Ein Boxkampf, 3 Paare, 6 Menschen. Alle mehr oder weniger zufällig anwesend. Die ersten zwei sind Angestellte eines Restaurants, von denen der eine noch nebenher Kickboxer ausbildet. Sein Mann kommt zu spät zum natürlich fingierten Kampf, also verpflichtet er seinen Kollegen, einen Koch. Der streubt sich, er kann doch gar nicht boxen - egal. Die anderen zwei sind Geschäftsmänner, die während des Kampfes dort doch eigentlich nur essen gehen wollten und an deren Platz sich ausgerechnet der Yakuza mit seiner Bande setzt, der auch den Kampf geschmiert hat. Und dann schließlich noch zwei jugendliche Kleinkriminelle, die während des Kampfes einen Koffer mit Geld klauen wollen. Man greift natürlich zum Falschen, wie man in Sabus Filmen immer nur das Falsche machen kann: Der Koch gewinnt, blöderweise, den Kampf, der Yakuza ist sauer, schießt um sich, trifft einen der Kleinganoven, die Polizei razzt, schießt ebenfalls um sich. Alle sechs fliehen, alle in andere Richtungen, ab ins nächste Auto, ganz egal welches.

Sabus Filme sind meist Anordnungen, Installationen. Schön säuberlich findet jedes Element wie ein Dominostein seinen Platz, recht übersichtlich geht es meist auch zu. Und ist der erste Stein dann angestoßen, folgt die unvermeidliche Kettenreaktion, die Sabu genüsslich inszeniert. Die darf sich dann auch gern verzweigen, parallel verlaufen, letztendlich führt dann aber doch meist alles, mit vielen Knalleffekten zwischendrin, in einem Punkt wieder zusammen, ergibt ein großes Bild. Wenngleich Sabus Filme gewiss nicht überraschungsarm sind, so sind sie doch nie umständlich geheimnisvoll. Schnitt und Kamera heischen nicht, sind aber effektiv eingesetzt: Zeigen statt Blicke lenken. Präsentieren statt manipulieren. Verschiedene, unabhängige Ereignisse und ihre Folgen rund um den Boxkampf als Angelpunkt der Geschichte werden isoliert betrachtet, um schließlich gegen Ende, wortwörtlich, zusammenzuprallen. Wo beispielsweise De Palma eine ganz große Oper der Kameraführung inszeniert hätte - man denke etwa an Snake Eyes -, gibt sich Sabu ganz klassisch mit einer ruhigen Kamera und einem konstruktiven Schnitt zufrieden, um unübersichtliches strukturell aufzulösen. Die ritualisierte Inszenierung des Kampfes und seiner Umstände, den wir zu Beginn in der ersten Episoden sehen, dient ihm allein als Erkennungsmerkmal: Zurück zur Schnittstelle, zweimal insgesamt. Die Sprache der Mathematik wäre eine passende für Sabus Filme: Blessing Bell, letztes Jahr im Forum zu sehen, war jener Film, den man mit "Und dann... und dann... und dann..." passend nacherzählt hätte. Man könnte vielleicht auch geometrische Figuren verwenden.

Doch in Hard-Luck Hero mag dieses Konzept diesmal nicht wirklich überzeugend aufgehen. Wo in vergangenen Filmen die Struktur der Anordnung lediglich die Matrix für ein Feuerwerk absurd-witziger (Monday) oder absurd-charmanter (Blessing Bell) Ideen bildete, ist sie in Hard-Luck Hero nur noch Erkennungsmerkmal ohne weitere Referenz, das sagt: "Dies ist ein Sabu-Film." Und danach auch schon verstummt. Nachdem seine Filmografie bislang als Archiv von Fortbewegungsstudien angesehen werden darf - eine Binsenweisheit, natürlich -, scheint sich ein zweites Konzept abzuzeichnen: Sabus Filme gleichen mehr und mehr filmischen Pendants zu jener Sorte von Witz, die meist genüsslich lang und mit eindeutigen Absichten umständlich erzählt werden, um sich dann zuletzt in einer nicht vorhandenen Pointe zu erschöpfen, die in erster Linie, nach all dem Aufwand, zunächst nur für den Erzähler witzig ist. In Blessing Bell ging dieses Auflösungskonzept noch gut auf: Hier hatte Sabu die Lacher in dieser eigentlich recht unbefriedigenden Auflösung ohne weiteres auf seiner Seite. Nach Hard-Luck Hero aber, wo alles nur noch altbekanntes Schema ist und der Witz sich dann, auch in der Organisation des Zeitablaufs der Geschehnisse, nur darin erschöpft, als finales Bild einen in der Tat spektakulär inszenierten Crash zu zeigen, wundert man sich indes eher über diesen wunderlichen Erzähler. Dass es sich lediglich um einen kleinen Ausrutscher in einer ansonsten ohne Zweifel beeindruckenden Filmografie handelt, bleibt zu hoffen.

Der Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin im Rahmen des Internationalen Forums des jungen Films.

>> Hard Luck Hero (Japan 2003)
>> Regie: Sabu

zur Berlinale-Kritikenübersicht | kritik von e.knörer


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kommentare dazu:



knoerer, Sonntag, 18. Januar 2004, 19:20
Ich habe übrigens irgendwo gelesen, dass es sich um eine Auftragsarbeit handelt: die sechs Jungs sind, wenn das stimmt, Mitglieder einer derzeit hippen japanischen Band. Vielleicht erklärt das diese gewisse Lustlosigkeit des Films.


thgroh, Sonntag, 18. Januar 2004, 20:22
Das würde wohl in der Tat so einiges erklären. Ich konnte im Web auch einige Informationen recherchieren, die in eine ähnliche Richtung weisen (nur sind halt japanische Websites meist recht schwer zu verstehen für den, der keine Kanji lesen und kein Japanisch sprechen kann ;-) ), da könnte also wirklich was dran sein.



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