Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thomas.reuthebuch | 2 Kommentare | Kommentieren
Herrlich! Ausgeschlafen und voller Vorfreude, durch heftiges Schneetreiben stapfend, Schritt für Schritt die Füße in die knirschende, rutschige, weiße Unterlage treibend, das Gesicht vereist, die Augen zugekniffen, die Zunge hechelnd wie ein zu kurzer Schal aus dem Munde hängend, geriet mir der täglich wiederkehrende 15-minütige Spaziergang zur S-Bahn heute zum Genuß.
Im Kino angekommen kann ich froh sein noch einen Platz zu ergattern. Links und rechts von mir angenehme Menschen, keine Selbstverständlichkeit dieser Tage. Echte Cineasten – genau wie ich. Da gibt es keinen Mucks, kein Geraschel und Geräusper. Später, bei der nächsten Vorführung, werd ich einen Trampler hinter mir zu sitzen haben. Das sind jene Zeitgenossen, die unentwegt mit den Füßen gegen die Lehne des Vordersitzes trampeln und dann ganz verwundert gucken, wenn man sie zurechtweist.
Zurechtweisen ist übrigens in den letzten Tagen zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden. Ich warte regelrecht auf eine Verfehlung, die ich dann umgehend ahnde. Das bleibt nicht unbemerkt. Selbst die Klofrau sieht sich nervös um wenn ich zwischen zwei Vorführungen dahergeprescht komme. Am Abend torkle ich dann ausgehungert in die Potsdamer Arkaden um kurz darauf in der Bahn gen Heimat zu dösen. Da fällt mir eine zerlesene Morgenpost ins Auge. Die Überschrift: „Vorsicht, Cineasten! Beobachtungen am Potsdamer Platz“. Dann: „Sein Kontakt zur Realität ist knapp bemessen. Man muss um ihn Angst haben“. Zustandsbeschreibung, die zweite ist hiermit beendet.
Im Kino angekommen kann ich froh sein noch einen Platz zu ergattern. Links und rechts von mir angenehme Menschen, keine Selbstverständlichkeit dieser Tage. Echte Cineasten – genau wie ich. Da gibt es keinen Mucks, kein Geraschel und Geräusper. Später, bei der nächsten Vorführung, werd ich einen Trampler hinter mir zu sitzen haben. Das sind jene Zeitgenossen, die unentwegt mit den Füßen gegen die Lehne des Vordersitzes trampeln und dann ganz verwundert gucken, wenn man sie zurechtweist.
Zurechtweisen ist übrigens in den letzten Tagen zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden. Ich warte regelrecht auf eine Verfehlung, die ich dann umgehend ahnde. Das bleibt nicht unbemerkt. Selbst die Klofrau sieht sich nervös um wenn ich zwischen zwei Vorführungen dahergeprescht komme. Am Abend torkle ich dann ausgehungert in die Potsdamer Arkaden um kurz darauf in der Bahn gen Heimat zu dösen. Da fällt mir eine zerlesene Morgenpost ins Auge. Die Überschrift: „Vorsicht, Cineasten! Beobachtungen am Potsdamer Platz“. Dann: „Sein Kontakt zur Realität ist knapp bemessen. Man muss um ihn Angst haben“. Zustandsbeschreibung, die zweite ist hiermit beendet.
° ° °
Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thomas.reuthebuch | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft in der Sektion Panorama
Eine Frau und ein junger Mann lieben sich. Sie haben Sex, immer wieder. Der Mann ist minderjährig, stellt sich heraus, nicht nur in Korea ein Fall für den Richter. Die Medien stürzen sich auf die Geschichte, ein besonders aufdringlicher Journalist hängt sich an ihre Versen und schießt Fotos. Die Frau wird zu 100 Tagen Sozialdienst verdonnert, den sie in der Psychiatrie ableistet. Dennoch können die zwei nicht voneinander lassen. Man taucht in der Folge bei der Schwester der Frau unter, sucht Bumshotels auf, bei denen die Kennzeichen der geparkten Autos dezent verdeckt werden und hat vor allen Dingen ausgedehnten Sex – warum auch nicht.
Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. In Korea, muss man dazu wissen und weiss ich von einem koreanischen Freund, hat das noch erheblich mehr Zündstoff als im „Liberté toujours“-Europa. Die Rollenverteilung wird nach wie vor strikter gehandhabt auch wenns da natürlich große Unterschiede gibt, je nach Herkunft, kulturellem Background usw. Dennoch gibt die Geschichte nicht allzuviel her. Park Chul-soo konzentriert sich auf den privaten Bereich, interessiert sich für die Anziehungskraft zwischen den Liebenden und tut dabei ganz locker. Soll heißen, es gibt jede Menge Bettszenen, oftmals erfasst die Kamera in der Totalen das Geschehen, bewegungslos, einmal sogar mehrere Minuten lang.
Der grippegeschwächte Park Chul-soo beschwört das Publikum vor der Aufführung, den Film so zu sehen als hätte man Sex mit seiner Freundin, ganz normal, zu Hause. Vielleicht meinte er damit, es sei ihm beim Drehen um eine Form von Authentizität gegangen, ich weiß es nicht. Der Übersetzer war bei den völlig unverfänglichen, für koreanische Ohren jedoch möglicherweise schlüpfrigen Bemerkungen des Erkrankten irritiert und fiel eher durch nervöses Gekicher als verständliche Übersetzung auf.
Mal abgesehen davon wie spannend es sein kann zwei engagierten Schauspielern beim schweißtreibenden Liebesspiel zuzusehen, es wäre ja nun durchaus denkbar, dass der Film auf dem eingeschlagenen Weg poetische Bilder erfindet, zu überraschenden Erkenntnissen kommt oder sonstwas von Belang passiert. Das Gegenteil ist der Fall. Höhepunkt eine „Party“, bei der alle bislang aufgetretenen Figuren noch einmal zusammenfinden und dann wie im Boulevardtheater die unterschiedlichen Aspekte der Thematik durchkauen, mit vorhersehbarem Ausgang. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass die beiden Hauptdarsteller perfekt modellierte Körper zur Schau tragen?
Eine Frau und ein junger Mann lieben sich. Sie haben Sex, immer wieder. Der Mann ist minderjährig, stellt sich heraus, nicht nur in Korea ein Fall für den Richter. Die Medien stürzen sich auf die Geschichte, ein besonders aufdringlicher Journalist hängt sich an ihre Versen und schießt Fotos. Die Frau wird zu 100 Tagen Sozialdienst verdonnert, den sie in der Psychiatrie ableistet. Dennoch können die zwei nicht voneinander lassen. Man taucht in der Folge bei der Schwester der Frau unter, sucht Bumshotels auf, bei denen die Kennzeichen der geparkten Autos dezent verdeckt werden und hat vor allen Dingen ausgedehnten Sex – warum auch nicht.
Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. In Korea, muss man dazu wissen und weiss ich von einem koreanischen Freund, hat das noch erheblich mehr Zündstoff als im „Liberté toujours“-Europa. Die Rollenverteilung wird nach wie vor strikter gehandhabt auch wenns da natürlich große Unterschiede gibt, je nach Herkunft, kulturellem Background usw. Dennoch gibt die Geschichte nicht allzuviel her. Park Chul-soo konzentriert sich auf den privaten Bereich, interessiert sich für die Anziehungskraft zwischen den Liebenden und tut dabei ganz locker. Soll heißen, es gibt jede Menge Bettszenen, oftmals erfasst die Kamera in der Totalen das Geschehen, bewegungslos, einmal sogar mehrere Minuten lang.
Der grippegeschwächte Park Chul-soo beschwört das Publikum vor der Aufführung, den Film so zu sehen als hätte man Sex mit seiner Freundin, ganz normal, zu Hause. Vielleicht meinte er damit, es sei ihm beim Drehen um eine Form von Authentizität gegangen, ich weiß es nicht. Der Übersetzer war bei den völlig unverfänglichen, für koreanische Ohren jedoch möglicherweise schlüpfrigen Bemerkungen des Erkrankten irritiert und fiel eher durch nervöses Gekicher als verständliche Übersetzung auf.
Mal abgesehen davon wie spannend es sein kann zwei engagierten Schauspielern beim schweißtreibenden Liebesspiel zuzusehen, es wäre ja nun durchaus denkbar, dass der Film auf dem eingeschlagenen Weg poetische Bilder erfindet, zu überraschenden Erkenntnissen kommt oder sonstwas von Belang passiert. Das Gegenteil ist der Fall. Höhepunkt eine „Party“, bei der alle bislang aufgetretenen Figuren noch einmal zusammenfinden und dann wie im Boulevardtheater die unterschiedlichen Aspekte der Thematik durchkauen, mit vorhersehbarem Ausgang. Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass die beiden Hauptdarsteller perfekt modellierte Körper zur Schau tragen?
° ° °
Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft im Internationalen Forum des jungen Films.
Im Mittelpunkt dieses Dokumentarfilms steht die Bilderrolle "Yamanaka Tokiwa", die dem japanischen Künstler Iwasa Matabei (1578-1650) zugeschrieben wird. Sie erzählt die zu Beginn des 17. Jahrhunderts berühmte Marionettentheater-Geschichte von Ushiwaka-maru und seiner Mutter, Lady Tokiwa. Beide sind Mitglieder einer Samurai-Familie. Ushiwaka-maru ist der Kindername von Minomoto Yoshitsune, einer der beliebtesten historischen Persönlichkeiten Japans im 12. Jahrhundert. Lady Tokiwa macht sich auf den Weg, um ihren Sohn zu besuchen, der im Norden Japans lebt, weit weg von ihrer Heimstadt Kyoto. Auf der Reise wird sie in Yamanaka von Banditen überfallen und umgebracht. Lady Tokiwas Geist erscheint dem Sohn, der so von dem tragischen Schicksal seiner Mutter erfährt. Um sie zu rächen, bringt er alle Mitglieder der Bande um. (Quelle: Forum)
Die Damen, die sich um die Pressearbeit des Films kümmern, sind vor dem Press Screening sichtlich aufgeregt zu Werke: Sie beeilen sich, jedem Journalisten, an seinem umhängenden Badge zu erkennen, ob er nun will oder nicht, ein zweiblättriges Info Sheet zu den historischen und kulturellen Hintergründen des Films in die Hand zu drücken, behalten dabei aber maximale Freundlichkeit. Natürlich will man, dass der Film verstanden wird und Aufklärung tut da Not, denn er wirft einen tiefen Blick in die traditionelle japanische Kultur.
Vor allem an der musikalischen Untermalung, den vom klassischen shamisen unterlegten joruri, macht sich das bemerkbar. Westlichen und ungeübten Ohren muss das wie arhytmisches Geklimper anmuten, wie Katzengejaule. Und in der Tat ist die Musik dann auch das erste Hemmnis des Films, auch für den an sich aufgeschlossenen Zuschauer, der festivalbedingt ohnedies zum Kopfschmerz neigt. Bald erste Gedanken, den Saal zu verlassen. Doch dann eben doch Sich-Fügen, Sich-Entspannen. Die Rezeptoren öffnen sich, der Film, samt seiner Musik, kann eintreten. Ist dieser Punkt überwunden, beginnt auch die Musik ihre eigene Rhythmus, ihre eigenen Jamben, eigene Poesie zu entwickeln. Sie passt. Sie passt gut.
Der Film zeigt, nach kurzer Einführung in die Geschichte dieser Rollen und des historischen Hintergrunds, alle 12 Rollen der Geschichte. Die filmt er jedoch nicht nur stur ab, das wäre stupide. Vielmehr simuliert er den Blick des leidenschaftlichen, lustvollen Lesers, wie er sich vor der Rolle einfindet. Oft erst der simulierte Blick auf das Ausrollen eines Panoramabildes. Dann eine Betrachtung im Gesamten. Schließlich die Suche nach Details im Bild, bis hin manchmal zu eine Ebene, wo das Strichhafte fast ein abstraktes Kinobild ergibt. Manchmal, wenn es um Ortsangaben geht, schneidet der Film um auf aktuell gefilmte Bilder des Landes. Dann und wann gibt es auch eine kleine Nachstellung einer Szene. Dabei wird der Film nie sonderlich deutlich. Wenn die zwei Frauen der Spielhandlung durch den Wald gehen, zeigt er zwei Frauen in historischer Tracht, die durch den Wald gehen. Manchmal stört das ein wenig, da man sich lieber die Rolle ansehen möchte. Aber man merkt bald: Das sind noch anfängliche Zugeständnisse an die Sehgewohnheiten des Zuschauers, der behutsam in diese andere Erzählwelt eingeführt werden soll. Im Verlauf werden solche Real-Inserts spürbar weniger, die Handlung wird dramatischer, bleibt nun ganz im Gezeichneten verhaftet.
Es ist erstaunlich, diese Rollen, gewiss wertvollste Artefakte im japanischen Kulturbesitz, im kinematografischen Studium vermittelt zu bekommen. Die Kamera erlaubt eine Nähe, die dem Zuschauer, etwa im Museum, notwendig verwehrt bleiben muss. Das Interessante ist dabei, natürlich, wieder die Ebene der abstrahierenden Reduktion, die im Detail geleistet wird. Ein kleiner Strich, minimal, entscheidet über den emotionalen Ausdruck einer Figur. Muskelstränge sind sanfte Tuschestriche. Wenige Tupfer ergeben einen schönen Strauch. Natürlich, im Comiczeitalter ist das nichts Unbekanntes. Und wir alle haben Comics verstehen gelesen. Wie aber hier, vor 400 Jahren, bereits ein derartiges intuitives Wissen um die psychische Wahrnehmung von Strichen eingearbeitet wurde, wie überhaupt eine Zeichenkultur schon derart weit war, dass sie den Comic, die vielleicht noch immer unterbewertetste komplexe Ausdrucksforum, bereits komplett antizipierte, das also nachzufühlen, in diesem gewiss zunächst schwierigen, dann aber lohnenswerten Film, das ist schon großartig.
forum-info
Im Mittelpunkt dieses Dokumentarfilms steht die Bilderrolle "Yamanaka Tokiwa", die dem japanischen Künstler Iwasa Matabei (1578-1650) zugeschrieben wird. Sie erzählt die zu Beginn des 17. Jahrhunderts berühmte Marionettentheater-Geschichte von Ushiwaka-maru und seiner Mutter, Lady Tokiwa. Beide sind Mitglieder einer Samurai-Familie. Ushiwaka-maru ist der Kindername von Minomoto Yoshitsune, einer der beliebtesten historischen Persönlichkeiten Japans im 12. Jahrhundert. Lady Tokiwa macht sich auf den Weg, um ihren Sohn zu besuchen, der im Norden Japans lebt, weit weg von ihrer Heimstadt Kyoto. Auf der Reise wird sie in Yamanaka von Banditen überfallen und umgebracht. Lady Tokiwas Geist erscheint dem Sohn, der so von dem tragischen Schicksal seiner Mutter erfährt. Um sie zu rächen, bringt er alle Mitglieder der Bande um. (Quelle: Forum)
Die Damen, die sich um die Pressearbeit des Films kümmern, sind vor dem Press Screening sichtlich aufgeregt zu Werke: Sie beeilen sich, jedem Journalisten, an seinem umhängenden Badge zu erkennen, ob er nun will oder nicht, ein zweiblättriges Info Sheet zu den historischen und kulturellen Hintergründen des Films in die Hand zu drücken, behalten dabei aber maximale Freundlichkeit. Natürlich will man, dass der Film verstanden wird und Aufklärung tut da Not, denn er wirft einen tiefen Blick in die traditionelle japanische Kultur.
Vor allem an der musikalischen Untermalung, den vom klassischen shamisen unterlegten joruri, macht sich das bemerkbar. Westlichen und ungeübten Ohren muss das wie arhytmisches Geklimper anmuten, wie Katzengejaule. Und in der Tat ist die Musik dann auch das erste Hemmnis des Films, auch für den an sich aufgeschlossenen Zuschauer, der festivalbedingt ohnedies zum Kopfschmerz neigt. Bald erste Gedanken, den Saal zu verlassen. Doch dann eben doch Sich-Fügen, Sich-Entspannen. Die Rezeptoren öffnen sich, der Film, samt seiner Musik, kann eintreten. Ist dieser Punkt überwunden, beginnt auch die Musik ihre eigene Rhythmus, ihre eigenen Jamben, eigene Poesie zu entwickeln. Sie passt. Sie passt gut.
Der Film zeigt, nach kurzer Einführung in die Geschichte dieser Rollen und des historischen Hintergrunds, alle 12 Rollen der Geschichte. Die filmt er jedoch nicht nur stur ab, das wäre stupide. Vielmehr simuliert er den Blick des leidenschaftlichen, lustvollen Lesers, wie er sich vor der Rolle einfindet. Oft erst der simulierte Blick auf das Ausrollen eines Panoramabildes. Dann eine Betrachtung im Gesamten. Schließlich die Suche nach Details im Bild, bis hin manchmal zu eine Ebene, wo das Strichhafte fast ein abstraktes Kinobild ergibt. Manchmal, wenn es um Ortsangaben geht, schneidet der Film um auf aktuell gefilmte Bilder des Landes. Dann und wann gibt es auch eine kleine Nachstellung einer Szene. Dabei wird der Film nie sonderlich deutlich. Wenn die zwei Frauen der Spielhandlung durch den Wald gehen, zeigt er zwei Frauen in historischer Tracht, die durch den Wald gehen. Manchmal stört das ein wenig, da man sich lieber die Rolle ansehen möchte. Aber man merkt bald: Das sind noch anfängliche Zugeständnisse an die Sehgewohnheiten des Zuschauers, der behutsam in diese andere Erzählwelt eingeführt werden soll. Im Verlauf werden solche Real-Inserts spürbar weniger, die Handlung wird dramatischer, bleibt nun ganz im Gezeichneten verhaftet.
Es ist erstaunlich, diese Rollen, gewiss wertvollste Artefakte im japanischen Kulturbesitz, im kinematografischen Studium vermittelt zu bekommen. Die Kamera erlaubt eine Nähe, die dem Zuschauer, etwa im Museum, notwendig verwehrt bleiben muss. Das Interessante ist dabei, natürlich, wieder die Ebene der abstrahierenden Reduktion, die im Detail geleistet wird. Ein kleiner Strich, minimal, entscheidet über den emotionalen Ausdruck einer Figur. Muskelstränge sind sanfte Tuschestriche. Wenige Tupfer ergeben einen schönen Strauch. Natürlich, im Comiczeitalter ist das nichts Unbekanntes. Und wir alle haben Comics verstehen gelesen. Wie aber hier, vor 400 Jahren, bereits ein derartiges intuitives Wissen um die psychische Wahrnehmung von Strichen eingearbeitet wurde, wie überhaupt eine Zeichenkultur schon derart weit war, dass sie den Comic, die vielleicht noch immer unterbewertetste komplexe Ausdrucksforum, bereits komplett antizipierte, das also nachzufühlen, in diesem gewiss zunächst schwierigen, dann aber lohnenswerten Film, das ist schon großartig.
forum-info
° ° °
Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft im Internationalen Forum des jungen Films.
Die Regisseurin berichtet von den Traumatisierungen Nicaraguas, wie sie nicht erst mit dem Bürgerkrieg begannen und wie sie auch nicht mit dessen Beschluss ein Ende fanden. Als Beispiel dient ihr eine Familie, die das Schicksal besonders gebeutelt hatte: Die Kinder kämpften auf verschiedenen Seiten. Durch die Szenerie fährt immer wieder ein bisweilen mystisch anmutender LKW, dessen Ladung und Ziel unbekannt bleiben. Auf der Heckscheibe steht zu lesen: "El Inmortal". Wie der Sensenmann scheint er durch's Land zu fahren. Unergründlich, schwerfällig, als wäre er kein Teil seiner Umgebung. Er zieht die Neugier auf sich, doch will man eigentlich nicht wissen, was es mit ihm auf sich hat.
Mercedes Moncada Rodriguez versucht nicht, ein sinnbildendes, narrativähnliches Gefüge mit historischer Aussagekraft zu etablieren. Im Gegenteil korrespondiert ihre Inszenierungsart mit den biografischen Zerrissenheiten (und den eigenen, wie sie im Presseinfo anmerkt: Wie sie selbst keinen Sinn in der ganzen Tragödie Nicaraguas sieht). Immer wieder verfremdet sie das Geschehen mit der Kamera, die Soundkulisse wirkt bedrohlich, wie aus einem düsteren Horrorfilm. Und in der Tat irrealisiert sich der ganze Film durch solche Einschübe ungemein. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ein spannender Dokumentarfilm, der sich zudem eindeutigen politischen Lagern auf diese Weise auch versperrt.
Forum-Info
Die Regisseurin berichtet von den Traumatisierungen Nicaraguas, wie sie nicht erst mit dem Bürgerkrieg begannen und wie sie auch nicht mit dessen Beschluss ein Ende fanden. Als Beispiel dient ihr eine Familie, die das Schicksal besonders gebeutelt hatte: Die Kinder kämpften auf verschiedenen Seiten. Durch die Szenerie fährt immer wieder ein bisweilen mystisch anmutender LKW, dessen Ladung und Ziel unbekannt bleiben. Auf der Heckscheibe steht zu lesen: "El Inmortal". Wie der Sensenmann scheint er durch's Land zu fahren. Unergründlich, schwerfällig, als wäre er kein Teil seiner Umgebung. Er zieht die Neugier auf sich, doch will man eigentlich nicht wissen, was es mit ihm auf sich hat.
Mercedes Moncada Rodriguez versucht nicht, ein sinnbildendes, narrativähnliches Gefüge mit historischer Aussagekraft zu etablieren. Im Gegenteil korrespondiert ihre Inszenierungsart mit den biografischen Zerrissenheiten (und den eigenen, wie sie im Presseinfo anmerkt: Wie sie selbst keinen Sinn in der ganzen Tragödie Nicaraguas sieht). Immer wieder verfremdet sie das Geschehen mit der Kamera, die Soundkulisse wirkt bedrohlich, wie aus einem düsteren Horrorfilm. Und in der Tat irrealisiert sich der ganze Film durch solche Einschübe ungemein. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ein spannender Dokumentarfilm, der sich zudem eindeutigen politischen Lagern auf diese Weise auch versperrt.
Forum-Info
° ° °
Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft in der Reihe 14Plus des Kinderfilmfestes.
Zwei Schulmädchen, Hana und Alice, vor morgentrister Kulisse eines japanischen Vorortes. Sie springen umher, bald hierhin, bald dorthin. Es geht zum Zug, erfahren wir. Wohin der fährt? Weiß die eine nicht. Sie fragt nach, hinein, nicht hinein? Erst hinein, drin rumpesen, dann wieder raus. Bei einer Haltestelle aussteigen, zum nächsten Zug hin. Ziellos in den Tag hinein. Am Ende geht’s dann doch zur Schule, aber erst nach vielen Umwegen. Und im Zug sehen sie einen jungen Mann, den beide neckisch finden. Vor ihm steht ein anderer, ein echter Bücherwurm, nicht unattraktiv, sicherlich, aber zunächst nicht im Fokus. Um ihn wird es später dann gehen, in diesem Film von Shunji Iwai, auf den man drei Jahre lang hat warten müssen. Endlich ist er da.
Wie die beiden Mädchen zu Beginn, so ist auch der Film. Stets sprunghaft, ohne rechtes Ziel, mal geht es hierhin, mal dorthin. Wo es was zu entdecken gibt, wird länger hingeschaut, verweilt. Bald rückt anderes ins Blickfeld und dann ist das zuvor Geschehene schon wieder vergessen. Die narrative Linie, der sporadisch, oft nur am Rande, gefolgt wird, ist folgende: Die etwas plumpere Hana verliebt sich insgeheim in den Bücherwurm, Miyamoto. In einem seltsam verschrobenen „Drama Club“ – eine Lokalität, ein Sammelbecken für seltsame Figuren, wie es bei Iwai so häufig anzutreffen ist – versucht sie ihm nahe zu kommen. Als er sich beim büchervergrabenen Nachhauseweg den Kopf stößt und zu Boden geht, sieht sie ihre Chance gekommen: Sie redet ihm eine Amnesie ein und macht ihm zum leisen Vorwurf, dass er sich nicht mehr an seine Liebesschwüre erinnern könne. Aber sie ist natürlich dazu bereit, gemeinsam mit ihm Erinnerungsarbeit zu leisten. Als er bei ihr auf Monate alte Handyfotos seiner Selbst stößt und die Geschichte aufzufliegen droht, lässt sie sich zu einem abenteuerlichen Schwindel hinreißen: Die habe Alice geschossen, damals, als diese noch mit ihm zusammen war. Alice habe sie ihr geschickt, aber dann kam es zum Krach zwischen Alice und Miyamoto und dann war Schluss und jetzt aber ist sie mit ihm zusammen. Alice erhält Anweisungen, sich entsprechend zu verhalten. Sie lässt sich darauf ein, denn auch sie findet insgeheim den schüchternen Jungen ganz süß. Keine gute Basis für weitere Ereignisse ...
Doch dies, wie gesagt, nur ein Faden, der immer mal wieder aufgegriffen wird und eigentlich kaum recht ins Zentrum des Filmes rückt. Wichtiger sind die Einschübe, die den Alltag der beiden Mädchen - mal gemeinsam, mal jede für sich – zeigen. Die Ballettschule, in die beide gehen, wird beleuchtet. Wir lernen Figuren daraus kennen, jede für sich ein Unikat (wie bei Iwai ja immer alle Menschen alles andere als gewöhnlich sind, selbst noch in ihrer Gewöhnlichkeit). Beider Elternhäuser werden vorgestellt, oft nur durch bildhafte Eindrücke, kleine Gesten zwischen Eltern und Tochter. Alles wird angeschnitten, nichts voll ausformuliert, aber, und darin liegt die Kunst, jeder Detail bleibt als Reminiszenz doch detailreich und erdet den mäanderförmigen Verlauf des roten Fadens in ein großes Gefüge, in dem, und das ist das Schöne, alles für sich betrachtet und in seiner leisen Poesie genossen oder alles als Teil eines großen Ganzen betrachtet werden kann. Dem ähnlich sympathischen Forumsbeitrag Sekai no Owari nicht wesensfremd, liegt die Stärke von Hana & Alice im großen Angebot, sich in einem Film zu verlieren, ohne dass jedes Detail einen gleich mit Sinn und Bedeutung für das Ganze erschlage. Der Verlauf, das Beiläufige ist das Schöne, an diesem wie jenem Film. Und wenn man sich daran gewöhnt hat, wenn man beide Mädchen, so unterschiedlich sie auch sind, irgendwann als gute Bekannte, an deren Leben man auszugsweise teilhat, angenommen hat, dann entwickelt Hana & Alice eine ganz eigene Faszinationskraft eines gemächlichen Zuschauens, wie sich Menschen da in emotional fordernden Situationen verhalten, ohne dass gleich die Gesetze der Dramaturgie oder der Parabel in den Raum gestellt würden.
Maßgeblich trägt dazu natürlich Shunji Iwais Gespür fürs Bild bei. Und das Beiläufige, das sich ins Detail verlierende der Handlung, findet hier Wiederklang. Gewiss ist da eine eigene, kleine Poesie im Kader versteckt. Aber nichts schwingt sich zu einer überwältigenden Poetik auf. Jede Verschrobenheit – in einer emotional besonders packenden Szene in einem Klassenzimmer etwa, am Rande eines Schulkulturfestes situiert, schaut, wie zur Konterkarierung des Gesprächs, ein aufgeblasener Astroboy durchs Fenster rein; von ganz eigenem Reiz, ohne bloß Schrulligkeit beizupfeffern, ist ein seltsames Zwillingspärchen mit blonden Haaren am Rande eines Castings, an dem die bezaubernde Alice teilnimmt -, jedes kleinste Element der Gestaltung – ein Aufblitzen eines Lichtstrahls etwa, bedingt durch einen kurz zur Seite geneigten Kopf – könnte zufällig hier platziert oder Teil eines ästhetischen Konzepts sein. Man darf sich entscheiden und ganz nach Lust und Laune Gefallen daran finden. Ästhetisch unverkennbar Shunji Iwai sind dabei die Bilder und ihr Licht selbst: Immer kommt da ein Schimmer von oben, der die ansonsten eher natürlich gehaltenen Bilder nur eine Nuance irrealisiert, sie ein wenig traumhaft erscheinen lässt, dabei aber nie in sämige Traumsoße kippt. Eine Sachtheit, die sich in jedem Aspekt des Films widerspiegelt.
Das Ende ist natürlich ganz anders als Beginn und Verlauf des Films in Erwartung stellten. Aber es ist auch anders, als man es von einem „anderen Ende“ erwarten würde. Eine Nebensächlichkeit rückt ins Zentrum, Jubel, der Film ist aus. Den roten Faden von der Liebesgeschichte hat man schon lange verloren, wenn man ihn denn überhaupt an irgendeiner Stelle motiviert aufgegriffen hätte. Darum ging es schlicht nicht, sondern allenfalls unter anderem. Wichtig ist Shunji Iwai das Gefühl für einen schönen Kippmoment in der Adoleszenz: Schon sehr erwachsen, aber noch immer jugendlich genug, um sich für eine kleine Weile noch zurückziehen zu können. Das Gespür, mit der Shunji Iwai dies ins Bild setzt, ist, wie stets, fast unbeschreiblich. Am Ende ist alles so, als wäre das nur einer von vielen, scheinbar endlos verfügbaren Sommern gewesen, in denen viel passiert ist, manche Träne auch geflossen, aber am Ende war alles nur Episode reinster Gegenwärtigkeit und gewiss nicht Teil einer biografischen Historizität. Die kommt erst später und ist Shunji Iwais Sache nicht. Zum Glück.
imdb | offizielle Website
Schöne Screenshots in den Kommentaren.
Zwei Schulmädchen, Hana und Alice, vor morgentrister Kulisse eines japanischen Vorortes. Sie springen umher, bald hierhin, bald dorthin. Es geht zum Zug, erfahren wir. Wohin der fährt? Weiß die eine nicht. Sie fragt nach, hinein, nicht hinein? Erst hinein, drin rumpesen, dann wieder raus. Bei einer Haltestelle aussteigen, zum nächsten Zug hin. Ziellos in den Tag hinein. Am Ende geht’s dann doch zur Schule, aber erst nach vielen Umwegen. Und im Zug sehen sie einen jungen Mann, den beide neckisch finden. Vor ihm steht ein anderer, ein echter Bücherwurm, nicht unattraktiv, sicherlich, aber zunächst nicht im Fokus. Um ihn wird es später dann gehen, in diesem Film von Shunji Iwai, auf den man drei Jahre lang hat warten müssen. Endlich ist er da.
Wie die beiden Mädchen zu Beginn, so ist auch der Film. Stets sprunghaft, ohne rechtes Ziel, mal geht es hierhin, mal dorthin. Wo es was zu entdecken gibt, wird länger hingeschaut, verweilt. Bald rückt anderes ins Blickfeld und dann ist das zuvor Geschehene schon wieder vergessen. Die narrative Linie, der sporadisch, oft nur am Rande, gefolgt wird, ist folgende: Die etwas plumpere Hana verliebt sich insgeheim in den Bücherwurm, Miyamoto. In einem seltsam verschrobenen „Drama Club“ – eine Lokalität, ein Sammelbecken für seltsame Figuren, wie es bei Iwai so häufig anzutreffen ist – versucht sie ihm nahe zu kommen. Als er sich beim büchervergrabenen Nachhauseweg den Kopf stößt und zu Boden geht, sieht sie ihre Chance gekommen: Sie redet ihm eine Amnesie ein und macht ihm zum leisen Vorwurf, dass er sich nicht mehr an seine Liebesschwüre erinnern könne. Aber sie ist natürlich dazu bereit, gemeinsam mit ihm Erinnerungsarbeit zu leisten. Als er bei ihr auf Monate alte Handyfotos seiner Selbst stößt und die Geschichte aufzufliegen droht, lässt sie sich zu einem abenteuerlichen Schwindel hinreißen: Die habe Alice geschossen, damals, als diese noch mit ihm zusammen war. Alice habe sie ihr geschickt, aber dann kam es zum Krach zwischen Alice und Miyamoto und dann war Schluss und jetzt aber ist sie mit ihm zusammen. Alice erhält Anweisungen, sich entsprechend zu verhalten. Sie lässt sich darauf ein, denn auch sie findet insgeheim den schüchternen Jungen ganz süß. Keine gute Basis für weitere Ereignisse ...
Doch dies, wie gesagt, nur ein Faden, der immer mal wieder aufgegriffen wird und eigentlich kaum recht ins Zentrum des Filmes rückt. Wichtiger sind die Einschübe, die den Alltag der beiden Mädchen - mal gemeinsam, mal jede für sich – zeigen. Die Ballettschule, in die beide gehen, wird beleuchtet. Wir lernen Figuren daraus kennen, jede für sich ein Unikat (wie bei Iwai ja immer alle Menschen alles andere als gewöhnlich sind, selbst noch in ihrer Gewöhnlichkeit). Beider Elternhäuser werden vorgestellt, oft nur durch bildhafte Eindrücke, kleine Gesten zwischen Eltern und Tochter. Alles wird angeschnitten, nichts voll ausformuliert, aber, und darin liegt die Kunst, jeder Detail bleibt als Reminiszenz doch detailreich und erdet den mäanderförmigen Verlauf des roten Fadens in ein großes Gefüge, in dem, und das ist das Schöne, alles für sich betrachtet und in seiner leisen Poesie genossen oder alles als Teil eines großen Ganzen betrachtet werden kann. Dem ähnlich sympathischen Forumsbeitrag Sekai no Owari nicht wesensfremd, liegt die Stärke von Hana & Alice im großen Angebot, sich in einem Film zu verlieren, ohne dass jedes Detail einen gleich mit Sinn und Bedeutung für das Ganze erschlage. Der Verlauf, das Beiläufige ist das Schöne, an diesem wie jenem Film. Und wenn man sich daran gewöhnt hat, wenn man beide Mädchen, so unterschiedlich sie auch sind, irgendwann als gute Bekannte, an deren Leben man auszugsweise teilhat, angenommen hat, dann entwickelt Hana & Alice eine ganz eigene Faszinationskraft eines gemächlichen Zuschauens, wie sich Menschen da in emotional fordernden Situationen verhalten, ohne dass gleich die Gesetze der Dramaturgie oder der Parabel in den Raum gestellt würden.
Maßgeblich trägt dazu natürlich Shunji Iwais Gespür fürs Bild bei. Und das Beiläufige, das sich ins Detail verlierende der Handlung, findet hier Wiederklang. Gewiss ist da eine eigene, kleine Poesie im Kader versteckt. Aber nichts schwingt sich zu einer überwältigenden Poetik auf. Jede Verschrobenheit – in einer emotional besonders packenden Szene in einem Klassenzimmer etwa, am Rande eines Schulkulturfestes situiert, schaut, wie zur Konterkarierung des Gesprächs, ein aufgeblasener Astroboy durchs Fenster rein; von ganz eigenem Reiz, ohne bloß Schrulligkeit beizupfeffern, ist ein seltsames Zwillingspärchen mit blonden Haaren am Rande eines Castings, an dem die bezaubernde Alice teilnimmt -, jedes kleinste Element der Gestaltung – ein Aufblitzen eines Lichtstrahls etwa, bedingt durch einen kurz zur Seite geneigten Kopf – könnte zufällig hier platziert oder Teil eines ästhetischen Konzepts sein. Man darf sich entscheiden und ganz nach Lust und Laune Gefallen daran finden. Ästhetisch unverkennbar Shunji Iwai sind dabei die Bilder und ihr Licht selbst: Immer kommt da ein Schimmer von oben, der die ansonsten eher natürlich gehaltenen Bilder nur eine Nuance irrealisiert, sie ein wenig traumhaft erscheinen lässt, dabei aber nie in sämige Traumsoße kippt. Eine Sachtheit, die sich in jedem Aspekt des Films widerspiegelt.
Das Ende ist natürlich ganz anders als Beginn und Verlauf des Films in Erwartung stellten. Aber es ist auch anders, als man es von einem „anderen Ende“ erwarten würde. Eine Nebensächlichkeit rückt ins Zentrum, Jubel, der Film ist aus. Den roten Faden von der Liebesgeschichte hat man schon lange verloren, wenn man ihn denn überhaupt an irgendeiner Stelle motiviert aufgegriffen hätte. Darum ging es schlicht nicht, sondern allenfalls unter anderem. Wichtig ist Shunji Iwai das Gefühl für einen schönen Kippmoment in der Adoleszenz: Schon sehr erwachsen, aber noch immer jugendlich genug, um sich für eine kleine Weile noch zurückziehen zu können. Das Gespür, mit der Shunji Iwai dies ins Bild setzt, ist, wie stets, fast unbeschreiblich. Am Ende ist alles so, als wäre das nur einer von vielen, scheinbar endlos verfügbaren Sommern gewesen, in denen viel passiert ist, manche Träne auch geflossen, aber am Ende war alles nur Episode reinster Gegenwärtigkeit und gewiss nicht Teil einer biografischen Historizität. Die kommt erst später und ist Shunji Iwais Sache nicht. Zum Glück.
imdb | offizielle Website
Schöne Screenshots in den Kommentaren.
° ° °
Thema: Berlinale 2005
15. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
- EMS haben sich die Rechte des für morgen angesetzten Wettbewerbsbeitrags The Hidden Blade gesichert. Damit ist eine Kinoauswertung durch den firmeneigenen Verleih 3L (u.a. Oldboy) wohl so gut wie sicher.
- Ein wahres Knallbonbon haben Kinowelt sich geleistet: Noch in letzter Sekunde hat man den bereits seit langem angekündigten Oscarkandidaten The Million Dollar Baby von und mit Clint Eastwood unter den Nagel gerissen. Wie sich herausstellte, hatte Warner, der "bisherige" Verleih, die deutschen Rechte eigentlich gar nicht sicher. Irgendwas mit Vertragsklausel und nicht unterschrieben. Warner reagiert heute prompt mit einer lakonischen Pressemail: "Die angesetzten Pressevorführungen finden nicht statt." Der Starttermin, Anfang März, soll aber gewahrt bleiben. Ironie des Schicksals: Als Kinowelt seinerzeit Pleite ging und sein Herr-der-Ringe-Paket nicht zahlen konnte, schnappte Warner für den deutschen Markt zu.
- Ein wahres Knallbonbon haben Kinowelt sich geleistet: Noch in letzter Sekunde hat man den bereits seit langem angekündigten Oscarkandidaten The Million Dollar Baby von und mit Clint Eastwood unter den Nagel gerissen. Wie sich herausstellte, hatte Warner, der "bisherige" Verleih, die deutschen Rechte eigentlich gar nicht sicher. Irgendwas mit Vertragsklausel und nicht unterschrieben. Warner reagiert heute prompt mit einer lakonischen Pressemail: "Die angesetzten Pressevorführungen finden nicht statt." Der Starttermin, Anfang März, soll aber gewahrt bleiben. Ironie des Schicksals: Als Kinowelt seinerzeit Pleite ging und sein Herr-der-Ringe-Paket nicht zahlen konnte, schnappte Warner für den deutschen Markt zu.
° ° °
Thema: Berlinale 2005
Der Film läuft in der Sektion Panorama.
Die Prämisse des Films: Der angehende Dokumentarfilmer Tobias Hansen (Florian Lukas) lebt seit einem Jahr mit seiner Freundin Evelyn (Heike Makatsch) gemeinsam in einer Berliner Wohnung. Kurz vor dem Herzug hatte man noch Tobias’ Bruder Markus (Jürgen Vogel), Sänger der Indiepopband Hansen, in Hamburg besucht. Seitdem schwelt in Tobias der Verdacht, dass zwischen Bruder und Freundin mehr als bloß unverbindliche Freundlichkeiten ausgetauscht worden waren. Als er von einer anstehenden Deutschlandtour seines Bruders Band Wind bekommt, entschließt er sich spontan dazu, einen Dokumentarfilm über die Band im Allgemeinen, den Bruder im Besonderen zu drehen. Evelyn packt er gleich mit in den Tourbus, erhofft er sich derart doch, seine Ungewissheiten zu zerstreuen. Das Ergebnis, der vorliegende (gefakete) Dokumentarfilm, ist dann, wie Tobias seinen Prolog aus dem Off beschließt, „ein Film über uns drei“. Spricht’s also monoton, aber auch schon ein bisschen nervend, und man ahnt schon, dass hier fürchterliches deutsches Kino für hippe Twens, die sich gerade in der gemeinsamen Butze eingenestet haben, inszeniert werden soll. Mit etwas Gimmick (Mockumentary), etwas Wiedererkennungswert (Beziehungsproblemchen wälzen) und etwas abgeschmackte Popkultur (Deutschpopband mit Schlagertext, gemeinsam durch die kleinen Clubs dieser Republik, die das anvisierte Publikum vielleicht sogar aus eigenem Erleben kennt).
Man wird recht behalten dürfen. Keine Lieder über Liebe ist, vor allem auch angesichts der Möglichkeiten, erschreckend orientierungslos und entscheidet sich unter Garantie an jeder Weichenstelle für die falsche Richtung. Die Form beispielsweise, die Mockumentary, ansonsten Labor für allerlei filmische Experimente, Überlegungen über Film und seine ästhetischen Strategien, verkommt hier zur bloßen Behauptung von Konzept und Kunst, ohne dass sie an einer Stelle gewinnbringend eingesetzt würde. Sie dient, ganz salopp, allenfalls als künstlerische Legitimation, um brackiges Beziehungsgeschwurbel, über dessen infantilen Verlauf man sich als moderner Mensch nur wundern kann (wenn man nicht einfach nur aggressiv ob soviel dummsinnigen, nicht enden wollenden und vor allem redundanten Geplappers wird), einmal mehr ins Bild zu setzen. Dabei ist die Form noch nicht einmal konsequent: Mehr als nur einmal fragt man sich, wie es denn sein könne, dass vor laufender Kamera intime Gespräche geführt werden, für die sich sogar von anderen abgesetzt wird. Dann immer mal wieder im Gespräch der Beteiligten die Referenz auf Ereignisse jenseits und zwischen der Sequenzen. Natürlich, denn wir sehen ja nur ein kleines Stück des Tourlebens. Doch was mit Inspiration ein Spiel mit den Wahrscheinlichkeiten ergeben hätte, verläuft hier zur bloßen Macke: Es gibt, rein narrativ gesehen, kein Ungefilmtes zwischen den Sequenzen. Der Film folgt noch bis in die Inserts von sinnbegründenden Großaufnahmen üblicher Dramaturgie und üblichen Geboten narrativer Kontingenz.
Wenn der Film aus seinen ohne Zweifel an sich reizvollen formalen Prämissen schon kein Kapital schlagen kann, versäumt er gleiches erst recht noch auf inhaltlicher Ebene. Natürlich hat Markus seinerzeit mit Evelyn geschlafen. Natürlich hat Tobias zu Beginn der Tour, als Evelyn noch nicht dabei war, mit einem Mädchen vom Konzert geschlafen. Grund für zwei, drei Abende Trübsal vielleicht, mittel- und langfristig gesehen Lappalien, die im Leben - wie man, bestreitet man dasselbe nun nicht vollkommen naiv, durchaus wissen kann - nun mal vorkommen können. Keine Lieder über Liebe aber dient’s zum Anlass, sich in endlose Dialoge zu verlieren, in denen mit Digitalkamera endlos auf schweigende Gesichter gehalten wird, als sei dies schon Kunst oder gar Aussage, dabei bleibt es, letzten Endes, banal. Über das Schweigen vor allem Tobias’ – ein typisches, verlustängstliches Schweigen infantiler Männer – wird indes nichts ausgesagt. Nichts jedenfalls, was man nicht schon wüsste: Dass es so was nämlich gibt, wenn Beziehungen zu Ende gehen, unter ungünstigsten Bedingungen. Die Binsenweisheit, für die dann soviel Aufsehens gemacht wurde – die Band Hansen wurde, aus Mitgliedern der Bands Kettcar und Tomte, in echt konstruiert, auch die Tour wurde durchgeführt, der Film entstand weitgehend durch Improvisationen und spontane Entwicklungsideen seiner Darsteller zusammen mit dem Regisseur -, lautet schließlich (und sie wird in Prolog und Epilog holzhammerartig in den Raum gestellt): Wer kennt schon welche, die sich wirklich kennen? Küchenphilosophie für gestrandete Callcenteragents, die gerne mal deutschen Pop mit sinnschwangeren Texten hören.
Überhaupt der deutsche Pop und sein Text. Im Film kehrt ein Song immer wieder, sein zunächst sehr abstrakter Text – eine n-te Kopie dessen, was die Hamburger Schule in der Vergangenheit, vor 10 Jahren, ja wirklich vielleicht mal hörenswert gemacht hatte, heute ist das die Domäne für Virginia Jetzt! und andere Affen, die’s nicht besser wissen – wird auffällig in den Vordergrund gerückt. So ein bisschen handelt er von Sehnsucht und Abschied und wehmütigem Blick zurück. An einer Stelle liest Tobias zwei Mädchen von einem Konzert eine Stelle des Textes vor und fragt die, was die so davon halten. Exegese ins Blaue hinein, nach anfänglichem Amüsement. Der Text ist ja auch, zugegeben, ziemlich beknackt. Keine Lieder über Liebe gefällt sich nun, diesen Text mit Sinn zu füllen, sich selbst zu diesem Lied in Bezug zu setzen. Wenn das Lied am Ende dann wieder von der Bühne geträllert wird, machen alle Betroffenen ein betroffenes Gesicht. Viel ist verloren gegangen, man ist älter geworden, zwischen Berlin und Hamburg, im Spätsommer 2004. Älter ist man während der Vorführung des Films auch geworden. Weiser kein Stück.
festival info
Die Prämisse des Films: Der angehende Dokumentarfilmer Tobias Hansen (Florian Lukas) lebt seit einem Jahr mit seiner Freundin Evelyn (Heike Makatsch) gemeinsam in einer Berliner Wohnung. Kurz vor dem Herzug hatte man noch Tobias’ Bruder Markus (Jürgen Vogel), Sänger der Indiepopband Hansen, in Hamburg besucht. Seitdem schwelt in Tobias der Verdacht, dass zwischen Bruder und Freundin mehr als bloß unverbindliche Freundlichkeiten ausgetauscht worden waren. Als er von einer anstehenden Deutschlandtour seines Bruders Band Wind bekommt, entschließt er sich spontan dazu, einen Dokumentarfilm über die Band im Allgemeinen, den Bruder im Besonderen zu drehen. Evelyn packt er gleich mit in den Tourbus, erhofft er sich derart doch, seine Ungewissheiten zu zerstreuen. Das Ergebnis, der vorliegende (gefakete) Dokumentarfilm, ist dann, wie Tobias seinen Prolog aus dem Off beschließt, „ein Film über uns drei“. Spricht’s also monoton, aber auch schon ein bisschen nervend, und man ahnt schon, dass hier fürchterliches deutsches Kino für hippe Twens, die sich gerade in der gemeinsamen Butze eingenestet haben, inszeniert werden soll. Mit etwas Gimmick (Mockumentary), etwas Wiedererkennungswert (Beziehungsproblemchen wälzen) und etwas abgeschmackte Popkultur (Deutschpopband mit Schlagertext, gemeinsam durch die kleinen Clubs dieser Republik, die das anvisierte Publikum vielleicht sogar aus eigenem Erleben kennt).
Man wird recht behalten dürfen. Keine Lieder über Liebe ist, vor allem auch angesichts der Möglichkeiten, erschreckend orientierungslos und entscheidet sich unter Garantie an jeder Weichenstelle für die falsche Richtung. Die Form beispielsweise, die Mockumentary, ansonsten Labor für allerlei filmische Experimente, Überlegungen über Film und seine ästhetischen Strategien, verkommt hier zur bloßen Behauptung von Konzept und Kunst, ohne dass sie an einer Stelle gewinnbringend eingesetzt würde. Sie dient, ganz salopp, allenfalls als künstlerische Legitimation, um brackiges Beziehungsgeschwurbel, über dessen infantilen Verlauf man sich als moderner Mensch nur wundern kann (wenn man nicht einfach nur aggressiv ob soviel dummsinnigen, nicht enden wollenden und vor allem redundanten Geplappers wird), einmal mehr ins Bild zu setzen. Dabei ist die Form noch nicht einmal konsequent: Mehr als nur einmal fragt man sich, wie es denn sein könne, dass vor laufender Kamera intime Gespräche geführt werden, für die sich sogar von anderen abgesetzt wird. Dann immer mal wieder im Gespräch der Beteiligten die Referenz auf Ereignisse jenseits und zwischen der Sequenzen. Natürlich, denn wir sehen ja nur ein kleines Stück des Tourlebens. Doch was mit Inspiration ein Spiel mit den Wahrscheinlichkeiten ergeben hätte, verläuft hier zur bloßen Macke: Es gibt, rein narrativ gesehen, kein Ungefilmtes zwischen den Sequenzen. Der Film folgt noch bis in die Inserts von sinnbegründenden Großaufnahmen üblicher Dramaturgie und üblichen Geboten narrativer Kontingenz.
Wenn der Film aus seinen ohne Zweifel an sich reizvollen formalen Prämissen schon kein Kapital schlagen kann, versäumt er gleiches erst recht noch auf inhaltlicher Ebene. Natürlich hat Markus seinerzeit mit Evelyn geschlafen. Natürlich hat Tobias zu Beginn der Tour, als Evelyn noch nicht dabei war, mit einem Mädchen vom Konzert geschlafen. Grund für zwei, drei Abende Trübsal vielleicht, mittel- und langfristig gesehen Lappalien, die im Leben - wie man, bestreitet man dasselbe nun nicht vollkommen naiv, durchaus wissen kann - nun mal vorkommen können. Keine Lieder über Liebe aber dient’s zum Anlass, sich in endlose Dialoge zu verlieren, in denen mit Digitalkamera endlos auf schweigende Gesichter gehalten wird, als sei dies schon Kunst oder gar Aussage, dabei bleibt es, letzten Endes, banal. Über das Schweigen vor allem Tobias’ – ein typisches, verlustängstliches Schweigen infantiler Männer – wird indes nichts ausgesagt. Nichts jedenfalls, was man nicht schon wüsste: Dass es so was nämlich gibt, wenn Beziehungen zu Ende gehen, unter ungünstigsten Bedingungen. Die Binsenweisheit, für die dann soviel Aufsehens gemacht wurde – die Band Hansen wurde, aus Mitgliedern der Bands Kettcar und Tomte, in echt konstruiert, auch die Tour wurde durchgeführt, der Film entstand weitgehend durch Improvisationen und spontane Entwicklungsideen seiner Darsteller zusammen mit dem Regisseur -, lautet schließlich (und sie wird in Prolog und Epilog holzhammerartig in den Raum gestellt): Wer kennt schon welche, die sich wirklich kennen? Küchenphilosophie für gestrandete Callcenteragents, die gerne mal deutschen Pop mit sinnschwangeren Texten hören.
Überhaupt der deutsche Pop und sein Text. Im Film kehrt ein Song immer wieder, sein zunächst sehr abstrakter Text – eine n-te Kopie dessen, was die Hamburger Schule in der Vergangenheit, vor 10 Jahren, ja wirklich vielleicht mal hörenswert gemacht hatte, heute ist das die Domäne für Virginia Jetzt! und andere Affen, die’s nicht besser wissen – wird auffällig in den Vordergrund gerückt. So ein bisschen handelt er von Sehnsucht und Abschied und wehmütigem Blick zurück. An einer Stelle liest Tobias zwei Mädchen von einem Konzert eine Stelle des Textes vor und fragt die, was die so davon halten. Exegese ins Blaue hinein, nach anfänglichem Amüsement. Der Text ist ja auch, zugegeben, ziemlich beknackt. Keine Lieder über Liebe gefällt sich nun, diesen Text mit Sinn zu füllen, sich selbst zu diesem Lied in Bezug zu setzen. Wenn das Lied am Ende dann wieder von der Bühne geträllert wird, machen alle Betroffenen ein betroffenes Gesicht. Viel ist verloren gegangen, man ist älter geworden, zwischen Berlin und Hamburg, im Spätsommer 2004. Älter ist man während der Vorführung des Films auch geworden. Weiser kein Stück.
festival info
° ° °
Thema: Berlinale 2005
» ...
14. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Wer auch immer mal meinte, der Mensch sei ein zoon politikon, ein Gemeinschaftswesen, irrte. Als Beweis ließe sich die ungeheure Menschenansammlung, die sich zur Berlinale einfindet, anführen. Keine Niedertracht, keine menschliche Verfehlung, die hier nicht primären Ausdruck fände. Sei es der Journalist, der einen, "sorry sorry sorry" schreiend, fast seitwärts von der Treppe stößt (vorgestern) oder der spackige BWL-Student (so rein vom Typ her), der gestern abend bei der Eisdiele (ja, ich habe schon wieder gesündigt...) auf die Frage des Eisverkäufers "Welche Sorte?" blöde feixend mit "Was gibt's denn?" antwortete, um sich danach heischend zu seiner Uschi umzudrehen, die sich ob des "Witzes" nicht mehr einzukriegen schien. Herr, schmeiß Humor vom Himmel!
Dazu muss man wissen, dass die Eisdiele zu dieser Jahreszeit naturgemäß katastrophal überlaufen ist, dass die Mitarbeiter gestresst wie die Fließbandarbeiter sind und dass das Angebot jedem zur Ansicht mehr als deutlich "ausliegt" und man die Zeit vor dem Gang zum Counter ohne weiteres damit verbringen kann, sich zu informieren, welches Eis die Gelüste gerade am perfektesten befriedigen könnte. Natürlich hat dieser ganz besondere Depp das auch gemacht, klar. Aber weil man lieber billige schwarze Lederschuhe trägt, die verzweifelt "Geschmack" suggerieren sollen, und also über einen zweifelhaften Humor verfügt, vor allem aber in bester Herrenmenschentradition kein Stück Einfühlungsvermögen aufweist, kommt man mit so einem dämlichen Spruch aus der untersten Schublade dahergespaßt.
Der italienische Eisverkäufer verdreht genervt die Augen, sagt aber nichts. Das ist bemerkens- und bewundernswert. Ich an seiner Stelle hätte mich wohl strafbar gemacht.
(man sieht vielleicht: nach ein paar Tagen liegen die Nerven schon etwas blanker als sonst. Alles weitere siehe Thomas Reuthebuchs Zustandsbeschreibung ein paar Einträge weiter unten)
Dazu muss man wissen, dass die Eisdiele zu dieser Jahreszeit naturgemäß katastrophal überlaufen ist, dass die Mitarbeiter gestresst wie die Fließbandarbeiter sind und dass das Angebot jedem zur Ansicht mehr als deutlich "ausliegt" und man die Zeit vor dem Gang zum Counter ohne weiteres damit verbringen kann, sich zu informieren, welches Eis die Gelüste gerade am perfektesten befriedigen könnte. Natürlich hat dieser ganz besondere Depp das auch gemacht, klar. Aber weil man lieber billige schwarze Lederschuhe trägt, die verzweifelt "Geschmack" suggerieren sollen, und also über einen zweifelhaften Humor verfügt, vor allem aber in bester Herrenmenschentradition kein Stück Einfühlungsvermögen aufweist, kommt man mit so einem dämlichen Spruch aus der untersten Schublade dahergespaßt.
Der italienische Eisverkäufer verdreht genervt die Augen, sagt aber nichts. Das ist bemerkens- und bewundernswert. Ich an seiner Stelle hätte mich wohl strafbar gemacht.
(man sieht vielleicht: nach ein paar Tagen liegen die Nerven schon etwas blanker als sonst. Alles weitere siehe Thomas Reuthebuchs Zustandsbeschreibung ein paar Einträge weiter unten)
° ° °
Thema: Berlinale 2005
14. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft im Internationalen Forum des jungen Films.
Geschwaderführer Veer Pratap Singh ist Rettungsflieger bei der indischen Luftwaffe. Eines Tages begegnet er der in Not geratenen Zaara, einer unbekümmerten, jungen Frau aus Pakistan, die nach Indien gekommen ist, um den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Leihmutter zu erfüllen. Nach einem Busunfall ist sie jedoch völlig hilflos in dem fremden Land. Veer rettet ihr das Leben und verändert dadurch das seine. 22 Jahre später begegnet die pakistanische Rechtsanwältin Saamiya Siddiqui dem gealterten Veer Pratap Singh, der die letzten beiden Jahrzehnte in einem pakistanischen Gefängnis verbracht hat. Saamiyas sieht ihre Aufgabe darin, die Wahrheit über Veer herauszufinden. (Quelle: Forum)
Noch bis ins Detail, in die sachteste Kamerabewegung hinein perfekt inszeniertes Bollywoodkino. Ob es die Lachfalten der bezaubernden Hauptdarstellerin beim Tanz sind, ihr Augenzwinkern, die ausholende Geste beim romantischen Gesang, die bonbonfarbenen Sets (manche, nicht alle) und natürlich nicht zuletzt ob es das verschachtelte Melodram mit seinen Wendungen und Charakterentwicklung ist: Alles sitzt perfekt aneinandergeschmiegt, keine Brüche, nichts, was auch nur ansatzweise ungelenk wäre.
Dennoch ist dieses Bollywood-Menü von all jenen, die ich bislang gesehen habe (zugegeben: mehr als eine kleine Auswahl ist es nicht!), jenes, welches mich am wenigsten gepackt hat. Wobei ich noch nicht einmal genau sagen könnte, woran es liegt (es mag auch, das will ich gar nicht verschweigen, an der Festivalumgebung liegen, die einem die Rezeptoren auch gerne mal ein wenig verkleistert). Sicher sind da immer wieder herzergreifende Momente voller Charme und zuckerklebriger Emotion (was, in diesem Zusammenhang, keineswegs zum Nachteil gereicht) und immer wieder ist da die Lust am Zuschauen von Bewegung und mit offenkundig Herzblut inszenierter Vignetten. Dennoch: Die Tränen, die mir allein der prologhafte Song gleich zu Beginn in die Augen schießen ließ, blieben die einzigen während der Sichtung.
imdb | infos beim forum
Geschwaderführer Veer Pratap Singh ist Rettungsflieger bei der indischen Luftwaffe. Eines Tages begegnet er der in Not geratenen Zaara, einer unbekümmerten, jungen Frau aus Pakistan, die nach Indien gekommen ist, um den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Leihmutter zu erfüllen. Nach einem Busunfall ist sie jedoch völlig hilflos in dem fremden Land. Veer rettet ihr das Leben und verändert dadurch das seine. 22 Jahre später begegnet die pakistanische Rechtsanwältin Saamiya Siddiqui dem gealterten Veer Pratap Singh, der die letzten beiden Jahrzehnte in einem pakistanischen Gefängnis verbracht hat. Saamiyas sieht ihre Aufgabe darin, die Wahrheit über Veer herauszufinden. (Quelle: Forum)
Noch bis ins Detail, in die sachteste Kamerabewegung hinein perfekt inszeniertes Bollywoodkino. Ob es die Lachfalten der bezaubernden Hauptdarstellerin beim Tanz sind, ihr Augenzwinkern, die ausholende Geste beim romantischen Gesang, die bonbonfarbenen Sets (manche, nicht alle) und natürlich nicht zuletzt ob es das verschachtelte Melodram mit seinen Wendungen und Charakterentwicklung ist: Alles sitzt perfekt aneinandergeschmiegt, keine Brüche, nichts, was auch nur ansatzweise ungelenk wäre.
Dennoch ist dieses Bollywood-Menü von all jenen, die ich bislang gesehen habe (zugegeben: mehr als eine kleine Auswahl ist es nicht!), jenes, welches mich am wenigsten gepackt hat. Wobei ich noch nicht einmal genau sagen könnte, woran es liegt (es mag auch, das will ich gar nicht verschweigen, an der Festivalumgebung liegen, die einem die Rezeptoren auch gerne mal ein wenig verkleistert). Sicher sind da immer wieder herzergreifende Momente voller Charme und zuckerklebriger Emotion (was, in diesem Zusammenhang, keineswegs zum Nachteil gereicht) und immer wieder ist da die Lust am Zuschauen von Bewegung und mit offenkundig Herzblut inszenierter Vignetten. Dennoch: Die Tränen, die mir allein der prologhafte Song gleich zu Beginn in die Augen schießen ließ, blieben die einzigen während der Sichtung.
imdb | infos beim forum
° ° °
Thema: Berlinale 2005
14. Februar 05 | Autor: thomas.reuthebuch | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft im Internationalen Forum des jungen Films
Nach „13 Lakes“ am nächsten Morgen „Ten Skies“. Von der Nacht gezeichnet bin ich einen Moment unsicher, ob ich nicht doch lieber eine andere Vorführung wählen soll. Die Befürchtung ist klar. Was soll nach dem gestrigen Erlebnis noch Neues hinzukommen. Ich hätte mich kaum gründlicher täuschen können.
Die Anordnung ist die selbe. Die Kamera blickt jeweils 10 Minuten in den Himmel, diesmal - unterbrochen von Schwarzblenden, die gerade lang genug sind um die Augen neu zu kallibrieren, ein bißchen, wie wenn man sich bei einer Weinprobe zwischendurch den Mund mit Wasser ausspült. Allerdings, diesmal kommt der Kadrierung keine Bedeutung zu, diesmal ist das Bild in ständiger Bewegung und diesmal bleibt der Raum ein zweidimensionaler.
Was bei „13 Lakes“ eine beinahe bewußtsseinserweiternde Erfahrung war, wird hier zur philosophischen Betrachtung. Jedes Bild ist gleichzeitig Auflösung und Neubeginn, jeder Moment einzigartig und unwiderbringlich verloren. Wolkenformationen oder durchziehende Nebelschwaden werden mit zunehmender Zeit in der subjektiven Betrachtung zu einem abstrakten Gemälde, dass sich ständig neu erschafft und jegliche Deutungsversuche obsolet macht.
Die Bilder sind was sie sind, nicht mehr und nicht weniger. Es stellt sich erstaunlicherweise eine direkte Verbindung zu ganz unterschiedlichen emotionalen Erfahrungen ein. So erlebt man euphorische Momente um kurz darauf eine tiefe innere Ruhe zu empfinden. „Ten Skies“ ist der aufregendste Film, den ich seit langem gesehen habe.
Nach „13 Lakes“ am nächsten Morgen „Ten Skies“. Von der Nacht gezeichnet bin ich einen Moment unsicher, ob ich nicht doch lieber eine andere Vorführung wählen soll. Die Befürchtung ist klar. Was soll nach dem gestrigen Erlebnis noch Neues hinzukommen. Ich hätte mich kaum gründlicher täuschen können.
Die Anordnung ist die selbe. Die Kamera blickt jeweils 10 Minuten in den Himmel, diesmal - unterbrochen von Schwarzblenden, die gerade lang genug sind um die Augen neu zu kallibrieren, ein bißchen, wie wenn man sich bei einer Weinprobe zwischendurch den Mund mit Wasser ausspült. Allerdings, diesmal kommt der Kadrierung keine Bedeutung zu, diesmal ist das Bild in ständiger Bewegung und diesmal bleibt der Raum ein zweidimensionaler.
Was bei „13 Lakes“ eine beinahe bewußtsseinserweiternde Erfahrung war, wird hier zur philosophischen Betrachtung. Jedes Bild ist gleichzeitig Auflösung und Neubeginn, jeder Moment einzigartig und unwiderbringlich verloren. Wolkenformationen oder durchziehende Nebelschwaden werden mit zunehmender Zeit in der subjektiven Betrachtung zu einem abstrakten Gemälde, dass sich ständig neu erschafft und jegliche Deutungsversuche obsolet macht.
Die Bilder sind was sie sind, nicht mehr und nicht weniger. Es stellt sich erstaunlicherweise eine direkte Verbindung zu ganz unterschiedlichen emotionalen Erfahrungen ein. So erlebt man euphorische Momente um kurz darauf eine tiefe innere Ruhe zu empfinden. „Ten Skies“ ist der aufregendste Film, den ich seit langem gesehen habe.
° ° °
lol