Montag, 4. Oktober 2004
01) Gerade noch in der Küche gestanden, im Begriff gewesen, eine Suppe zu kochen. Im nächsten Moment wieder im Wohnzimmer, vor dem Rechner Blogs lesen. Keinerlei Erinnerung an den Weg dazwischen, noch daran, was mich veranlasst haben könnte, alles stehen und liegen zu lassen, um an den Rechner zu spurten.

02) Mich über Individualismustendenzen von Tütensuppen gewundert. Dass manche in kaltes, manche in warmes, wieder andere in kochendes Wasser geworfen werden wollen. Wieso eigentlich?

03) Beim Schreiben dieses Beitrags beinahe die Suppe auf dem Herd vergessen. Gerade noch rechtzeitig - puh!


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Sonntag, 3. Oktober 2004
Am Abend durch allerlei Geböller von draußen gestört worden. Ziemlich laut, obwohl doch hörbar weit entfernt. Feuerwerk. Rausgegangen, auf den Balkon, geschaut, ob man was sieht. In der Ferne, kurz hinter dem Fernsehturm dann in der Tat deutlicher Rauch, dann und wann etwas illuminiert. Wieder rein dann. An Film weiterkucken war kaum zu denken. Knall, böll, knall. In einer Tour. Kurz genervt überlegt, ob man Deutschland wegen Ruhestörung anzeigen kann.


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Freitag, 1. Oktober 2004
Heute, um 12, geht die Wohnungstür auf, ich gerade im Flur, halbnackt, kommt meine Liebste rein, hat eine Schultüte in der Hand. Hach ja (diesmal ausnahmsweise nett gemeint).


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Könnte jetzt auf die Straße gehen, vor zur Haltestelle und einfach so mit dem Nachtbus zwei, drei, meinetwegen auch vier oder fünf Stationen fahren und müsste dafür noch nicht mal zahlen. Seit anderthalb Stunden ist das jetzt schon so. Und wird wohl die nächsten paar Jahre so bleiben. Irgendwie macht mich das gerade irre wuschig, mehr als alles andere.


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Freitag, 3. September 2004
Mich für einen Moment lang schäbig gefühlt, weil ich deshalb in der Tat ein paar Tränen vergossen habe, während ich andere, menschlich schwerwiegendere Meldungen nurmehr abnicke. Dass dann sein gelassen, mit dem sich schäbig Fühlen.


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Freitag, 27. August 2004
Am Freitag diesen Film in der Post zu haben - schon viel davon gehört, nur Gutes natürlich, bei ebay günstiger als günstig erstanden -, das ist natürlich an sich schon apart. Dann daneben noch einen Brief von der FU Berlin, mit zitternden Händen aufgemacht.

Nur soviel: Drin. Kulturwissenschaft im Hauptfach, Nebenfächer Filmwissenschaft und Publizistik. Nicht die schlechteste aller Kombinationen.

Heute Nacht: Besäufnis.


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Donnerstag, 26. August 2004
Sitze so vor dem Rechner, die Balkontür hinter mir offen. Straßenlärm, der mir schon lange nicht mehr auffällt, Geräuschkulisse meines Alltags geworden ist. Plötzlich schwillt an, zu bedrohlicher Lautstärke: Der Soundtrack zu Indiana Jones. Daa-Dada-Daaa Da-Da-Daa, Sie wissen. Kommt von draußen, ist auch gleich wieder weg, schwillt, den Höhepunkt des Pegels erklommen, fast schon symmetrisch wieder ab. Wie eine geisterhafte Nachricht, ohne Sinn, ohne Adressat. Kurz etwas verwirrt, benommen, belustigt gewesen, ein wenig Angst dann vor Leuten bekommen, die im Straßenverkehr mit dieser Vehemenz, am Ende noch mit wehenden Fahnen, Indiana Jones hören.


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Sonntag, 8. August 2004
Heute auf dem Flohmarkt auf dem Boxie. Ein Stand von 'nem Typen, der eher etwas schmierig wirkt, aber viele schöne Bücher verkauft. Und dann auch Super8-Filmrollen. Mit alten Spielfilmen drauf. Ein Typ, mehr so, ich sag mal, Student im negativen Sinne, hat sich schon knapp 10 Rollen unter den Nagel gerissen, irgendwelchen alten Action-Cheese aus den 70ern, vornehmlich des euopäischen Kinos, er verhandelt gerade den Preis. Ob er dann nicht noch die beiden anderen Rollen hier wolle, ich erkenne einen Schriftzug Die Filzlaus und dann Der Gelbe Taifun, ich schließe auf einen Eastern. "Ja, neee, ich weiß ja nicht, ob da die Filme auch komplett drauf sind", entgegnet der Student. Ich schalte mich ein, hoffe darauf, entweder einen Unkundigen zu erleuchten, oder aber von einem Kundigeren erleuchtet zu werden. "Damit kannst Du aber generell nicht rechnen, auf Super8 waren die Filme so gut wie immer aufs wesentliche reduziert, die Du da in der Hand hältst sind bestimmt auch nicht komplett. Das ist doch der Reiz dran, Star Wars dauerte damals nur 20 Minuten in den eigenen 4 Wänden", meine ich. Er lächelt leicht blöde, etwas peinlich berührt, vielleicht auch ertappt oder er hat einfach nur Mitleid mit einem armen Licht, das in mir auszumachen er sich, in diesem Falle, sicher sein will. Richtig einordnen kann ich's jedenfalls nicht. "Aber wenn ich die schon kaufe, sollen sie auch komplett sein, wäre doch doof!", beginnt der zu jammern. Meine Güte, denke ich mir, und schalte mich gleich aus dem Gespräch wieder aus. Meine Güte, wer kauft sich denn bitte Super8-Spielfilme, um einfach nur 'nen Film zu sehen? Hier geht's ums Material, möchte ich ihn angehen, um dessen spezifische Ästhetik, um die Haptik beim Einlegen, das Flackern des Bildes, Kratzer, Verschleiß, um den Projektor und sein verträumtes Rattern, die Kunst, einen Film von zwei Stunden Länge auf eine Länge zu schneiden, die noch jede Vorabendserie zu unterbieten weiß. Mir schwant fürchterliches. Ein Profilierungssüchtiger klaubt sich aus Hipness Liebhaberware zu Spottpreisen unter den Nagel. "Hey Leude, wollnwa nicht mal so Super8-Filmabend machen, habe da jetzt'n paar Filme vom Flohmarkt, ist doch voll cool!", höre ich ihn schon zu seinen Freunden sagen und werde innerlich aggressiv. Auf den Typen, wie auf den Händler gleichermaßen. In einem Karton finde ich dann noch ein paar Pornoklassiker der frühen 70er, ebenfalls auf Super8, namhafte Titel. "Die kannst Du nicht verkaufen", sage ich zu ihm, "die gehören in ein Museum, in ein Archiv!"

Er grinst mich scheel an. Er meint wohl, ich hätte einen schmierigen Witz gemacht. Von Pornofreak zu Pornofreak. Eine etwas ältere Frau hat sich von ihm gerade irgendwelche Hoch- und Weltliteratur verkaufen lassen und kuckt mich skeptisch aus dem Augenwinkel an, wendet sich, wohl leicht angeekelt, ab. Das war kein Witz, es war mein voller Ernst. Ich ziehe ab, lasse die traurige Szene in ihrer Gänze hinter mir.


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Einmal im Jahr kehrt das ansonsten lebens- und liebenswerte Friedrichshain seine im Alltag gut versteckte hässliche Fratze nach außen. Dann ist Bierfest auf der Karl-Marx-Allee. Das sieht dann so aus, dass auf der Strecke von drei U-Bahn-Stationen eine Seite der Allee Düsseldorf Konkurrenz macht. Stehbude an Stehbude, Bierseligkeit, Gegröle, Geprolle. Heute war's mal wieder soweit.

Hab's mir tatsächlich mal angetan. Bin die Strecke vom Frankfurter Tor bis zum Kino Kosmos gelaufen, bzw. habe mich durch die Masse gezwängt. Kenner wissen, dass die Strecke mit "Katzensprung" übertrieben weit bemessen wäre. Dennoch war's 'ne lange Qual, dann Resignation, schnelle Rückkehr zur Wohnung. Was für ein Ekel, der einen da befällt. Arschgesicht an Arschgesicht. Blöde, blödere Sprüche als Meterware. Möchte nicht wissen, wieviele Frauen heute nacht mit eindeutiger Absicht abgefüllt und dann nach Strich und Faden durchgebumst werden. Von diesen Testosteron-Anabolika-Ekelpaketen mit ihren Outfits zwischen Neonazi und Hooligan. Wie diese Typen mit ihren aufgebretztelten Ischen zu solchen Events immer massenweise aus ihren hässlichen Wohnungen gekrochen kommen. Ein einziges Elend, in dem sich diese Menschen suhlen. Von der Ferne gröhlt deren Ungeist noch durch das offene Fenster. Morgen geht's dann wieder Menschen und sich selbst drangsalieren. Bloß keine Lebensqualität wagen. Ihr gottverfluchten Arschlöcher.


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Donnerstag, 29. Juli 2004
Auf dem Rückweg von der Kiezbibliothek und der Wohnung von S., die ich gerade in deren Absenz hüte, gesehen, dass im Intimes für ab Donnerstag Tim Burtons Big Fish angekündigt ist. Erstaunlich, wie schnell sich mein Gemüt darüber aufhellte. Nicht, dass ich gerade Trübsal blase, und der wunderschöne Sonnenschein tat sicher sein übriges, aber dass ich den Film demnächst wieder - ich sah ihn bereits zweimal im Kino, im nur unwesentlich weiter entfernt, aber noch immer in Laufnähe liegenden Kosmos - sehen kann, ließ mein Herz glatt eine Oktave höher schlagen. Die ganze Zeit danach nur an die Bilder gedacht, die Tränen, die ich Hasenherz vergnügt bei beiden Sichtungen vergoß. Dieser wunderschöne Film, wie ich ihn zum ersten Mal sah und danach S.' Wohnung mit Osterglocken füllte. Bin schon ganz aufgeregt. Letzten Endes auch, weil das Intimes eigentlich auch der Ort ist, diesen Film zu sehen. Dieser verträumte Kino am Eck, dieser verträumte Film. Danke, Tim.


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lol