Freitag, 15. Februar 2013
Abrechnung auf grünen Wiesen: Kaum kommt der Deneuve das französische M-Wort über die Lippen, hält der enervierend gut gelaunte Dreikäsehoch - im Film ihr Enkel, zu dem sie kaum eine Beziehung hat - die Hände auf: Für jeden Kraftausdruck ist ein Euro fällig. Deneuve kann nicht zahlen, denn sie hat kein Geld. Mit Reichtum gesegnet bin auch ich nicht, aber den Euro leg' ich gerne hin: Dieser Film ist richtig Scheiße! Kassier' mich ab, wer will!

Tatsächlich fühlt man sich, nach dem letztjährig herausragendem und diesjährig durchweg solidem bis sehr gutem Wettbewerb, im Nu in schlimmste Berlinalezeiten zurückversetzt - und das ausgerechnet noch im Festival-Endspurt. Was soll, was will dieser Film - hier, im Wettbewerb, und überhaupt? Man steht vor einem Scherbenhaufen aus mangelnden Ambitionen, mangelnden Ideen und mangelndem Witz und würde, wäre man nach endlosen zwei Stunden von diesem Knüppel nicht völlig sediert, sehr gerne hilflos mit den Schultern zucken. [weiterlesen beim perlentaucher]



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So wie es mindestes zwei Geschichten über Linda Lovelace gibt, die wegen ihrer Performance in dem berüchtigten Porno "Deep Throat" in den 70er Jahren kurzzeitig im Rampenlicht stand, so gibt es auch zwei Körper der Linda Lovelace - beide, Geschichten und Körper, sind eng miteinander verknüpft: In seinem Film "Lovelace" stellt Rob Epstein - der 2010 mit "Howl", seinem Beatnik-Biopic über Allen Ginsberg, im Berlinale-Wettbewerb stand - beide spiegelbildlich gegenüber, entlang der Achse eines harten Schnitts, der seinen Film in zwei Teile teilt.

Die eine Geschichte erzählte schon der Dokumentarfilm "Inside Deep Throat" (2005): Da war diese junge Frau, die die ganze Welt für einen Moment lang in ein Pornutopia verwandelte, indem sie Harry Reems' großes Glied bis zum Anschlag in ihren Mund aufnahm. Eine Geschichte voll cooler Klamotten, Aufbruchstimmung, freier Liebe. Mittendrin: Linda Lovelace' Körper als Spektakel, Avatar einer neuen Lust und Experimentierfreudigkeit. Die andere Geschichte deutete "Inside Deep Throat" immerhin an, bagatellisierte sie aber. [weiterlesen bei der taz]



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Donnerstag, 14. Februar 2013
» Staralbum - Sam Rockwell

» Was bisher geschah (6)



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Donnerstag, 14. Februar 2013
(via) Kevin B. Lee, David Hudson (beide Fandor) und Cristina Nord resümieren das bisherige Festival in diesem schönen Video:



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Andrew Bujalski interessiert sich für das Obsolete: Seine Filme sind für gewöhnlich in 16mm gedreht, in seinem "Beeswax" von 2009 (unsere Kritik) steht ein Secondhandladen im Mittelpunkt. Warum er seinen neuen Film "Computer Chess" nun auf einer alten Sony-Videokamera aus den frühen 80ern gedreht hat, erklärt er verschmitzt im Q&A nach der Vorführung: "Die Leute fragte mich immer, warum drehst Du noch immer auf 16mm, warum nicht auf Video? Nun, da dachte ich mir, euch geb ich Video!"

Aber auch in anderer Hinsicht lässt sich die eigenwillige ästhetische Entscheidung zum monochromatischen Schwarzweiß (nur für eine einzige, bestrickend verspielte Miniatur bricht der Film in die Farbe aus), zu ausfasernden Lichtflächen, zur niedrig aufgelösten Verschwommenheit und zahlreichen Einschreibungen der technischen Materialgegenständigkeit ins Bild erklären: Wenn in "Computer Chess" analoges Magnetband auf obsolete Digitaltechnik blickt, zeichnet sich darin die für einen bestimmten Moment in der Technikgeschichte noch selbstverständlich bestehende medienhistorische Kluft ab, die im Zeitalter allüberall erfolgreich bestandener Medienkonvergenz, in der es keine Videokameras und Telefone mehr gibt, sondern nur noch Computer in jeder Hosentasche, längst überbrückt ist. Der Film spielt in den frühen 80ern in einem Provinzhotel. Eine Gruppe Nerds transportiert ihre klobigen Computer für ein Schachturnier an. Nicht Mensch gegen Maschine, sondern Maschine gegen Maschine, genauer: Algorithmus gegen Algorithmus treten an. Die Nerds sind lediglich Schnittstellen im noch nicht voll ausgeprägten Medienverbund: Brav tippen sie die Züge des Gegners in ihre Rechenmaschinen und bewegen die Spielfiguren. [weiterlesen beim perlentaucher]

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Wenn in Bruno Dumonts "Camille Claudel, 1915" plötzlich ein Auto vorfährt, erschrickt man eine Sekunde über diesen Misston: Natürlich sind Autos im Jahr 1915 keine Neuheit mehr, doch bricht mit dem Auto jäh eine Ahnung der Außenwelt und der Moderne in diese bis dahin zugemauerte Welt, in der schon ein Salon im Stil des 19. Jahrhunderts wie ein Zugeständnis an den Zeitenlauf wirkt, dass man sich halb im Schock dazu zwingen muss, sich zu erinnern, dass dieser Film im frühen 20. Jahrhundert spielt.

Die Bildhauerin Camille Claudel (Juliette Binoche) ist in einer von Nonnen geführten Anstalt untergebracht. Die Umstände der Einweisung bleiben unklar - dass es sich um eine männerbündische Abschiebung handelt, wird zumindest sehr implizit angedeutet. Die Welt wirkt vom schweren Gemäuer abgeschlossen - so abgetötet wie die Körperlichkeit der Nonnen unter ihren Gewändern und Tüchern. Einmal führt eine Art Pilgerweg auf den Gipfel eines nahen Bergs, von dem aus weite Landschaften, aber keine Anzeichen von Zeitgenossenschaft zu sehen ist. Eine überkontrollierte, unter dem Alb der Vergangenheit liegende Umgebung, in der als Misstöne das Gejauchze und Gekluckse der Insassen, das schelmisch wahnhafte Grinsen oder der nervtötende Trommeltick beim Essen fast befreiend wirken. [weiterlesen beim Perlentaucher]

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"Pulchritude", "Schönheit" also heißt das Stück der Thee More Shallows, dessen so markant wie sanft um sich selbst kreisende Spielfigur Ramon Zürchers "Das merkwürdige Kätzchen" immer wieder als Intermezzo durchstreicht, strukturiert, aufatmen lässt. Eine ganz spezifische Schönheit sucht auch dieser fragile, funkelnde Film: die aufblitzende Poesie des Alltags, die Melancholie des einen kurzen Moments, den Zauber dessen, was als Spur bleibt.

Leicht schief gedrehte Zigaretten im Etui etwa, flüchtig auf der Küchenarmatur liegengelassen, eine Tasse Tee mit Beutel auf dem Tisch, daneben ein Einkaufszettel voller zu Herzen gehender Schreibfehler eines kleinen Kindes, eine Ratte, die mit dickem Hintern hektisch über den Gehsteig huscht, eine menschenverlassene Küche, auf deren Tisch ein Kätzchen hüpft, das magische Blitzen im Innern eines Pfandautomaten. [weiterlesen bei der taz]



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Mittwoch, 13. Februar 2013
Am Ende von "Before Sunset" wurde ein Flug verpasst, zu Beginn von "Before Midnight" wird einer erreicht: Dazwischen liegen nicht nur genau neun Jahre und ein Tag - zumindest, wenn man mit den beiden Berlinale-Premieren rechnet -, sondern auch jene Zeit, in der fragile Liebesversprechungen an einem lauen Pariser Sommerabend zum ganz gewöhnlichen Beziehungstrott eingedickt sind.

Was bisher geschah: 1995 begegneten sich die Französin Celine (Julie Delpy) und der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) in Wien. Die jugendlichen Träumer durchstreiften eine Nacht lang die Wiener Straßen, erkannten einander als Seelenverwandte und verloren sich wieder. 2004 trafen sie sich - sie mittlerweile Berufsaktivistin, er Schriftsteller - in Paris wieder und verbrachten einen Spätnachmittag miteinander: Bilanz und Lebensabgleich, was ist aus den Träumen geworden und was könnte noch aus ihnen werden - aus den Träumen, aus Celine und Jesse, diesem schönsten Liebespaar der jüngeren Filmgeschichte?[weiterlesen bei der taz]



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Einmal, als er wild gestikulierend vom Filmemachen erzählt, vom Leben, das in die Filme schießt, da verlässt Roland Klick den sorgfältig scharf gezogenen Bereich des Bildes. Über 70 ist der Mann, doch auf eine Weise agil und mit einer inbrünstigen Leidenschaft gesegnet, als wäre er noch keine 30. Wenn er plötzlich loslacht – und Klick lacht viel –, dann reißt sein ganzes Gesicht auf, es funkelt ein Spott über die Absurditäten des Lebens darin, den sich gut leisten kann, wer stets Außenseiter gewesen und Held geblieben ist.

Roland Klick, ein Verschütteter der deutschen Filmgeschichte. Einer jener Regisseure, die im verlässlichen Turnus wiederentdeckt und wieder vergessen werden, denen man die Aufnahme in den offiziellen Pantheon auch ernsthaft gar nicht wünschen kann. [weiterlesen bei taz]



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Samstag, 9. Februar 2013
Keine Emphase: Der dem Strom entrissene Nugget liegt auf einer Hand, bestaunt von einer Gruppe Pioniere. Es fällt kein und damit auch nicht dieses Wort - Gold. Darin liegt, im Norden Amerikas des späten 19. Jahrhunderts, auch ein Versprechen: Die Aussicht darauf, beengtesten und elendsten Verhältnissen (beschrieben wird einmal eine Unterkunft in New York: Vier Leute, ein Zimmer, dunkel, Feuchtigkeit und Kälte nagen an der Gesundheit) zu entkommen - sofern man die Strapazen meistert, die zwischen den jungen städtischen Zentren und dem Goldvorkommen in unwirtlichem Gebiet lauern. So finden sich in Thomas Arslans Post-Berliner-Schule-Western denn auch eine Gruppe deutscher Migranten ein, die dem Ruf des Goldes, genauer: der Annonce eines windigen Reiseführers, der zum geringen Preis eine weniger strapaziöse Passage zum neuen Reichtum in Aussicht stellt, folgen. [weiterlesen beim Perlentaucher]



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