Donnerstag, 13. Dezember 2012
Zwischen Peter Jacksons preisgekrönter "Herr der Ringe"-Trilogie und diesem neuen, ersten Film der ebenfalls als Trilogie konzipierten Verfilmung von Tolkiens Kinderbuch "Der kleine Hobbit", mit dem der Sprachhistoriker 1937 den phantastischen Kosmos von Mittelerde erstmals beschrieb, liegen nicht nur neun Jahre, sondern ein ganzer Medienwechsel samt folgenreicher Umstrukturierung des Kinobetriebs: Die volldigitale Produktionsweise ist durchgesetzt (freilich, ein paar wenige Idealisten werden vom Betrieb als 35mm-Fanatiker gerade noch geduldet), im Bereich großbudgetierter Produktionen ist an 3D so gut wie kein Vorbeikommen mehr. Mit "Der Hobbit" setzt Jackson dem nun noch einen obendrauf: Gedreht wurde nicht nur in 3D, sondern gleich im "High Frame"-Verfahren, also mit 48 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde, was dem Film nicht nur die berüchtigten Unschärfen bei schnellen Bewegungsabläufen austreibt, sondern auch ein teures Equipment-Upgrade der Kinos erforderlich macht. Der Keil zwischen hochgerüstetem Kinobetrieb, der schon zur Amortisierung seiner Investition vermehrt auf große Eventfilme setzen muss, und den zu solchen Ausgaben kaum befähigten Einzelbetrieben wird damit noch ein bisschen tiefer ins Gewebe der ohnehin schon parzellierten Kinokultur getrieben. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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Donnerstag, 15. November 2012


Dredd pflegt einen konzentrierten Minimalismus der Sachlage, der Genrefilmen auch im Zeitalter ihrer zentrifugalen Überbordungen durchaus gut tut: Der Zufall will es, dass Dredd in Deutschland zeitgleich mit dem weit über die Grenzen der Lächerlichkeit hinaus monströs aufgeblasenen Science-Fiction-Maskenball Cloud Atlas ins Kino kommt: Wo dieser bläht und wuchert und aus schmalen Ideen großmetaphysische Luftballons aufsteigen lässt, fasziniert Dredd mit düsterem Kino-Existenzialismus der klaren Anordnung.

Hier meine komplette Besprechung beim Perlentaucher.

Und hier ein Clip aus dem Film, den man im Kino mit Brille auf der Nase gesehen haben muss, um sich so in ihn zu verlieben, wie mir das geschehen ist (Hinweis: Mir scheint der Film für Onlinevideos deutlich heller gepegelt zu sein. In der Pressevorführung wirkte der Film von der Farbpalette her dunkler und damit grimmiger):



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Donnerstag, 8. November 2012
In den Gassen des heruntergekommenen Viertels von Seoul, in dem Pietà spielt, stapelt sich der Müll. Es ist eine herbstlich-kalte, gänzlich anmutfreie Welt der verwinkelten Gassen, der verbeulten Abwasserrohre, der schäbigen Werkstätten, in denen verlumpte Eheleute sich damit abplagen, kleine Metallstücke zurechtzubiegen, von denen sich nicht sagen lässt, welche Funktion sie einmal in welcher Maschine haben werden. Eine private Welt abseits der mühsamen Arbeit scheint es nicht zu geben: Müllleben in der Müllwelt. [weiterlesen bei der taz]



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Mittwoch, 31. Oktober 2012
Es ist vielleicht kein Zufall, dass in Zeiten, in denen der Alltag mit GPS, Smartphones und Gadgets aller Art seine James-Bondisierung gründlich vollzogen hat, der Held (Daniel Craig) selbst mit einem simplen Peilsender und einer immerhin modifizierten Walther PPK vorlieb nehmen muss, die aufgrund eines Handflächenscanners nur dem Eigentümer zu Diensten ist. Mit ihrem Gadget-Fetisch bedienten die Bond-Filme immer auch eine grundfröhliche und erznaive Futurologie, die zu Connery-Zeiten noch nach blanker Science-Fiction roch, spätestens aber bei den vergleichsweise jungen und einigermaßen unsouverän dem unverbindlichen Bubblegum-Blockbuster der 90er nachhechelnden Brosnan-Filmen ins Alberne zu spielen begann und heute von der Realität längst überholt wäre. In "Skyfall" fällt Bond somit zu Beginn nicht nur aus heiterem Himmel, sondern als Held auch im wesentlich auf sich zurück: Peilsender und Schusswaffe, der Rest ist Körperarbeit. Und, zugegeben, viel Rechenpower im Hauptquartier, wo ein picklig-junger Q (Ben Whishaw) die Datenströme zusammen hält, interpretiert und Anweisungen gibt. Soviel Science Fiction dann doch: Nicht mehr Bond kontrolliert die griffigen Gadgets, der Gadget-Park kontrolliert Bond. [Weiter beim Perlentaucher]



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Donnerstag, 25. Oktober 2012
Sehr deutlich, sehr mittig zerfällt der Film in zwei Teile: Hier ist Yaron (Yiftach Klein), Alpha-Mann einer israelischen Polizei-Elitetruppe und werdender Vater, dort eine sich radikalisierende klassenkämpferische Gruppe rund um Shira (Yaara Pelzig), die mitten in den Vorbereitungen zu einer Geiselnahme stecken. Beide durch einen harten Schnitt separierte Teile hält Nadav Lapid in (wie schon die erste Einstellung zeigt) zwischen Intimität und Distanz changierenden, letztlich kühlen Bildern in etwa im Gleichgewicht - beide Stränge finden zusammen, als die Geiselnahme vollzogen wird: Schießbefehl! Ein Actionfilm ist "Policeman" dennoch nicht. [Weiter beim Perlentaucher]



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Freitag, 12. Oktober 2012
Soll einer sagen, Actionfilme sind zu nichts nutze: In Taken 2 findet sich immerhin ein Vorschlag, wie man einander etwa in einer dicht bevölkerten, engen Metropole wie Istanbul wiederfinden kann, wenn man sich aus den Augen verloren hat, idealerweise, wenn man sich selbst in einem Gebäude aufhält, von dem man gar nicht genau weiß, wo es sich eigentlich befindet (zum Beispiel, weil man entführt wurde und nun im Keller gefangen ist). Liam Neeson jedenfalls, dem als Leibwächter Bryan Mills genau dies passiert ist, gibt seiner sich noch im Hotelzimmer befindlichen Tochter Kim (Maggie Grace), der ein ähnliches Schicksal droht, über ein ins Verlies geschmuggeltes Mini-Agententelefon pragmatische Anweisungen: "Wirf' eine Granate aus dem Fenster, ich zähle die Sekunden, bis ich hier die Detonation höre!" Sprach's, warf's - und die Luxuskarosserie auf dem gegenüber liegenden Dach ist nur mehr kleinteiliger Metalschrott: Geh'n wir Granaten werfen in Istanbul! [weiterlesen beim Perlentaucher]



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Freitag, 5. Oktober 2012
Sehr gut gefallen hat mir Looper, ein eher "kleiner" Science-Fiction-Film, der eher den guten Kurzgeschichten des Genres nahesteht als Digital-Filmboliden wie dem Total Recall-Remake (mehr). Ideen und Charaktere stehen hier vor Effekt und Drehbuchcleverness - auch wenn man, wie Simon Rothöhler hier schon schrieb, auf die Gordon-Levitt ins Gesicht geschminkte Bruce-Willis-Ähnlichkeit lieber verzichtet hätte. Beim Perlentaucher habe ich mehr dazu geschrieben, unter dem selben Link findet sich dann auch Lukas Foersters Empfehlung zum Chaos-Dad mit Adam Sandler.



Auch neu im Kino ist der deutsch mit Die Qual der Wahl doof betitelte The Campaign, an dem ich sehr viel Freude hatte - für mich eine der besten "Will-Ferrell-Verkleidungskomödien" mit einem, wenn auch unter vielen derben Witzen versteckt, an sich grundgütigen, menschlichen Herz. Das versöhnlich-märchenhafte Happy-End, das sich nach Kräften gegen den kalten Zynismus der Realität einer eingekauften Marktwirtschaftspolitik stemmt, sehe ich dabei weniger als eskapistisches Ventil, sondern eher als Ausdruck einer tiefen Melancholie: Ach, wäre es doch nur einmal so. Kein ausführlicher Text dazu von mir (aber einer von Lukas Foerster in der taz), aber eine Empfehlung von Herzen!



Die On the Road-Verfilmung fand ich dann doch ein wenig besser als die meisten Kritiker, wobei mir hier aus vielen Texten eher eine große Leidenschaft für den zugrunde liegenden Roman zu sprechen scheint, die sich mit den konkreten Bildern des Films dann nicht in Einklang bringen lässt. Dass der Film den Aufbruch und die Rebellion der Beatniks in recht brave Bilder taucht, ist allerdings tatsächlich kaum von der Hand zu weisen: Solider Gebrauchsfilm mit einigen schönen Momenten, gut gefiel mir wie Kristen Stewart hier in manchen Bildern aus ihrem Image fällt.



Nachgetragen aus letzter Woche: Am Samstag erschien in der taz mein Text zu Til Schweigers Schutzengel. Um es kurz zu machen: Der Film ist, trotz mancher toll geratener Actionszenen (nicht die großen, dafür aber die kleinen), das Ticket nicht wert.


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Donnerstag, 20. September 2012
Mit einem gehörigen Schlag reißt einen Michael Haneke aus der sanften Vorspannkontemplation, aus dem samtschwarzen Grund. Mit einem Schlag direkt ins Gesicht: Da brechen Feuerwehrleute mit einem Rammbock die Tür einer Wohnung auf, Stoßrichtung: Kinopublikum. Ein Schlag, mit dem das gehobene Bildungsbürgertum, das man wenige Einstellungen später in der Totalen aus einer Bühnenperspektive sieht (fast, als würde man in einen gewaltigen Spiegel schauen), nicht rechnen muss: Dieses sitzt beim geschmackvoll-gediegenen Klavierkonzert, wo Grenzüberschreitungen wider das Publikum kaum zu erwarten sind. [weiter beim Perlentaucher]



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Montag, 17. September 2012
gesehen im Zeughauskino, DigiBeta.

Grafs Hotte im Paradies hat mich ähnlich mitgenommen wie Lukas, mit dem ich den Film sah. Sein Posting siehe hier, zu dem sich mein Text hier nur als loser Kommentar versteht.

Die romantische Heteromann-Vorstellung, die Dienste einer Prostituierten nicht nur in Anspruch zu nehmen, sondern die Frau gleich noch aus der Prostitution zu retten, ist eine der zentralen, großen Unterwerfungsfantasien: Die öffentliche Frau soll einem ganz alleine gehören. Doch die Fantasie und die Geste der Unterwerfung funktioniert auch spiegelbildlich: Der Zuhälter verführt eine Frau, um sie in die Prostitution zu zwingen.

Der Film, der die erste Variante am schlagendsten bebildert (und dabei vor allem auch in Gloss und Glam deren ideologische Verpackung in Perfektion mitliefert), ist Pretty Woman - in nuce findet sie sich in den berühmten Montagen, in denen Julia Roberts von Richard Geres Finanzkraft in den Edelboutiquen von Los Angeles' eingekleidet wird (seinem prüfenden, gestattenden und jubelnden Blick stets unterworfen) und wie sich Roberts vor allem auch in der für sie profund fremden Welt der Edelgastronomie tapsig Schritt für Schritt vorwärts tastet.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass sich in Hotte im Paradies eine lange Sequenz findet, in der vordergründig dasselbe passiert: Ein Mann protzt einer Frau gegenüber mit seinem Reichtum, zeigt ihr das beste Essen in den feinsten Restaurants (sehr zu ihrer Überforderung), kleidet sie neu ein, mit stets kritischem Blick: "Es gibt immer noch was Besseres." Der Versuch mit Geld (aber auch mit verschmitztem Geschick: Ein Oberteil wird frech geklaut), in eine Welt zu locken, in der noch mehr Geld wartet. Doch handelt es sich dabei auch um eine Inversion: Hotte holt die Frau nicht aus der Prostitution heraus, sondern zieht sie geradewegs hinein. Auch wegen der offenkundigen Parallelität zu Hollywoods Märchenhochglanz (in allerdings West-Berliner Digitalpixelschmutz) eine zutiefst erschreckende Sequenz, die viel darüber erzählt, wie tief sich die Ökonomie in die menschlichen Beziehungen schiebt.

Auch aus dieser Perspektive sind die Übergänge zwischen Prostitution und bürgerlichem Leben in diesem Film interessant: Eine der Frauen, die für Hotte anschaffen, wird nur gegen einen "Abstand" aus der Prostitution entlassen, eine andere "rettet" Hotte schließlich selbst, doch erst nachdem er sie in einem SM-Keller gefoltert hat (Video)

(Randnotiz: Überhaupt fällt einem im Laufe der Zeughaus-Graf-Retro erst wirklich auf, wie häufig Prositution in Grafs Filmen eine Rolle spielt oder zumindest präsent ist.)

Reiner Zufall: Am Morgen nach der Vorführung stolpere ich am Gleis des S-Bahnhofs Charlottenburg über einen Spielort des Films, der in meiner Stadt spielt, die nicht meine ist (kaum einmal, dass ich an diesem S-Bahnhof bin, auch wartete ich hier bloß auf einen Anschlusszug ins idyllische Werder/Havel, der vom Ludenmilieu Charlottenburgs unendlich weit und doch nur eine halbe Stunde entfernt liegt).



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Freitag, 13. Juli 2012
Jason Segel! Kein us-amerikanischer Komiker ist mir derzeit so ans Herz gewachsen. In How I met your Mother ist er der heimliche Star, toll fand ich seinen Muppets-Film, demnächst ist er im (wunderschönen) Jeff, der noch zuhause wohnt zu sehen und gestern lief die Judd-Apatow-Komödie Fast verheiratet (Regie: Nicholas Stoller - Segel und Stoller arbeiten regelmäßig miteinander) an, die ebenfalls sehr, sehr schön ist. In der taz habe ich dazu ein paar Zeilen, die ich mit einer kleinen Einschränkung weiterreichen muss: Ich tat mir beim Schreiben sehr schwer, ich glaube, man merkt das dem Text an, der sich dem eigentlichen Film meiner Meinung nach zu wenig anschmiegt.

Weniger zum Lachen ist der indonesische Kampffilm The Raid, der dem ballethaften Martial-Arts-Film endgültig alles Filigrane austreibt. Über weite Strecken ist der Film eine atemberaubende athletische Leistung, der mit seiner konfrontativen No-Nonsense-Haltung auch wieder deutlich näher am Bahnhofskino steht, als die ganzen verdichtenden Nostalgiefilme der letzten Jahre im Zuge von Tarantinos Grindhouse-Projekt. Dreckig, brutal und ungeheuer wendig - so ist es schön, so soll es sein. Ein paar (sehr wenige) Zeilen dazu in der Stadtrevue. Eine schöne Kritik hat Lukas Foerster beim Perlentaucher.

Und dann noch Hasta la Vista. Belgisches Rollstuhlfahrer-Kino, das ein heikles Thema ("Ficken") herzerwärmend ("Ziemlich beste Freunde") aufgreift. Auch Rollstuhlfahrer haben körperliche Bedürfnisse, erfährt man hier, wenn man es nicht eh schon immer gewusst hat. Göttliches Potenzial, aber leider wegen Bravheit im Umgang mit dem Thema eher vergeigt. Auch hier ein paar wenige Zeilen in der Stadtrevue.





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lol