Donnerstag, 5. Juli 2012
Zum heute anlaufenden Cosmopolis habe ich zwar keinen Text verfasst, empfehlen möchte ich den Film aber dennoch. Insbesondere für Cronenberg-Aficionados ist es spannend zu beobachten, wie sich Cronenberg den DeLillo-Text ins eigene Oeuvre einverleibt. Eine sehr schöne Kritik hat Cristina Nord für die taz geschrieben, lesenswert ist auch Lukas' Text beim Perlentaucher, auch wenn Lukas den Film nicht ganz so umarmt wie ich. Außerdem in der taz: Ein gutes Interview mit Cronenberg, das man aber vielleicht erst wirklich lesen sollte, wenn man den Film bereits gesehen hat.

Zudem läuft Jaume Balaguerós neuer Film Sleep Tight an, den ich hier für die taz bespreche. Balagueró drehte zuvor den sehr guten Virus-Zombie-Ichperspektivenschocker Rec und dürfte mit Sleep Tight endgültig zu den interessantesten Horror- und Thrillerregisseuren Spaniens aufgestiegen sein.





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Donnerstag, 28. Juni 2012
Beim Perlentaucher schreibe ich einige Zeilen über das Spider-Man-Reboot, das heute ins Kino kommt und mir ganz außerordentlich gefallen hat. Von den wenigen Wörtern zum Plot sollte man sich nicht irritieren lassen: Die Neuauflage ist eine wahre "Plotmaschine", vieles habe ich gar nicht erst erwähnt. Dass Gwen Stacy als love interest eine interessantere Funktion einnimmt Kirsten Dunst in der vergleichbaren Rolle in den früheren Filmen. Dass man endlich aus der Ich-Perspektive sieht, wie Spidey sich durch New Yorks Straßenschluchten wuppt. Als zweite Kritik findet man unter dem selben Link noch einen Text zu Wayne Wangs Der Seidenfächer, den Jochen Werner sehr treffend und zu Recht begräbt. Für die Stadtrevue habe ich eine schnelle Kinonotiz zu dem Film verfasst, für den man sich das Kinoticket wirklich sparen kann.

Bereits letztes Jahr beim Filmfestival in Istanbul konnte ich Small Town Murder Songs sehen, einen - schon auch wegen Peter Stormares Präsenz - auf den ersten Blick leicht Coen-epigonal wirkenden Indiethriller aus Kanada, der mir aber dennoch sehr gut gefiel- und im Grunde gar so arg sich an die Coens gar nicht anlehnt. Es mag an der archaisch religiös geprägten Musik legen, die jeder im Zusammenhang mit dem Film erwähnt (einen Eindruck vermittelt der Trailer), dass mir der Film so gut gefallen hat - diese trägt eine Ekstase in den ansonsten sehr ruhigen Film, die mir diesen sehr ans Herz wachsen ließ. Nicht zuletzt hege ich eine Vorliebe für religiös angehauchten Kinoexistenzialismus, auch wenn ich im echten Leben der Religion mit Vorliebe aus der Ferne zuwinke und dessen zufrieden bin. Ausführlicher besprochen habe ich den Film bereits in der Juni-Ausgabe 2011 der Splatting Image.





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Donnerstag, 21. Juni 2012
Für die Stadtrevue habe ich eine schnelle Notiz über den heute anlaufenden Chernobyl Diaries verfasst. Ich fand den Film atmosphärisch recht gelungen und - ähnlich wie Lukas - auch angenehm emanzipiert vom Ichperspektive-Diktat des jüngeren Horrorkinos. Dass der Film sich vor allem auf seine Kulisse verlässt (hier ein paar Fotos von vor Ort, die ohne weiteres als Vorbild gegolten haben mögen) und davor eine recht übliche Geschichte abspielt ist angesichts des soliden Gruselns eigentlich fast geschenkt. Womöglich könnte man den Film auch als eine versteckte Adaption von Schatten über Innsmouth von Lovecraft lesen, aber das war nur ein kurzer Eindruck und hält einer detailliertend Überprüfung womöglich nicht stand.

Außerdem läuft Madonnas W.E. an, über den eigentlich fast jedes Wort zuviel ist. Ein paar wenige habe ich dann aber doch für die taz verfasst.





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Donnerstag, 7. Juni 2012
Die Platte knistert arg, dann hängt und springt sie. Dann das Bild: ist schief. Schlingensief spricht im rechten Winkel, Querformat: "Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz recht herzlich hier aus Ouagadougou!" Ein Handybild jener verrauscht-kontrastarmen Sorte, die alles fahl wie die Unterseite eines Fisches aussehen lässt: Hi-Def ist das nicht. Dann geht Schlingensief von der Hotellobby auf die Straße, in die Nacht und verschwindet damit noch mehr im Undeutlichen des Bildes: "Ich bin jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr zu sehen, was für ein Signal an die Zukunft!" Dann meldet er sich, nach kurzer Aufnahmeunterbrechung, nochmal: Er sei gerade darauf hingewiesen worden, wie man mit so einem Handy eigentlich richtig aufnimmt, dass man das Gerät dazu nämlich anders- und also quasi intuitiv verkehrtrum halten müsse; Schlingensiefs Gesicht wechselt aus der Horizontalen in die Vertikale zurück, "Ich hör' jetzt auf, Francis, Du musst übernehmen", sagt er noch mit seinem typisch verschmitzten Lausbubengrinsen zu seinem Architekten Diébédo Francis Kéré, bevor ein harter Cut den Film aus dem medial defizitären Rausch-Schwenken in eine professionelle Totale holt und damit eine strikte Differenz zur Schlingensiefschen Taumelästhetik der lustvoll-frechen Übertölpelung von Standards und Konvention markiert. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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Mittwoch, 23. Mai 2012
Bloß gut, dass die Fernsehzuschauer 1969 noch kein High-Definition-TV hatten. Sonst hätte ihnen, die sie da bei Kaffee und Kuchen vor hübsch-hässlichen Sixties-Garnituren und dem TV-Gerät sitzen und anhand fleckig verrauschter Fernsehbilder die Startvorbereitungen zur "Apollo 11"-Mission verfolgen, das gestochen scharfe Bild wohl offenbart, wie da ein paar Gestalten in den Metallgerüsten rund um die startbereite Rakete einander herb ans Leder gehen. Gut auch, dass die Zuschauer und Fernsehkameras vor Ort auf Distanz gebracht sind und von den Scharmützeln ebenfalls nichts mitbekommen: Die Astronauten in ihrer Kapsel merken wohl, was sich da neben ihnen abspielt, einigen sich aber auf pragmatisches Klappehalten - das bisschen Geschubse einiger Lebensmüder soll doch wohl nicht eine Mission von derart historischem Rang wie die erste bemannte Mondlandung in Frage stellen. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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Mittwoch, 16. Mai 2012
"Idiot" ist gar kein Ausdruck: Eigentlich wollte der Cop, der den Hippie Ned Rochlin (Paul Rudd) am Gemüsestand auf dem Marktplatz um Dope für den Feierabend bittet, schon abziehen, als Ned dann doch was zum Einkauf obendrauf legt. Sogar gratis, Ned ist Menschenfreund. Das könne er nicht annehmen, meint der Cop und insistiert auf einen Betrag. Kein Wunder: Erst wenn Bares fließt, klicken die Handschellen. Tun sie dann auch, Neds Gefeixe zum Trotz, der alles für Ironie hält, die ihn aber doch noch vor dem Filmvorspann für acht Monate ganz unironisch ins Kittchen bringt. [weiterlesen bei der taz]



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Donnerstag, 10. Mai 2012
Zwei Texte heute in der taz: Fast schon übergehenswert entbehrlich ist Das Hochzeitsvideo, Sönke Wortmanns Versuch, die Found-Footage-Ästhetik mit der deutschen Beziehungskomödie zu vermählen, was nach allen Regeln der Kunst schrecklich schief geht. Außerdem: Das Langfilmdebüt Die Vermissten von Jan Speckenbach, dessen erste Hälfte leider in den trüben Gewässern des deutschen Problemfilms fischt, dann aber eine zwar nicht vollends gelungene, aber interessante Wendung hinbekommt - mehr dazu hier.



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Donnerstag, 3. Mai 2012
Michael (Zoé Héran) ist neu in der Stadt. Es ist Sommer, die Schule hat noch nicht begonnen. Michael freundet sich mit einem Haufen Jungs und einem Mädchen, Lisa (Jeanne Disson), an. Man tollt im Wald, spielt Fußball, rauft, schwimmt. Was Jungs in dem Alter - alle sind um 10 herum - eben tun. Lisa mag Michael, Michael mag Lisa, beide küssen sich im Wald, ganz scheu und zaghaft. Dass Michael Laure heißt, erfährt man vom Film erst später, wenn Laure in der Badewanne mit ihrer kleinen Schwester spielt. [weiterlesen bei Perlentaucher]



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Sonntag, 29. April 2012
Adrian Hovens nach meinem Kenntnisstand recht rarer Krimi Der Mörder mit dem Seidenschal ist derzeit noch für wenige Tage in der Mediathek von Das Vierte zu sehen.

Ein typischer Kraut-Krimi der damaligen Mode steht bei diesem günstig entstandenen Film aus dem Jahr 1966 allerdings nicht zu erwarten: Weder handelt es sich um eine Wallace-Produktion, noch standen hier die üblichen Verdächtigen (Artur Brauner, Horst Wendlandt) Pate. Auch die Wiener Kulisse hebt den Film vom Teutonen-London der Wallace-Filme und ihrer Plagiate spürbar ab: Kein spätbürgerliches Dekors bestimmt die Kulisse, sondern Innenstadtatmosphäre zwischen modernem Café und Kino, zwischen Kiosk, Boulevard und Hinterhof. Mitten drin: Susanne Uhlen, hier wenige Jahre vor ihrer großartigen Rolle in Brynychs Engel, die ihre Flügel verbrennen, in ihrem Debüt, gerade mal 10 Jahre alt. Mit erschrockenen Rehaugen spielt sie als Symbol der in einer verkommenen Welt zuschanden zu kommen drohenden Unschuld alle an die Wand.

Hoven, der als Schauspieler im muffigsten Sumpf des deutschen Trivialkinos begann und nach einem Zwischenspiel für Jess Franco bei Fassbinder landete, dreht im tänzelnden Flirt mit dem modernen Film einerseits, der Filmgeschichte andererseits eine Art urban-düstere Rotkäppchen-Variante: Die Stadt mit ihrem Betrieb ist der Wald, das ringsum alles bestimmende Profitdenken der böse Wolf und der rettende Jäger ein lange im Dunkeln tappender Polizeibeamter, der das Mädchen, das den Mord an ihrer Mutter beobachtet hat, im Wald nicht findet.

Zwei, drei Schwächen mag es geben - auf Juhnke als jungen Ermittlungsassistent mit Pfiff und Witz, sehr deutlich ein Zugeständnis an vergleichbare Typen beim populären Wallace-Franchise, hätte man vielleicht verzichten können -, von der Entdeckung dieses zumindest in Sichtweite zum gerade in Italien (Co-Produktion!) prosperierenden Giallo vorbeisegelnden Krimis sollte dies indessen nicht abhalten. Auch wegen seiner Koketterie mit der urbanen Verruchtheit scheint mir der Film im direkten Zusammenhang mit Dominik Grafs kürzlicher Kritik am Besinnungsaufsatz-Kino im heutigen Deutschland sehenswert: Es bleibt zu erwägen, ob man Hoven in die Reihe von Regie-Ekstatikern, die Graf dort auflistet, mitaufnehmen sollte.


(Mehr großartige Lobby Cards zu diesem Film hier bei Kino-50er)


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Mittwoch, 18. April 2012
Vielleicht braucht es das wirklich: Eine Art dritten Weg, wie man Superheldenfilme drehen könnte, neben den glattpolierten Kaugummi-Filmen, wie sie die Marvel Studios derzeit am laufenden Meter auf den Markt werfen und den weltenschweren Wagner-Opern, in denen sich die DC-Gallionsfiguren Superman und Batman in den letzten Jahren im Kino positionierten. Der dritte Weg, den Chronicle vorschlägt, ist - wohl auch: aus Kostengründen - keiner Comicvorlage geschuldet, sehr diesseitig in der Welt orientiert (genauer: recht glaubhaft in dem spezifisch amerikanischen Soziotop zwischen Provinz und Metropole rund um die High-School-Partyszenen und den angeschlossenen sozio-okönomischen Hierarchien und Ausschlusslogiken angesiedelt), eher am Potenzial von Mystery- und Awesomeness-Serien wie Lost und Heroes als an überschaubaren Weltenbrand-Szenarien interessiert (mit einem gewissen Schuss Manga- und Anime-Irrsinn gegen Ende) und arbeitet, schlussendlich, mit der zuletzt sehr populären Handkamera- und Found-Footage-Ästhetik, die die raumgreifenden Allmachtsfantasien des Superheldenstoffs mit der Fragilität (wenn auch pseudo-)dokumentarischer Bilder durchkreuzt. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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lol