Dienstag, 12. April 2005
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Ewigkeit her, war irgendwann kurz vor letztem Silvester: Eine Frau am Zeitungsregal im Edeka. "Das Lesen der Zeitschriften verpflichtet zum Kauf"-Schild gleich vor ihrer Nase hat sie ganz offensichtlich nicht weiter beachtet. Manchmal, wenn mir gerade blöd zumute ist, mache ich daraus 'nen dummen Spruch von hinten kommend und feixe, nach dem Schreck, vondannen. Kurz bevor ich in diesem Falle zu diesem gewiss wunderlichen Projekt anheben kann, bemerke ich, dass die, nun, rein äußerlich eher etwas herausgeforderte Dame in den für diese Jahreszeit üblicherweise recht dicken Horoskopteil versunken ist. So von wegen "Was bringt das nächste Jahr?". Sie liest, ganz und gar versunken, beinahe schon andächtig, die Rubrik "Liebe und Leidenschaft". Eine Ernsthaftigkeit spricht aus ihrem Gesichtsausdruck, beim Studium dieser Zeilen, dass ich perplex stehenbleibe. Was hier im Leben schief gegangen ist, dass sich beim Edeka-Einkauf Trost am Zeitungsregal versprochen wird, vielleicht sogar etwas Hoffnung für die kommenden Monate, übersteigt für einen Moment lang mein Fassungsvermögen (bis heute eigentlich).


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Keine gute Idee: Sich sonntagabends online durch den Katalog des Verbunds der Berliner Stadtbibliotheken auf der Suche nach schon immer mal gelesen haben wollender Comics zu begeben. Dabei kann es nämlich gut geschehen, dass sich in der Tat nahezu alle Titel ausfindig machen und zudem auch noch - Zauberwort "verfügbar" - allesamt in zahllosen Regalen der Stadt gerade entleihen lassen. Dies hat dann nämlich zur Folge, dass man sich am Montag, mit Rucksack, Tragetasche und einer langen Liste mit Adressen und Signaturen bewaffnet, auf eine haarsträubende Tour mit den Berliner Verkehrsbetrieben einlässt, um alle Titel fröhlich einzusammeln. Spätestens nach zwei Bibliotheken gibt man dann bereits eine mal eher lächerliche Erscheinung ab, denn natürlich stößt man beim fröhlichen Einsammeln auf so manche bislang nicht in Augenschein genommene Bibliothek mit einer ganz und gar exzellenten Comiczusammenstellung. Frommen Charakters möge da sein, wer sich auf die vorab notierten Titel beschränken kann, nur ist das ein Charakterzug, der für meine Person so richtig gar keine Geltung besitzt. Also richtet man sich sein Kreuz nicht nur mit den ohnehin schon gut 5 bis 6 Kilo an eigentlich gesuchter Kost zugrunde, man packt auch noch pro Bibliothek 'ne gute Handvoll Bücher mit dazu. Nach einem langen Nachmittag, der einen die groteskesten Kieze dieser Stadt ansichtig werden lässt, bricht man dann abends, endlich zuhause angekommen, unter der Last zusammen, hat aber immerhin genügend Lesestoff für das kommende Semester parat, um auch ja genügend Gründe zu haben, sich mit der vorgegebenen Literatur nicht zu befassen.

Ein Glück immerhin, dass ich ohnehin fast ausschließlich Vorlesungen zu besuchen gedenke (nachdem ich mich im letzten Semester mit einem beinahe ausschließlich aus Seminaren bestehenden Stundenplan gelungen geschunden habe) und auch mein Antrieb, Scheine zu machen, beschränkt sich diesmal aufs Notwendigste (anvisiert sind zwei). Und immerhin möchte ich ein Seminar zur Ästhetik des Comics besuchen. Von daher ist das alles Arbeitsmaterial im Namen der Wissenschaft, mit dem ich jetzt meine freien Nachmittage auf dem Balkon verbringen werde ...


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Dienstag, 5. April 2005
Radio Fritz: "Im Berliner Senat wird derzeit über den Besitz von Marihuana verhandelt."


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Sonntag, 3. April 2005
Vor einigen Tagen habe ich mir die ersten Minuten von Suna no Onna (Woman of the Dunes; Hiroshi Teshigahara, Japan 1964) angesehen. Angefangen von der Gestaltung des Vorspanns und dann von den ersten Minuten des Films selbst hat mich das, im besten Sinne, vollkommen umgehauen. Alleine schon aus dem Wenigen, das ich zu Gesicht bekommen hatte, konnte ich auf ein ungemeines ästhetisches Feingefühl schließen, eine ungeheure Achtsamkeit, die auf ein aufregendes Filmerlebnis schließen lassen. Ich habe den Film ausgemacht, weil ich nicht wirklich sichten wollte, und weil ich hängen zu bleiben drohte und mir war an dieser Stelle noch klar genug, dass ich den Film unter den besten Voraussetzungen sehen muss und die waren zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht gegeben. Kino wäre das Idealste.

Und dann, ein paar Tage später, lese ich das Reich der Zeichen, Roland Barthes' Essays über Japans Zeichen. Bewusst keine Ethnografie, die um Hermeneutik bemüht wäre, sondern von vorneherein ein Versuch über Zeichen und den Umgang mit ihnen, gewissermaßen unter Laborbedingungen, wo das Zeichen nicht mehr nach seinem intendierten Sinn, sondern nur als Zeichen selbst noch auftritt. Es sind kleine Schritte, die minutiös einen Gedanken konstruieren. Beeindruckend klare Überlegungen, denen nachzufolgen fast schon rauschartige Qualitäten hat, weil man lernt, den zeichenhaften Dingen Aspekte abzugewinnen, die einem, beim allzu plumpen ersten Verstehen, doch schnell entgehen. Eine sorgsame Bedachtsamkeit von großer Schönheit.


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Auf dem Flohmarkt heute in zahlreichen Bücherkisten auffällig drappiert: Autobiografien von Juhnke, sowie Bücher päpstlichen Inhalts, der Umschlaggestaltung nach zu schließen zumindest.


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Sonntag, 3. April 2005
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Erde an Hamburg, Erde an Hamburg...

(was ist das eigentlich? Alter Mann in Rom geht dahin und plötzlich wird's der Menschheit wieder tief dräuend katholisch ums Herz? Kollektiver Wahnsinn grad alle miteinand'?)


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Alle paar Minuten mal auf SpOn schauen, ob's denn nun endlich vorüber ist.

(und am Wochenend' wird Kohl 75, voller Langeweile den Text dazu gelesen. Noch immer der Inbegriff des Arschlochs. Und der Juhnke, ach je, allzu weit entfernt von der in den USA war der, so rein vom Hirn her, auch nicht. Sterben in Raten. Brigitte Mira - auch dahin, schon was länger aber.)


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Donnerstag, 31. März 2005
B Friedrichshain-Frankfurter Allee: 25 [via]

Und dann auch noch in der direkten Nachbarschaft. Und die läppischen 10 Tage, die noch überschritten werden dürfen dieses Jahr, die schaffen wir in den kommenden 9 Monaten ja wohl noch mit links.

Aaaah, endlich auch mal auf der Siegerseite stehen dürfen ...


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Dienstag, 29. März 2005
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Eigentlich ist der Boxhagener Platz im Südkiez noch gesperrt. Im Winter wurde der Rasen "gewechselt", eine kleine Sandfläche eingebaut, der Rasen selbst umzäunt, um das Gelände offenbar hundefrei zu halten (was ich irgendwie auch ganz okay finde, ehrlich gesagt - Hundescheiße am Hosenboden ist wenig freudespendend). Wie gesagt: Eigentlich ist das Gelände noch gesperrt: Bauzäune verriegeln das Gelände an den drei Zugängen.

Ist aber dennoch voll egal. Gestern, an dem Tag, den ich nun auch offiziell als Frühlingsbeginn in Berlin charaktersieren würde (weil sich erstmals dieses Gefühl einstellte, dass nicht nur endlich gutes Wetter ist, sondern dass das schlechte, diesige des ausgehenden Winters nun auch endlich überwunden ist ), war der Boxhagener Platz so voll wie selten. Der frische Rasen wurde bevölkert von allen möglichen Gestalten. Mancher war in ein Buch versunken, andere lasen sich gegenseitig aus "Erinnerungen an Kafka" vor, hie und da trank man Bier, andere saßen etwas abseits vom Schuß und zogen an außergewöhnlich geformten Zigaretten... Der Bauzaun wurde kurzerhand ignoriert - schließlich kann man ihn leichtester Hand "umklettern". Wie überhaupt dann diese Abriegelung komplett sinnlos ist, die Hilflosigkeit, die daraus spricht, vor allem aber der selige Glaube, dass so ein bisschen Autorität schon Wirkung zeitigen würde. Die Menschen hinter den Bauzäunen, die es sich in der Sonne gut gingen ließen und den Tag zelebrierten, jeder auf seine Weise, ohne dem anderen in die Quere zu kommen. Dieses Bild der Menschen auf dem Rasen hinter dem Bauzaun, dieses Unbekümmerte, das ist es, was ich an diesem Viertel so unheimlich liebe.


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Samstag, 5. März 2005
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Komme kaum dazu, Filme zu schauen. Ganz im Gegenteil, ich meide sie geradewegs. Muss irgendwie mit der Berlinale zusammenhängen, die mich jedes Jahr für die Folgezeit erstmal ausknockt, filmtechnisch gesehen. Das ist sehr schade, denn gerade im Kino Arsenal laufen gerade einige hochinteressante Sachen. Aber allein zum Aufraffen kann ich mich schon nicht aufraffen. Besonders leid tut mir das auch um Spiel mir das Lied vom Tod, der als eine der letzten Vorstellungen des Filmkunsthauses Babylon auf einer angebracht großen Leinwand zu sehen ist. Eine Todsünde eigentlich, wegen des Babylons zum einen und natürlich, weil ich den Film vermutlich nie mehr in meinem Leben in dieser Größe projiziert bekommen werde. Hatte mir das auch festgenommen, aber mit dem Herannahen des Abends senkte sich deutlich die Lust. Auch deswegen geht es derzeit in diesem Blog eher um alles andere als um Film. Auch nicht schlecht eigentlich, zumal sich das hier eh mehr und mehr zu einem "ganzheitlichen" Blog entwickelt hat (an Umbenennungen hatte ich schon gedacht, die URL ist ja kaum mehr zutreffend ...)

Überhaupt habe ich das Gefühl, dass ich, nach der teils berauschenden Berlinale, Film gerade kein Stück gewachsen bin, bzw. sich da gerade wenig für mich tut. Das ist nun kein Beinbruch, sowas hatte ich ja schon öfter. Distanz tut manchmal gut. Man kennt das aus dem Beziehungsspiel. Dazu passt, dass das tages-, bzw. wochenaktuelle Kinogeschehen mich bereits seit Monaten massiv kalt lässt. Das ist alles so hingeworfen, so beliebig in die Kinosäle geschmissen, Sicherheitsdenken allenthalben. Wo bleiben die Aufregungen, die Wagnisse, der Kitzel, dass hier jeden Moment etwas ganz Wunderbares geschehen könnte? Derzeit, so scheint mir, findet man solche Momente eher in den hinteren Regalen der Videotheken denn im Kinosaal. Aber vielleicht hängt das auch alles mit meiner Filmmüdigkeit zusammen, die ich in Absatz 1 beschrieben habe.

Ganz und gar kitschig ist dann auch meine derzeit liebste Beschäftigung: Den Tag über nichts, ja absolut gar nichts zustande bringen, um dann, wenn es dunkel geworden ist, das schummrige Licht (Kerzen) anzumachen, die schummrige Musik (wahlweise irgendwas von Bohren & der Club of Gore) einzulegen, um mich auf meinen Sessel an der Balkontüre zu pflanzen. Dort lese ich dann die Comics von Alan Moore, die meine Bibliothek noch hergibt, die ich noch nicht kenne. Und wenn Licht und Musik und Text in Kombination einen Schauerraum ergeben, dann fühlt man sich ein wenig wie eine Figur aus einem Gedicht von Edgar Allan Poe. Und das Hotel-Schild, das von Gegenüber durchs Balkonfenster und duch den Nesselstoff hindurch scheint (wie so ein roter, unnachgiebiger Klecks), ergibt einen seltsamen Konterpunkt, eine Stimmung so ein bisschen wie in einem Film von Mario Bava. Und draußen kommt das Leben zum Stillstand, und ich lese hier, alleine, wie ein Wächter der Nacht: Manchmal ziehe ich den Vorhang etwas zurück und schaue nach draußen. Ein Lied von Bohren heißt Vigilante Crusade und so fühle ich mich dann. Wie Batman auf einem Dach, der ins Dunkle hinein sinniert. Eigenartige Momente sind das, literarische möchte ich fast meinen, klänge das nicht so elend eingebildet. Aber es sind Momente, in denen ich seltsam mit mir eins zu sein scheine. Distanz und Nähe zu dem da draußen gleichermaßen.


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lol