Dienstag, 17. April 2012
Vergangene Woche bin ich für ein paar Tage beim International Film Festival in Istanbul gewesen. Dazu gibt es heute ein paar Zeilen in der taz.

Ein schönes, entspanntes Festival im übrigen - von der thematischen Ausrichtung her mit dem Fokus auf politisches Kino der Berlinale im übrigen gar nicht so unverwandt. Was bei der Berlinale aber oft den Eindruck erweckt, es handle sich bei der Veranstaltung um die Selbstvergewisserung SPD-naher Befindlichkeitspolitik, gewinnt in Istanbul, insbesondere wenn man die türkischen Filme sieht, die die Leute direkt angehen und bewegen, nochmal einen ganz eigenen Drive, nicht zuletzt weil dort ein sehr junges Publikum filmhungrig in die Säle zieht - wohingegen das Berlinalepublikum nicht selten vor allem an der Teilhabe am Event interessiert zu sein scheint. Schon auch, weil das Festival in Istanbul hier wirklich mitten im Stadtzentrum stattfindet - die zentralen Kinos befinden sich direkt in der belebten Fußgängerzone, an dessen Spitze der Taksim-Platz liegt -, und nicht wie in einer künstlich am Leben gehaltenen, faktisch aber lebenslosen Zone wie sie der Potsdamer Platz darstelt, hat man hier den Eindruck, dass Filme samt Festival für einige Tage unmittelbar zum öffentlichen Leben der Leute dazugehören. Auf die Filme färbt dies mitunter, zu ihrem Vorteil, ab.



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Sonntag, 15. April 2012
Auf Abstürze versteht sich der Mann: In The A-Team (2010) ließ Regisseur Joe Carnahan noch einen ganzen Panzer aus heiterem Himmel zu Boden stürzen, natürlich ohne dabei den Leuten darin auch nur ein Haar zu krümmen, gemäß den Auflagen des familientauglichen Popcorn-Blockbusters und der Vorabend-TV-Serie, die als Vorlage figuriert und den Ruf besitzt, noch aus wildesten Scharmützeln alle Beteiligten mit dem Leben davonkommen zu lassen. Ganz anders sieht die Angelegenheit in seinem neuen Film The Grey - Unter Wölfen aus, der sehr konsequent und sehr eindringlich auch die Verwundbarkeit selbst noch robustester Männerkörper zum Thema hat: Mit einiger affizierender Wucht und mit deutlichem Augenmerk auch auf die traumatisierenden Ausmaße inszeniert Carnahan hier frühzeitig im Film einen Flugzeugabsturz über der Eiswüste Alaskas, der als diabolus in machinam sogar noch den Film selbst samt Tonspur ins Stocken geraten lässt. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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Samstag, 7. April 2012
Ivette Löckers sehr guter Dokumentarfilm Nachtschichten ist, wenngleich von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, mittlerweile im Kino zu sehen - etwa noch bis 12.April im neuen Berliner Kino Zukunft. Lukas empfiehlt den Film in seinem Blog, eine Empfehlung, der Simon Rothöhler von Cargo bereits gefolgt ist. Da Lukas auch meinen Text in der Dezemberausgabe der Splatting Image anspricht und ich wiederum Lukas überhaupt ursprünglich den Hinweis auf den Film verdanke, will ich den Text gern (wie das immer so ist: in ganz sacht überarbeiteter Form, Texte sind bekanntlich nie fertig) auch hier dokumentieren, in der Hoffnung einerseits, dass mehr Leute die Splatting Image kaufen, vor allem aber andererseits: dass mehr Menschen diesen schönen Film im Kino sehen.

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Mögen die Metropolen der Welt mit ihren Lichterzügen auch noch so dagegen ankämpfen, ihre dunkle Faszinationskraft, ihre Andersweltlichkeit, ihren leicht magischen, leicht unheimlichen Touch hat die Nacht auch heute nicht verloren, wie jeder bezeugen kann, der sich an durchwachte Kindernächte erinnert, in denen Geräusche ein Eigenleben entwickeln oder die Lichter von vorbeifahrenden Autos das eigene Zimmer fremd erscheinen lassen. Von solchen Erlebnissen berichtet auch Ivette Klöcker anfangs in ihrem schönen Dokumentarfilm Nachtschichten und verleiht ihm dadurch von Anfang an eine persönliche Note, ohne allerdings – und dies zum Glück – diesen wunderbar dunkel funkelnden, ganz diesseitigen Film im folgenden in persönliche Noten zu tränken: Kein Voiceover, kaum (keine?) fremde Musik, auch die porträtierten Menschen sind nur selten der Kamera im Gespräch zugewandt. Beobachten, Material sammeln, dieses für sich sprechen lassen.

Die Nacht als Thema also, zumal die Berliner Winternacht, die zum bittersten zählt, was man in Zentraleuropa diesbezüglich erleben kann: Nachtgeschichten über Nachtschichten, um die Schichten der Nacht freizulegen: Zwei Graffitikünstler pirschen sich durchs Feld, ein Polizeihubschrauber leuchtet Berlin aus, eine Nachtwächterin mit ausgesprochener Tierliebe patrouilliert über das Hafengelände, zwei Frauen sind im Auftrag der Stadtmission unterwegs, um nach Obdachlosen in der Kälte zu sehen, ein Lone Wolf genießt es, nachts ganz allein durch die Straßen Berlins zu ziehen, Solo-Basketballspiel mit imaginiertem Ball am Alex inklusive, ein Obdachloser sucht eine trockene Unterkunft, eine Japanerin bereitet sich auf ihren DJ-Gig vor. Allen ist eigen: Weite Teile ihrer Existenz spielen sich „nach Sonnenuntergang“ ab, wie das japanische Wort für „Nacht“ wortwörtlich heißt, wie uns die DJane wissen lässt. Ivette Löcker und ihr Kameramann Frank Amann folgen ihnen auf ihren Wegen in gerade jener schwierig aufrecht zu erhaltenden Zwischenphase zwischen behutsamer Distanz und Einfühlsamkeit, die einerseits dem Gegenstand, andererseits dem Zuschauer keine Gewalt antut, sondern es gerade letzterem gestattet, einen Blick in eine ein zwei, drei Schritte neben dem Alltagstrott liegende Welt zu werfen, ohne diese bereits mundgerecht vorgefertigt vorgesetzt zu bekommen.



Von Seelsorge-Kitsch und der Rhetorik eingeschworener Gemeinschaften gottlob keine Spur, vom Rabaukenstil einschlägiger Boulevard-TV-Magazine selbstverständlich ganz zu schweigen Nachtschichten ist ein Dokumentarfilm im besten Sinne, da er beobachtet und zugleich ein ästhetisches Verhältnis findet, in dem der Film eine Instanz eigenen Rechts bleibt und der Stadt Nachtansichten abringt, die sich dem blanken Auge im Alltag womöglich entziehen: Vom Himmel betrachtet wird eine Wohnsiedlung mit orangenen Lichterzügen zum glühenden Ornament auf samt-schwarzem Grund, ein Schwan schwimmt durch Schollen auf dem Wasser, ein blinkendes Licht aus der Ferne verrät den einsamen Graffitikünstler auf dem Dach. Überhaupt ist der Film, im Dokumentarfilm mit seinen Legionen von „talking heads“ eben doch so selten, von vorne bis hinten ein ästhetischer Genuss, der sich als solcher aber nie zum eigentlichen Reiz des Films aufspielt – Berliner Winternacht, eine Filmambient-Symphonie der Großstadt.



Ganz beiläufig rückt da der gewandelte sensorische Umgang mit der Nacht ins Bild: Der Graffitikünstler erzählt im Voiceover, wie er zum Fuchs wird, der auf den Hasen lauert, wenn er eine Sprühsituation vorab taxiert. Der Schnitt verlässt währenddessen das Geschehen und schiebt das Statement aus dem Inneren des Berliner Polizeihubschraubers über die Bilder, wo ein Beamter mit angestrengtem Blick die Nachtsichtmonitore absucht – immer auf der Suche nach den Graffitisprühern, die in diesem Fall vom Fuchs zum Hasen werden. Es ist eine Art Predatorenlogik, mit der sich viele der Leute durch die kalte Großstadtnacht bewegen, wenn die Nachtwächterin ihren Taschenlampenlichtkegel über und zwischen Container wandern lässt (einmal entdeckt sie dabei eine weiße Ente – was für eine wundervolle Szene, der der Film spontan Raum lässt), die Polizei ein dunkles Wäldchen ausleuchtet, der Obdachlose die Türen von Banken abklappert, ob sie ihm nicht Zugang zum geheizten Automatenraum gehören („gut zu wissen“, sagt er an einer Stelle als er eine geöffnete Tür findet, als recherchiere er für ein Agentenszenario, wo jeder Wissensvorteil Gold wert ist), selbst noch die japanische DJane sucht und jagt die Beats in ihrer Vinylsammlung, die sie mit bunten Stickern nach jeweiliger Klangstimmung vorsortiert.

Schlussendlich bleibt in diesem reflektierten, hypnotisch-faszinierenden Dokumentarfilm vor allem eine Qualität als die herausragendste bestehen: Es menschelt nicht in Nachtschichten, aber er ist menschlich.



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Donnerstag, 29. März 2012
Morgen abend um 20:15 zeigt arte den neuen Fernseh-Kinofilm von Dominik Graf. Ich habe ihn mir für den Perlentaucher vorab angesehen und war, wie eigentlich stets bei Graf, begeistert.



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Donnerstag, 1. März 2012
Habe mich kürzlich in der "Low Budget Cinema"-Reihe (Programm im .HBC in einen Film verliebt. Siehe auch: Dominik Graf ° Lukas Foerster ° Alexander P.







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Freitag, 3. Februar 2012
» The Artist (taz)

» Arirang (Perlentaucher)

» Tinker, Tailor, Soldier, Spy (taz)

Bonus ohne Text, aber wegen Begeisterung: Der atmende, pulsierende Skorpion im Fahrstuhl (Drive).









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Dienstag, 24. Januar 2012
Vor einigen Tagen erschien in der taz meine Kritik zum großartigen Para-/Neo-/Meta-Giallo, vielleicht aber auch einfach: Experimental-Großfilm Amer, den ich bereits auf dem Fantasy Filmfest 2010 ganz tief ins Herz geschlossen hatte. Dass der Film überhaupt noch in die hiesigen Kinos (wenn auch, sigh, in ganz ausgesucht wenige) gekommen ist, ist natürlich eine große Freude - nur dort, auf einer großen Leinwand vor dunklem Saal, kann dieser Film seine Wirkung wirklich ganz entfalten. Auf der Website des Verleihs gibt es eine Übersicht mit allen Kinoterminen, bereits Anfang März erscheint bei Koch Media die DVD dieses kleinen Meisterwerks.





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Donnerstag, 5. Januar 2012
Sehr zu empfehlen ist die nunmehr vierte Auflage des dem amerikanischen Independentfilm (wohlweislich: nicht Indie-Film) gewidmeten Festivals Unknown Pleasures. Beim Perlentaucher stellen Lukas und ich diese Woche deshalb vier Filme des Programms vor. Ich schreibe über Boxing Gym und Road to Nowhere, die ich beide noch letztes Jahr gesehen habe und auf einer Jahresbestenliste definitiv ganz weit oben zu finden wären.

» zum Text





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Mittwoch, 28. Dezember 2011
Statt dem wöchentlichen "Im Kino" beim Perlentaucher diesmal ein "Nicht im Kino": Keine aus den Vorgaben der Filmverleiher zusammengepickte Bestenliste, sondern Notizen über Filme, die wir dieses Jahr im Kino vermisst haben - weil sie auf nur auf Festivals zu sehen waren, auf DVDs oder gleich als inoffizielle Internet-Premiere. Ein kleiner Denkanstoß auch, über den Tellerrand hinauszublicken: Kino ist in seiner Summe eben immer auch mehr als das, was (hierzulande) im Kino läuft. Von mir stammen einige Zeilen über Sergio Caballeros Finisterrae.



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Freitag, 23. Dezember 2011
Häufig bewegt sich Stephen Meyers (Ryan Gosling) durch nichts als Schwärze oder schält sich, oft nur ansatzweise, aus dem Dunkel, ebenso schiebt er sich zurück ins Unsichtbare. Er regelt die Dinge im Hintergrund, testet - etwa in der Eröffnungssequenz - das Medienequipment auf der Bühne vor leerem Saal, der in einer paar Stunden rappelvoll sein wird, um schließlich im Ernstfall dort nicht mehr in Erscheinung treten zu müssen. Stephen Meyers ist der zweite Mann im Kampagnenteam von Gouverneur Mike Morris (George Clooney), der in Ohio die zentrale Schlacht auf dem Weg zu einer möglichen Präsidentschaft zu schlagen hat. Und er ist ein junger Aufsteiger in dieser Branche, der verfettende Männer mit Haarausfall voranstehen (auf republikanischer Gegenseite Paul Giamatti als Tom Duffy; an der Spitze der eigenen Seite: Philip Seymour Hoffman als Paul Zara), sowie bei aller Karrierefixiertheit überdurchschnittlich idealistisch: Mit Morris, einem unzweifelhaft an Barack Obama angelegten Charismatiker und begnadetem Redner, das Weiße Haus fest im Blick, ist er der seltene Fall eines Karrieristen, der seine Überzeugungen bei diesem Lebensweg nicht zu Grabe trägt. [weiter beim Perlentaucher]



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lol