Mittwoch, 16. August 2006
Die letzte Nacht war seltsam. Ich konnte nicht schlafen und wenn ich das nicht kann, höre ich Musik, die ich tagsüber nur selten hören würde, weil ich sie nur dann wirklich goutieren kann, wenn ich stumpfsinnig in der Nacht klebe. Dabei habe ich, beim Click hier und dort, eine wirklich sehr, sehr seltsame Website eines offenkundigen Faschisten entdeckt. Sie hatte die Form eines Wikis und es stand aberwitzig viel darin, vor allem über eine bestimmte Person, und es war schon grotesk, wie viel da ein offenbar Einzelner in ziemlich schlechtem Deutsch und sehr inhaltsleer über eine einzige Person schreibt, nur um ihr eins reinzudrücken, weil sie offen eine andere politische Meinung vertritt. Irgendwann achselzuckend "Is' halt Internetz" gedacht und um sechs Uhr bin ich dann auch im Bett gelandet.

Umso größer dann die Überraschung, als ich heute online die ersten Nachrichten des Tages online abgraste. In der Angelegenheit um Delmenhorst war nun genau diese Website plötzlich in den News. Zwar etwa bei SpOn aus vernünftigen Gründen nicht verlinkt, aber der illustrierende Screenshot ließ keinen Zweifel offen und ein erneuter Klick auf meine zweifelhafte Entdeckung der letzten Nacht brachte letztendliche Gewissheit. Mittlerweile ist die im Ausland gehostete Site abgestellt worden.

Man kann sich, glaube ich, gar nicht recht vorstellen, wie sich solche merkwürdigen Loops anfühlen, vor allem nach einer Nacht wie der letzten, die an sich schon seltsam genug war. Man müsste mal Filme drehen, nur über Nächte, die in Wohnungen nicht vorbeigehen. Einen guten ersten Versuch gab's schon seinerzeit bei Ren & Stimpy zu sehen.


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Freitag, 21. Juli 2006
01. Sonne

02. Prüfung herausragend bestanden.

03. Ferienbeginn

04. Hüsker Dü: Something I Learned Today.

In dieser Kombination.


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Ich sitze in der Bibliothek in der Grünberger Straße. Ich komme her, um zu lernen. Ich mag das hier. Die Bibliothek in der Grünberger Straße scheint mir eine kleine Oase, eine Art Bibliothek-Ideal, wenn man Bibliothek als öffentlich-sozialen Raum betrachtet, in dem Unterhaltung, Fachliches, hohe wie triviale Literatur und Allgemeinwissen gleichermaßen bereit gehalten wird. Man kann beim Lernen aufstehen und durch die Bücher ringsum surfen. Manchmal kommen einem dabei frische Gedanken. Wenn mir gar nichts mehr einfällt, greife ich wahllos zu einem Buch und lese ebenso wahllos drei, vier Absätze.

Ich sitze da also und lese Christian Metz' Essay Foto, Fetisch, weil ich über ihn geprüft werden soll. Metz schreibt vom Augenblick, der einem im Moment der Fotografie gestohlen wird, ein Augenblick, der gestorben ist, weil das Leben ein Sterben auf Raten ist und die Fotografie dem Tode nahe steht. Er veranschaulicht dies anhand einer drastischen Formulierung aus Dubois' Überlegungen zur Fotografie, indem er diesen zitiert, dass die Person des Augenblicks gestorben sei, weil sie gesehen wurde.

Ich habe für solchen Pathos, der in der Kulturtheorie oft anzutreffen ist, nicht sonderlich viel übrig. Er verdeckt oft mehr als er erhellt. Auch die Psychoanalyse - Metzens Text ist voll davon - neigt oft zu solch archaischer Dramatik. Weil mich die Textstelle stört, weil ich darüber nachdenke und ins Grübeln gerate, lasse ich meinen Blick durch die Bibliothek schweifen.

Ein junger Mann fällt mir auf. Er greift geschwind, merkwürdig gezielt, zu einem Buch im Regal, und das, obwohl er noch nicht lange davor steht. Er stellt es im Regal auf, im Freiraum neben den aneinander geschmiegten Büchern. Die Lücke, die sich deshalb unter ihnen bildet, wird ratzfatz geschlossen, als der Mann die Bücher zusammenschiebt. Nächste Reihe, selbes Spiel. Seine Handfertigkeit dabei ist enorm; es hat beinahe etwas von Tom Cruise, der sich in Minority Report traumwandlerisch durch das optisch-holografische Interface eines Computers manövriert. Immer wieder streicht er über die Buchreihen, sorgt dafür, dass die Bücherkanten direkt auf der Regalkante stehen, dass es keine Einschübe gibt.

Kein Hauch von zwanghafter Manie in seinem Tun. Eine seltsame Zärtlichkeit liegt in allen Gesten. Manchmal scheint er nach ästhetischen Parametern abzuwägen, ob ein Buch wirklich offen aufgestellt wird oder in der Reihe bleibt. Er wiegt es dann kurz in der Hand, einige wandern zurück in die Lücke. Langsam, nicht behäbig, arbeitet er sich durch die Regale und Reihen. Seine Zärtlichkeit bleibt unergründlich: Er wirkt seltsam gelangweilt, uninteressiert. Aber auch nicht gezwungen. Und er sieht nicht aus wie ein Bibliothekar. Ich habe ihn hier noch nie gesehen (und ich bin oft hier). Vielleicht ist er ein Besucher, dem das Freude macht?

Ich versuche, nicht allzu auffällig hinzublicken. Ich denke an die Worte von Dubois: Würde ich ihn sehen, würde die Person sterben. Natürlich nicht der Mensch als solcher, aber die Person selbst würde, entdeckte sie, dass ich sie beobachte, aus sich selbst fallen und ganz anders zu Werke gehen. Vor allem, wenn sie das aus freien Stücken macht, dieses seltsam monotone "Bücherpflegen". Ich will nicht, dass er mich sieht, ich will ihm weiter zuschauen können, wie seine Hände die Regale und die Bücher pflegen.

Es gibt da etwas an Händen, die ihrem Werk nachgehen, das mich fasziniert. Hände, die wissen, was sie tun, die wissen, warum sie etwas tun, haben eine beruhigende Zärtlichkeit für sich. Ich erinnere mich an ein Portrait von Harun Farocki, das er über einen alten Silberschmied gedreht hat, der außerdem Bücher schreibt. Seine alten Hände klöppeln das Material, wir sehen das in Großaufnahme. Es liegt behagliche Weisheit in den Händen, und Liebe zum Material. Auch auf Tasten schreibende Hände können eine solche sinnliche Qualität erreichen. Wenn sie wie Spinnen über die Buchstaben gleiten. Ich könnte stundenlang zuschauen, wenn ein Maskenbildner einen Menschen schminkt. Man müsste Filme drehen, einen Film wenigstens, darin nur Hände, die ihr Werk verrichten.

Irgendwann ist der Mann aus meinem Blickfeld verschwunden, aber ich höre, wie er Bücher herauszieht, Buchreihen zusammenschiebt, Ordnung in die bibliothekarische Entropie bringt. Irgendwann ein Dialog, dass er hier zu Aushilfe arbeite. Schade, meine Geschichte, dass er einer ist, der die Bücher und die Regale mag und dass er nur ihretwegen hierherkommt, die hatte mir besser gefallen. Ich bin übrigens der, der die Comicregale pflegt.


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Donnerstag, 20. Juli 2006
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Verfolgt zu werden von einem Schmetterling und von Guns'n'Roses, beides tagelang.


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Montag, 17. Juli 2006
Immer wieder beeindruckend finde ich den Output der deutschen Filmindustrie der 20er Jahre. Heutzutage subsumiert man das ja gerne anhand einiger Schlagworte; Expressionismus, Metropolis, Mabuse, ein bisschen Lang und Murnau, ein bisschen UFA, Schatten gäbe es in diesen Filmen oft zu sehen und Hitlerfiguren wurden da überall schon vorausgewähnt. Aus den Zahlen, die ich gerade vor mir habe, da ich für eine Klausur (allerdings an der Publizistik) lerne, geht indes hervor, dass alleine im Zeitraum von 1923 bis 1929 in Deutschland sage und schreibe 1519 Langfilme produziert wurden. Alleine diese Dimensionen - und die Tatsache des immensen finanziellen Erfolgs der seinerzeitigen deutschen Industrie - verdeutlichen, dass der Verweis auf Filmexpressionismus und Schattengestalten nur höchst unbefriedigend sein kann; Filmwissenschaftler wie Thomas Elsaesser betonen schon lange die motivische und ästhetische Differenziertheit des Weimarer Kinos und heben zahlreiche Beispiele für elaboriertes Filmemachen in dieser Spätphase des Stummfilms hervor.

1519 Spielfilme in 7 Jahren, man muss sich das mal vorstellen. Ich bin mir sicher, dass dort neben viel Unerheblichem auch eine Großzahl filmischer Juwelen vergraben liegt, die einen anderen Blick auf Filmgeschichte gestatten. Umso schmerzlicher ist es, dass schon gerade mal nur die allerüberkanonisierten Filme es überhaupt auf DVD schaffen. Der Rest, darf man wohl sagen, ist zumindest einer über Filmhistoriker und andere Experten mit Zugang zu Archiven hinausgehenden Öffentlichkeit auf ewig verloren.


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Samstag, 15. Juli 2006
»Zur Sache: Franken ist durch anbiederisches Verhalten der Altbaiern gegenüber Napoleon zum Beutegut Baierns geworden. Ohne diese Franken wäre Bayern heute in jeder Beziehung ein mittelmäßiges Bundesland (etwa 35 % der Einwohner, etwa 30 % der Wirtschaftsleistung, kulturell erheblich ärmer). Die Franken sind alles andere als Deppen. Vielmehr sind sie sind in 200 Jahren Beutegeschichte von Altbayern zu nützlichen Idioten im Freistaat Bayern gemacht worden. Franken als Teil Bayerns - auch nach 200 Jahren eine Fehlentwicklung der Geschichte.

Die Franken sind zurückhaltender. Sie zu gewinnen dauert seine Zeit. Sie zu haben, ist aber auch ein dauerhaftes und verlässliches Gut. Bussi-Bussi-Heuchelei und sonstige Oberflächlichkeiten sind nicht ihr Ding. Die Franken sind echt, unverfälscht und authentisch. Sie leben ohne Schminke. Und das ist vielen fremd in einer Zeit, wo viele glauben, die Scheinwerfer müssten immer auf sie gerichtet sein. Die Münchner Welt ist ein Spiel vor der Kamera. Die Franken leben ohne Filter.«
Worte zum Geleit der Franken-Group auf last.fm, gerade entdeckt. Tränen gelacht, weil's eben so ist, wie es ist, und über den unversöhnlichen Furor, der da immer noch herrscht.

(Aber am besten ist der Satz "Die Franken sind alles andere als Deppen", was da alles an gewähnter Unterstellung drin liegt, haha!)


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Montag, 10. Juli 2006
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Sehr schade, dass es nun ausgerechnet so enden musste, war das Spiel doch eigentlich sehr spannend und die klar stärkere, gewitztere und wendigere Mannschaft auch eindeutig zu benennen. Doch dann kam ein selten deliranter Zidane daher, der anhand einer Trottelei noch ganz unbedingt unter Beweis stellen musste, dass contenance seine Stärke nun wahrlich nicht ist. Oder eben kurz: Arschlochverhalten, runter vom Platz. Und dann war eben alle anderss: Die Stimmung - auf dem Rasen, vor der Leinwand - war dahin, die Sympathie ebenso und zu allem Überfluss hat dann auch noch die deutlich unterlegene Mannschaft durch einen von Grandezza nun wahrlich nicht gekennzeichneten Elfmeter gewonnen. Ein erbärmlicher, würdeloser Beschluss eines ansonsten mitreißenden Turniers. Italien ist gut beraten, die Lorbeeren nicht als erkämpft, sondern als aus formellen Gründen erhalten anzusehen, und schon gar nicht sollte sich die Mannschaft sonderlich darauf ausruhen.


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Mittwoch, 5. Juli 2006
» 118.
Und mit einem Male: Stille ringsum, nichts mehr regt sich. Es dräut für einen Moment in der Schwebe, in dem Schweigen liegt Bedauern einerseits, wie das Versprechen der ersten lauen, ruhigen Sommernacht andererseits.

[Und dennoch: Olli heißt jetzt Jens.]


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Samstag, 1. Juli 2006
Die immer wieder und seit Jahren sich einstellende Erkenntnis, dass von den Schrauben, die Gehäuse und Mantel des Rechners aneinander binden, allenfalls nur die Hälfte sich nach getaner Arbeit auch wirklich wieder einschrauben lässt.

Das vorsichtige Einschalten des Rechners, in Erwartung von dunklen Wolken oder völlig neuartigen akustischen Regungen aus dem Innern des Gehäuses.

Die Gewitterwolken, die für einen Moment lang über das Gesicht wandern, wenn man bemerkt, dass sich im soeben ausgebauten DVD-Laufwerk noch eine DVD befindet.


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Freitag, 30. Juni 2006
In der Bibliothek: Harald neben Arno.


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lol