Donnerstag, 20. November 2003
23.04.2003, Cubix Alexanderplatz

Gratulation, Herr Friedkin, Gratulation - den Mut, einen solchen Film auch wirklich auf den Markt zu schmeißen, den muss man erstmal haben! Nicht nur, dass er es wagt, seine Geschichte vom Vater/Sohn-Komplex, vom Techno/Archaik-Komplex dermaßen unironisch und ernstgemeint zu erzählen, nein, die STUNDE DES JÄGERS ist auch noch derart verschnitten, unplausibel und voller Anschlußfehler, dass es einen wundert, dass ein eigentlich doch zumindest noch relativ renommierter Regisseur noch freiwillig seinen Namen im Vorspann erscheinen lässt.

Spaß macht der Film dann aber dennoch, so irgendwie. Sei es die Tatsache, dass er auf den Punkt kommt, wo andere im Namen der Konventionen lange Umwege machen, sei es die Tatsache, dass man, was "schwitziges Männerkino", wie es DIE STUNDE DES JÄGERS eben darstellt, angeht, in den letzten Jahren eigentlich kaum noch so was ehrliches und handgemachtes zu sehen bekommen hat. Und grimmig ist der Film obendrein - zumindest dann, wenn es nicht unfreiwillig komisch wirkt - auch noch. Der Endkampf zwischen Tommy Lee Jones und Benecio del Toro mit archaischsten Mitteln etwa! Schön, mal wieder so unästhetisierte, wie die, buchstäblich, abgestochene Sau blutende, ungestählte Männer auf der Leinwand zu sehen.

Ideologisch fragwürdig ist das natürlich allemal, keine Frage. Was soll's aber, da steh ich drüber, bin gewissermaßen immun - ist eh alles Camp, deswegen macht der Film auch soviel Spaß. Die Gratulation zu Beginn, die ist durchaus ernst gemeint.

Andere hingegen hat's geärgert. Auch verständlich, so irgendwie.


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22.04.2003, Kino Arsenal

Cronenbergs frühes Kinoschaffen reiht sich, ganz klar, noch in die lange Traditionslinie des klassischen Exploitationkinos ein. RABID ist da keine Ausnahme: die Darstellerin hat ihr Handwerk im Porno gelernt, T-Shirts sind dafür da, ausgezogen, zumindest aber nassgespritzt zu werden, die Spielhandlung wird hölzern dargeboten, ist in ihrer Ausformulierung vor allem der Lust am grellen Effekt geschuldet und, natürlich, weitgehend hanebüchen. Für schöngeistige Cineasten sicherlich kein erfreuliches Erlebnis, für denjenigen aber, der es gerne auch mal wild mag, für den auch alte Midnite-Movies noch ihren Reiz haben, ist dieser Film, wie nicht weniges aus der scheinbar unerschöpfbaren Schatztruhe der Exploitation, ein kleines Fest.

Das liegt zum einen natürlich an Cronenberg selbst, der, wie auch in seinen anderen Filmen aus der Zeit, bevor er mit VIDEODROME auch dem Feuilletonisten Servierbares abgeliefert hat, mit den Regularien klassischer Horrorkost spielt wie kein zweiter, die gängigen Mythen, wenn auch immer unter Gesichtspunkten ihrer Ausbeutbarkeit im Sinne der Sensation, in ein zeitgenössisches Ambiente übersetzt. Dort gibt es natürlich keine Angst mehr vor alten Aristokraten, die einem jüngst emanzipierten Bürgertum unter Umständen desnächtens das Blut aussaugen, hier gibt es die Angst vor einer nur allzu leichtfertig gehandhabten Wissenschaft: nach einer Hauttransplantation mutiert die Achselhöhle von Rose zu einem, wer hätte es gedacht, natürlich dornenbewehrten Zwitterding aus Vagina und Penis, mit dem sie in Momenten der Apathie ihren Opfern das Blut anzapft. Diese Opfer wandern hernach als tollwütige, nun ja, nennen wir sie mal so, "Zombies" durch die Stadt und sorgen für Tod und Entsetzen. Binnen kürzester Zeit herrscht der Ausnahmezustand in Toronto.

Eine furchteinflößende Dystopie, die Cronenberg da geschaffen hat, durch und durch pessimistisch entblättert er ein soziales System, das von innen heraus, unrettbar, den Bach runter geht, im Chaos versinkt. Das klassische Böse gibt es nicht mehr, Rose, die das Elend über die Stadt und, vermutlich, auch über die Welt bringt, ist selbst nur Opfer, verzweifelt selbst ob des Ausmaßes ihrer Triebtaten. Das stärkste Bild am Ende: in Zeitlupe werfen seuchenschutzmaskierte Soldaten Rose' starren Leichnam in einen verdreckten Müllwagen: Der Mensch, oder besser: was von ihm übrig bleibt, ist nur noch Menschenmüll. Eindringlich. Gänsehaut.


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21.04.2003, Kino Rollberg

auch hier also die zweite sichtung. nun denn, im gegensatz zu THE HOURS weiß ADAPTION selbst dann noch zu begeistern. interessant aber zumindest, wie kurz die halbwertszeit einer, nennen wir's salopp mal so, "durchgeknallten idee" doch ist. was im februar auf der berlinale noch als wahnwitzig empfunden wurde, den ganzen film äußerst weird erschienen ließ, ist nunmehr, ende april, sattsam bekannt, beinahe schon verdächtig gewöhnlich und gibt den blick frei für den eigentlichen film - man rätselt eben nicht mehr, braucht das konzept nicht mehr zu durchschauen: man kennt das alles schon. jenseits seines clous ist ADAPTION eigentlich gar nicht mehr so wild, wie man ihn in erinnerung hatte, eher sogar bedächtig und ruhig, beinahe schon etwas zu langsam. aber eben doch nur beinahe, denn dann sind da immer noch szenen, die einen bei der sache halten, die man beim ersten mal vielleicht noch nicht so recht wahrgenommen hatte: das gespräch zwischen nicholas cage und nicholas cage über schizophrenie im film etwa. keine ahnung, warum dessen komische qualitäten bei mir das erste mal nicht so recht zündeten. solcherlei details und kleiner momente gibt es selbst noch bei der zweiten sichtung zuhauf in diesem film zu entdecken. schafft er nun auch, irgendwann, die dritte, dann ist er, filmgeschichtlich gesehen, aus dem gröbsten raus, könnte man sagen.


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19.04.2003, Kino International

beim zweiten mal verliert der film dann doch, leider, arg viel von seinem glanz. man kennt den trick der story und ihrer erzählungsweise bereits, jenseits dessen bietet der film nur recht wenig, was ihn frisch und beeindruckend wirken lässt. das heißt nun beileibe nicht, dass ich den film nun plötzlich schlecht fände, nein, es handelt sich bei THE HOURS nur um einem film, den man, jetzt mal allein von cineastischer warte aus gesprochen, wohl nicht häufiger als einmal sehen kann. für einen klassiker-status, den man für THE HOURS hier und da zumindest in betracht gezogen hatte, reicht das sicher nicht: die hürde der zweiten sichtung hat THE HOURS diesbezüglich, ich betone es nochmal: leider, nicht gepackt. schade irgendwie, aber so ist eben das leben.


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19.04.2003, Heimkino

eine kleine schatzkiste der frühsten filmgeschichte, dieses tape des british film institute. klar, sowas schaut man sich nicht an, um einen irre filmabend zu erleben oder um eine stunde lang prächtig unterhalten zu werden. auch erkenntnisse jenseits der innerfilmischen realität bleiben weitgehend aus. nein, hier geht es allein um die filmgeschichte, den film als kunstform an sich. deswegen stört auch der kommentar eines, im übrigen überaus kompetenten, filmhistorikers nicht weiter, der auf das besondere der ausgewählten filme hinweist, sie in der historie verortet, ihren status darinnen erläutert: hier also der erste schnitt der filmgeschichte, dort also ein ganz bewusst eingesetzter achsensprung, dies nun eines der ersten remakes der filmgeschichte und so weiter. auffällig, wie stark diese filmchen schon die tendenz zum genre aufweisen und wie sie, darüber hinaus, eben immer auch die bewegung, die rasanz zum thema haben. kunst hat, an und für sich, eben doch immer nur sich selbst zum inhalt.


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19.04.2003, Heimkino

camp, aber so richtig, ja. man kennt das ja vom reißbrett: ein adoleszenter kennt die gefahr, die der gemeinschaft (familie/wohnort/land/welt) droht, er wendet sich vertrauensvoll an die institutionen (patriarch/polizei/regierung/UNO), wird aber, aufgrund einer verkettung meist tragischer ereignisse, für verrückt erklärt, zumindest aber nicht ernstgenommen. weitere versuche, oftmals verbunden mit dem risiko von sanktionen gleich welcher art, scheitern ebenfalls, bis, nach einem steten crescendo, die katastrophe eintritt, nur im letzten moment abgewendet werden kann und man schließlich resignierend feststellt: "hätten wir doch nur gleich auf ihn gehört!"

in THE BLOB aus den fünfzigern ist die katastrophe ein roter schleimball aus dem weltall, der die unangenehme eigenart besitzt, menschen zu umschleimen und, zwecks aufnahme von nährstoffen, zu absorbieren. dabei wird er stetig größer, eigentlich ganz schön blöd. ein klassiker der 50ies paranoia also, mit allem was dazu gehört: hölzerne dialoge, stereotype charaktere, eine cremefarbene, für diese dekade sehr typische farbgebung und, vor allem, die stets sublime angst vor der großen, man kann sich's denken, kommunistischen verschwörung, die's auf den einzelnen, das individuum abgesehen hat, ihn, im buchstäblichen sinne, rot zuschleimt und in sich absorbiert, ihn gleichmacht - filmische manifestation des sputnik-schocks.

einen auch wirklich so zu bezeichnenden sieg gibt es in diesem film nicht, einen etappensieg, ja, diesen vielleicht, davon erzählt das eher grimmige, nicht aber glückliche ende. 1958 war die schlacht noch nicht geschlagen, damals musste der zukünftige verlauf der historie noch, so endet der film, unter dem signum eines großen fragezeichens gedacht werden.

schöner, harmloser, nostalgischer nachmittagsspaß für verregnete wochenend-nachmittage.


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17.04., Heimkino

es geht, wie in jedem guten actionfilm, hin zum urmythos des kinos: zum wunder der bewegung, zum mirakel von der darstellung der durchquerung des raums in möglichst kurzer, stets also zu beschleunigender zeit. die story bleibt lediglich kompromiß, zugeständnis an die konventionen des erzählkinos und loses verbindungsglied zwischen herzhaft ehrlich selbstzweckhaften actionsequenzen. dieselbst sind, mit einem wort, furios!
entgegen den konventionen zeitgenössischer us-amerikanischer pendants zählt hier nicht der exzessive gebrauch von schußwaffen, nein, nahezu allein motorisierte vehikel stehen im fokus des films. das ist schon, an nicht wenigen stellen, mitunter sensationell, was einem da geboten wird.
zugegeben, ein tsui hark hätte den straßenverkehr frankreichs vermutlich nicht nur beschleunigt, er hätte ihn wohl jenseits physikalischer gesetze in szene gesetzt, unsere vorstellungen von zeit und raum, unsere vorstellungen vom eigentlich eher nur unelegant mobilen für ungültig erklärt. TAXI ist da gewiß schon etwas europäischer, etwas weniger wagemutig. nichtsdestotrotz bleibt eine bewegungsstudie, die, vom ballast der kohärenz und den verpflichtungen ans erzählkino weitestgehend befreit, zu begeistern weiß.


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Sonntag, 16. November 2003
16.04.2003, Kino Central

februar in berlin, berlinale. man wühlt sich durch programmhefte, streicht an, notiert, wägt ab. lieber um 12 uhr den film im cinemaxx, dafür den um 13 uhr im arsenal sausen lassen? und wann könnte ich den dann nachholen? und was müsste ich nun dafür wieder sausen lassen? und welche filme kommen eh in zwei, drei wochen in die kinos? man erstellt pläne, tabellen, streicht widerwillig gerne wahrgenommenes und disponiert um, steht stunden lang in schlangen an, muss dann an der kasse wieder alles umschmeißen, weil das eine oder andere dann doch schon ausverkauft ist. 2 wochen lang läuft man nur mit einem stapel programmhefte unterm arm durch die stadt, rennt von vorstellung zu vorstellung, stets auf der suche nach dem bestmöglichen destillat aus der ungeheuren angebotsfülle. sozialer kontakt zu nicht ganz so filmbegeisterten wird zum ding der unmöglichkeit, die erschaffung eines mikrokosmos! planet potsdamer platz mit den trabanten am zoo und am friedrichshain, haupstadt: berlinale-palast. danach lehnt man sich erschöpft zurück, ist zwischen 10 und 50 filmerfahrungen reicher (manche davon schon wieder am verblassen) und ist zwar irgendwie froh, dabeigewesen zu sein, aber eigentlich doch auch recht glücklich, dass es das dann nun erstmal gewesen ist. berlinale ist eine zweiwöchige, lustvolle durch-militarisierung des alltages im namen des films, besser: der filmleidenschaft.

in new york aber, da herrscht immer berlinale. dutzende von kinematheken, programmkinos, underground-kinos und ein steter overkill an festivals lassen einen, theoretisch, den berlinale-zustand das ganze jahr, rund um die uhr, ein leben lang aufrecht erhalten. und eine handvoll kinofanatiker - selten passt der begriff besser - hat sich in der tat genau dem verschrieben. ihre liebe gilt dem kino und, das ist jetzt nicht nur bloße rethorik, nichts anderem. In CINEMANIA begleiten wir sie eine weile, lernen ihre marotten, ticks und vorlieben, jeder hat so seine ganz eigenen steckenpferde, kennen.

zunächst das einende: sie hetzen täglich durch die stadt, durch den öffentlichen personennahverkehr, von einer vorstellung zur nächsten, sammeln programmhefte und werten diese mühevoll aus. eine akribische kleinarbeit, die höchstes organisationsgeschick verlangt. soziale kontakte pflegen sie kaum, schon zeitlich wäre das ja kaum möglich, dafür aber kennen sie sich untereinander ein wenig, auch wenn sich "filmbuffs", wie man erfährt, nicht treffen, um zusammen partys zu feiern, nein, sie gehen zusammen ins kino und das ist, in der regel, selbst zweisam eine recht einsame angelegenheit, zumindest aber unkommunikativ. ab und an trifft man sich auch so im saal, oder im foyer, wenn man sich quasi gerade ablöst im kino. über die fragen nach dem jüngst gesehenen, dem für den weiteren tagesverlauf geplanten kommen die gespräche kaum heraus, schon allein deswegen nicht, weil man sich bereits den nächsten platz sichern muss. allesamt leben sie in ärmlichen verhältnissen: kleine wohnungen, sozialhilfebezug, stellenweise verwahrlostes äußeres.

trotzdem gleichen sie sich, in der detailaufnahme, nur wenig. die greise roberta, kinosüchtig seit 1950, mag vor allem das melodrama, ist aber auch dem dokumentarfilm augenscheinlich nicht abgeneigt. gerne streitet sie sich auch, z.b. mit der kartenabreißerin, denn roberta bewahrt alle kinokarten auf, das wird dann auch schon mal rabiat. überhaupt das sammeln: ihre wohnung - räumungsgefährdet, das am rande - quillt über von filmdevotionalien, programmheften (alle in mehrfacher ausführung), promotionmaterial und allerlei (film-)tand - genug, um ein kleines museum zu füllen! gerne würde man, selbst ja filmbegeisterter, darin mal stöbern. jack angstreich ist wohl der typischste new yorker im quintett, typisch vor allem dann, wenn man new york mit woody allen im hinterkopf denkt. dessen humor gleicht jacks dann doch frappant und er sorgt in der doku für kurzweilige selbstreflexionen. wenn er davon erzählt, dass sein sexleben vor allem deswegen so verkümmert sei, weil er nicht sex mit der person rita haysworth haben möchte, sondern mit welles' schwarzweiß-inszenierung von derselben, dann beschreibt er nicht nur recht genau das baudrillard'sche simulakrum, sondern hat auch die lacher auf seiner seite. ein mensch, mit dem man doch recht gern ins kino gehen möchte. bill hingegen, wie jack ebenfalls noch recht jung, wirkt wie ein hoffnungsloser fall für die geschlossene anstalt: seine liebe gilt vor allem dem europäischen autorenkino, besonders die nouvelle vague hat es ihm angetan. fürs kino hat er rheumadecken dabei, sowie tabletten gegen rückenschmerzen und schnupfen, zum schlafen für den abend benötigt er pillen, zum aufstehen ebenso. er wirkt fahrig, sozial vollkommen unfähig, blickt den gesprächspartner nicht an, ist zwar nicht unbedingt wortkarg, dennoch aber autistisch verschlossen. zwanghaft und wie auswendig gelernt muten seine liebesbekenntnisse an. ebenfalls meist neben sich steht harvey, jedoch auf liebenswerte, schrullige art. er kuckt, so die anderen im bunde, "selbst den größten dreck" und kann dem dann auch noch etwas abgewinnen, selbst dem beknacktesten exploitation-film, weswegen man sich auf seine filmtipps kaum verlassen könne. "der findet alles gut", meint jack. außerdem stoppt er die laufzeiten sämtlicher filme, kann die bereits gesehener filme aus dem stegreif nennen und weist das kinopersonal gerne mal auf falsche angaben im programmheft hin. diebisch freut er sich, wenn er das personal in einem multiplexkino ausgetrickst hat und sich drei filme zum preis von einem ansehen konnte. eric schließlich, von dem wir im film am wenigsten erfahren, ist der älteste unter den portraitierten und liebt vor allem unterhaltungskino, komödien und musicals haben es ihm dabei besonders angetan. mit europäischem autorenkino kennt er sich zwar gut genug aus, um sich eine meinung bilden zu können, weist es aber dennoch nahezu apodiktisch von sich. "never liked antontioni" und "never been into resnais" - kurz und prägnant.

fünf eigene welten also, lose über die leidenschaft miteinander verbunden. vor allem aber fünf individualisten mit ganz ausgeprägten eigenarten, die der film, trotz aller lacher und befremdetem kopfschütteln, niemals der lächerlichkeit preisgibt. auch wird nicht versucht, pädagogisch eine "kultur-krankheit" zu analysieren oder ursachenforschung zu betreiben. CINEMANIA schaut einfach, filmt ab, was passiert, portraitiert. kritisch unter die lupe genommen oder gar abgewertet werden die fünf seelen nicht, dafür nehmen die filmemacher sie viel zu ernst, zeigen viel zu viel verständnis für die passion, die glühende aufopferungsbereitschaft, mit der die fünf diese verfolgen. ganz im gegenteil, an manchen stellen möchte man sie sogar fast, aber eben doch nur fast, beneiden, wenn sie etwa von ihren wundervollen erinnerungen schwärmen, oder wenn die liebe, mit der sie ins kino gehen und die sie die filme förmlich in sich aufsaugen lässt, nachvollziehbar vermittelt wird. dann sind das nicht etwa die kranken menschen, als die viele zeitgenossen sie vielleicht vorschnell abstempeln, dann sind das lediglich opfer einer organisation von wirtschaft und gesellschaft, die dieses leben für die leidenschaft eigentlich so nicht miteingeplant hat. deutlich wird dies zum beispiel, wenn sich jack, dessen frühere klassenkämpfermentalität man hier und da mal aufblitzen sieht, darüber moniert, dass die psychologie visuelle erfahrungen bis heute nicht als vollwertige anerkennt, sie vielmehr, zumindest im zwanghaften ausmaß, als verzweifelte kompensation für authentische wertet - reine ideologie, meint er. und wer hat denn schließlich festgelegt, dass ein leben für die karriere, ein leben für den job oder ein leben für die familie das eigentlich gesunde, normale, erstrebenswerte sei? unglücklich wirkt, vielleicht mit ausnahme von bill, der verzweifelt eine "bürgerin der europäischen union" zur heirat zwecks gemeinsamer kinobesuche sucht, keiner der dokumentierten cineasten.

CINEMANIA ist, eigentlich, ein film über jene art von liebe, die den liebenden mit haut und haaren verschlingt und aufzehrt. romantik also, in ihrer ur-form.


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13.04.2003, Heimkino

ein zeitloser film ist das, der selbst heute noch, 42 jahre nach seiner entstehung, seine volle wirkung zu entfalten weiß. mit verve und stil erzählt edwards dieses kleine hinterhofmärchen von jener überaus reizenden holly golightly, die in den scherben ihrer existenz das wilde leben sucht, und von ihrem schriftstellerfreund fred. oder eigentlich ja paul, gut, einverstanden.

man muss wohl wirklich mal in einer großstadt gelebt haben, den charme eines solchen (oder vergleichbaren) appartementhauses kennengelernt haben, um diese geschichte, in der sich ja doch irgendwie alles ums urbane dreht, vollends mitfühlen zu können. man sollte sich schon, in einem ruhigen moment, mal gefragt haben, was wohl das namenlose mädchen zwei stockwerke weiter oben an einem sonnigen nachmittag in ihrer wohnung so treibt, oder was das mädchen mit der extravaganten frisur gleich schräg drüber so für ticks hat. das muss man zwar alles gar nicht wissen unbedingt, sich das aber fragen, das sollte man schon von zeit zu zeit. es sind diese momente der oft intimen, dennoch aber anonymen, ganz eigentümlich urbanen art und weise des zusammenlebens, aus denen FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY seine kraft zieht.

vor soviel charme und eleganz strecke ich gerne die waffen und nehme mir den luxus heraus, einfach nur begeistert zu sein.


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11.04.2003, Heimkino

sommer, sonne, urlaub, äußerlich ist man weit weg von zuhause und in einem drinnen entsteht die leise ahnung des sexualtriebes. etwas staunen darüber und freude gleichermaßen, dann also die erste feurige romanze, die hoffnung auf das baldige "erste mal" - stoff für einen teenie-film also, oder richtig romantisches kino über die zeit, an die sich alle doch immer noch am liebsten erinnern. damals, als alles noch neu war ...

doch breillat nutzt diese vorgaben nicht so, wie man eigentlich erwarten könnte (zumindest, wenn man nicht weiß, wer catherine breillat ist), sie deutet sie um, entwickelt mit unaufdringlichen mitteln ein szenario des steten unbehagens. potenziert den schrecken gerade durch die alltäglichkeit, die unbekümmertheit, mit der der gängige stoff abgeklopft und zerlegt wird. eine moral gibt es in dieser momentaufnahme dieser sublimen, französischen familienhölle nicht, sie wäre auch fehl am platze. moral würde ja bedeuten, dass es anders hätte ablaufen können, dass zumindest der zuschauer, nunmehr mit dem wissen darum ausgestattet, ein anderes leben führen wird. man bleibt allein zurück, viele ratlos, wieder andere brüskiert.

der schluß - der berühmte schluß, möchte man fast schon sagen - ist nur konsequent, bleibt dem film nicht fremd, wie andere meinten, auch wenn er plötzlich einbricht. "don't believe us if you don't want to", sagt anais am ende, nach der katastrophe. man würde ja nur zu gern, allein es fehlt die perspektive.


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lol