Freitag, 1. Oktober 2004
30.09.2004, Heimkino; Inhalt



Vollkommen zu Unrecht als "mittelmäßig" eingestufter Gruselfilm, sofern er denn überhaupt - wiewohl mit Vincent Price und Peter Cushing (der hier allerdings, naja, weniger brilliert also sonst) prominent besetzt - bekannt ist. Natürlich ist da auch viel Trash und Camp im Spiel, wenn Price einen abgehalfterten Horrordarsteller Peter Toombes spielt, der in den 60ern vor allem durch die Dr.Death-Serie bekannt geworden ist (was fröhliches Rückblicken vornehmlich in die gemeinsame Arbeit von Price und Corman ermöglicht) und der später dann, als es gilt, die Karriere im TV-Format zu sanieren, vermutlich in eine Schizophrenie abgleitet, die ihn diesseits der Leinwand als Dr. Death morden lässt. Vermutlich, wie gesagt ...



Wie gesagt: Trash'n'Camp auf erster Ebene. Doch darunter schlummert ein geradewegs abenteuerlich spannendes Spiel mit dem eigenen Genre und seinen Protagonisten, das unzählige Anknüpfungspunkte bietet. Schon allen die mise-en-abyme - die Abbildung eines Horrorfilms in einem anderen Horrorfilm - ist aufregend genug inszeniert, auch das Hinübergleiten des einen Mediums in die filmische Realität der Diegese (die, natürlich, wieder nur in einem anderen Medium stattfindet) ist spannend geraten und hält den Gedankenstrom bei der Sichtung frisch. Nicht zuletzt die vielfältigen Diskurse rund um den Horrorfilm, sein Status in den 70er Jahren, was die Konkurrenten Pornografie (der erste außerfilmisch-innerfilmische Mord wird an einer Pornoqueen begangen und der schmierige Produzent, für den sie arbeitet, wird später dann Toombes Karriere fürs Fernsehen reaktivieren wollen) und eben TV-Format betrifft, und nicht zuletzt die offensichtlich verhandelte Verankerung des Gruselfilms in den Schreckenswelten der Psychoanalyse - von Toombes im Rahmen eines TV-Interviews auf den Begriff gebracht - machen diese kleine Entdeckung zu einem wiederzuentdeckenden Juwel des Genres (und, ach, das ist nur ein kleiner Ausschnitt meiner Gedanken während der Sichtung; hätte ich doch mehr Zeit, mehr Muße, dieser Film wäre einen richtig langen, wohlstrukturierten Text wert).



Und natürlich: Vincent Price. Wie dieser Mann selbst noch den albernsten Kappes mit Würde spielt und ihn schon allein deshalb aufs Niveau bringt, das ist auch hier rundum toll.

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tv-termine: peter cushing | vincent price
filmtagebuch: vincent price | peter cushing


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Freitag, 1. Oktober 2004
"1933, als am Himmel Europas bereits dunkle Wolken aufziehen, verführt die flatterhafte aber unwiderstehliche Gilda den schüchternen Guy. Für sie scheint es ohne Bedeutung, er aber verliert für immer sein Herz. Das Schicksal führt die beiden im schillernden Paris der 30er Jahre wieder zusammen. Selbst als Guy der spanischen Krankenschwester Mia näher kommt und Gilda sich auf eine Affäre mit einem Nazi-Offizier einlässt, reißt das Band zwischen den beiden nicht entzwei... " (Quelle: Tobis)

Head in the Clouds will nicht gerade wenig: Saftigen Boheme-Sex, Revolutionsromantik, Liebe zu dritt, große Liebe zu zweit dann, die sich über Dekaden und Nationen hinweg ihren Weg bahnt, der Film will Marlene Dietrich und Mata Hari, er will den Menschenverlust mit reichlich Tränen und all dies will er vor der historischen Kulisse der 20er bis 40er Jahre, wenn Europa zunehmend in Brand gesteckt wird - und alles, so will es die Wahrsagerin in der Exposition, soll sich bereits in der Handfläche der noch jugendlichen Gilda Bessé (Charlize Theron) ablesen lassen. Und um es zu unterstreichen blendet die Kamera aus der Hand ein paar Jahre über, als die älter gewordene Gilda in regnerischer Nacht durch ein Jungeninternat rennt - doch die Hand bleibt zu lange im Bild haftem, die markanteste Linie darauf bildet - im Bild, nicht in der Diegese - den Steg der dahineilenden, jungen Frau. Sie flieht vor den Moralwächtern der Akademie, blind in Guys (Stuart Townsend) Studentenbude. Schicksal. In dem Moment ahnt man schon: Hier ist was faul.

Er will nicht wenig, und das ist sein Problem: Er bringt es nicht. Die saftig-libertine Liebe in der Ménage à trois bleibt irgendwo auf halbem Wege zwischen Leinwand und Zuschauer auf der Strecke, verhakt sich im reichhaltig versammelten Dekors aus 20er- und 30er-Kitsch, stolpert durch ein Studio-Paris, das sich ernster nimmt als es je ernst genommen werden könnte. Dem großen Melodram geht's nicht anders, auch Charlize Therons Versuche, an Mata Hari und Marlene Dietrich anzuschließen, schlagen fehl, von den ganzen historischen Irrungen und Wirrungen, durch die es die Figuren durch ganz Europa verschlägt, ganz zu schweigen. Weil der Film wie versessen darauf ist, seine Theaterrequisiten, seinen alten Zwirn und seine musealen Einrichtungsgegenstände auszustellen und darob glatt den Zuschauer vergisst, der sich, wie Stephen Holden in der Times anmerkt , glatt ins hausbackene Hollywood von 1965 zurückversetzt empfindet.

Ein Film, der über seine inszenatorische Perfektion glatt sich selbst vergisst und, gerade aufgrund des offensichtlichen Aufwands, jedes Detail am rechten Fleck zu postieren, kraftlos und leer wirkt und nicht zuletzt den Zuschauer durch seine Penetranz, Offensichtliches doppelt und dreifach auszusprechen, um schließlich auch noch ein ganzes Orchester an Streichern zu engagieren, wo es an sich nicht Not täte, geradewegs für blöd verkauft. "Kino für Kinofeinde", dachte ich an einer Stelle. Das muss man als derart hininszenierter Film erstmal hinkriegen!

Ab 11. November im Verleih von Tobis im Kino.

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29.09.2004, Heimkino

Operation Eiffelturm ist ein brunzblöder Film, aber nach Strich und Faden. Das Nette daran ist jedoch, dass man sich während der Sichtung eigentlich zu jeder Zeit über irgendwas amüsieren kann. Und weil der Film sich dieser Qualität zu keinem Moment bewusst wird, eigentlich glatt doppelt. Bemerkenswert wenig hält den Gesetzen von Logik und Wahrscheinlichkeit stand; dafür gibt es allerlei feige Hintertürchen, die sich der Drehbuchautor ausgedacht hat, um nicht in Erklärungsnot zu geraten, die in diesem Sinne jedoch erschreckend wenig effizient sind (das ist wie in so einem alten Cartoon von den Warner Brothers, wo eine eilig aufgerissene Tür meist nur eine massive Wand zum Vorschein bringt). Dennoch wird besagter Autor nicht müde, auf das "großartige", "fabelhafte" und "gute" dieses Films und seiner Story hinzuweisen. Alle Naselang jedenfalls kommentiert irgendwer das Geschehen mit exakt diesem recht überschaubaren Vokabular. Am besten in dieser nicht enden wollenden Kakophonie behaupteter Grandezza ist es dann, wenn der herrlich schnöselige, der vorgeblichen super villain-Intelligenz jedoch zu keinem Moment gerecht werdene Bösewicht mit den Worten "Passen Sie gut auf, das ist besser als in jedem Krimifilm" seine Flucht einer Fernsehöffentlichkeit schmackhaft machen will. Im Endeffekt verdrückt er sich aber einfach nur sauerstoffflaschenbewehrt und reichlich unspektakulär durch einen Abwasserkanal, was einem Verbrecher im Namen des materiellen Hedonismus doch recht schlecht ansteht (von dem Film mal ganz zu schweigen).

So richtig Scheiße auch das Bild von den Franzosen, das hier bemüht wird: Billy Dee Williams (in Star Wars als Lando Calrissian umtriebig) verkörpert an einer Stelle aus Gründen der Tarnung einen französischen Koch, der mal sowas von Bilderbuch ist - ein wahrer Traum. Oder der Pariser Bürgermeister, der einen hochrangigen Gast zum Eiffelturm bittet, kurz bevor dieser zum Schauplatz des Schreckens wird: Was der an Gestik und Mimik aufbringt, um irgendeinem verqueren Franzacken-Image Genüge zu leisten, ist eine wahre Pracht. Die bestechende Ähnlichkeit des Innenministers mit, ja, Peter Sloterdijk tut sein übriges.

Kurzum: Ein selten dämlicher, unglaublich großspuriger TV-Film mit bemerkenswert prominenter Besetzung (Peter Fonda, immerhin!), dessen Scheißstory mal sowas von aufgeblasen wird, dass man entweder enerviert die Fernbedienung sucht oder aber sich den Bauch hält vor Lachen. Ich entschied mich für letzteres.

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Montag, 27. September 2004
26.09.2004, Heimkino

Rückblickend betrachtet war Cube ja weniger ein "schlauer Film", sondern eher ein "Schlau'le" von einem Film. Wirklich begriffen habe ich etwa dieses Zahlensystem, anhand dessen sich Position innerhalb des Würfels wie sicher oder unsicherer Charakter einer Würfelzelle ablesen ließe, nie. Funktionierte dennoch, zumindest auf Ebene der Unterhaltung. Eine Schwäche blieb diese vermeintliche Rationalität dennoch, so irgendwie.

Das Sequel - auf Ebene des Szenarios nahezu schon ein Remake von Teil eins - macht es da schon ein klein wenig schlauer, wie ich finde: Der ganze Mathemumbojumbo wird kurzerhand schon in den ersten Minuten mittels Verweis auf die Numerologie von Teil einst entsorgt und eine unheimliche, fast schon übernatürliche Komponente eingeführt. Gebrochene Dimensionen, sich überlappende Dimensionen, Zeitfluss vorwärts, rückwärts - keine Chance, da durchzublicken: Besser so. Hinzu kommt, dass die Charaktere, die sich diesmal im Kubus wider Willen einfanden, selbst alle über fragmentarisches Wissen über Wesen und Charakter des großen Ganzen verfügen, dieses aber, vermutlich aus Sorge um eigenen Vorteil (oder aber: aus Sorge, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden), oft nur andeuten, nie aber voll einbringen.

Es ergibt sich ein großes Bild der Verwirrung, die in Teil eins vor allem noch nach außen getragen wurde: Was geht draußen vor sich, warum ist dieser Würfel, wie er ist, und wer warf uns hier hinein? In Teil zwei wird diese um einen inneren Aspekt erweitert, da auch innerhalb der Gruppe nicht mehr gewusst wird, wer gegen wen mit wem intrigiert und sich verschwört. Wer welches Wissen besitzt und welchen Wissensvorteil gegen die anderen einzusetzen bereit ist. Entsprechend schnell löst sich die Gruppe wieder auf, ihr Zustandekommen gleicht eher einer Episode als der Grundlage der ganzen Erzählung.

Die spezifische Art des Kameraeinsatzes könnte man anfangs noch als nur manieriert einschätzen, doch fügen sich die extravaganten Einstellungen, das stete Durchschneiden des Raumes bald der Erzählung und stellen sich in ihren Dienst. Die mangelnde Verlässlichkeit von Zeit und Raum - zum Teil wandeln sich gar Gravitationsverhältnisse von einem Kubus zum nächsten - bildet sich in dieser Kamera ebenfalls ab und hinterlässt den Zuschauer in einem steten Zustand der Verwirrung.

Natürlich ist nicht alles gelungen. Hie und da sind einige Schwächen, auch die eine oder andere Beliebligkeit zu bemerken. Doch insgesamt muss ich sagen, dass der Film - der unter IndieGeeks natürlich den Ruf genießt lange nicht so gut wie der erste Filme zu sein -, gerade aufgrund der geringeren Aussicht auf rationale Durchschaubarkeit, die sich im ersten Film eher als Budenzauber erweist, punkten kann. Beinahe möchte ich sagen: Hat mir besser gefallen.

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25.09.2004, Heimkino; Inhalt

Der Beginn: Ein Furiosum. Die Dekadenz des niedergehenden Adels. Der Schuldfall, ein Mord, sogleich darauf: Die Sühne, ein grausamer Tod des jungen von Baskerville und ein Familienfluch. Der wird später im Film, in der eigentlichen Erzählung, spätes 19. Jahrhundert, von Belang sein.

Kurz nach dem Furiosum, mit dem der Film sein gothisches Projekt markiert, narrative Implikationen aber noch nicht erahnen lässt, der Rahmen dieser Exposition: Sie wurde erzählt im Abendkämmerchen nach Dupin'schem Vorbild. Sherlock Holmes, herrlich souverän von Peter Cushing verkörpert, gibt eine Demonstration seiner Kombinationsgabe, die Scharfsinn ausstellt und den Zuschauer ins Szenario einführen soll: Alles ganz einfach, ein wenig Beobachtungs- wie Kombinationsgabe, dann ist da auch drauf zu kommen können.


(von bmovies.de)

Dies ist, wie sich freilich schnell herausstellt, Betrug am Zuschauer in reinster Form: Der Film wechselt die Location, zieht ins britische Hinterland, ins Moor, in die letzte Bastion des verfallenen Adels: Zum Anwesen fernab der bürgerlichen Städte. Hier präsentiert er ein Sammelsurium skurriler, verdächtiger Charaktere, lässt Watson herumtappen und Holmes ins Blaue kombinieren. Er lenkt Blick auf Details, die, durch solche Fokussierung, wichtig erscheinen, haften bleiben und Möglichkeit zur Beobachtung in Aussicht stellen.

Entsprechend auch die Auflösung des Ganzen: Keine Chance zum Mitkombinieren. Die Lösung liegt außerhalb des Bildrahmens begründet, wesentliche Information wird verschwiegen. Drauf kommen kann nicht, wer das zu Wissende sortiert und auswertet, sondern nur, wer das Genre und Gepflogenheit des Drehbuchschreibens kennt: Natürlich ist nicht der der Bösewicht, den als solchen hinzustellen sich der Film stets und lang bemüht.

Man kann dies wissen, auch ohne den Film schon gesehen zu haben. Dass Der Hund kein fairer Krimi ist, etwa im Sinne einer unausgesprochenen Wette zwischen Zuschauer und Film, das lässt sich schon am Furiosum zu Beginn erahnen: Es geht vielmehr um Ästhetik, um Ausstattung, um den Liebreiz vernebelter Bilder aus dem Moor in schönsten Technicolor. Jedes Bild ein kleines Gemälde, jeder Dialog mit einem kleinen Körnchen Salz, die Blicke und deren Organisation im Schnitt sitzen, die Kamera weiß stets, was sie will: Wer hier im wahrsten Sinne des Wortes Zuschauer bleiben kann, fühlt sich aus dem Film mit Gewinn entlassen.

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tv-termine: christopher lee | peter cushing | terence fisher
filmtagebuch: peter cushing | christopher lee | terence fisher | hammer studios


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Donnerstag, 23. September 2004
50 erste Dates (Peter Segal, USA 2004)
Die Idee, eine Frau erobern zu lassen, die infolge eines Unfalls an Gedächtnisschwund leidet und mit jeder Nacht die Ereignisse des Vortages vergisst, ist zwar nicht neu - man denke an den strukturell recht ähnlich angelegten Groundhog Day -, aber zumindest vielversprechend. In den Händen eines begnadeten Regisseurs wäre vielleicht gar ein kleiner Perlenfilm dabei herausgekommen, gerade und auch, weil die beiden Hauptdarsteller Drew Barrymore und Adam Sandler, wenn man sie nur lässt, ganz wunderbar spielen können. Jedoch, der Regisseur heißt Peter Segal und der ist nun ein Studiofunktionär, der Film ist als klassischer Sandler-Film angelegt und steht sich so mit kindischem Humor und schlicht nicht zündenden Gags über weite Strecken selbst im Wege.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

Chaos (Hideo Nakata, Japan 1999)
Mittels der Montage, die zwischen den Zeiten springt, ergibt sich ein verwirrendes Bild um die Entführung der Frau eines Bankfunktionärs. Die Frage, wer wen eigentlich hintergeht, wer was inszeniert, bestimmt das Geschehen, Anlehnungen in Richtung Hitchcock - Vertigo! - sollen für gutes Licht sorgen. Über weite Strecken geht das gut, doch letzten Endes erschöpft sich der Film in seinem kleinen Vexiergimmick und gibt sich als Gymnastikübung für Drehbuchautoren zu erkennen.
[imdb|mrqe]

Shanghai Serenade (Zhang Yimou, China/Frankreich 1995)
Gedämpftes Licht bestimmt das Geschehen und den Raum. Auch das Geschehen selbst ist - der Perspektive des kleinen Jungen vom Lande, der staunend in die Welt der Triaden stolpert, ist's geschuldet - gedämpft. In Details deutet sich an, was wirklich geschieht, der Raum selbst bleibt - Spiegel überall - unübersichtlich. Auf der Insel vor der Stadt dann letzten Endes die Lösung des Knotens, hier, in der Übersichtlichkeit malerischer Idylle (in die, gewiss nicht zufällig, geschissen wird wie nichts Gutes). Es geht um Macht, Gewalt, den Schrecken, den beide in unbedarften Kinderaugen auslösen. Über weite Strecken sehr gelungen, zum Meisterwerk, das der Film unverhohlen sein will, hat es indes nicht ganz gereicht.
[imdb|mrqe]

Die Bourne Identität (Doug Liman, USA 2002)
Was flink und munter wie ein alter Agententhriller europäischer Provenienz beginnt, entpuppt sich im Verlauf zusehends als lahme Ente. Wo er von zunehmender Dramatik und Spannung ausgeht, stellt sich diesseits des Bildschirms allenfalls Langeweile ein. Nicht zuletzt deshalb die für den nächsten Tag angesetzte Pressevorführung des Sequels ohne Reue geschwänzt.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

Underworld (Len Wiseman, USA 2003)
Anämische Vampir-Science-Fiction im sterilen Gothik-Kleid. Das ist wie fettarme Pommes ohne Salz mit Diät-Ketchup und koffeinfreier Pepsi Light und so spannend wie eingeschlafenen Füßen beim Aufwachen zuzusehen.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

The Village (M. Night Shyamalan, USA 2004)
Ein bedacht inszenierter Film, der seinen eigenen Plot Twist vorweg nimmt, um dann letzten Endes doch noch überraschen zu wollen. Dies gelingt nicht ganz - man kennt Herrn Shyamalan dann schließlich doch schon etwas -, doch bezieht dieser Film, ganz im Gegensatz zu Shyamalans Drehbuchgymnastik-Epigonen, auch gar nicht primär daraus seinen Reiz. Ein reduziert sich entfaltender Film über Chiffren und das Erzählen selbst, obendrein kluge Gruselreflexion und Kommentar zur us-amerikanischen Geschichte. Einer dieser vielen "Filme des Jahres" gewiss. Oft schöne Gänsehautschauer gehabt, mich ganz wohlig in den Sessel gekuschelt und einfach nur die erdenfarbene Welt durch dieses Objektiv betrachtet. Über Shyamalans Cameo gefreut - wie dieser inszeniert ist, dass ich ihn bemerkt habe.
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Body Double (Brian de Palma, USA 1984)
Ein Bild von der Wüste zu Beginn wird dem Film alles bestimmendes Programm. Das ist natürlich Palma-Holzhammer, wie man ihn kennt und nur lieben (das tue ich) oder hassen kann (wer auch immer). Auf Ebene seines Konzepts ein überaus guter Film, der den in seiner Gänze atemberaubenden Femme Fatale (filmtagebuch) schon vorskizziert. Auf Ebene des unmittelbaren Zugangs trug der Film sein 80er-Programm dann doch zu ostentativ vor sich her, doch ist das ein ganz persönliches Problem, das ich nun nicht dem Film oder gar De Palma selbst ankreiden will. Vielleicht aber gelingt es mir auch, das bei einer zweiten Sichtung auszublenden, da ich nun schon weiß, um was eigentlich geht, auf was eigentlich zu achten ist.
[imdb|mrqe]


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Samstag, 11. September 2004
10.09.2004, Heimkino

Mir scheint, man kann diesen Film vorrangig auch als auf Ebene der Montage erzählt wahrnehmen. So gesehen handelt The Getaway davon, wie entweder ein Mann oder aber ein Paar aus Mann und Frau wieder in die Linearität und in ihr Hier und Jetzt zurückfindet. Wie Beschädigungen - an Geist, Stolz und Liebe gleichermaßen - überwunden werden.

Die ersten acht Minuten, die diese Erzählung bereits voll etablieren, sind schier atemberaubend: Doc ist im Knast, seit Jahren schon. Dies wird nicht nur einfach erzählt, es wird filmisch kommuniziert: Die Montage zerhäckselt alles. Bild und Ton gehen Scheren ein, die sich zwar gelegentlich schließen, nur um sich erneut weit klaffend zu öffnen. Einschneidungen von einer Kürze, die nur mit Framezahlen noch wiederzugeben wären. Es gibt keine Zeitspur, kein Hier und Jetzt, das als filmische Gegenwart wahrzunehmen wäre. Es gibt nur alles erdrückenden Zustand, der nicht zu bändigen ist, schon gar nicht von dem, der, wortwörtlich, drin gefangen ist; eine Maschinerie - unaufhörlich bestimmt das Rattern einer industriellen Maschine die Schnittfolgen, sie verstummt schlagartig mit der Öffnung des Tors zur Freiheit -, die Dich beschädigt, zerstört, Dir alles nimmt. Dazwischen immer wieder Gesten der Zärtlichkeit, eine Frau, die weit weg ist. Erinnerung? Zukunft? Wunschvorstellung? Der filmische Raum bleibt im Vagen.

Dann die Freiheit. Und wieder sind Raum und Zeit Gegenstand der Sabotage. Die beiden Eheleute, noch distanziert, stehen an einem Fluß, ringsumher ausgelassene Kinder, Sonnenanbeter. Der Blick ins Wasser, in Zeitlupe der Sprung hinein. Sich Küssen im Fluss. Der Schnitt zurück ans Ufer, der Sprung hat nicht stattgefunden. Wunsch des Beschädigten also. Und dann aber eben doch die Andeutung des Sprungs, der jedoch keine Vollendung im Bild findet. Schnitt in die Wohnung der Beiden: Beide nass, der Sprung, das ausgelassene Spiel im Wasser hat augenscheinlich doch stattgefunden. Blick in die Zukunft dann also doch? Oder nur illustrierte innere Welt? Der Raum bleibt weiterhin im Vagen.

Am Ende dann die Fahrt zum Horizont, eine lange Einstellung. Beide, nach unzähligen Querelen und Anstrengungen, wieder vereint. "Sie ist ein feiner Kerl, ohne sie wäre ich aufgeschmissen", meint der Typ, der beide über die Grenze nach Mexiko bugsiert, als er von seiner Gattin spricht. Der erste Mensch, der die beiden inmitten ihrer Krise gut behandelt und ihnen den Trost der Solidarität spendet: "Ich hatte auch schon Ärger mit der Polizei." Die Geste bleibt nicht unbelohnt, der grimmige Existenzialismus erfährt eine zusätzliche zärtliche Nuance. Alles ist möglich, wenn man sich nicht hängen lässt. Sogar die Re-Etablierung eines integeren Raums, der nicht durch Institutionen, Geldhaie, schmierige Gangster und Denunzianten destabilisiert wird. Die letzte Einstellung ist lange, ihren Raum haben sich die Beiden mit Händen und Füßen zurückerobert.

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Freitag, 10. September 2004
09.09.2004, Heimkino; Inhalt

"Je ne regrette rien!" ertönt, als der Abspann beginnt, ein paar Sekunden nach der Stelle, an den ich ihn mir gewünscht hätte. Wieviel besser wäre es doch gewesen, er hätte ohne musikalische Untermalung eingesetzt, als noch die Horden an Polizisten knüppelschwingend auf die Kamera zu und an ihr vorbei rannten. Mitten im Chaos, keine Musik, nur: Ende. So bleibt ein Platz, weggefegte Barrikaden, Steine, die umher liegen, das Bild wird schwarzweiß, zur nostalgischen Verklärung. Und dann auch noch das Lied. Das hat etwas von einem alten Mann, der, längst schon gesetzt, doch noch mal sich an den einen oder anderen Stein - und wenn er nur metaphorisch war - erinnert, der einst in Richtung Staatsgewalt geschleudert wurde. Erinnerungen von Warte des angekommenen Bildungsbürgers, der nichts bedauert, weil es nichts zu bedauern gibt. Der Aufruhr macht sich gut im Lebenslauf.

Ein Rückblick, der vor allem am Kolorit interessiert ist. Jean-Pierre Léaud zu Beginn vor der Cinémathèque francaise, Flugblätter ins Volk werfend. Godardplakate an der Wand. Ein Foto daneben von Léaud, als er noch klein war, aus Les 400 Coups. Interieurs mit Dekadensignifikanz. Beiläufig eingestreut, gewiss, doch nicht beiläufig genug, um nicht doch letzten Endes sich zum Mittelpunkt zu gerieren. Auch die Beiläufigkeit, mit der in der Küche das aufgeschlagene Ei gebraten, während am Boden kopuliert wird, ist nicht die Beiläufigkeit, die etwas erahnen lässt, sondern entspricht der Beiläufigkeit eines geschwungenen Holzhammers.

Das ist bequem, aus Sicht des Regisseurs, wie für den Zuschauer. Man soll "hach" sagen, man soll sich mit dem Film so irgendwie verbunden fühlen. War sicher nicht alles gut, was da lief. Wer ist heute schließlich schon noch Maoist? Aber: Wir waren doch die Guten. Der Film will gefallen. Über weite Strecken gelang ihm das auch. Einiges hatte Esprit und Charme. Vieles habe ich geliebt, keine Frage. Der Film kam mir dabei entgegen: Ein paar Schritte dann doch zu weit, letzten Endes. "Wenn man geliebt werden will, dann ist das, was man bekommt, keine Liebe, sondern nur Beweise der Liebe", sagt die wunderschöne Isabelle an einer Stelle.

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Donnerstag, 9. September 2004
Ein kleines bisschen Tragik umfleucht den Film: In den 80ern war der Retro-Horror-Cheese von der Provinzstadt, die sich einer Bedrohung von outer space oder sonst woher erwehren muss, ja ziemlich hipp. 1988 aber, wie's scheint, nicht mehr so ganz, denn sonderlich erfolgreich war der Film nicht. Das ist ärgerlich, weil die Macher, wie sie heute sagen, ganz bewusst viele Ideen nicht verarbeitet, sondern für das zu erwartende Sequel-Franchise aufgespart hatten, das nun nie gedreht wurde. Zum anderen merkt man die Lust und Leidenschaft der Macher für den cheese der Filmgeschichte in jeder Sekunde. Sie steckt im Titel, sie steckt in der Idee, sie steckt im Willen, einen Film zu drehen, der absolut hilarious ist (und sie ist im Bonusmaterial der DVD zu finden, wo sich alte Super8-Filme der Chiodo-Brothers finden, wo sie, damals noch kleine Kinder, im Keller ihre Matinee-Lieblinge re-inszenierten) . Doch so recht kommt man nicht zu Potte, immer ist da die Technik, die im Wege steht, das kleine Budget, das nun vielleicht nicht vollends vorhandene Talent, eine gagreiche Nummernrevue, die die Gattung zum Gelingen verlangt, spritzig zu inszenieren. Das Märchen von den Filmgeeks, die nur leidenschaftlich genug an ihre Sache glaubten, dann im folgenden große Kunst gestalteten und mit dieser alle auf ihre Seite ziehen, dieses Märchen findet, in diesem Falle, keine Erfüllung: Killer Clowns from Outer Space blieb Stephen Chiodos einziger Film; er verdingt sich heute, wie auch seine Brüder, die an dem Film maßgeblich beteiligt waren, als Zuarbeiter für TV- und kleiner Videoproduktionen, vornehmlich in der Special-Effects-Ecke.

Das schmerzt ein wenig beim Zusehen. Eigentlich will man den Film ja lieben, schon seiner Idee wegen, ohne Erklärung, ohne Rationalisierung Alien-Clowns stilecht mit bizarren Zirkuszelt-UFO auf eine Provinzstadt loszujagen. Da steckt einiges an Lust drin. In den Masken, der Menagerie des außerirdischen Flugobjekts, in den kleinen Miniaturen, die sich in der Konfrontation ergeben. Und man weiß um die eigene Tradition: Der Sci-Fi-Trash der 50er Jahre stand Pate, ebenso wie der Horrorfilm aus selber Dekade. Wir haben den strahlenden Zahnpastareklame-Cop, der alles zum Guten wendet. Wir haben die heimlich auf dem Hügel in Autos knutschenden Pärchen. Wir haben den alten Redneck, der mit seinem etwas abseits der Stadt lebt, seinen Tag vor allem mit Biertrinken auf der Veranda verbringt und, natürlich, als erster das UFO, mit zu erahnenden Folgen, entdeckt.

Doch dem Film mangelts an Dynamik und an Witz, der über das Naheliegendste hinausginge. Der Slapstick, die Gags bleiben an sich eher müde und erfahren auch über die eher behäbige Inszenierung keine zusätzliche Ebene. Auch das Potenzial des Kuriosums, das Aliens mittels eines ins Groteske verzerrten, aber an sich gänzlich irdischen Zeichensystems auf Menschenhatz gehen - geradewegs so, als seien unsere Bilder der Unterhaltungskultur kosmischen Ursprungs, der auf eine Art erhabene Natürlichkeit des Clowns oder gar des Zirkuszelts verweisen könnte -, bleibt nahezu ungenutzt. Das klingt jetzt härter als es eigentlich gemeint ist, denn, wie gesagt, eigentlich wollte ich ja, dass mir das gefällt. Der Film schob sich dazwischen - tragisch, wie gesagt.

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Donnerstag, 2. September 2004
30.08.2004, Filmtheater am Friedrichshain; weitere Infos

Ein entspannter Film, der nicht die große Erählung will, nicht den großen Zusammenhang der ewigen Bewegung von A nach B (auch wenn, sicher, mittels des Dialogs der eine oder andere Zusammenhang suggeriert wird). Ein Film, der sich selbst ans Detail verschwendet, daraus seine ganze Kraft zehrt.

Immer wieder die Ruhe zum Hinsehen. Eine Kamerablick hart von oben auf den Kaffeetisch, in jeder Episode mehrfach vorhanden. Einstellungen, die zu lange sind, um noch wesentliches auszudrücken, die vielmehr dazu einladen, das Bild selbst zu studieren, den Blick, ganz nach Lust, schweifen zu lassen. Viel gibt es dort für jedermann zu entdecken. In einer Episode etwa im Hintergrund: Ein Bild von Henry Silva an der Wand. Außerhalb des Schärfebereichs, aber noch zu erkennen. In der Episode mit Iggy Pop und Tom Waits eine Fliege, die auf dem Tisch spazieren zu gehen scheint, kaum zu bemerken. Ein von der Kamera angeschnittener Aschenbecher. Banal, alltäglich, doch hier: wunderschöne Miniatur. Wie das Filmmaterial manchmal wechselt und die Personen unterschiedlichen Räumen zuweist: Hier grobkörnig, leicht zum Grünstichigen neigend, dort hart kontrastiertes, feinkörniges Schwarzweiß im ganz begrifflichen Sinne. Wie das dann aber auch wieder überhaupt nicht von Belang ist - Detail, das man erkennen soll oder auch nicht. Die verschwenderische Lust an der Zeit selbst, die nicht mit Sinnvollem oder gar Gesundem gefüllt werde. Pop nicht als "bigger" oder gar "more than life". Pop als Leben selbst. Nicht wer alles gemacht, alles probiert hat, blickt auf ein erfülltes Leben zurück. Sondern der, der jede Sekunde bei vollem Bewusstsein an die Zeit selbst verschwendet hat.



Wunderschön die Episode mit Renee. Das Tattoo auf ihrem Unterarm. Die Waffenmagazine, die sie gedankenverloren durchblättert. Wie sie blinzelt, ihre Finger über die Kaffeetasse legt, wenn der waiter wieder Kaffee in sie zu gießen droht. Wie sich da ein Lächeln entwickelt, aber nie zur Vollendung kommt. Komik und Gänsehaut - allein für diese Episode, für die Schönheit ihrer Bilder, lohnt sich dieser ganze Film.

imdb | mrqe


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lol