Freitag, 12. Februar 2010
In "Ghost Writer" habe ich mich zwei Stunden okay unterhalten gefühlt. Der Film lässt das ohne weiteres zu. Man kann sich aber auch ganz genau anders herum entscheiden und dann ist der Film eher nicht so gut. Geht beides klar - lauwarmes bringt Kosslicks Wettbewerbsküche auf den Tisch.

Und gerade deshalb ist der Film auch so symptomatisch für das, was Kosslick unter Wettbewerb versteht: "Ghost Writer" vermengt ein bisschen Politik, ein bisschen Starkino (wobei - sind Ewan McGregor und Pierce Brosnan denn wirklich noch Stars? Oder doch nicht mehr viel mehr als: klingende Namen, die Vorstufe also zum "Has Been"?), ästhetisch will das hoch gar nicht erst hinaus und der Kinostart lugt, für alle Beteiligten gewinnbringend, auch schon um die Ecke: Ein Hauch von Glamour, wenn man den Film eine Woche vor dem normalen Publikum sehen kann, selbst wenn man dafür zwei Stunden anstehen und einen höheren Preis berappen musste.

Deswegen kann man über den Film auch wirklich nicht sehr viel mehr sagen als: Ja, geht okay. Sie mögen ein bisschen Paranoiathriller, ein bisschen Ahnung, dass CIA und USA mitunter ganz schön fies sein können? Dann ist "Ghost Writer" ihr Film der Woche - sehr viel mehr muss man kaum mehr schreiben, denn alle sind's eh schon zufrieden.

Aber deswegen ist es auch so bezeichnend, dass es gerade nicht der Film an sich ist, der bei der Pressevorführung am Morgen Regungen im Saal hervorrief - sondern der Kontext, in dem er sich bewegt: Die Verhaftung Polanskis im vergangenen Herbst bei der Einreise in die Schweiz, die nicht nur des zugrunde liegenden Verbrechens kontrovers diskutiert wurde, sondern auch, weil sie so willkürlich erschien: Polanski hat ohnehin ein Anwesen in der Schweiz, ein Zugriff wäre jederzeit auch früher möglich gewesen.

Dass nun in "Ghost Writer" sich ganze Dialogwechsel damit befassen, welche Staaten den Internationalen Gerichtshof anerkennen, wohin strategisch auszureisen wäre, möchte man nicht ausgeliefert werden, dass Brosnan als Ex-Premierminister in seinem festungsgleichen Wohnsitz selbst ein wenig wirkt wie der nun in den Schweizer Bergen in dem seinen arretierte Polanski, das alles sorgte zumindest für Verunsicherungen, Gemauschel und dezente Lacher: Hallo, hier, wir haben eine Punchline.

Dass der Film ein nicht eben freundliches Bild der USA zeichnet, führte gleich zum weiteren. Dass die USA den Zugriff unternahm, bevor Polanski "Ghost Writer" fertigbringen konnte, sorgte beim Verlassen des Saales zumindest für ein bisschen Geplänkel unter den Journalisten. Könnte es nicht sein, dass...? Da passt der Film wie die Faust aufs Auge.

Gewiss ja alles verschwörungstheoretischer Bullshit. Aber wenigstens etwas, was man überhaupt über "Ghost Writer" sagen kann. Außer eben, dass er ganz okay ist. Der nächste Film bitte!


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Donnerstag, 11. Februar 2010
Meinen ersten Berlinaletag könnte man "Jäger des verlorenen W-Lan" überschreiben. Das war schon fast kafkaesk: erst ging das ganz gut im Berlinale-Palast. Dann ging es nicht so gut. Im Cinemax aber, schnappte ich bei twitter gerade noch rechtzeitig auf, sei das W-Lan ziemlich super. Also hin, für die Sabu-Pressevorführung war's eh schon zu spät. Dort ging W-Lan, aber nur sehr langsam. David Hudson twitterte unterdessen zurück, dass es im Berlinale-Palast nun doch wieder cool sei mit dem Netz - wenn man einen Raum weiterzieht. Also wieder zurück. Und siehe - es ward Internetbetrieb... Wäre da nicht nach 10 Minuten ein seltsamer Securitytyp gekommen, der um Räumung der Lokalität bat - und zwar sehr, sehr bald. Also entstand in etwa 10 Minuten dieser Text. Und wieder weg vom Netz, sigh.

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So ein Festival zeichnet sich durch bizarre Zeitökonomien aus. Man spurtet von einem Saal zum nächsten, oft unter maximaler Geringschätzung der eigenen Unversehrtheit, nur um frühzeitig genug einen Platz zu ergattern, auf dem man dann mitunter eine halbe Stunde hocken muss bis es, bzw.: er, der Film, losgeht. In diesen Zwischenräumen hat man dann oft die Gelegenheit, ringsum sitzenden Leuten vom Fach beim Smalltalk zuzuhören. Manchmal bringt einem das gute Tipps ein, viel häufiger aber kriegt man hundsmiserablen Trash in die Ohren gekippt. Geltungssüchtige Halbahnungslose, die ihre Weisheiten, Ansichten und Weltdeutungen in die Welt gießen müssen, gibt es nicht nur im Internet, sondern vor allem im Umkreis großer Festivals.

Sehr schön gleich heute: Ein Trash-Journalist, vermutlich irgendwas mit Boulevard, der mit viel ausgestelltem gönnerhaftem Duktus über "Leute wie Peter W. Jansen" sprach, der "seit 40 Jahren" hier auf dem Festival umherzieht, "aber bloß nicht beim Teppich", der also "auch dieses Jahr" "in irgendwelchen Höhlen hockt". Würde man dem das nehmen, sagte der Typ, dann wäre ja sein ganzer Lebenssinn dahin, er würde gar sterben, womöglich: sofort, so der Journalist. Kurz wollte ich mich umdrehen, dachte dann aber doch: Nee, lieber zuhören. Peter W. Jansen ist im November 2008 gestorben. Kriegt so ein Insider natürlich nicht mit.

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Hey, im CineStar 8 kam man früher auch mit Akkreditierung ins Forum. Jetzt nicht mehr. Ich prangere das an!


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Das Berlinale-Blog beim Perlentaucher ist jetzt online.


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Mittwoch, 10. Februar 2010
Auch in diesem Jahr werde ich wieder gemeinsam mit Thekla Dannenberg, Lukas Foerster und Ekkehard Knörer nebenan beim Perlentaucher von der Berlinale berichten. Diesmal in Blogform, was (vermutlich) dazu führen wird, dass die Beiträge hier im Blog nicht so hochfrequent wie in den letzten Jahren ausfallen werden.

Wie immer biete ich auch diesmal einen Berlinale-Ticker an: Ganz rechts in der äußeren Spalte liest ein Skript meinen tag "berlinale2010" bei delicious aus. Für den tag gibt es auch einen RSS-Feed für alle, die lieber im Feedreader mitlesen. Wie jedes Jahr werde ich unter diesem tag Artikel, Kritiken, Interviews, etc pp zum Festival sammeln - eine gewisse Vorsortierung findet statt (alleine durch meine Präferenzen schon und den mangelnden Anspruch, Komplettheit zu erzielen), doch beileibe nicht alles wird automatisch auf seinen Lesewert abgeprüft.

Ich habe es in diesem Jahr bemerkenswerterweise zu keiner einzigen Vorab-Pressevorführung geschafft - kann also auch keine verlässlichen Tipps beisteuern. Anders sieht's bei Lukas aus, der hier einen ersten Berlinale-Kompass angefertigt hat. Ich vertraue Lukas soweit, dass ich sage: Die Liste sollte man beim persönlichen Berlinale-Schedule-Anfertigen ausgedruckt neben den Programmheften liegen haben.

Entsprechend bin ich gespannt, was mich die kommenden Tage erwartet. Selten haben mich Programmankündigungen des Festivals im Vorfeld so kalt gelassen. Wobei: Koji Wakamatsu im Wettbewerb ließ mich sehr aufhorchen - auf dessen Film bin ich sehr gespannt. Und dass Dominik Grafs Im Angesicht des Verbrechens gezeigt wird und Welt am Draht von Fassbinder in restaurierter Fassung, gehört schon zu den größeren Sensationen. Ob die 20 Minuten mehr Metropolis nun wirklich zu dem Meisterwerk machen, das alle schon immer darin sehen wollen, bleibt allerdings abzuwarten (ich habe meine Zweifel). Einen Blick wert sein dürfte auch der neue Film von Jared Hess (dessen Napoleon Dynamite ich ungeheuer schätze), verbuddelt ist er allerdings in der meist nicht näher beachteten Jugendfilmsektion. Wer gar nicht experimentieren will, findet in der (insgesamt aber eben doch sehr konservativ kuratierten) Retro den einen oder anderen verlässlichen Film.

Sprich: Lassen wir uns überraschen. Ich gehe jetzt erstmal meinen Badge abholen.


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Dienstag, 15. Dezember 2009
Gerade reingeflattert: Eine Liste der ersten feststehenden Wettbewerbsfilme des kommenden Festivaljahrgangs:
Bal (Honey)
Türkei / Deutschland
Von Semih Kaplanoglu (Süt/Milk, Yumurta/Egg, Melegin Düsüsü/Angel’s Fall)
Mit Bora Altas, Erdal Besikcioglu, Tülin Özen, Alev Ucarer, Ayse Altay

Der Räuber
Österreich / Deutschland
Von Benjamin Heisenberg (Schläfer, Max-Ophüls-Preis 2006)
Mit Andreas Lust, Franziska Weisz

My Name Is Khan
Indien
Von Karan Johar
Mit Shah Rukh Khan, Kajol
Außer Konkurrenz

Na Putu (On the Path)
Bosnien und Herzegowina / Österreich / Deutschland / Kroatien
Von Jasmila Žbanić (Grbavica - Esmas Geheimnis, Goldener Bär 2006)
Mit Zrinka Cvitešić (Shooting Star 2010), Leon Lucev, Ermin Bravo, Mirjana Karanović

Shekarchi (The Hunter)
Deutschland / Iran
Von Rafi Pitts (Zemestan - Es ist Winter)
Mit Rafi Pitts, Mitra Hajjar, Ali Nicksaulat, Hassan Ghalenoi

Shutter Island USA
Von Martin Scorsese (The Departed, Aviator, Kap der Angst)
Mit Leonardo DiCaprio, Mark Ruffalo, Sir Ben Kingsley, Michelle Williams, Patricia Clarkson, Max von Sydow
Weltpremiere / Außer Konkurrenz

The Ghost Writer (Der Ghostwriter)
Frankreich / Deutschland / Großbritannien
Von Roman Polanski (Der Pianist, Oscar 2002, China Town, Wenn Katelbach kommt..., Goldener Bär 1966)
Mit Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Kim Cattrall, Olivia Williams


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Donnerstag, 19. November 2009
Nach der eher etwas skeptisch stimmenden Retrospektive kommt jetzt, sorry, mal ein echter Knaller vom Potsdamer Platz: Werner Herzog, the one and only, wird Jurypräsident der kommenden Berlinale. Ich spring' dann mal kurz im Dreieck für den Rest des Tages!

» Pressemitteilung der Berlinale

Passend dazu: Werner Herzog im Gespräch im Podcast von GreenCine Daily.


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Mittwoch, 11. November 2009
Gerade kam die Pressemitteilung der Berlinale reingeflattert, dass das Festival sich zum 60. Geburtstag selbst zum Thema der Retrospektive machen wird. Unter dem Titel Play it Again sollen 60 Jahre Berlinale-Geschichte in den Blick genommen werden. Die Zusammenstellung mit Filmen aus allen Sektionen des Festivals kuratiert der Filmkritiker David Thomson.

Die bereits feststehenden Filme habe ich im ersten Kommentar zu diesem Posting aus der Pressemitteilung zitiert.


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lol