Thema: Filmtagebuch
20. August 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
18.08.2004, Filmtheater am Friedrichshain
Ein langweiliger Film, in seiner Vorgehensweise ein Ärgenis. Hier meine ausführliche Kritik bei Jump Cut. Zugegeben recht polemisch und sicher selbst auch leicht angreifbar. Sehen Sie's als Entsprechung.
Ein langweiliger Film, in seiner Vorgehensweise ein Ärgenis. Hier meine ausführliche Kritik bei Jump Cut. Zugegeben recht polemisch und sicher selbst auch leicht angreifbar. Sehen Sie's als Entsprechung.
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Thema: Filmtagebuch
15. August 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
vor einigen Tagen, Heimkino
Ein delirierendes Fest der Sinne. Die Handlung: Auf das wesentliche reduziert. Klassische Adventurespiel-Dramaturgie: Formulierung des großen Ziels, den Weg dahin abstecken in Etappen, kleine Prüfungen meistern. Werfe den Stein in den heiligen Baum, um den heiligen Apfel zu ergattern, mit dem sich weiteres erledigen lässt. Das Bild: Psychedelisch. Sattes Rot, Nebelschwaden, grünes Licht höhlt die Schatten aus. Violett umschmeichelt die Konturen. Der Hades als PopArt-Pappmaché-Travestie, das Anwesen des Bösewichts ein Traum symmetrischer Architektur. Und Herakles bei der ersten Audienz bringt Ungleichgewicht ins Bild, genau von Bava ins Bild staffiert. Ein Rausch im Ganzen, entspannend undramatisch, die ohnehin kaum vorhandene Spielhandlung fast schon vergessen lassend. Hinsehen, entspannen, sich freuen. Ein nettes Angebot zur lustvoll-naiven Filmtrivialität, wer will, möge sich drauf einlassen.

imdb | mrqe | bmovies.de
Ein delirierendes Fest der Sinne. Die Handlung: Auf das wesentliche reduziert. Klassische Adventurespiel-Dramaturgie: Formulierung des großen Ziels, den Weg dahin abstecken in Etappen, kleine Prüfungen meistern. Werfe den Stein in den heiligen Baum, um den heiligen Apfel zu ergattern, mit dem sich weiteres erledigen lässt. Das Bild: Psychedelisch. Sattes Rot, Nebelschwaden, grünes Licht höhlt die Schatten aus. Violett umschmeichelt die Konturen. Der Hades als PopArt-Pappmaché-Travestie, das Anwesen des Bösewichts ein Traum symmetrischer Architektur. Und Herakles bei der ersten Audienz bringt Ungleichgewicht ins Bild, genau von Bava ins Bild staffiert. Ein Rausch im Ganzen, entspannend undramatisch, die ohnehin kaum vorhandene Spielhandlung fast schon vergessen lassend. Hinsehen, entspannen, sich freuen. Ein nettes Angebot zur lustvoll-naiven Filmtrivialität, wer will, möge sich drauf einlassen.

imdb | mrqe | bmovies.de
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Thema: Filmtagebuch
14. August 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
13.08.2004, Heimkino
Der Film scheint innerlich zerrissen. Zum einen ist da die Präsenz des Regisseurs zu jedem Zeitpunkt zu spüren: Guillermo del Toro, Comicfreak und vielleicht einer der letzten wirklich interessanten Geek-Regisseure. Da ist der Wille zum Besonderen, zum Leidenschaftlichen. In seinen besten Momenten steht das dem Film gut an. Doch dann ist da gleichzeitig das stete Schielen auf die Konventionen des (faden) Actionkinos zur Milleniumswende. Hochglanz-Action-Potpourri, mit nervigem HipHop an den stets falschen Stellen, der dem Film notwendigen Pathos raubt, an dessen Stelle allerdings eine, aus heutiger Perspektive, ungeheure cheesiness installiert, die den Film, trotz modernster Technik, schon jetzt als schlecht gealtert erscheinen lässt. Auch Lack-und-Leder-Matrix-Coolness en masse, das ist, wortwörtlich, so yesterday, das es fast schon von vorgestern erscheint. Das sind Momente, die, wie die Dramaturgie, die wenig reizvollen Figuren und vor allem der - kein Kalauer - farb- und sympathielose Held, dem Film schlußendlich das Genick brechen. Habe mich durch die letzte halbe Stunde gequält, froh dann gewesen, dass es endlich aus ist. Zum Abspann nochmal die ganze lameness dieses Films in Musik gepackt. Verstehe beim besten Willen nicht, was del Toro hier geritten hat.
imdb | mrqe
Der Film scheint innerlich zerrissen. Zum einen ist da die Präsenz des Regisseurs zu jedem Zeitpunkt zu spüren: Guillermo del Toro, Comicfreak und vielleicht einer der letzten wirklich interessanten Geek-Regisseure. Da ist der Wille zum Besonderen, zum Leidenschaftlichen. In seinen besten Momenten steht das dem Film gut an. Doch dann ist da gleichzeitig das stete Schielen auf die Konventionen des (faden) Actionkinos zur Milleniumswende. Hochglanz-Action-Potpourri, mit nervigem HipHop an den stets falschen Stellen, der dem Film notwendigen Pathos raubt, an dessen Stelle allerdings eine, aus heutiger Perspektive, ungeheure cheesiness installiert, die den Film, trotz modernster Technik, schon jetzt als schlecht gealtert erscheinen lässt. Auch Lack-und-Leder-Matrix-Coolness en masse, das ist, wortwörtlich, so yesterday, das es fast schon von vorgestern erscheint. Das sind Momente, die, wie die Dramaturgie, die wenig reizvollen Figuren und vor allem der - kein Kalauer - farb- und sympathielose Held, dem Film schlußendlich das Genick brechen. Habe mich durch die letzte halbe Stunde gequält, froh dann gewesen, dass es endlich aus ist. Zum Abspann nochmal die ganze lameness dieses Films in Musik gepackt. Verstehe beim besten Willen nicht, was del Toro hier geritten hat.
imdb | mrqe
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Thema: Filmtagebuch
13.08.2004, Cinemax Potsdamer Platz (Fantasy Filmfest)
Eine Brücke, oft im Film haben wir sie gesehen, immer wieder hat der Film uns auf ihre Existenz hingewiesen, dient dem Showdown als Kulisse. Weit hinten im Bild der Angstgegner, der, dem die Titelfigur seine Versehrung zu verdanken hat. Ein Hauch von Leone liegt in der Luft. Ein Ballett des Todes folgt, wie wir viele schon zuvor in diesem Film gesehen haben, doch hat dieses eine ganz eigene Bravour. Zu den Füßen der Duellisten: Dutzende Tote.

Drei Schwerter schließlich, zwei in der Luft, eins in der Hand. Artistik, Akkrobatik, ein hyperkinetisches Vergnügen. Oft krude strukturiert, Einstellungen, die viel zu dicht an ihrem Gegenstand kleben, um das Scope, im althergebrachten Sinne, zu rechtfertigen, doch liegt in dieser schroffen Art mithin die Stärke des Films verborgen. Eine Schönheit und Abenteuerlichkeit liegt darin, die wer auf zuvorderster Ebene verharrt mit Dilletantismus- und Kitschverdacht leichter Hand wegzuwischen sich entschließen könnte. Blinde und, vor allem, nur zu Bemitleidende, die nicht tiefer schürfen können, nicht sehen wollen, was hier Aufregendes direkt vor ihren Augen geschieht.
Eine Botschaft aus früheren Zeiten, ihr Weg war lang: Von den klassischen Western zu Kurosawas Samuraiabenteuern. Von dort eine halbe Rolle rück- und wieder westwärts, nach Italien zwar nur, zu Leone hin und somit zurück in den Western, bzw. dessen melancholischer, dreckstrotzender Widerhall. Von dort schließlich wieder in den Osten, nach Hongkong, zu den Shaws. Zu jeder Sekunde spürt man diese Reise, meint die Schichten, die abgeblättert sind, zu vermissen, macht neu hinzugefügte aus.
imdb
Eine Brücke, oft im Film haben wir sie gesehen, immer wieder hat der Film uns auf ihre Existenz hingewiesen, dient dem Showdown als Kulisse. Weit hinten im Bild der Angstgegner, der, dem die Titelfigur seine Versehrung zu verdanken hat. Ein Hauch von Leone liegt in der Luft. Ein Ballett des Todes folgt, wie wir viele schon zuvor in diesem Film gesehen haben, doch hat dieses eine ganz eigene Bravour. Zu den Füßen der Duellisten: Dutzende Tote.

Drei Schwerter schließlich, zwei in der Luft, eins in der Hand. Artistik, Akkrobatik, ein hyperkinetisches Vergnügen. Oft krude strukturiert, Einstellungen, die viel zu dicht an ihrem Gegenstand kleben, um das Scope, im althergebrachten Sinne, zu rechtfertigen, doch liegt in dieser schroffen Art mithin die Stärke des Films verborgen. Eine Schönheit und Abenteuerlichkeit liegt darin, die wer auf zuvorderster Ebene verharrt mit Dilletantismus- und Kitschverdacht leichter Hand wegzuwischen sich entschließen könnte. Blinde und, vor allem, nur zu Bemitleidende, die nicht tiefer schürfen können, nicht sehen wollen, was hier Aufregendes direkt vor ihren Augen geschieht.
Eine Botschaft aus früheren Zeiten, ihr Weg war lang: Von den klassischen Western zu Kurosawas Samuraiabenteuern. Von dort eine halbe Rolle rück- und wieder westwärts, nach Italien zwar nur, zu Leone hin und somit zurück in den Western, bzw. dessen melancholischer, dreckstrotzender Widerhall. Von dort schließlich wieder in den Osten, nach Hongkong, zu den Shaws. Zu jeder Sekunde spürt man diese Reise, meint die Schichten, die abgeblättert sind, zu vermissen, macht neu hinzugefügte aus.
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Thema: Filmtagebuch
10. August 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
08.08.2004, Heimkino
Von allen Halbwesen, die uns Universal zu seinen Gruselblütezeiten, ausgehend von der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts, erschlossen hat, erscheint mir der Werwolf ein bißchen als "kranker Mann". Frankenstein, der Vampir oder auch die Mumie - mal in lauen Hollywoodaufgüssen, mal mittels der entfernt verwandten Zombies - erfreuen sich ungleich größerer Popularität und feiern in regelmäßigen Abständen fröhliche Urständ' auf der Leinwand. Beim Werwolf sieht die Lage etwas anders aus: Zu drive-in-Zeiten herrschte zwar, vor allem in den trashigen Arkoff-Filmen, einiger Zuspruch (I was a Teenage Werewolf und der richtig clevere How to Make a Monster, der für den 50er Teenie-Horrorfilm in etwa das ist, was ihm in den 90ern Scream war), doch wurde er in der zunehmenden Archivierung des Horrorfilms seiner eigenen Typen und Motive etwas übergangen. In den 80ern gab es dann Filme wie den zumindest handwerklich gelungenen und spannenden An American Werewolf in London und kurz zuvor den narrativ weit weniger spannenden und handwerklich kaum überzeugenden The Howling, der jedoch als einer der wenigen "Postmodernisierungen" des Werwolffilms immanent wichtig ist. Und dann natürlich noch Teen Wolf, über den man wohl besser den Mantel des Schweigens ausbreitet.
Spannend fand ich deshalb zumindest in diesem Kontext an Wolf Man, wie wenig Variation das Topos in den Folgefilmen erfuhr. Wie dieser Film als schematische Blaupause auch weiterhin absolute Verbindlichkeit für sich beanspruchen konnte. Natürlich gibt es Details in der Narration, in denen sich die zumindest struktutrell als Remakes anzusehenden Epigonen unterscheiden, doch bleibt das Grundgerüst - mit Joe Dantes The Howling und How to Make a Monster vielleicht als großen Ausnahmen - in fast allen Filmen bestehen. Es geht um Regeln, die formuliert und für die noch kommende Filmhistorie erschlossen wurden. Was kann einen Werwolf töten? Diese Frage ist wichtig für das Topos, geriert sich zum eigentlichen Thema jedes Werwolffilms. Wolf Man liefert erste Gedankenansätze, die spätere Filme weiterspinnen und zu Ende denken. Der Gedanke, dass ein Stock mit einem Silberknauf, auf dem der Werwolf und dessen Zeichen - das Pentagramm - eingraviert ist, als effektiver Totschläger zu gebrauchen ist, wurde meines Wissens leider wohl fallengelassen, auch wenn er im vorliegenden Film für einige schöne Einstellungen gut ist: ein jeder Mord an einem Wolf wird durch zwei im Vordergrund stehende Baumstämme, die ein umgekehrtes, rahmendes Dreieck - Hinweis auf den sexuellen Subtext? - ergeben, gefilmt.
Spannend immerhin auch, wie "fleischlos" der Film ist. Kaum ausgebildete Charaktere, ein paar wenige Locations, wenn Lon Chaney jr. als Wolf die Nacht durchstreift, zieht es ihn immer wieder an die gleiche Stelle in einem anonym bleibenden, nebeldurchzogenen Wald. Das Verhältnis der Charaktere untereinander ist schematisch, geradezu modellhaft. Das kann man dem Film negativ auslegen (und: auf der oberstene Ebene - der des bloßen, entspannten Filmgenusses - würde ich sogar dazu neigen). Man kann sich das auch mit dem geringen Budget des Films, der ihm zugrunde liegenden Intention des schnellen Cash-In erklären. Gleichzeitig ist das aber auch zumindest dahingehend aufschlussreich, welche Rolle die Psychoanalyse für das Grusel- und Horrorkino spielt. Und zwar gar nicht im Sinne, dass der Film als Beleg für die Gültigkeit psychoanalytischer Theorien fungieren könnte, eher ganz im Gegenteil, dass die Strukturen, die Freud zum einen der Kultur entnommen, ihr aber auch in gebündelter Form erschlossen hat, hier in vollem Wissen darum angelegt wurden: Dass der Werwolf eine Frau begehrt, was sich der im Werwolf steckende Mann nicht eingestehen, bzw. dem nicht nachgehen kann, dass der Vater den Wolf schließlich richtet, das ist in dieser schematischen Anordnung unschwer als die Struktur von Ich, Es und Über-Ich zu erkennen. Die Narration eilt dem zudem zu Hilfe und erläutert schon gleich zu Beginn - mit einem fast wehmütigen Griff ins Buchregal (der Horrorfilm thematisiert seine literarischen Wurzeln stets), einer aufgeschlagenen Lexikonseite -, dass das Werwolfphänomen nämlich wohl in erster Linie psychischer Natur sei. Und auch Chaneys Charakter stellt sich gehäuft die Frage, ob seine Wolfsphasen nicht nur das Ausleben psychischer Beschädigungen sein könnten oder ob er "wirklich" zum Wolfsmenschen mutiert. Der Film bestätigt nicht die Psychoanalyse aus sich heraus, er greift ihre Theoreme als für den Horrorfilm dankbare Vorlagen auf und illustriert sie. In seiner Reduktion vielleicht noch deutlicher, als dies andere Horrorfilme zu der Zeit betrieben.
Diese Aspekte machten mir den Film zumindest spannend, auch wenn er, nur ganz für sich genommen, nicht so recht bei Laune hielt. Alte Gruselfilme sind letzten Endes auch ästhetischer Genuss, und der stellte sich bei Wolf Man - von einigen immerhin schönen Kamerafahrten und der einen oder anderen effektiv ausgeleuchteten Einstellung - kaum ein. Die Szenen mit den Gypsies - Bela Lugosi als Hellseher, der als Exot das Böse schließlich auch, jedoch nicht willens, in das verschlafene Nest trägt - wurden kaum ausgereizt, auch die Reduktion der Schauerszenen auf eine Location - ein paar Bäume im Wald, Nebelschwaden - nimmt dem Film den Freiraum für optische Reize. So bleibt ein zwar genregenealogisch recht interessanter, an sich aber eher weniger überzeugender Gruselfilm in Erinnerung. Nicht die beste Ausgangslage für eine Renaissance in Permanz, wie die anderen Figuren des Universal-Arsenals sie regelmäßig erleben. Die Filmgeschichte gab dem Recht.
imdb | mrqe
Von allen Halbwesen, die uns Universal zu seinen Gruselblütezeiten, ausgehend von der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts, erschlossen hat, erscheint mir der Werwolf ein bißchen als "kranker Mann". Frankenstein, der Vampir oder auch die Mumie - mal in lauen Hollywoodaufgüssen, mal mittels der entfernt verwandten Zombies - erfreuen sich ungleich größerer Popularität und feiern in regelmäßigen Abständen fröhliche Urständ' auf der Leinwand. Beim Werwolf sieht die Lage etwas anders aus: Zu drive-in-Zeiten herrschte zwar, vor allem in den trashigen Arkoff-Filmen, einiger Zuspruch (I was a Teenage Werewolf und der richtig clevere How to Make a Monster, der für den 50er Teenie-Horrorfilm in etwa das ist, was ihm in den 90ern Scream war), doch wurde er in der zunehmenden Archivierung des Horrorfilms seiner eigenen Typen und Motive etwas übergangen. In den 80ern gab es dann Filme wie den zumindest handwerklich gelungenen und spannenden An American Werewolf in London und kurz zuvor den narrativ weit weniger spannenden und handwerklich kaum überzeugenden The Howling, der jedoch als einer der wenigen "Postmodernisierungen" des Werwolffilms immanent wichtig ist. Und dann natürlich noch Teen Wolf, über den man wohl besser den Mantel des Schweigens ausbreitet.
Spannend fand ich deshalb zumindest in diesem Kontext an Wolf Man, wie wenig Variation das Topos in den Folgefilmen erfuhr. Wie dieser Film als schematische Blaupause auch weiterhin absolute Verbindlichkeit für sich beanspruchen konnte. Natürlich gibt es Details in der Narration, in denen sich die zumindest struktutrell als Remakes anzusehenden Epigonen unterscheiden, doch bleibt das Grundgerüst - mit Joe Dantes The Howling und How to Make a Monster vielleicht als großen Ausnahmen - in fast allen Filmen bestehen. Es geht um Regeln, die formuliert und für die noch kommende Filmhistorie erschlossen wurden. Was kann einen Werwolf töten? Diese Frage ist wichtig für das Topos, geriert sich zum eigentlichen Thema jedes Werwolffilms. Wolf Man liefert erste Gedankenansätze, die spätere Filme weiterspinnen und zu Ende denken. Der Gedanke, dass ein Stock mit einem Silberknauf, auf dem der Werwolf und dessen Zeichen - das Pentagramm - eingraviert ist, als effektiver Totschläger zu gebrauchen ist, wurde meines Wissens leider wohl fallengelassen, auch wenn er im vorliegenden Film für einige schöne Einstellungen gut ist: ein jeder Mord an einem Wolf wird durch zwei im Vordergrund stehende Baumstämme, die ein umgekehrtes, rahmendes Dreieck - Hinweis auf den sexuellen Subtext? - ergeben, gefilmt.Spannend immerhin auch, wie "fleischlos" der Film ist. Kaum ausgebildete Charaktere, ein paar wenige Locations, wenn Lon Chaney jr. als Wolf die Nacht durchstreift, zieht es ihn immer wieder an die gleiche Stelle in einem anonym bleibenden, nebeldurchzogenen Wald. Das Verhältnis der Charaktere untereinander ist schematisch, geradezu modellhaft. Das kann man dem Film negativ auslegen (und: auf der oberstene Ebene - der des bloßen, entspannten Filmgenusses - würde ich sogar dazu neigen). Man kann sich das auch mit dem geringen Budget des Films, der ihm zugrunde liegenden Intention des schnellen Cash-In erklären. Gleichzeitig ist das aber auch zumindest dahingehend aufschlussreich, welche Rolle die Psychoanalyse für das Grusel- und Horrorkino spielt. Und zwar gar nicht im Sinne, dass der Film als Beleg für die Gültigkeit psychoanalytischer Theorien fungieren könnte, eher ganz im Gegenteil, dass die Strukturen, die Freud zum einen der Kultur entnommen, ihr aber auch in gebündelter Form erschlossen hat, hier in vollem Wissen darum angelegt wurden: Dass der Werwolf eine Frau begehrt, was sich der im Werwolf steckende Mann nicht eingestehen, bzw. dem nicht nachgehen kann, dass der Vater den Wolf schließlich richtet, das ist in dieser schematischen Anordnung unschwer als die Struktur von Ich, Es und Über-Ich zu erkennen. Die Narration eilt dem zudem zu Hilfe und erläutert schon gleich zu Beginn - mit einem fast wehmütigen Griff ins Buchregal (der Horrorfilm thematisiert seine literarischen Wurzeln stets), einer aufgeschlagenen Lexikonseite -, dass das Werwolfphänomen nämlich wohl in erster Linie psychischer Natur sei. Und auch Chaneys Charakter stellt sich gehäuft die Frage, ob seine Wolfsphasen nicht nur das Ausleben psychischer Beschädigungen sein könnten oder ob er "wirklich" zum Wolfsmenschen mutiert. Der Film bestätigt nicht die Psychoanalyse aus sich heraus, er greift ihre Theoreme als für den Horrorfilm dankbare Vorlagen auf und illustriert sie. In seiner Reduktion vielleicht noch deutlicher, als dies andere Horrorfilme zu der Zeit betrieben.
Diese Aspekte machten mir den Film zumindest spannend, auch wenn er, nur ganz für sich genommen, nicht so recht bei Laune hielt. Alte Gruselfilme sind letzten Endes auch ästhetischer Genuss, und der stellte sich bei Wolf Man - von einigen immerhin schönen Kamerafahrten und der einen oder anderen effektiv ausgeleuchteten Einstellung - kaum ein. Die Szenen mit den Gypsies - Bela Lugosi als Hellseher, der als Exot das Böse schließlich auch, jedoch nicht willens, in das verschlafene Nest trägt - wurden kaum ausgereizt, auch die Reduktion der Schauerszenen auf eine Location - ein paar Bäume im Wald, Nebelschwaden - nimmt dem Film den Freiraum für optische Reize. So bleibt ein zwar genregenealogisch recht interessanter, an sich aber eher weniger überzeugender Gruselfilm in Erinnerung. Nicht die beste Ausgangslage für eine Renaissance in Permanz, wie die anderen Figuren des Universal-Arsenals sie regelmäßig erleben. Die Filmgeschichte gab dem Recht.imdb | mrqe
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Thema: Filmtagebuch
schon vor einiger Zeit im Heimkino gesehen
Nur um das nochmal betont zu haben: Der Moment, als Christina Ricci ihre trotzige Schnute zu einem Grinsen hinfaltet, als da zwei oder noch mehr Knoten auf einmal durch ihr Gesicht wandern, der ist schon extrem großartig. Da habe ich den Film für eine Sekunde innig geliebt. Schade, dass der eigentlich viel unterhaltsamere Nebenplot im Sommercamp, dem diese Akkrobatik entstammt, zugunsten des zunächst spaßigen, jedoch zunehmend ungelenk über die eigenen Füße stolpernden Hauptstrangs so untergeordnet abgewickelt wurde.
imdb | mrqe
Nur um das nochmal betont zu haben: Der Moment, als Christina Ricci ihre trotzige Schnute zu einem Grinsen hinfaltet, als da zwei oder noch mehr Knoten auf einmal durch ihr Gesicht wandern, der ist schon extrem großartig. Da habe ich den Film für eine Sekunde innig geliebt. Schade, dass der eigentlich viel unterhaltsamere Nebenplot im Sommercamp, dem diese Akkrobatik entstammt, zugunsten des zunächst spaßigen, jedoch zunehmend ungelenk über die eigenen Füße stolpernden Hauptstrangs so untergeordnet abgewickelt wurde.
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Thema: Filmtagebuch
07. August 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Es ist ein ewiges Siechtum, tief unten in den Schächten der Budapester U-Bahn. Ein Tunneläußeres scheint es nicht zu geben, zumindest hält's der Film uns vor, der Siff regiert, Schwarzfahrer tanzen den runtergekommenen Kontrolleuren regelmäßig auf der Nase. Im Zentrum des Geschehens steht eine Gruppe besonders degenerierter Kontrolleure, einer nach dem anderen mit einer Macke grotesker als die seines Nächsten ausgestattet. Choleriker, Schmeißfliegen, zynische alte Säcke. Der Umgang untereinander ist lakonisch, zynisch, herb. Man hat gelernt, sich mit dem Status Quo zu arrangieren. Der zumindest graduell Charismatischste unter ihnen - und steckte er nicht in so einer speckigen Lederjacke, er wäre wohl sogar recht gut aussehend - ist gar vollkommen obdach- und wohl auch mittellos und verbringt auch seine Nächte im U-Bahn-System. Der Berufsalltag ist dabei alles andere als trist: Zum einen ist da eine schneidige Konkurrenztruppe an Kontrolleuren, die sich über die Outcasts, mit denen man immerhin doch, wiewohl selbst unsympathisch bis aufs Blut, bald sympathisiert, regelmäßig lustigmacht und sie provoziert, ein cholerischer Vorgesetzter, an Vampire erinnernde Chefetagenbewohner, die jeglichen Respekts gegenüber der Kontrollenautorität verlustig gegangene Nahverkehrskundschaft, ein Skater, "Roadrunner" genannt, der, mit Rasierschaum bewaffnet, Jagd auf Kontrolleure macht und, nicht zuletzt, ein mysteriöser Killer, der das Unternehmen mit seinen willkürlichen Schubsereien regelmäßig in die negative Schlagzeilen bringt.Liest sich eigentlich wie ein Film von Josef Fares, dessen bodenlos dämlicher Kops ihm in regelmäßigen Abständen kräftig um die Ohren gehauen werden sollte, und hätte dieser die Hände bei Kontroll im Spiel gehabt, es wäre wohl ein ähnlicher Schmarrn dabei herausgekommen. Doch Kontroll schmiegt sich weniger an die Traditionen der verquast albernen Arthouse-Klamotte europäischer Provenienz, sondern eher an die des Mitternachtskinos und überzeugt letztendlich, neben einer Vielzahl im besten Sinne skurriller und grotesker Ideen, die als Lockerungsübungen im zentralen Geschehen angesehen werden können, durch seine sorglos offene Erzählform, die den Film oft schon beinahe durch sich selbst stolpern erscheinen lässt. Mal ist das beinharter Sozialrealismus von beinahe dokumentarischem Charakter, dann wieder Kaurismäki'sche Lakonie, bald rabenschwarze Komödie, um dann, wenn der vermummte Killer in betont cooler Inszenierungsmanier auftritt, in ganz und gar mystisch überhöhte Genregefilde umzubrechen. Annäherungen an einzelne Fahrgäste durch besagte obdachlose Hauptfigur - vor allem eine Beziehung zu einem stets als Hase verkleideten, jungen Mädchen bahnt sich an -, erscheinen auf filmischer Ebene poetisch irreal und reiben sich eigentlich schon an anderen Sequenzen, die zum Hyperbolischen und Grotesken neigen. Komödie, Thriller, Krimi, Drama, Liebesfilm, derbe Groteske mit reichlich Körperflüssigkeiteneinsatz, durchgeknallte Genre-Phantasterei - das könnte denkbar beliebiges Aneinanderreihen ergeben, Bruch an Bruch des Bruches willen, doch gelingt Kontroll ganz im Gegenteil das gar nicht mal kleine Kunststück trotz allem ganz bei sich und vor allem in Form zu bleiben. Seine verschiedenen Erzählstränge werden mit Muße episodisch ausgewalzt, oft hat man andere darob schon fast vergessen, doch das stört nicht, ganz im Gegenteil: Daraus bezieht dieser zwar gewiss nicht immer sichere, aber in Wagemut und Ambition doch hochbeachtenswerte, sympathische Film seine einnehmende Kraft, letzten Endes dann, wenn alles sich zusammenfügt und sich ein bizarres Bild von der, in der Tat, Unterwelt ergibt.
Die verschiedenen Erzählmodi halten das Geschehen frisch, den Zuschauer bei Laune: In jeder Sekunde könnte das wieder vollkommen umkippen, alles scheint zumindest denkbar, der weitere Verlauf kaum vorhersehbar. Trotz aller Schwächen, die man dem Film sicher und ohne weiteres auch attestieren kann: Schon alleine deshalb war's eine Lust, dem zuzuschauen.
Der Film läuft auf dem Fantasy Filmfest als Eröffnungsfilm und kommt im Januar 2005 regulär in die deutschen Kinos (Verleih: Tiberius Film)
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Thema: Filmtagebuch
Ein Coenstoff par excellence sollte man meinen: 1955 inszenierte Alexander Mackendrick mit Ladykillers (filmtagebuch) einen ewigen Weihnachtsklassiker, in dem sich eine Schar skurriler Krimineller, angeführt von einem um Leib und Seele spielenden Sir Alec Guiness, bei einer naiven, britischen Teeoma einquartieren, um sich dort, wie sie sagen, in der hohen Kunst der Kammermusik zu üben. In Wahrheit nutzt man die Wohnung natürlich als Versteck, um dort aus einen pfundschweren Coup zu landen. Das Vorhaben gelingt zunächst, doch steht die Oma mit ihrer beschaulichen Gutmütigkeit dem erfolgreichen Beschluss schließlich im Wege. Das gutmütige Tantchen muss aus dem Weg geschafft werden, darin sind sich alle einig, doch bringt es keiner der Ganoven übers Herz, die Tat zu vollstrecken. Misstrauen und Gier richten schließlich das Verbrechen gegen die Verbrecher selbst, bis keiner mehr am Leben ist. Bis heute gilt der atmosphärisch fotografierte, witzige Film als Meilenstein der Komödienkunst und genießt vollkommen zurecht seinen überwältigenden Ruf, den der Film alljährlich in der besinnlichsten Zeit des Jahres auf irgendeinem dritten Kanal unter Beweis zu stellen vermag.
Verbrecher, die über ihr eigenes Verbrechen stolpern und am Ende selbst denkbar gelackmeiert dastehen. Die Filmografie der Coens ist voll von solchen Typen, man denke etwa an Blood Simple (USA 1984) oder Fargo (USA 1996). Und in der Tat findet sich schon in erstgenanntem Film, ihrem Spielfilmdebüt, im Dialog ein offen wörtliches Zitat aus Mackendricks schwarzer Komödie. Da habe sich nun ein Kreis geschlossen, kommentiert Ethan Coen dann auch den neuesten Film der beiden Filmkritikerlieblinge im Presseheft.
Die Coens wären nicht die Coens, wenn sie dem Film lediglich eine technisch zeitgemäße Neuauflage auf den Leib schneidern würden. In der Tat wird der Stoff unter Beibehaltung der wesentlichen narrativen Grundpfeiler nahtlos der eigenen Filmografie einverleibt. Dazu gehört natürlich das Spiel mit regionalen, aber auch sozialen Identitäten und deren klischeehaften Verzerrungen aus dem weiten Raum der USA. Nahezu alle Filme der Coens tragen die Region ihrer Spielhandlung als deutliches Signum mit sich. In diesem Falle ist es die Gegend um den Mississippi, den Ol’ Man River, der sich gemächlich durch die Landschaft, die Geschichte der USA und natürlich durch diesen Film zieht. Die Handlung wurde in die schwarze Baptistengemeinde verlegt, entsprechend atmet der wie stets mit Sorgfalt zusammengestellte Soundtrack den Spirit alter Gospelstücke und lädt zu einer Geschichtsstunde über frühe afro-amerikanische Musikkultur ein. Die später zu tötende Lady ist die alte Marva Munson (Irma P. Hall), eine verwitwete, schon leicht wunderliche, aber treue Seele, die fleißig in den Gottesdienst geht und eine Baptistenschule, ganz nach ihren eigenen Verhältnissen, mit einer Kleinigkeit monatlich unterstützt. Alec Guinnes’ Part übernimmt Tom Hanks, der hier auf den Namen Professor Dr. phil. Goldthwaite H. Dorr hört, ein sich bis zur Unnachvollziehbarkeit gespreizt ausdrückender Altphilologe, der nicht erst mit seinen steten Poe-Rezitationen deutlich als Mann des 19. Jahrhunderts ausgewiesen wird, sondern schon durch sein Äußeres aus den Gepflogenheiten einer zeitgemäßen Bekleidung hervorsticht. Der wiederum versammelt nun eine ganze Horde an Typen und verzerrten Abziehbildern im Keller der Dame, vom Ex-Vietcong mit Hitlerbärtchen über einen Klischee-HipHoper und einen kernig-älteren Herrn, Typ Wandervogel deutscher Provenienz, der hingegen mit seinem Reizdarm zu kämpfen hat. Es folgt eine im Detail zwar variierte, im wesentlichen aber werkgetreue Reprise der filmischen Vorlage.
Soweit, so gut. Der Film beginnt wie ein waschechter Coen-Film und für einen Moment lang ist man bereit, nicht nur den missglückten Ein (Un)Möglicher Härtefall (USA 2003, Kritik), mit dem die Coens im letzten Jahr ihre Fans brüskierten, zu verzeihen, sondern auch diesen Film zu lieben: Alter Bluesgesang ertönt, ein wehmütiger Blick in den Himmel, von der Ferne ein paar Möwenschreie. Eine leicht groteske Statue rückt ins Bild, es folgt der Blick hinab zum Ol’ Man River, den wir aus der steilen Vogelperspektive sehen. Ein Dampfer kommt unter der Brücke hervor. Als Kenner des Films, aber auch des spezifischen Humors der beiden Coen-Brüder weiß man natürlich schon, dass auf diese Brücke, diesen Dampfer – ein Mülltransporter, der Tonnen von Kehricht auf eine Müllinsel, die sich beinahe malerisch am Horizont auftut, transportiert – unbedingt zu achten ist. Es folgen wunderbare Bilder aus der us-amerikanischen Provinz rund um den Mississippi. Bilder, die zwischen trübselig stimmender Rezession und fotografischer Schönheit gekonnt changieren. Es ist entspannend, dem zuzusehen. Die Coens, so scheint’s, sind nach dem allenfalls peinlichen Ehekomödienreinfall mit George Clooney wieder ganz bei sich.
Doch denkste. Zwar gelingt es dem Film ohne weiteres, sein Programm abzuspulen und der Versuch, den Zuschauer mit Versatzstücken der Coen-Stilografie und mit hoher Gagdichte bei Laune zu halten, ist offensichtlich. Doch kommt Ladykillers dabei über bloße Mimesis eigener Werkspezifika nicht hinaus, ganz im Gegenteil ist es, gerade für den Freund und Kenner der Coenfilme, bisweilen erschreckend zuzusehen, wie ungelenk die Coens mit ihren eigenen Stilmitteln, die oft genug in der Rede von anderen Filmen als Coen-Style zusammengefasst wurden, hantieren und sich dabei geradewegs in ihrer eigenen Filmografie verlaufen. Die Idee mit dem Baptistenumfeld ist gerade mal für ein paar in der Tat sehr schöne Gospelmesseaufnahmen gut, wird aber kaum weitergesponnen. In Form der Tante und des jungen HipHopers gewissermaßen zwei unterschiedliche Entwürfe afro-amerikanischer Identität gegenüberzustellen, bleibt als Idee geradewegs ungenützt: Es reicht für drei, vier deftige Ohrfeigen, die der Junge einstecken muss, weil die resolute Tante in ihrem Haus keine „HippityHop-Sprache“, wie sie sie unsouverän bezeichnet, duldet. Als Idee geradewegs verfeuert. Im Falle von Tom Hanks scheint man die sprichwörtliche Coen-Skurrilität mit bloßem Grimassieren verwechselt zu haben: Hanks zieht ein Gesicht nach dem nächsten, rezitiert mal Poe und kichert dann mal wieder albern aufdringlich ohne dass sich daraus humoristischer Mehrwert ergebe. Die anderen Figuren: Lieblos runtergerissene Klischeebilder mit eigentlich viel Potential, denen das der ganzen Situation nicht gewachsene Drehbuch, das über Klamauk und skatologische Rektalwitze den ganzen feinen Coenhumor, wie man ihn so schätzt, vergessen zu haben scheint, allein undankbare Witzchen und einfallslosen Slapstick zuwirft. Über eine maue Komödie könnte man ja noch ohne viel Federlesens hinwegsehen - im Coenkontext betrachtet geriert sich Ladykillers jedoch zur handfesten Enttäuschung.
Ein Film wie eine blasse Kopie eigener, früherer Filme. Die gewitzte Souveränität vergangener Tage, scheint’s, ist dahin. Das dem nicht so ist, steht zu hoffen. Der Knacks, den eine bis dahin fast schon unanständig makellose Filmografie mit Ein (Un)Möglicher Härtefall erlitten hat, hat sich zum handfesten Riss ausgeweitet.
Verbrecher, die über ihr eigenes Verbrechen stolpern und am Ende selbst denkbar gelackmeiert dastehen. Die Filmografie der Coens ist voll von solchen Typen, man denke etwa an Blood Simple (USA 1984) oder Fargo (USA 1996). Und in der Tat findet sich schon in erstgenanntem Film, ihrem Spielfilmdebüt, im Dialog ein offen wörtliches Zitat aus Mackendricks schwarzer Komödie. Da habe sich nun ein Kreis geschlossen, kommentiert Ethan Coen dann auch den neuesten Film der beiden Filmkritikerlieblinge im Presseheft.Die Coens wären nicht die Coens, wenn sie dem Film lediglich eine technisch zeitgemäße Neuauflage auf den Leib schneidern würden. In der Tat wird der Stoff unter Beibehaltung der wesentlichen narrativen Grundpfeiler nahtlos der eigenen Filmografie einverleibt. Dazu gehört natürlich das Spiel mit regionalen, aber auch sozialen Identitäten und deren klischeehaften Verzerrungen aus dem weiten Raum der USA. Nahezu alle Filme der Coens tragen die Region ihrer Spielhandlung als deutliches Signum mit sich. In diesem Falle ist es die Gegend um den Mississippi, den Ol’ Man River, der sich gemächlich durch die Landschaft, die Geschichte der USA und natürlich durch diesen Film zieht. Die Handlung wurde in die schwarze Baptistengemeinde verlegt, entsprechend atmet der wie stets mit Sorgfalt zusammengestellte Soundtrack den Spirit alter Gospelstücke und lädt zu einer Geschichtsstunde über frühe afro-amerikanische Musikkultur ein. Die später zu tötende Lady ist die alte Marva Munson (Irma P. Hall), eine verwitwete, schon leicht wunderliche, aber treue Seele, die fleißig in den Gottesdienst geht und eine Baptistenschule, ganz nach ihren eigenen Verhältnissen, mit einer Kleinigkeit monatlich unterstützt. Alec Guinnes’ Part übernimmt Tom Hanks, der hier auf den Namen Professor Dr. phil. Goldthwaite H. Dorr hört, ein sich bis zur Unnachvollziehbarkeit gespreizt ausdrückender Altphilologe, der nicht erst mit seinen steten Poe-Rezitationen deutlich als Mann des 19. Jahrhunderts ausgewiesen wird, sondern schon durch sein Äußeres aus den Gepflogenheiten einer zeitgemäßen Bekleidung hervorsticht. Der wiederum versammelt nun eine ganze Horde an Typen und verzerrten Abziehbildern im Keller der Dame, vom Ex-Vietcong mit Hitlerbärtchen über einen Klischee-HipHoper und einen kernig-älteren Herrn, Typ Wandervogel deutscher Provenienz, der hingegen mit seinem Reizdarm zu kämpfen hat. Es folgt eine im Detail zwar variierte, im wesentlichen aber werkgetreue Reprise der filmischen Vorlage.
Soweit, so gut. Der Film beginnt wie ein waschechter Coen-Film und für einen Moment lang ist man bereit, nicht nur den missglückten Ein (Un)Möglicher Härtefall (USA 2003, Kritik), mit dem die Coens im letzten Jahr ihre Fans brüskierten, zu verzeihen, sondern auch diesen Film zu lieben: Alter Bluesgesang ertönt, ein wehmütiger Blick in den Himmel, von der Ferne ein paar Möwenschreie. Eine leicht groteske Statue rückt ins Bild, es folgt der Blick hinab zum Ol’ Man River, den wir aus der steilen Vogelperspektive sehen. Ein Dampfer kommt unter der Brücke hervor. Als Kenner des Films, aber auch des spezifischen Humors der beiden Coen-Brüder weiß man natürlich schon, dass auf diese Brücke, diesen Dampfer – ein Mülltransporter, der Tonnen von Kehricht auf eine Müllinsel, die sich beinahe malerisch am Horizont auftut, transportiert – unbedingt zu achten ist. Es folgen wunderbare Bilder aus der us-amerikanischen Provinz rund um den Mississippi. Bilder, die zwischen trübselig stimmender Rezession und fotografischer Schönheit gekonnt changieren. Es ist entspannend, dem zuzusehen. Die Coens, so scheint’s, sind nach dem allenfalls peinlichen Ehekomödienreinfall mit George Clooney wieder ganz bei sich.Doch denkste. Zwar gelingt es dem Film ohne weiteres, sein Programm abzuspulen und der Versuch, den Zuschauer mit Versatzstücken der Coen-Stilografie und mit hoher Gagdichte bei Laune zu halten, ist offensichtlich. Doch kommt Ladykillers dabei über bloße Mimesis eigener Werkspezifika nicht hinaus, ganz im Gegenteil ist es, gerade für den Freund und Kenner der Coenfilme, bisweilen erschreckend zuzusehen, wie ungelenk die Coens mit ihren eigenen Stilmitteln, die oft genug in der Rede von anderen Filmen als Coen-Style zusammengefasst wurden, hantieren und sich dabei geradewegs in ihrer eigenen Filmografie verlaufen. Die Idee mit dem Baptistenumfeld ist gerade mal für ein paar in der Tat sehr schöne Gospelmesseaufnahmen gut, wird aber kaum weitergesponnen. In Form der Tante und des jungen HipHopers gewissermaßen zwei unterschiedliche Entwürfe afro-amerikanischer Identität gegenüberzustellen, bleibt als Idee geradewegs ungenützt: Es reicht für drei, vier deftige Ohrfeigen, die der Junge einstecken muss, weil die resolute Tante in ihrem Haus keine „HippityHop-Sprache“, wie sie sie unsouverän bezeichnet, duldet. Als Idee geradewegs verfeuert. Im Falle von Tom Hanks scheint man die sprichwörtliche Coen-Skurrilität mit bloßem Grimassieren verwechselt zu haben: Hanks zieht ein Gesicht nach dem nächsten, rezitiert mal Poe und kichert dann mal wieder albern aufdringlich ohne dass sich daraus humoristischer Mehrwert ergebe. Die anderen Figuren: Lieblos runtergerissene Klischeebilder mit eigentlich viel Potential, denen das der ganzen Situation nicht gewachsene Drehbuch, das über Klamauk und skatologische Rektalwitze den ganzen feinen Coenhumor, wie man ihn so schätzt, vergessen zu haben scheint, allein undankbare Witzchen und einfallslosen Slapstick zuwirft. Über eine maue Komödie könnte man ja noch ohne viel Federlesens hinwegsehen - im Coenkontext betrachtet geriert sich Ladykillers jedoch zur handfesten Enttäuschung.
Ein Film wie eine blasse Kopie eigener, früherer Filme. Die gewitzte Souveränität vergangener Tage, scheint’s, ist dahin. Das dem nicht so ist, steht zu hoffen. Der Knacks, den eine bis dahin fast schon unanständig makellose Filmografie mit Ein (Un)Möglicher Härtefall erlitten hat, hat sich zum handfesten Riss ausgeweitet.
Ladykillers (USA 2004)
Regie: Joel Coen; Drehbuch: Ethan Coen n. d. Vorlage v. William Rose;
Kamera: Roger Deakins; Schnitt: Roderick Jaynes (= Joel & Ethan Coen);
Darsteller: Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma,
Ryan Hurst, Diane Delano, George Wallace, John McConnell, Jason Weaver, u.a.
Länge: ca. 104 Minuten; Verleih: Buena Vista
offizielle Website | weitere Links bei filmz.de | mrqe
Regie: Joel Coen; Drehbuch: Ethan Coen n. d. Vorlage v. William Rose;
Kamera: Roger Deakins; Schnitt: Roderick Jaynes (= Joel & Ethan Coen);
Darsteller: Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma,
Ryan Hurst, Diane Delano, George Wallace, John McConnell, Jason Weaver, u.a.
Länge: ca. 104 Minuten; Verleih: Buena Vista
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Thema: Filmtagebuch
27. Juli 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
vor einigen Tagen, Kino International
So ein bißchen korrespondiert das mit Sie haben Knut (Deutschland 2003). Nicht nur inhaltlich. Dieser Drang, das man eben tun müsse, was die Zeit einem gebietet. Auch die Rezeption. Was habe ich mich von dem Knutfilm nicht angeekelt gefühlt. Nur um ihn dann, bei näherer Betrachtung, doch schätzen zu lernen. Gleicher Fall bei Muxmäuschenstill, diesem jüngsten Wunderfilm des Perspektivenkinos, wie ich es mal in Anlehnung an die Berlinale-Sektion - wo beide Filme und auch etwa Science Fiction (D 2002), ebenfalls mit Jan Henrik Stahlberg in der Hauptrolle, zu sehen gewesen sind - nennen will. Was hatte ich mich vor diesem Film geekelt, der mir nur vermeintlich klug daherkam, sicher Wahres über Sicherheits- und Ordnungsfanatiker und den Zustand Deutschlands gegenwärtig aussagte, dann aber doch immer wieder in Fahrwasser geriet, wo mir nur zu sagen blieb: Leider daneben geschossen. Seine Lakonie schien mir nur Anlehnung an eine eher verhasste deutsche Kinotradition des beschaulich Witzigen, ganz fürchterlich vor allem die Leute im Saal ringsum, in der Tat eher so einem, ich sag mal, proletenhaften Umfeld entsprungen, die sich vor allem lang und breit über Muxens Rachefeldzüge im Namen (oder: eigentlich ja gerade nicht) des kategorischen Imperativs amüsierten. Mit dem Gesicht in die Scheiße. Hahaha. Wie der eine kotzt. Huhu. Immer druff. Wie da Sozialsadismen für sich verwertbare Bilder fanden und darob erfreut die Bierflaschen hoben.
Doch dann kriegt der Film die Kurve. Die Lacher werden leiser. Verstummen irgendwann. Ähnlich beschreibt's Kuhlbrodt in seiner formidablen Kritik. Mux, das ist natürlich der deutsche Michel, so irgendwie. Gefangen in und mit sich selbst. Etwas Sturm und Drang, deutscher Idealismus, Kant im Motel, Goethe auf Reisen. Peinliche Auswüchse der Romantik im Hier und Jetzt, dadurch als nurmehr alberner Anachronismus gezeigt. Und natürlich: narzistisch, eitel, seinen eigenen Idealen nicht gemäß. Wie geschaffen dafür aufzugehen, im bundesdeutschen Mediendschungel. Letzten Endes ein Mörder, ja. Zu feige sich selbst zu richten auch. Und natürlich kann das nur in Italien enden, dort, wo sich die deutsche Wirtschaftswunderseele hinrettete, la dolce vita, dieser Kram. Urlaubsvideostimmung, Mux endlich entspannt. Melone am Straßenrand. Aber auch hier: Schnelle Autos. Unverantwortlich. Melone? Schnelle Autos. Auf die Straße, Autos anhalten! In Italien, die deutsche Fight-Club-Kolonie errichten. Es geht nicht gut.
Da bewegt sich was, in dem Film. Vielleicht ist das das Beste, was der deutschen Heimatfilmer-Tradition in den letzten Jahren geschehen konnte. Vielleicht. Zu einer wirklichen Positionierung fühle ich mich nicht in der Lage. Vielleicht ist dieser Film großartig.
imdb | mrqe | offizielle website | filmz.de
So ein bißchen korrespondiert das mit Sie haben Knut (Deutschland 2003). Nicht nur inhaltlich. Dieser Drang, das man eben tun müsse, was die Zeit einem gebietet. Auch die Rezeption. Was habe ich mich von dem Knutfilm nicht angeekelt gefühlt. Nur um ihn dann, bei näherer Betrachtung, doch schätzen zu lernen. Gleicher Fall bei Muxmäuschenstill, diesem jüngsten Wunderfilm des Perspektivenkinos, wie ich es mal in Anlehnung an die Berlinale-Sektion - wo beide Filme und auch etwa Science Fiction (D 2002), ebenfalls mit Jan Henrik Stahlberg in der Hauptrolle, zu sehen gewesen sind - nennen will. Was hatte ich mich vor diesem Film geekelt, der mir nur vermeintlich klug daherkam, sicher Wahres über Sicherheits- und Ordnungsfanatiker und den Zustand Deutschlands gegenwärtig aussagte, dann aber doch immer wieder in Fahrwasser geriet, wo mir nur zu sagen blieb: Leider daneben geschossen. Seine Lakonie schien mir nur Anlehnung an eine eher verhasste deutsche Kinotradition des beschaulich Witzigen, ganz fürchterlich vor allem die Leute im Saal ringsum, in der Tat eher so einem, ich sag mal, proletenhaften Umfeld entsprungen, die sich vor allem lang und breit über Muxens Rachefeldzüge im Namen (oder: eigentlich ja gerade nicht) des kategorischen Imperativs amüsierten. Mit dem Gesicht in die Scheiße. Hahaha. Wie der eine kotzt. Huhu. Immer druff. Wie da Sozialsadismen für sich verwertbare Bilder fanden und darob erfreut die Bierflaschen hoben.Doch dann kriegt der Film die Kurve. Die Lacher werden leiser. Verstummen irgendwann. Ähnlich beschreibt's Kuhlbrodt in seiner formidablen Kritik. Mux, das ist natürlich der deutsche Michel, so irgendwie. Gefangen in und mit sich selbst. Etwas Sturm und Drang, deutscher Idealismus, Kant im Motel, Goethe auf Reisen. Peinliche Auswüchse der Romantik im Hier und Jetzt, dadurch als nurmehr alberner Anachronismus gezeigt. Und natürlich: narzistisch, eitel, seinen eigenen Idealen nicht gemäß. Wie geschaffen dafür aufzugehen, im bundesdeutschen Mediendschungel. Letzten Endes ein Mörder, ja. Zu feige sich selbst zu richten auch. Und natürlich kann das nur in Italien enden, dort, wo sich die deutsche Wirtschaftswunderseele hinrettete, la dolce vita, dieser Kram. Urlaubsvideostimmung, Mux endlich entspannt. Melone am Straßenrand. Aber auch hier: Schnelle Autos. Unverantwortlich. Melone? Schnelle Autos. Auf die Straße, Autos anhalten! In Italien, die deutsche Fight-Club-Kolonie errichten. Es geht nicht gut.
Da bewegt sich was, in dem Film. Vielleicht ist das das Beste, was der deutschen Heimatfilmer-Tradition in den letzten Jahren geschehen konnte. Vielleicht. Zu einer wirklichen Positionierung fühle ich mich nicht in der Lage. Vielleicht ist dieser Film großartig.
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Thema: Filmtagebuch
27. Juli 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
26.07.2004, Heimkino
Der Titel legt's schon nahe: Eine Geisterhausgeschichte. Dann aber wieder ganz und gar nicht. Zumindest aber arbeitet der Film damit, um davon ausgehend sein ganz eigenes, besonderes Programm zu entwickeln: Dr. Norman Boyle zieht mit Gattin und dem kleinen Sohn von New York in das abgelegene Landhaus von Prof. Dr. Freudstein (!), um dort nach den Arbeiten des Wissenschaftlers zu forschen. Das Unternehmen steht unter keinem guten Stern: Schon im Vorfeld der Reise trägt sich gar Mysteriöses zu, die unheimlichen Ereignisse verdichten sich bei Ankunft in dem gruseligen Anwesen. Was weiß das enigmatische Kindermädchen Ann? Was hat es mit dem Mädchen auf sich, dass dem kleinen Bob immer wieder erscheint? Welchen Ursprungs sind die mysteriösen Geräusche, die aus dem Keller in das Haus dringen? Und was hat Dr. Freudstein hier erforscht?
Ähnlich wie in Fulcis flirrendem Meisterwerk The Beyond (Italien 1981), der ganz wunderbar mit Friedhofsmauer korrespondiert - man meint gar Nahtstellen zu entdecken, an denen ohne weiteres nun der andere Film sich in diesem fortsetzen könnte -, sind Plausibilität und Kohärenz, ja überhaupt das Gefüge der Kausalität untergeordnet. Fulci gelingt es meisterlich, sich von Narration und Plot zu emanzipieren und arbeitet eine Methode aus, die Grusel gothischer Provenienz und Splatter der Neuzeit miteinander verbindet, vor allem aber den Gruselfilm selbst zu untersuchen scheint. Meine persönliche Theorie vom Horrorfilm ist, dass in diesem Genre der Film selbst auf formalistischer Ebene ganz bei sich ist. Um effektiv zu sein - der Zuschauer soll sich, nach Möglichkeit, fürchten - muss er einen Spagat wagen: Zum einen muss das etablierte Weltgefüge hinreichend mit dem des Zuschauers korrespondieren, um diesen zu involvieren, was dem Film dessen Grusel garantiert, wenn er dann in diese Welt das Unheimliche und Phantastische dringen lässt. Er muss das Verständnis von Welt zum einen simulieren, zum anderen torpedieren. Und dies gelingt ihm in seinen besten Momenten durch eine Verzerrung des Raums und somit der Welt durch grundlegend filmische, eben formale Mittel. Seit jeher lassen sich im Horrorfilm vortrefflich technischer Fortschritt und Gespür für formale Aspekte der Filmsprache ablesen: Wo sie im Drama oder Autorenfilm meist "nur" der Etablierung des perslnlichen Anliegens dienen, letztendlich also untergeordnet sind, sind sie im Horrorfilm ganz primärer Gegenstand.
Das Haus an der Friedhofsmauer ist hierfür das beste Beispiel. Es gibt wohl kein Bild in diesem Film, das nicht genau durchkomponiert und bis ins Detail sanft und sacht ausgeleuchtet wäre. Keine Aktion der Kamera, die nicht hochkonzentriert und besonnen geplant wäre. Immer das Bild und seine Wirkungskraft im Sinn, in jedem Moment. Die Rede von Fulci als vielleicht ja visionären, letztendlich aber seiner Manie wegen krudem Inszenator, der nur plump auf die Sehgewohnheiten des Zuschauers mittels bloßer Bilddrastik schlägt, ist mit diesem Film als Lüge, zumindest aber als voreingenommene Einschätzung enttarnt. Und die Wirkung des Film ist grandios: Sein traumwandlerischer Charakter hindert ihn nicht, in seinen besten Momenten das Herz des Zuschauers zum Rasen zu bringen. Selbst noch die abstrakte, rein aufs formale sich konzentrierende Beobachtung löst shock aus. Dabei ist der Film, von einigen gewiss drastischen Spitzen abgesehen, nicht so blutig wie sein Ruf. Atmosphäre ist ihm letztendlich dann doch alles, wie auch der unerwartete, allerdings nur konsequente Schluß, in dem sich Zeit und Raum aufgelöst sehen, unterstreicht.
Ein Lehrstück in Sachen formaler Filmsprache. Ein kleines, großes, gemeinhin unbekanntes Meisterwerk des Horrorfilms. Wie so viele andere: In Deutschland institutionell unterschlagen. Bezeichnend!
imdb | mrqe
Der Titel legt's schon nahe: Eine Geisterhausgeschichte. Dann aber wieder ganz und gar nicht. Zumindest aber arbeitet der Film damit, um davon ausgehend sein ganz eigenes, besonderes Programm zu entwickeln: Dr. Norman Boyle zieht mit Gattin und dem kleinen Sohn von New York in das abgelegene Landhaus von Prof. Dr. Freudstein (!), um dort nach den Arbeiten des Wissenschaftlers zu forschen. Das Unternehmen steht unter keinem guten Stern: Schon im Vorfeld der Reise trägt sich gar Mysteriöses zu, die unheimlichen Ereignisse verdichten sich bei Ankunft in dem gruseligen Anwesen. Was weiß das enigmatische Kindermädchen Ann? Was hat es mit dem Mädchen auf sich, dass dem kleinen Bob immer wieder erscheint? Welchen Ursprungs sind die mysteriösen Geräusche, die aus dem Keller in das Haus dringen? Und was hat Dr. Freudstein hier erforscht?
Ähnlich wie in Fulcis flirrendem Meisterwerk The Beyond (Italien 1981), der ganz wunderbar mit Friedhofsmauer korrespondiert - man meint gar Nahtstellen zu entdecken, an denen ohne weiteres nun der andere Film sich in diesem fortsetzen könnte -, sind Plausibilität und Kohärenz, ja überhaupt das Gefüge der Kausalität untergeordnet. Fulci gelingt es meisterlich, sich von Narration und Plot zu emanzipieren und arbeitet eine Methode aus, die Grusel gothischer Provenienz und Splatter der Neuzeit miteinander verbindet, vor allem aber den Gruselfilm selbst zu untersuchen scheint. Meine persönliche Theorie vom Horrorfilm ist, dass in diesem Genre der Film selbst auf formalistischer Ebene ganz bei sich ist. Um effektiv zu sein - der Zuschauer soll sich, nach Möglichkeit, fürchten - muss er einen Spagat wagen: Zum einen muss das etablierte Weltgefüge hinreichend mit dem des Zuschauers korrespondieren, um diesen zu involvieren, was dem Film dessen Grusel garantiert, wenn er dann in diese Welt das Unheimliche und Phantastische dringen lässt. Er muss das Verständnis von Welt zum einen simulieren, zum anderen torpedieren. Und dies gelingt ihm in seinen besten Momenten durch eine Verzerrung des Raums und somit der Welt durch grundlegend filmische, eben formale Mittel. Seit jeher lassen sich im Horrorfilm vortrefflich technischer Fortschritt und Gespür für formale Aspekte der Filmsprache ablesen: Wo sie im Drama oder Autorenfilm meist "nur" der Etablierung des perslnlichen Anliegens dienen, letztendlich also untergeordnet sind, sind sie im Horrorfilm ganz primärer Gegenstand.Das Haus an der Friedhofsmauer ist hierfür das beste Beispiel. Es gibt wohl kein Bild in diesem Film, das nicht genau durchkomponiert und bis ins Detail sanft und sacht ausgeleuchtet wäre. Keine Aktion der Kamera, die nicht hochkonzentriert und besonnen geplant wäre. Immer das Bild und seine Wirkungskraft im Sinn, in jedem Moment. Die Rede von Fulci als vielleicht ja visionären, letztendlich aber seiner Manie wegen krudem Inszenator, der nur plump auf die Sehgewohnheiten des Zuschauers mittels bloßer Bilddrastik schlägt, ist mit diesem Film als Lüge, zumindest aber als voreingenommene Einschätzung enttarnt. Und die Wirkung des Film ist grandios: Sein traumwandlerischer Charakter hindert ihn nicht, in seinen besten Momenten das Herz des Zuschauers zum Rasen zu bringen. Selbst noch die abstrakte, rein aufs formale sich konzentrierende Beobachtung löst shock aus. Dabei ist der Film, von einigen gewiss drastischen Spitzen abgesehen, nicht so blutig wie sein Ruf. Atmosphäre ist ihm letztendlich dann doch alles, wie auch der unerwartete, allerdings nur konsequente Schluß, in dem sich Zeit und Raum aufgelöst sehen, unterstreicht.
Ein Lehrstück in Sachen formaler Filmsprache. Ein kleines, großes, gemeinhin unbekanntes Meisterwerk des Horrorfilms. Wie so viele andere: In Deutschland institutionell unterschlagen. Bezeichnend!
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° ° °
lol