Thema: Kinokultur
Nachtrag: Laut Konrad Hirsch von Schamoni Film wird der Film im Originalformat beim Bundesarchiv Filmarchiv eingelagert. Für die Heimanwendersituation hat mein Text allerdings weiterhin voll und ganz Belang. Siehe Konrad Hirschs Darlegungen unten in den Kommentaren.

Gestutzt hatte ich schon bei dieser Meldung in der Rhein-Zeitung: May Spils NDF-Komödie Zur Sache, Schätzchen sei im Zuge einer neuen Restaurierung "für HD-Bildschirme zurecht gerückt" worden. Was da an dunkler Ahnung bereits im Raum stand, bewahrheitet sich nun nach diesem Posting bei SigiGötz-Entertainment:
„Restaurierte Fassung“ bedeutet, daß man das Bildformat an die heutigen Sehgewohnheiten angepaßt hat (von Normalformat auf 16:9) ohne einer puristischen Minderheit wenigstens optional das ursprüngliche Format zur Verfügung zu stellen. Aber alle wichtigen Informationen sind noch im Bild, das hat Werner Enke auf der Pressekonferenz versichert.
Sprich: Was hier als "Restauration" verkauft wird, ist faktisch nichts anderes als eine Beschneidung des ursprünglichen Bildes - und damit ein Rückfall in finsterste VHS-Zeitalter, wo mancher CinemaScope-Klassiker mit einem 4:3-Vollbild auf den Markt geworfen wurde. Nur dass man heute eben nicht mehr rechts und links die Schere ansetzt, sondern oben und unten, damit's auf dem Bildschirm keine störenden Balken gibt.

Historische Sorgfalt, Respekt vor der künstlerischen Arbeit - egal. Wer solche Manöver stolz als Filmrestaurierung verkauft, tritt Filmgeschichte mit Füßen. Jeder Restaurator im Feld der bildenden Kunst, der Malereien beschneiden würde, würde als Vandale geteert und gefedert - völlig zurecht. Da man Respekt vor der Filmgeschichte aber offensichtlich weder haben muss, noch mit einem solchen überhaupt gerechnet wird, kann man Filme fröhlich mit der Schere restaurieren und seine Tat im Nachhinein noch im Brustton der Überzeugung als wichtige Arbeit am Filmerbe verkaufen. Und groteskerweise wird diese Versündigung auch noch mit staatlichen Mitteln gefördert, während reihenweise Filme unwiederbringlich in Privatarchiven vergammeln (darunter eben zum Beispiel auch die übrigen, weit weniger bekannten Filme der Regisseurin May Spils).

Dazu passend: Der Hinweis auf dieses Tumblr, aus dem sehr einsichtig hervorgeht, dass auch eine Bildbeschneidung im Hinblick auf die "wichtigen Informationen" immer einen massiven Eingriff in die Bildkomposition eines Films darstellt.


° ° °




kommentare dazu:



schamonifilm, Donnerstag, 1. August 2013, 12:28
SCHÄTZCHEN nicht kaputt gefummelt
Lieber anonymer Autor dieses Beitrages,

Der Film "Zur Sache Schätzchen" wurde 1967 im Normalformat 1:1,33 gedreht und lief so im Kino. Die restaurierte Fassung (4 K Scan) ist natürlich 1:1,33. So wird die digitale Restaurierung auch im Bundesarchiv Filmarchiv eingelagert. Außerdem steht ein DCP im Originalformat für Kinoaufführungen zur Verfügung.

Bei der Restaurierung habe ich mit May Spils und Werner Enke im SCANWERK in München eine 16:9-Fassung erarbeitet. Das heißt, wir haben jede Szene einzeln hoch bzw. runter geschoben, damit keine Bildinhalte abgeschnitten werden.

Diese 16:9-Fassung ist auf ausdrücklichen Wunsch der Filmautoren, also von Werner Enke und Regisseurin May Spils entstanden. Enke hat sich mit der Materie sehr intensiv auseinander gesetzt und die 4:3-Verion nicht für DVD freigegeben. Grund dafür ist, dass er nicht möchte, dass versehentlich beim Anschauen der 4:3-Version durch eine falsche Einstellung des Fernsehers wichtige Bildelemente abgeschnitten werden. Es geht hauptsächlich um die Schlussszene, wo die Pistole auf dem Bett liegt. Enke hat eine Test-DVD 4:3 mit verschiedenen Playern und Monitoren getestet und festgestellt, dass bei fehlerhafter Einstellung des Formats die Pistole fehlen könnte.

Die Entscheidung wurde wochenlang diskutiert. Nach der Erarbeitung der 16:9-Version fanden wir diese alle so gelungen, dass dies nun das neue „Schätzchen“ ist, an dem man auf den neuen TV-Geräten Freude haben wird.

Wir haben uns bei der Restaurierung sehr viel Mühe gegeben und besonders darauf geachtet, dass der Film nicht "kaputt restauriert" wird. Es geht uns nicht darum, den Film "auf den Markt zu werfen", sondern das Filmerbe für die nächsten Generationen zu retten. Die Abspieltechnik im Wohnzimmer hat sich verändert. Ich finde es legitim, wenn die Filmautoren selbst ihr Werk entsprechend anpassen.

Bevor Sie, lieber anonymer Autor, einen Beitrag verfassen, sollten Sie recherchieren. Sie hätten mich gern kontaktieren dürfen und dürfen das auch jetzt gern. Ich freue mich auf eine sachliche Diskussion. Und das Thema lohnt, diskutiert zu werden. Aber die Arbeit Anderer schlecht zu machen ohne nachzufragen ist kein gutes Aushängeschild für Ihren Blog.

Herzliche Grüße

Konrad Hirsch
Schamoni Film und Medien GmbH
info@schamoni.de
www.schamoni.de


rrho, Donnerstag, 1. August 2013, 13:15
Anonym ist er nun wahrlich nicht,
lieber Konrad Hirsch, sondern oben und im Impressum deutlich ausgewiesen: Thomas Groh, den man auch bei Schamoni Film eigentlich kennen sollte.

Also, das hätten Sie ja auch recherchieren können. ;-)


rrho, Donnerstag, 1. August 2013, 13:21
Im Übrigen wäre es sicher sinnvoll (soweit nicht erfolgt - da mir die Edition nicht vorliegt, kann ich das nicht bestimmen), die beschriebenen, ja anscheinend sehr wohl überlegten Schritte in einem Booklet zur Blu-ray zu beschreiben und zu erklären. Zum einen gebietet das die editorische Sorgfalt, die Thomas zu recht anmahnt, zum anderen ist das schlichtweg gute Öffentlichkeitsarbeit - denn dass hier Kritik und auch böse Kommentare kommen könnten, wäre doch nach den offenbar lang andauernden internen Diskussionen sicher schon absehbar gewesen.


thgroh, Donnerstag, 1. August 2013, 13:26
Danke für diese Darlegungen.

Es freut mich, wenn der Film in seinem Originalformat eingelagert wird. Auch, dass eine DCP im Originalformat vorliegt - noch mehr hätte ich mich über eine frisch gezogene 35mm-Kopie gefreut, aber man kann wohl auch nicht alles haben. Danke jedenfalls für diese Information, die ich gerne nachgetragen habe.

Nach wie vor halte ich es aber für falsch und weiterhin absolut ärgerlich, wenn der Film nicht im Originalformat auf Heimanwendermedien vorliegt. Weil einige wenige Leute nicht in der Lage sind, ihr Fernsehgerät richtig einzustellen, müssen nun alle Leute, vor allem auch jene, denen Filmgeschichte am Herzen liegt, mit einer verfälschten Fassung leben. Wenn dem Film über seine ganze Laufzeit Bildinformationen geraubt werden, damit am Ende eine Information gerettet wird, die ohnehin nur demjenigen verloren geht, der nur halbes Interesse mitbringt, dann ist das eine eindeutig unausgeglichene Bilanz. Warum hat man nicht einfach vor den Film eine Texttafel gestellt? "Sehr geehrte Zuschauer, Zur Sache, Schätzchen wurde im Vollbild 4:3 gedreht. Um den Film in seiner intakten Form genießen zu können und keine Bildinformationen zu verpassen, möchten wir Sie freundlich bitten, ihr Fernsehgerät entsprechend einzustellen." etc.? Wer dann noch das 1.33-Bild aufbläht: Selber schuld. Alle anderen können den Film in seiner tatsächlichen Form genießen und alle wären zufrieden.

Zudem wage ich zu behaupten: Wer sich heutzutage bewusst einen Film aus den 60ern in Schwarzweiß zulegt, weiß in der Regel auch, dass es unterschiedliche Bildformate gibt. Vielleicht liege ich damit aber auch falsch. In der heutigen FAZ wird darüber gejubelt, dass das Bildformat "neu justiert und korrigiert" wurde - als ob es ein Fehler gewesen ist, dass der Film jemals im 1.33-Format gedreht wurde. Bei solcher Ignoranz fällt mir tatsächlich nur noch die Kinnlade runter...

Und im übrigen schreibe ich ganz und gar nicht anonym. Schauen Sie mal rechts in die Spalte neben dem Textfluss. Da steht mein Name, wer ich bin und was ich mache. Im Impressum stehen außerdem meine Adresse und weitere Kontaktmöglichkeiten.

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Groh


schamonifilm, Donnerstag, 1. August 2013, 16:55
Lieber Herr Groh, geplant war eine Doppel-DVD, 4:3 und 16:9, in einer Box. Das hat Enke aber persönlich unterbunden. Ich habe darüber mit ihm wochenlang diskutiert. Er wollte es so.
Ich hätte es besser gefunden, wenn Sie erst einmal mit uns in Kontakt getreten wären, bevor Sie sich, ohne die Hintergründe zu kennen, öffentlich dazu äußern. Rufen Sie mich doch bitte mal an. Das Thema ist nämlich wirklich sehr spannend und Enke will auch dazu etwas sagen.
Verwirrende Blog-Diskussionen halten wir für ungeeignet.
Herzliche Grüße. Konrad Hirsch (089-988415)


thgroh, Donnerstag, 1. August 2013, 20:17
Eine solche DVD hätte ich als Kompromiss auch deutlich besser gefunden als die jetzige Lage.

Danke für das Gesprächsangebot, aber ich sehe ehrlich gesagt keinen Bedarf. Werner Enke mag seine Gründe für seine Entscheidung gehabt haben und wenn er rechtlich dazu befugt ist, kann er mit dem Film am Ende selbstverständlich machen, was er will. Den Ärger darüber, dass der Film unter Umständen von Leuten, denen egal ist, in welcher Form sie sich Filme anschauen, verzerrt gesehen wird, kann ich dabei gut nachvollziehen - ich finde das ebenso ärgerlich. Nur halte ich die daraus gezogenen Konsequenzen für absolut grundfalsch. Manchmal muss man sein Publikum auch ein klein wenig zu seinem Glück erziehen.

Und Gründe hin, Gründe her: Auch Werner Enke steht am Ende nicht über der Filmgeschichte. Und: "Wichtig is aufm Platz" und das heißt hier: "Wichtig is auf Scheibe" - und da liegt nunmal eine bewusst inakkurate Version vor, da beißt die Maus keinen Faden ab. Filme auf DVD zu bringen, ist sicher immer in irgendeiner Form ein Kompromiss - aber hier liegt eine Eingriffstiefe vor, bei der ich unversöhnlich bin und bleibe.

Das ist im übrigen auch der Grund, warum ich mich bei Schamoni Film vorab nicht gemeldet habe. Wenn mir zwei, mittlerweile drei voneinander unabhängige Quellen davon berichten, dass das Bildformat nicht stimmt und überdies aus der Website von Ascot hervorgeht, dass der Film in 1.78 angekündigt wird (soweit reicht mein Recherche dann eben doch), dann weiß ich im Grunde alles, was ich wissen muss.

Nehmen Sie's nicht persönlich. Wenn es die Stimmung aufhellt: Im April hatte ich Ulrich Schamonis "Chapeau Claque" mit Freuden ausführlich gewürdigt. Und in den sozialen Medien, in denen ich mich bewege, habe ich den gestrigen Sendetermin von Quartett im Bett sehr gern gestreut. Wenn Zur Sache, Schätzchen eines Tages auch für Heimanwender im korrekten Bildformat vorliegt, werde ich die frohe Kunde gerne mit ähnlichem Enthusiasmus in die Welt tragen.

Mit herzlichem Gruß
Thomas Groh


schamonifilm, Freitag, 2. August 2013, 00:50
Lieber Herr Groh,

gern hätte ich sie in einem persönlichen Gespräch über unsere Gründe für die 16:9-Entscheidung informiert. Gern z. B. nächste Woche in Berlin bei einem Kaffee. Das Angebot steht und vielleicht haben Sie ja doch noch Bedarf.

Umfassend informiert und an Hintergründen interessiert zu sein ist, finde ich, die Grundlage für fairen und objektiven Journalismus. Urteilen können Sie gern, wenn Sie alle Hintergründe kennen. Vorverurteilen ohne informiert zu sein ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg.

Herzliche Grüße

Konrad Hirsch



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