Donnerstag, 9. Februar 2006
Das Verhältnis von Trauma und Film, diesen dabei zunächst verstanden als Medium und Form der Äußerlichkeit, ist prekär: Zwar mag es dem Filmbild obliegen, einen traumatisierenden Prozess als solchen optisch einzufangen; doch widerstrebt es dem zur Objektivierung neigenden Bild, das Trauma selbst, eine theoretische Figur der Verletzung, die sich Versprachlichung wie Aufdeckung immer wieder entzieht, zu fassen zu bekommen. Das Trauma lässt, zumindest in der psychoanalytischen Theorie, nur referenziell auf sich schließen, verbirgt sich hinter Schichtungen aus Verschiebungen und Verdrängungen, verweist immer wieder auf die Krypta im Seelenapparat, ohne aber einen Schlüssel mitzuliefern. Für das Trauma im Film heißt dies, eine Methode zu finden, die über bloße Repräsentation hinausgeht, die die Konstruktion einer verlässlichen Diegese womöglich in Permanenz unterwandert und den Prozess des storybuildings selbst - verstanden als das Verhältnis zwischen fabula (das Erzählszenario als solches, wie es sich objektiv-linear nachvollziehen ließe, ein dem Film zumindest tendenziell unäußerliches Konstrukt, das der Zuschauer selbst im Abgleich mit den filmischen Informationseinheiten herausbildet) und syuzhet (dessen dramaturgische Staffelung in der ästhetischen Einheit des Filmes selbst) - reflektiert. Strange Circus, der dritte Langfilm von Shion Sono, der bereits mit dem kontroversen Suicide Club für einiges Aufsehen sorgte, operiert genau in diesem Bereich.

Der Film schildert... ... ja, was? Zumindest, und von Anbeginn kann da kaum Zweifel bestehen, keine verlässlich-äußerliche Abfolge von Erzähleinheiten. Die erste Sequenz zeigt einen bizarren Zirkus, zwischen Grand Guignol, klassischem Vaudeville, queer gathering im Sinne einer Rocky Horror Picture Show und Revue - ein Ort jenseits der eigentlichen Diegese; der Film findet weiters objektiv erscheinende Bilder, dann wieder mentale Bilder, die auf rein optischer Ebene innere Verfassungen wiederspiegeln, bald illustrativ-objektive, die ebenso innere Ansichten zu bieten scheinen, dabei aber nicht die Bildoptik selbst, sondern eine bizarr-surreale Setgestaltung - vor Blut triefende Wände beispielsweise - nutzen. Im Kern stehen drei Figuren: Die Mutter, der Vater, die Tochter. Es ist Mißbrauch von Vaters Seite im Spiel, in diesem Familienroman; in reichlich pervers arrangierter Form obendrein, die schon bald Zweifel an der Wahrhaftigkeit aufkommen lässt, zumal der Kommentar der mißbrauchten Tochter aus dem Off darüber schon bald die eigene sexuelle Entzückung und Frauwerdung kommuniziert. Es wirkt, bei aller Eindringlichkeit und Drastik, ein wenig zu erotisch verspielt, was da zu sehen ist, um wirklich wahr zu sein; ein wenig wie bei Sacher-Masoch liegt die Verzückung an der erotisch-entwürdigenden Anordnung in der Luft, das leicht schwülstige Element mit Transgression liebäugelnder erotischer Literatur. Lässt sich dem Erfahrungsbericht trauen? Was ging wirklich vonstatten? Welchen Status hatten die stilistisch so kunstvoll ausarrangierten Bilder wirklich? Es kam, so legt der Film nahe, schließlich zum Muttermord durch die Tochter, bei dieser nun zur schuldkomplex-beladenen Herausbildung einer zweiten Persona: Die Tochter ward zur Mutter und fand im Bild als solche Repräsentation noch im Schulalltag.

Der zweite Teil schlägt in der Tat, nach etwas setgestalterischer Verwirrung, eine andere Sichtweise vor: Es mag sich um die Visualisierung eines erotischen Romans einer einigermaßen bekannten wie spleenigen Autorin handeln. Die aber wiederum sieht der MutterTochter zum Verwechseln ähnlich. Ein zweifelhafter Fan sucht die Nähe zur Autorin, er will wissen, ob es sich um Autobiografisches handelt. Natürlich nicht, so die Autorin; doch der Film bleibt unklar und findet erneut shiftings und Verschiebungen, von einer Identität zu anderen, von einer Erzählperspektive zur nächsten. Bis das Szenario an sich, zumindest dem Anschein nach, in blutiger Anordnung, die den Bogen zur bizarren Manege des Beginn zu schlagen sucht, aufgelöst, die Erzähl- und Bildebenen aufgedröselt werden.

Bis dahin ist es ein langer Weg und ein gewisser Hang zur Ausstellung des eigenen Kunstkönnens und -wollens ist dem Film kaum abzusprechen; lange war zumindest ich gewillt, das ganze als prätentiös, arg überkonstruiert und selbstgefällig abzutun. Doch entwickelt der Film ohne Frage einen Reiz nicht so sehr durch einige, in der Tat überstark vorhandene, Brutalität und der generellen Lust am manschend Transgressiven, sondern vielmehr durch seine dann doch stets fokussiert vorgehenden Erzählmanöver, die es ihm gerade gestatten, eingangs geschildertes Problem unaufgeregt und mit einiger gewitzter Nasführung des Zuschauers zu bewältigen, die eben nicht auf Übertölpelung, sondern auf dessen gezielte Steuerung lenkt.

Die offensichtliche (und ich möchte sagen: sehr kundige) Einführung psychoanalytischer Theoreme in den japanischen Film ist dabei zum einen recht bemerkenswert (und in diesem Maße scheint mir das für das japanische Kino bislang auch einigermaßen einzigartig, entwickelt es seine Geschichten doch üblicherweise erfreulich "un-freudianisch"), zum anderen aber auch von Gewinn selbst: Anders als etwas ungelenk agierende westliche Filme wird hier nicht versucht, das ohnehin problematische Theoriegebäude mittels Narration als gültige Konstante quasi zu anthropologisieren; im Gegenteil wird über die Thematisierung von Narrativität und Erzähltaktiken, die sich sozusagen im Vorbeigehen ergibt, das narratologische Gerüst der Psychoanalyse selbst in den Vordergrund gestellt.

Strange Circus ist vielleicht kein mitreißender Film, zumal wenn man ihn vom Genre her begreift (und die Programmierung des Films an jener Stelle im Internationalen Forum, wo üblicherweise jährlich ein neuer, wenn auch gehobener Genreknaller aus Fernost zu sehen ist - sei es PTU oder die Infernal Affairs-Trilogie - legt dies zunächst nahe), in seiner künstlerischen Konzeption und Herangehensweise, die ihn irgendwo zwischen Kunst-Splatter und Filmessay verortet, zollt er, bei näherer Betrachtung, dann doch einigen Respekt ab.

imdb ~ weitere Informationen ~ Jump Cut-Kritik




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Montag, 30. Januar 2006
Good news vom Potsdamer Platz: Als diesjährigen Abschlussfilm des Wettbewerbs programmiert das Festival die digital restaurierte Fassung von Sam Peckinpahs meisterhaftem Spätwestern Pat Garrett jagt Billy the Kid. Bei der Rekonstruktion des seinerzeit vom Produktionsstudio überarbeiteten Films stützte man sich auf Notizen des Regisseurs und Angaben seiner Kollegen, so dass erstmals eine nahezu den Vorstellungen Peckinpahs entsprechende Version zu sehen ist. Für die bestmögliche Bildqualität wird der Film obendrein nach Bekanntgabe der Preise als HD-Screening im Berlinale-Palast außer Konkurrenz gezeigt.


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Freitag, 20. Januar 2006
Die Filmauswahl der Sektionen Internationales Forum des jungen Films und Perspektive Deutsches Kino ist abgeschlossen. Das Forum versteht sich auch in seiner 36. Auflage vor allem als Podium für internationale Erstlingswerke der nachrückenden Generation von Filmemachern; daneben zeigt die Sektion sich um Kontinuität bemüht: Gezeigt werden auch Filme von Chantal Akerman, Allan King, James Benning, Alan Berliner, Lucian Pintilie und Sono Sion, die alle schon zuvor mit Beiträgen im Forum vertreten waren. Das Gesamtprogramm des Forums im schnellen Überblick findet sich aus Platzgründen in den Kommentaren.


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Mittwoch, 18. Januar 2006
Die Sektion Panorama hat heute drei weitere Beiträge ihres diesjährigen Programms vorgestellt. Hinzugekommen sind auch die neuen Filme von Detlev Buck und Dominik Graf, auf die man sich gewiss freuen darf. Im folgenden die Pressemitteilung:
Knallhart (Tough Enough) von Detlev Buck
mit Jenny Elvers-Elbertzhagen, David Kross, Jan Henrik Stahlberg
In Knallhart erzählt Detlev Buck von der drastischen Veränderung im Leben des jungen Michael Polischka. Er zieht vom feinen Berliner Stadtteil Zehlendorf in die soziale Wirklichkeit des von Arbeitslosigkeit geprägten Bezirks Neukölln. Zoran Drvenkar und Gregor Tessnow schrieben das Buch nach dem gleichnamigen Roman von Gregor Tessnow. 1985 zeigte das Panorama Detlev Bucks ersten Film Erst die Arbeit und dann?.

Der Rote Kakadu (The Red Cockatoo) von Dominik Graf
mit Jessica Schwarz, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Tanja Schleiff, Ingeborg Westphal
Dresden 1961: In Dominik Grafs Der Rote Kakadu erwacht ein Stück unbeachtete DDR-Geschichte zum Leben: Rebellion und Lebenslust. Doch dem Hunger nach Freiheit und Selbstverwirklichung folgt Einengung und Überwachung. Aus diesen Elementen speist sich die Geschichte nach dem Buch von Michael Klier.

jeder schweigt von etwas anderem (last to know) von Marc Bauder und Dörte Franke
Im Dokumentarfilm jeder schweigt von etwas anderem gehen Marc Bauder und Dörte Franke den Erfahrungen ehemaliger „Staatsfeinde der DDR“ nach: einer Reiseleiterin, eines Pfarrerehepaares und eines Schriftstellers. Die heutige Erinnerung an die DDR liegt oft in einem milden Licht, dagegen zeigt der Film eine harte Wirklichkeit, deren Folgen noch lange nicht verheilt sind. Drei Familiengeschichten vor dem Hintergrund der geschätzten Zahl von 250.000 politischer Häftlinge des SED-Regimes.


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Das Wettbewerbsprogramm der kommenden Berlinale ist nahezu komplett. Da mir gerade ein wenig die Zeit für genauere Durchsicht und Empfehlungen fehlt, zitiere ich im folgenden einfach die heutige Pressemitteilung. Dennoch freut es mich natürlich außerordentlich, dass die bereits herbeigesehnte Comicadaption V For Vendetta ihren Weg in den Wettbewerb gefunden hat und dort, wenngleich außer Konkurrenz, als Weltpremiere aufgeführt wird.

Neben Oskar Roehlers Elementarteilchen und Hans-Christian Schmids Requiem zeigt der Wettbewerb zwei weitere deutsche Uraufführungen: Matthias Glasner (Die Mediocren) geht in Der freie Wille den Spuren eines Mannes nach, der nach zwölf Jahren Regelvollzug wegen mehrfacher Vergewaltigung in die Freiheit entlassen wird. Jürgen Vogel spielt einen von seinen inneren Kräften Getriebenen, Sabine Timoteo ein Mädchen, das ihn aus seinen Fesseln zu befreien sucht.

Valeska Grisebach (Mein Stern) erzählt in Sehnsucht eine Liebes- und Dreiecksgeschichte aus der ostdeutschen Provinz. Der mit Laiendarstellern besetzte Film reflektiert über Träume und Aufbrüche, die Suche nach dem Glück und die damit verbundenen Schmerzen und Hoffnungen.

Der Berlinale-Wettbewerb zeigt die Weltpremiere A Prairie Home Companion (USA), eine Ensemble-Komödie von Altmeister Robert Altman. Das Geschehen kreist um eine legendäre Radioshow, die nach dreißig Jahren eingestellt wird. Der mehrfache Berlinale-Sieger Altman gewann dafür ein beispielloses Aufgebot an Stars, darunter Meryl Streep und Lily Tomlin, Woody Harrelson, Kevin Kline und John C. Reilly.

Außer Konkurrenz läuft Bennett Millers Biopic Capote über den schillernden und extravaganten Autor Truman Capote und die Entstehung seines Tatsachenromans Kaltblütig. Die Titelrolle des von Konflikten zerrissenen Schriftstellers spielt Philip Seymour Hoffman (Golden Globe 2006).

Ebenfalls außer Konkurrenz läuft als Weltpremiere die Comic-Verfilmung V wie Vendetta (USA/Deutschland) von James McTeigue, die mit Natalie Portman und Hugo Weaving in den Babelsberger Studios entstand. V wie Vendetta spielt in einem faschistisch regierten Großbritannien der Zukunft und schildert den Verlust von Freiheit und persönlicher Identität in einer totalitären Welt. Das Drehbuch stammt von den Brüdern Wachowsky (Matrix).

Claude Chabrols Weltpremiere L'ivresse du pouvoir (Staatsaffairen) entstand als französisch-deutsche Ko-Produktion. Isabelle Huppert verkörpert in dem Politthriller eine unbestechliche Untersuchungsrichterin, die gegen den Geschäftsführer eines großen Konzerns ermittelt und dabei mit ihrer eigenen Machtfülle konfrontiert wird.

Der Regisseur Michel Gondry ist gleich zweimal bei der Berlinale vertreten. Neben dem Dokumentarfilm Dave Chappelle's Block Party im Panorama präsentiert der Oscar-Preisträger (für Vergissmeinnicht) den Film The Science of Sleep. Die französische Produktion läuft außer Konkurrenz im Wettbewerb. Ein junger Mann zieht sich völlig in seine Traumwelt zurück, vernachlässigt darüber das wirkliche Leben bis er beginnt, Traum und Realität zu verwechseln. In den Hauptrollen sind mit Gaël Garcia Bernal und Charlotte Gainsbourg zwei der profiliertesten Schauspieler ihrer Generation zu sehen.

Der italienische Regisseur und Schauspieler Michele Placido (Allein gegen die Mafia) inszenierte mit Romanzo Criminale ein Gangster- und Korruptions-Drama vor historischem Hintergrund. Der Film entstand nach der Romanvorlage des Richters Giancarlo De Cataldo und thematisiert eines der düstersten Kapitel in der Geschichte Italiens: Die Verstrickung von Mafia, Terrorismus, Korruption und Politik. Im Mittelpunkt steht eine Gangstergruppe, die sich das Ziel setzt, mit ihrer kriminellen Organisation ganz Rom zu beherrschen. Die Protagonisten sind u.a. Kim Rossi Stuart, Anna Mouglalis und Stefano Accorsi.

Nach In this World, für den Michael Winterbottom 2002 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, greift der britische Regisseur mit The Road to Guantanamo erneut einen brisanten politischen Stoff auf. Der Film verfolgt die Wege dreier Muslime aus Großbritannien, die ohne Anklage zwei Jahre im Gefangenenlager Guantánamo Bay eingesperrt waren. Winterbottoms Weltpremiere verknüpft fiktive Handlungselemente, authentische Berichte und Interviews.

Die Weltpremiere En Soap ist eine dänisch-schwedische Ko-Produktion. Pernille Fischer Christensen schildert in ihrem Debütfilm das tragikomische Verhältnis zwischen der Besitzerin einer Schönheitsklinik und eines Transsexuellen. Trine Dyrholm und David Dencik spielen in den Hauptrollen.

Nach viel beachteten Dokumentationen wie Megacities oder Workingman's Death präsentiert der österreichische Regisseur Michael Glawogger seinen zweiten Spielfilm Slumming als Weltpremiere. Die österreichisch-schweizerische Ko-Produktion ist eine schwarze Komödie um zwei Yuppies, die mit ihren Mitmenschen böse Scherze treiben. Einer dieser Streiche hat für alle Beteiligten fatale Folgen. In den Hauptrollen: August Diehl als Yuppie und Paulus Manker als Stadtstreicher.

Die argentinisch-spanisch-deutsche Ko-Produktion El Custodio (Der Schatten) ist das Psychogramm eines Leibwächters, der in den Diensten eines hohen Politikers steht und darüber seine Identität zu verlieren droht. Rodrigo Moreno gehörte zum dreiköpfigen Regieteam von El Descanso, der mit mehreren Festivalpreisen geehrt wurde. El Custodio ist sein erster eigener Film, der als Weltpremiere im Wettbewerb läuft, und mit Förderung des World Cinema Fund entstanden ist. Die Hauptdarsteller sind Julio Chávez, Osvaldo Djeredjian und Adrián Andrada.

Aus dem Iran wurde die Weltpremiere Zemestan (It’s Winter) des persischen Regisseurs Rafi Pitts eingeladen. Der Film ist eine neorealistische Studie über Lebens- und Arbeitsbedingungen am Rande der Großstadt Teheran. Ali Nicksaulat, Mitra Hadjar, Hashem Abdi und Said Orkani sind die Protagonisten.

In Isabella (Hongkong, China) von Pang Ho-cheung wird ein Polizeibeamter in Macao plötzlich vor die Tatsache gestellt, der Vater eines jungen Mädchens zu sein. Während er sein Junggesellendasein fortführen möchte, besteht die Tochter darauf, in seine Wohnung zu ziehen. Die Hauptrollen in dieser Weltpremiere spielen Chapman To und Isabella Leong. Für seine Komödie Men Suddenly in Black erhielt Pang Ho-cheung beim Hongkong Filmfestival den Preis als bester Nachwuchsregisseur.
Folgende Filme standen bereits zuvor fest:

- Candy von Neil Armfield, Australien (Weltpremiere)
- Elementarteilchen von Oskar Roehler, Deutschland (Weltpremiere)
- Grbavica von Jasmila Zbanic, Österreich/Bosnien-Herzegowina/ Deutschland/Kroatien (Weltpremiere)
- Invisible Waves von Pen-ek Ratanaruang, Niederlande/Thailand/Republik Korea (Weltpremiere)
- The New World von Terrence Malick, USA (Außer Konkurrenz)
- Requiem von Hans-Christian Schmid, Deutschland/Frankreich (Weltpremiere)
- Snow Cake von Marc Evans, Großbritannien/Kanada (Weltpremiere)
- Syriana von Steve Gaghan, USA (Außer Konkurrenz)
- Wuji / The Promise von Chen Kaige, Hongkong, China/USA (Außer Konkurrenz)


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Freitag, 13. Januar 2006
Als prominentestes Aushängeschild und Stichwortgeber konnte sich die jüngste Sektion des Festivals zu ihrem 5. Geburtstag das Regiedebüt von Franke Potente sichern: Der die Tollkirsche ausgräbt ist ein schwarz-weißer Stummfilm, von der Pressestelle des Festivals vollmundig als "eine Hommage an [Franka Potentes] liebstes Medium und gleichzeitig eine heitere Reflexion desselben" angekündigt. "Blick zurück nach vorn" lautet dann auch in Anlehnung an diese anachronistische Inszenierungsweise die Überschrift der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino.

Weitere Filme der Sektion, zitiert nach der heutigen Pressmitteilung:
Ganz im hier und heute spielen die Geschichten der jungen Regisseure Florian Gaag und Bülent Akinci. Während Florian Gaag in seinem modernen Melodram Wholetrain den genauen und spannenden Blick mitten ins Leben und Leiden, in die Lust und den Frust einer Gruppe von Graffiti-Writern wagt, begibt sich der dffb-Absolvent Bülent Akinci mit seinem Titelhelden in seinem tragikomischen Roadmovie Der Lebensversicherer auf eine Reise durch die deutsche Wirklichkeit. Eine Reise, die wohl genau deshalb immer irrealer wird und ihn auf Umwegen zu sich selbst führt. Mit Jens Harzer und Anna Maria Mühe. Hergestellt wurden die beiden Spielfilmdebüts von den Produzenten, die die Publikumslieblinge des Berlinale Wettbewerbs 2005 verantworteten. Wholetrain ist eine Produktion von Goldkind Film (Sophie Scholl) und Der Lebensversicherer von Razor Films (Paradise Now).

Der erste Dokumentarfilm des Programms ist eine faszinierende Reise in die jüngste deutsche Vergangenheit und handelt davon, wie diese die Gegenwart bestimmt. Katharina Bullin - Und ich dachte ich wär' die Größte von Marcus Welsch erzählt eine unbekannte Geschichte aus dem reichhaltigen Fundus der Doping-Skandale im DDR-Leistungssport. Katharina Bullin war Volleyballerin und hat durch den Sport und die flankierenden medikamentösen Maßnahmen nicht nur ihre Weiblichkeit, sondern auch ihre körperliche Stabilität eingebüßt. Der Film ist nicht nur ein berührendes Porträt einer Frau, die ihren Willen und ihre Kraft nicht verloren hat, sondern auch das Porträt einer brutalen Gesellschaft. Diese sehen wir in archivierten Bildern des schönen Scheins. Bilder von früher, die man heute buchstäblich durchschaut.

Hmmm. Ja. Sonderlich großer Freund der Sektion war ich bislang ohnehin nicht. Lassen wir uns überraschen.


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Donnerstag, 12. Januar 2006
Mit insgesamt 21 Filmen, darunter vier Welt- und acht internationale Premieren, steht das diesjährige Kinderfilmfest/14Plus unter dem Motto "Migration und Familie". Die Auswirkungen international zunehmender Migrationsbewegungen auf innerfamiliäre Zusammenhänge bilden den Themenschwerpunkt. Erstmals werden im Rahmen der Sektion auch Filme aus anderen Sektionen in gesonderten Vorführungen gezeigt, um Jugendliche auf thematisch interessante Filme der anderen Festivalreihen aufmerksam zu machen (die Filme werden noch bekanntgegeben).

Auch Erwachsene, zumal Freunde des asiatischen Films, sollten die Sektion dieses Jahr besonders im Auge behalten: Im Programm sind sehr viele Filme aus Asien untergebracht. Bereits im letzten Jahr lief hier, im allgemeinen Festivalbetrieb sehr versteckt, die japanische Filmperle Hana & Alice von Shunji Iwai; dass sich solche Entdeckungen auch dieses Jahr machen lassen, steht zu hoffen.

Das Programm setzt sich aus folgenden Filmen zusammen:
Kinderfilmfest:

- Drømmen (We Shall Overcome) von/by Niels Arden Oplev, Dänemark/Denmark / Großbritannien/Great Britain

- Hänsel und Gretel (Hansel and Gretel) von/by Anne Wild, Deutschland/Germany

- Der Räuber Hotzenplotz (The Robber Hotzenplotz) von/by Gernot Roll, Deutschland/Germany

- Opal Dream von/by Peter Cattaneo, Großbritannien/Great Britain / Australien/Australia

- Doodh aur Apheem (Milk & Opium) von/by Joel Palombo, Indien/India

- Mizu no Hana (Water Flower) von/by Yusuke Kinoshita, Japan

- Het Paard van Sinterklaas (Winky’s Horse) von/by Mischa Kamp, Niederlande/The Netherlands / Belgien/Belgium,

- Lapislazuli – im Auge des Bären von/by Wolfgang Murnberger, Österreich/Austria / Deutschland/Germany / Luxemburg/Luxembourg

- Ang Pagdadalaga ni Maximo Oliveros (The Blossoming of Maximo Oliveros) von/by Auraeus Solito, Philippinen/Philippines

- Jestem (I Am) von/by Dorota Kedzierzawska, Polen/Poland

- Percy, Buffalo Bill & Jag (Percy, Buffalo Bill & I) von/by Anders Gustafsson, Schweden/Sweden / Dänemark/Denmark

- A Dios Momo von/by Leonardo Ricagni, Uruguay

14plus:

- Women Liang (You and Me) von/by Ma Li-Wen, China

- Tyttö sinä olet tähti (Beauty and the Bastard) von/by Dome Karukoski, Finnland/Finland

- Marock von/by Laïla Marrakchi, Frankreich/France

- Kamataki von/by Claude Gagnon, Kanada/Canada / Japan

- Het Schnitzel Paradijs (Schnitzel Paradise) von/by Martin Koolhoven, Niederlande/The Netherlands

- Tae-Poong-Tae-Yang (The Aggressives) von/by Jeong Jae-eun, Republik Korea/Republic of Korea

- Lovitor von/by Farkhot Abdullaev, Russland/Russia

- Fyra Veckor i Juni (Four Weeks in June) von/by Henry Meyer, Schweden/Sweden

- Quinceañera von/by Wash Westmoreland, Richard Glatzer, USA
Gezeigt wird außerdem eine Reihe von Kurzfilmen, die sich auf der Website der Berlinale in Erfahrung bringen lassen.


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Dienstag, 10. Januar 2006
Die Sektion Panorama hat einen Großteil ihres Programms vorgestellt und angekündigt. Wie üblich setzt es sich aus kleineren, aber durchaus noch leicht goutierbaren Indie-Produktionen, Dokumentationen und einigen queer awareness-Titeln zusammen.

Hervorheben möchte ich Dave Chappelle's Block Party von Michel Gondry (von dem man, nach dem wunderbaren Eternal Sunshine of the Spotless Mind, einiges erwarten darf), Dead Run von Sabu (der ansonsten immer im Forum beheimatet war; allerdings schloß sein letzter Film, eine Auftragsarbeit, nicht recht an seine "Klassiker" Postman Blues, Monday und Blessing Bell an) und Der Kick von Andres Veiel (dessen Dokumentationen ich bislang immer sehr schätzte).

Zumindest gesondert erwähnen möchte ich The Notorious Bettie Page, ein Biopic über die Pin-Up-Ikone (inszeniert von der Regisseurin von American Psycho), Stay (ein Thriller von Marc Forster, der mit Ewan McGregor und Naomi Watts in den Hauptrollen leichtes Starkino für zwischendurch anzeigt) und Kaalpurush, ein mit 120 Minuten Lauflänge sehr schedule-freundlicher Film aus Indien.

Weitere Panorama-Filme:
Derecho de familia (Family Law) von/by Daniel Burman (zwei Silberne Bären /two Silver Bears 2004 für/for El abrazo partido)

Casa de areia (The House Of Sand) von/by Andrucha Waddington

Buonanotte Topolino (Bye Bye Berlusconi!) von/by Jan Henrik Stahlberg

Der Kick (The Kick) von/by Andres Veiel

Komm näher (Happy As One) von/by Vanessa Jopp

Camping sauvage von/by Christophe Ali, Nicolas Bonilauri

Brothers Of The Head von/by Keith Fulton, Louis Pepe

The Proposition von/by John Hillcoat

Kaalpurush (Memories In The Mist) von/by Buddhadep Dasgupta

Be Ahestegi... (Gradually...) von/by Maziar Miri

Breakfast On Pluto von/by Neil Jordan

Strákarnir okkar (Eleven Men Out) von/by Robert Douglas

Mechilot (Forgiveness) von/by Udi Aloni

Shisso (Dead Run) von/by Sabu

Lie With Me von/by Clement Virgo

Heaven's Doors von/by Swel Noury, Imad Noury

No.2 von/by Toa Fraser

Nachbeben von/by Stina Werenfels

4:30 von/by Royston Tan

Stay von/by Marc Forster

The Notorious Bettie Page von/by Mary Harron

Kan Shang Qu Hen Mei (Little Red Flowers) von/by Zhang Yuan

PANORAMA DOKUMENTE:

Rampage von/by George Gittoes

Paper Dolls von/by Tomer Heymann

Absolute Wilson von/by Katharina Otto-Bernstein

Dave Chappelle's Block Party von/by Michel Gondry

Leonard Cohen I'm Your Man von/by Lian Lunson

Lover Other: The Story Of Claude Cahun And Marcel Moore von/by Barbara Hammer

WAL-MART: The High Cost Of Low Price von/by Robert Greenwald


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Samstag, 7. Januar 2006
Das folgende ist natürlich großartig, da will ich jedes böse Wort zurücknehmen: Im Forum der Berlinale 2006 werden unter dem Titel "Mystery Classics" neun Genrefilme aus den 50er und 60er Jahren von Nakagawa Nobuo gezeigt! Nachdem im letzten Jahr die vielgeliebte Reihe "Midnight Screenings" unverständlicherweise ausgesetzt wurde, erfährt sie hiermit ein furioses Comeback! Ja, ich bin begeistert - und die ersten neun Pflicht- und Empfehlungsfilme stehen damit auch schon fest! Was soll da noch groß der zu erwartende Sozi-Wettbewerb interessieren?

Die letzten Monate markierten die Renaissance des Genreregisseurs. Festivals in Venedig und Paris zeigten bereits eine Filmauswahl, das sich zusehends als veritable Ausgrabungsstätte des japanischen Kinos etablierende Tokyo FilmEX-Festival präsentierte schließlich eine eigene Reihe mit insgesamt 12 Filmen. Auf Midnight Eye, dem Online-Fachmagazin für den japanischen Film, findet sich hierzu ein ausführliches Feature, das man sich für den Februar am besten ausgedruckt mit zum Potsdamer Platz nimmt.

Im folgenden die Pressemitteilung der Berlinale:
Nakagawa (1905-1984) begann 1929 als Regieassistent und Drehbuchautor, ab 1934 drehte er eigene Filme – fast 100 aus nahezu allen Genres. In seiner produktivsten Phase in den Fünfziger- und Sechzigerjahren entstanden überwiegend Geister-, Kriminal- und Horrorfilme. Nakagawa arbeitete innerhalb des japanischen Studiosystems und entwickelte dennoch mit Genrefilmen eine eigene Handschrift als Autor. Seine Anti-Helden – Ganoven, Yakuzas und Femmes fatales – inszeniert er mit wiederkehrenden poetischen Motiven und einer durch die japanische Geister- und Mythenwelt geprägten Symbolik. Die Aufführung im Rahmen der Berlinale lädt zu einer Entdeckung ein, die überfällig scheint angesichts des durch Filme wie Ring (Ringu) und Dark Water (Honogurai mizu no soko kara, 2002 im Panorama) ausgelösten aktuellen Japan-Horror-Trends. Die Filme Nakagawas waren auch stilvolle Vorreiter der B-Movies, die ab den Fünfzigerjahren Hammer Films in England oder Roger Corman produzierten. Erstmals gezeigt wurde die Retrospektive zum 100. Geburtstag Nakagawas beim Tokyo Filmex-Festival 2005.

Die Auswahl des Forums spiegelt die stilistische Bandbreite der Filme Nakagawa Nobuos. In Lynch (Rinchi, 1949), einem Klassiker des japanischen "Film noir", gelingt es einem aus dem Gefängnis entlassenen Yakuza nicht, gesetzestreu zu bleiben. In A Wicked Woman (Dokufu Takahashi Oden, 1958) schwört die Titelheldin, basierend auf einem tatsächlichen Kriminalfall, nach dem Tod ihrer Tochter allen Männern Rache und wird zum Dämon. Ghost Story of Yotsuya (Tokaido Yotsuya Kaidan, 1959), die wohl bekannteste Verfilmung des Stückeklassikers "Yotsuya Kai" von Tsuruya Namboku – kürzlich im Rahmen von spielzeiteuropa | Berliner Festspiele in der Inszenierung von Jossi Wieler zu sehen – ist ein stilistischer Höhepunkt des Geisterfilms und etablierte das Geister-Bild der traditionell weiß gekleideten Frauen mit langen schwarzen Haaren.

Mit The Mansion of the Ghost Cat (Borei Kaibyo Yashiki, 1958) und The Lady Vampire (Onna Kyuketsuki, 1959) adaptierte Nakagawa zwei Horror-Romane von Soto Tachibana. In seinem Meisterwerk Jigoku (1960) schließlich gipfeln tragische Unfälle und Doppelgängermotive in einer Darstellung der wahren Hölle. Ebenfalls zu sehen sind der Mystery-Krimi Dandy Sashichi Detective Story – Six Famous Beauties (Ningyo Sashiichi Torimonocho Yoen Roku Shibijin, 1951), der im Nachkriegs-Tokio spielende neorealistische Kaachan ('Nendo no Omen' yori: Kaachan, 1961) und das Schwertkampf-Drama Okatsu the Avenger (Yoen Dokufuden: Hitokiri Okatsu, 1969).

Das Programm wird unterstützt durch die Japan Foundation und das National Film Centre, Tokyo, das neue, englisch untertitelte Kopien beisteuert.


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Samstag, 31. Dezember 2005
Kosslick droht mit Fürchterlichem.


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lol