischer Ethik gewahrt bleiben).

02. Sie sind auch im Zeitalter zunehmender Verflechtungen innerhalb der Medienwelt zu bekämpfen, um solche Szenarien wie oben zu verhindern: Keiner darf etwas über den Film schreiben - nur ein Magazin, das zufälligerweise demselben Medienzusammenschluss entspringt wie der Film selbst. [Oder: Keiner kriegt den Film vorab zu sehen, nur Hauptdarsteller Thomas Gottschalk darf im Fernsehen vorab eine geheuchelte "Kritik" senden]

03. Eine Presse, die sich durch Embargos an die Leine begibt, gesteht den Majors damit eine Hoheit über die eigene Berichterstattung zu, die sich späterhin rächen kann. Wer mal so weit getrieben wurde, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung fremdbestimmt ist, wird's bei späteren Einmischungen umso schwerer haben. Vor allem wenn diese geflissentlich eingeflochten werden: "Ach, wissen Sie, diese Anzeige, die schalten wir vielleicht doch bei ihrem Konkurrenten..."

04. Klassische Filmkritikmagazine, die monatlich oder quartalsweise erscheinen, können die Berichterstattung allenfalls noch nachliefern und müssen dadurch Qualitätseinbußen hinnehmen oder auf unverbindlichen Hofberichterstattungs-Journalismus (statt Vorab-Kritik ein Feature über die Glamour-Qualitäten des Hauptdarstellers, zB) umschwenken.

05. Die zunehmende Tendenz zum Embargo-Verhängen stellt eine weitere Stufe der Eindämmung und Konzertierung von Berichterstattung dar. Die freie Berichterstattung wird in der Logik der von Agenturseite besorgten Event-Komposition untergeordnet und zwar (noch?) nicht inhaltlich, aber terminlich gesteuert. Dabei soll vor allem Vorberichterstattung vermieden werden und durch virales Marketing ersetzt werden. Im Fall von Watchmen ist dies besonders gut zu beobachten: Man wird als Journalist und Blogger wirklich zugeschissen mit Videoclips, Posterartwork und sonstigem ferngesteuerten und genau zugeschnittenen Tinnef, mit dem man sämtliche Kanäle ganz im Sinne der Promo zukleistern kann; nur ausgerechnet vorab freie und kritische Berichterstattung anhand des konkreten Materials, um das es ja eigentlich gehen sollte, die wird untersagt. Gerade dieses disparate Verhältnis von saftig zur Verfügung gestelltem Werbematerial und Verunmöglichung einer kritischen Berichterstattung stellt doch drastisch vor Augen, dass es sich hier - bei aller Wahrung der Form nach außen hin - um eine kommerziellen Interessen geschuldete inhaltliche Einmischung handelt. Wie völlig unter geht eine von solchen Zerstreungen freie Kritik nach dem monatelangen Werbebuzz, der zuvor unter Einbezug journalistischer Medien stattfand? Um was es bei solchen Manövern geht, ist deutlich: Eine Durchdringung der letzten Residuen von PR-befreiter Diskurskultur mit nichts anderem als PR-Material. Und weil alle mitmachen (es will ja keiner der letzte sein müssen, der über Watchmen schreibt), geht dies auch Schritt für Schritt auf: "Nun gut, vorab berichten dürfen wir nicht, aber der Verleih hat uns ja ein paar schöne virale Videos zur Verfügung gestellt, ist doch auch schon was!"


grammaton cleric, Mittwoch, 18. Februar 2009, 22:42
Keine Frage, aus der sicht eines freien Journalisten, der davon lebt, ist dies natürlich bisweilen fatal. Da habe ich, der nicht in einer solchen Situation steckt, etwas zu kurz gedacht, das ist richtig, Immo.

Und ja, auch wenn die Besprechunf negativ ausfallen sollte - das zeigt das Verhalten der Blogosphäre - werden dennoch viele allein aus dem Grund den Film sehen, um dieses Urteil wirklich bestätigt zu sehen oder eben nicht.

Punkt 04. habe ich erst bei der "X-RATED" feststellen müssen - der Titel was das Remake zu FRIDAY THE 13TH - blöd nur, dass es keine PVs dazu gab. So etwas macht das ganze Magazin natürlich gleich unattraktiver weil unvollständig.

(P.S.: Was muss man eigentlich tun, um in Deine Blogroll zu kommen? ;-))


grammaton cleric, Mittwoch, 18. Februar 2009, 22:44
Ach ja, was mir noch einfällt, sind wir schon bei dem Thema. Ich finde es auch immer wieder komisch und bisweilen auch ärgerlich, dass es keine Festen Termine gibt. Während THE WRESTLER schon im Dezember gezeigt wurde - also zwei Monate vor Start -, werden andere "große" Filme erst einige Tage vor offiziellem Start gezeigt - was die ganze Problematik vorallem mit den Magazinen natürlich noch einmal verschärft. Der Print hat es in diesen Tagen wirklich nicht leicht ...



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