Thema: Filmtagebuch
In irgendeiner Fantasy-Welt namens Wulin kommt es zu intriganten Auseinandersetzungen unter mehreren Martial-Arts-Meistern. Irgendwie geht es um einen "Heaven's Stone" und ein Haufen Bösewichte, so schlicht wie allessagend "The Unfriendly" getauft, trägt das Seinige dazu bei, die Situation ordentlich aufzupeppen. Den Vater einer Tochter gibt's auch noch, dessen Gesicht nach rohem Hackfleisch aussieht, was zu ändern ihm Herzenssache ist, weshalb er ebenfalls hinter dem Himmelsstein her ist...
Eigentlich ist es so recht egal, um was es in Legend of the Sacred Stone geht; gar nicht mal ausschließen möchte ich zwar, dass die Story Sinn ergibt. Alleine, eine in mäßig gelungenem English untertitelte DVD aus Fernost, die obendrein unter "Lost-In-Translation-Syndrom" zu leiten hat (ein ganzer Schwall von Wörtern gerinnt zu vier knappen Worten...), sowie nicht zuletzt die äußerst rasante, vor allem an Schauwerten interessierte Inszenierung gestalten die Bedingungen für den Nachvollzug der Spielhandlung allerdings sehr ungünstig.
Was, wie gesagt, nicht wirklich beeindrucken sollte, denn Legend of the Sacred Stone versucht vor allem durch viel Hokuspokus zu trumpfen. Schon der erste Sachverhalt macht dies deutlich: Alle Akteure sind kunstvoll erstellte Puppen (!), die sich hier in bester wuxia pian-Tradition gegenseitig an die Gurgel gehen. Allerlei Zauberkunstwerk beherrschen sie auch, weshalb die Bildoptik schon bald zur kunterbunten Effekte-Ornamentalistik neigt; und die Auseinandersetzungen untereinander geschehen immerhin in einiger Rasanz, die sich allerdings, leider, weniger aus dem Profilmischen der Inszenierung ergibt, als vielmehr aus der teils unfassbar hohen Schnittfrequenz, die den Nachvollzug des Dargebotenen zuweilen sehr erschwert. Mitunter ergibt dies leider den Eindruck, lediglich wild aneinander gestückelter, ultra-kurzer Einstellungen, was eher auf Willkür der Macher denn auf zwingende Konzeption schließen lässt. Alle Puppen bewegen sich schließlich durch eine ebenso kunstvoll ausstaffierte Puppenwelt, die wiederum mit viel CGI, allerdings schon nicht den besten, aufgepeppt wurde.
Legend of the Sacred Stone ist dabei ein Film, der an allen Ecken und Enden auseinander platzt und sich in einem fort selbst überbietet, nicht immer ganz zu seinem Gelingen (»This movie is completely insane. It's basically a like a crazy wuxia epic along the lines of Swordsman II, Zu, or Bride with White Hair but with kick-ass puppets.« kann man in den imdb-Kommentaren lesen und dem durchaus zustimmen). Erinnerungen werden allerdings wach an die besten, seligen, beglückenden Momente des actionbetonten Kommerzkinos Hongkongs der Vergangenheit - wäre da eben noch das entscheidende bisschen mehr Finesse in der mise-en-scène, läge der Vergleich mit den Arbeiten Tsui Harks nicht allzu weit entfernt (vor allem sein zweiter Zu-Film kommt gelegentlich in den Sinn). Auch das unbekümmerte anything goes der großartigen Chinese Ghost Story-Reihe klingt mehrmals an (auch wenn deren Charme, freilich, ein ganz unerreichbarer bleibt).
Als Experiment ist Legend of the Sacred Stone weitgehend gelungen, künstlerisch ist er eher etwas uninspiriert. Aber er versprüht nochmals eine gute Dosis von jenem Irrsinn, für den Kino aus Hongkong mal stand, und das ist immerhin schon etwas wert; ein, zwei vergnügliche Stunden allemal.
Eigentlich ist es so recht egal, um was es in Legend of the Sacred Stone geht; gar nicht mal ausschließen möchte ich zwar, dass die Story Sinn ergibt. Alleine, eine in mäßig gelungenem English untertitelte DVD aus Fernost, die obendrein unter "Lost-In-Translation-Syndrom" zu leiten hat (ein ganzer Schwall von Wörtern gerinnt zu vier knappen Worten...), sowie nicht zuletzt die äußerst rasante, vor allem an Schauwerten interessierte Inszenierung gestalten die Bedingungen für den Nachvollzug der Spielhandlung allerdings sehr ungünstig.
Was, wie gesagt, nicht wirklich beeindrucken sollte, denn Legend of the Sacred Stone versucht vor allem durch viel Hokuspokus zu trumpfen. Schon der erste Sachverhalt macht dies deutlich: Alle Akteure sind kunstvoll erstellte Puppen (!), die sich hier in bester wuxia pian-Tradition gegenseitig an die Gurgel gehen. Allerlei Zauberkunstwerk beherrschen sie auch, weshalb die Bildoptik schon bald zur kunterbunten Effekte-Ornamentalistik neigt; und die Auseinandersetzungen untereinander geschehen immerhin in einiger Rasanz, die sich allerdings, leider, weniger aus dem Profilmischen der Inszenierung ergibt, als vielmehr aus der teils unfassbar hohen Schnittfrequenz, die den Nachvollzug des Dargebotenen zuweilen sehr erschwert. Mitunter ergibt dies leider den Eindruck, lediglich wild aneinander gestückelter, ultra-kurzer Einstellungen, was eher auf Willkür der Macher denn auf zwingende Konzeption schließen lässt. Alle Puppen bewegen sich schließlich durch eine ebenso kunstvoll ausstaffierte Puppenwelt, die wiederum mit viel CGI, allerdings schon nicht den besten, aufgepeppt wurde.
Legend of the Sacred Stone ist dabei ein Film, der an allen Ecken und Enden auseinander platzt und sich in einem fort selbst überbietet, nicht immer ganz zu seinem Gelingen (»This movie is completely insane. It's basically a like a crazy wuxia epic along the lines of Swordsman II, Zu, or Bride with White Hair but with kick-ass puppets.« kann man in den imdb-Kommentaren lesen und dem durchaus zustimmen). Erinnerungen werden allerdings wach an die besten, seligen, beglückenden Momente des actionbetonten Kommerzkinos Hongkongs der Vergangenheit - wäre da eben noch das entscheidende bisschen mehr Finesse in der mise-en-scène, läge der Vergleich mit den Arbeiten Tsui Harks nicht allzu weit entfernt (vor allem sein zweiter Zu-Film kommt gelegentlich in den Sinn). Auch das unbekümmerte anything goes der großartigen Chinese Ghost Story-Reihe klingt mehrmals an (auch wenn deren Charme, freilich, ein ganz unerreichbarer bleibt).
Als Experiment ist Legend of the Sacred Stone weitgehend gelungen, künstlerisch ist er eher etwas uninspiriert. Aber er versprüht nochmals eine gute Dosis von jenem Irrsinn, für den Kino aus Hongkong mal stand, und das ist immerhin schon etwas wert; ein, zwei vergnügliche Stunden allemal.
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Thema: Filmtagebuch
23. Juni 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Es gibt sie noch immer zu entdecken, die kleinen, rohen Diamanten des bundesrepublikanischen Kinos abseits der beiden förmlich dichotomen Blöcke "schwerer Autorenfilm" hier, "Amüsierterrorismus" (Musik- und Schlagerfilm, Pennälerwitzeleien und dergleichen) dort. Filme wie beispielsweise die vom frühen Roland Klick - Deadlock und Supermarkt sind dringend zu nennen -, von Klaus Lemke (der hervorragende Rocker), TV-Arbeiten wie der so beeindruckende wie legendäre Film Das Millionenspiel oder, wenn's denn sein muss, der unheimlich krude, aber im höchsten Maße faszinierende Film Blutiger Freitag eröffnen ein, zugegeben, recht weites Feld, das sich weniger auf Grund inhaltlicher, motivischer oder ästhetischer Übereinstimmung oder gar hinsichtlich einer gemeinsamen Produktionsnische ergibt, sondern eher auf Grund der zumindest heutigen Rezeption: Die Geschichte des bundesrepublikanischen Kinos gibt diese Filme kaum wieder, sortiert sie nicht recht ein; sie stehen abseits der Pfade von Autorenkonzeption und Klamaukfilmerei, bilden sozusagen ein Drittes in diesem Bunde: Die Welt des nicht direkt unterschlagenen, viel mehr gemeinhin übergangenen Kinos der einstigen BRD, ein wenig konventionalisiertes Feld, aus dem sich einiges bergen lässt.
Die Delegation von Rainer Erler, ein TV-Film aus dem Jahr 1970, der nun endlich auf DVD veröffentlicht wurde und hoffentlich wiederentdeckt wird, gesellt sich munter dieser Runde hinzu; er ist das seltene Glück eines überzeugenden Science-Fiction-Films aus der Bundesrepublik, der ganz ohne aufsehenerregende Effekte auskommt, sondern sich die Potenziale des Gedankenexperiments, die vor allem die avancierte literarische Science Fiction freigesetzt hat, zu Nutze macht.
Der Film beginnt mit merkwürdigen Beobachtungen auf den Geräten des us-amerikanischen Militärs. Unbekannte Flugobjekte tauchen auf dem Radar auf und verschwinden wieder. Sind Außerirdische gelandet? Will Roczinsky, ein wunderbar schnarriger TV-Reporter von altem Schrot und Korn und überzeugter Skeptiker, macht sich im Auftrag des Deutschen Fernsehens an die Recherche und ergründet das Phänomen. Dazu besucht er im Heimatland Gesellschaften von UFO-Jüngern und spürt in den USA der NASA auf die Zähne.
Dies aber war vor über drei Monaten, klärt uns ein TV-Moderator auf. Dann fand man Roczinsky tot an einem Straßenstreifen in den USA auf. Bei ihm fand man unedierte Filmaufnahmen, Tonbänder, Fotografien. Sie ergeben ein nicht ganz schlüssiges, rohes, unbeschlagenes Bild von dem, was Roscyniki aufgedeckt haben mag. Später kommen noch Hinterbliebene zu Wort, die ihre Erfahrungen mit dem Verstorbenen allesamt nicht mit den Eindrücken seiner medialen Hinterlassenschaft abgleichen können. Der Skeptiker, legen vor allem die fahrig besprochenen Tonbänder nahe, ist zum paranoiden Phantasten geworden, der, durch die hinteren Regionen Kaliforniens irrlichternd, offenbar zusehends den Verstand verloren hat und kaum mehr mit der souverän auftretenden persona aus den intentionell für die Reportage gedrehten Szenen in eins zu bringen ist. Rätselhaft bleibt das weitere, szenisch fragmentierte Filmmaterial; nicht eben einfacher wird die Angelegenheit dadurch, dass der erste Kameramann alsbald gekündigt wurde und an seiner Statt ein Avantgarde-Filmer aus der kalifornischen Off-Szene eingesetzt wurde, dessen Maxime weniger das Einfangen des Moments als viel mehr die künstlerische Verfremdung desselben zu sein scheint. Analog zu den zusehends ins Taumeln geratenen Bildern verfolgen wir einen Reporter, dessen Weltbild ins Wanken gerät, für den hinter jedem Hügel die Außerirdischen lauern könnten, was sie - immer wieder impliziert das footage dies - unter Umständen auch tun ...
Die Delegation lebt freilich von seinem cleveren - und Jahre vor Cannibal Holocaust und Blair Witch Project entwickelten - Erzählkonzept des Films-im-Film, der das Geschehen authentifiziert und den Zuschauern zum doppelten Raten zwingt: Das erste Geheimnis ist jenes um die möglicherweise in Kalifornien gelandeten Außerirdischen, das zweite nun eben jenes, welchen Spuren Roczinsky nachspürte, wie es wirklich um ihre Qualität bestellt ist und, nicht zuletzt, was mit Roczinsky geschehen sein könnte. Eine télescopage der Ereignisse, die sich anhand der ästhetisch vermitteltn "Mediensprünge" - Reportage, footage, TV-Studio - ergibt.
Man spürt dem Film noch heute das seinerzeitig Brandaktuelle in jedem Moment an; im Jahr 1970 hatte der Mensch gerade erst seinen Schritt ins All, auf den Mond, gewagt, populäre Verschwörungstheoretiker wie Erich von Däniken - dem der spätere Roczinsky teilweise nachgebildet scheint - tingelten durchs Land. Kurz zuvor hatte Kubrick mit 2001: A Space Odyssey die Begegnung mit einer außerirdischen Intelligenz als metaphysische Erfahrung ins Kino gebracht. Mit einigem Geschick fügt sich Die Delegation in diesen Zeitgeist als wichtiger Diskursbeitrag mit ein; ein herausragender Beitrag zur intelligenten filmischen Science Ficition.
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Thema: Filmtagebuch
21. Juni 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Zusammen sind Albert, Karlmann und Herbert fast 270 Jahre alt. Doch wirken sie jünger als mancher Dreißigjähriger: Keck sind sie allenthalben, eigenbrötlerisch, ein bisschen altersweise, sicherlich, aber keinen Moment altersstaubig. Unikate sind sie, jeder für sich. Und als solche haben sie viel erlebt im Leben: Der eine war jahrelang auf hoher See, der andere stammt aus gutem Hause und sehnte sich doch immer nach dem einfachen Leben der niederen Leute, der dritte schließlich gründete in den frühen 50ern das erste Tätowierstudio in Hamburg und damit einen ersten Anlaufpunkt für die "Szene", die sich deutschlandweit dort einfand. Um sich tätöwieren zu lassen, im Hinterzimmer zu posieren. Damals gab es noch keine Tätowiermagazine wie heute, wer sich tätowieren ließ, verließ willentlich die gute Gesellschaft und stigmatisierte sich als Außenseiter. In diesem Tatöwierstudio liefen die Lebenslinien der drei zusammen und für einige Zeit auch parallel: Die große Wohnung dahinter war gleichzeitig kommunenartiger Wohnraum, lange bevor ein solcher Lebensstil der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit zum Titelseitenschock gereichte.
Albert, Karlmann und Herbert sind tätowiert. Von oben bis unten. Auf ihnen kann man lesen wie in einem Bilderbuch. Etwas Alterspech hatte freilich Karlmann: Wo Albert und Herbert noch immer stattliche, also runde, Erscheinungen sind, schnurrte Karlmann sichtlich zusammen: Wo einst Bilder waren, ist nun mehr blaue Haut. Das passt gut zu dieser Figur, die zum Erschrecken dünn wirkt und mit papierner Stimme spricht, die Humor und entdeckungsfreudige Tappsigkeit aber auch im hohen Alter nicht verloren hat: Als er sich daran macht, ein Tortenstück anzuheben, mag dies nicht recht gelingen, das erste sei immer das Schwerste, kommentiert sein Sohn das Geschehen, worauf Karlmann, neunzigjährig, antwortet: "Das merke ich jetzt auch gerade."
Flammend' Herz portraitiert diese drei Männer mit allem unausgesprochenen Respekt, der nur in Selbstverständlichkeit liegen kann. Der Film ist weder Freakshow, noch Plädoyer; es geht nicht um die Gründe, warum man das macht, sich möglichst dicht zu tätowieren, noch ginge es um Reue, die diese drei Sympathen ohnehin nicht aufbringen. Es geht auch nicht um Außenseitertum, sondern, eben, nur um diese drei. Der Film lässt atmen, zuweilen aufatmen, beobachtet, sichtlich fasziniert zwar und auch voller Liebe, und er lässt sprechen, erzählen. Darin liegt seine bestechende Größe, sein großer Charme.
Irgendwann beginnt man zu ahnen, dass da noch ein biografisches Detail in der Luft liegt, das noch nicht recht zur Sprache kam. In der Tat, Albert und Karlmann sind zwar allenthalben zusammen im Bild, nur Herbert eben, der seit vielen Jahren in der Schweiz lebt, bleibt für sich; das Trio hatte sich, erfahren wir, irgendwann zerstritten, zumindest Albert und Karlmann mit Herbert. Warum, wird nicht recht deutlich; es ging wohl um die Zimmer- und Bettaufteilung, konkret ausgesprochen wird es nicht. So gelingt am Ende dann die Auflösung des Dramas: In Hamburg sitzen die drei Männer, Herren mag man sie nicht nennen, auf einer Bank, mit Rauschebärten und Stöcken, in dicken Jacke eingepackt. Ein ganz alltägliches Bild, möchte man erst meinen, solange man ihnen eben nicht auf die Hände schaut, in die blaue Tinte eingeritzt ist.
Erwähnenswert ist noch der Soundtrack des Films, den die Schweizer Band The Dead Brothers eingespielt haben und der auf dem großartigen Underground-Label Voodoo Rhythm, ebenfalls aus der Schweiz, erschienen ist. Die Dead Brothers spielen angeblich bevorzugt auf Trauerfeiern und ihre langsame, morbid angehauchte, hübsch schräge Musik, die sich irgendwo zwischen Matrosenkneipe und lakonischer Blas- und Tangomusik bewegt, macht einen dies gerne glauben. Sie runden den Film mit einer ganz eigenen melancholischen Komponente ab und tragen entschieden zu seinem Gelingen bei. Der Soundtrack, der, ohne dass ich den Film da schon gesehen hätte, zu meinen liebsten Platten des letzten Jahres zählte, wird zur Anschaffung empfohlen. Ein Stück kann man sich online hier anhören.
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Thema: Filmtagebuch
19. Juni 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Ein Mörder mit schwarzen Handschuhen geht um. Nicht nur, aber vor allem auch schöne Frauen zählen zu seinen Opfern. Es hat etwas mit Puppen zu tun, der Hauch von Trauma liegt in der Luft. Und ein seinerseits schwer traumatisierter Ermittler heftet sich an die Spuren, wälzt in den Archiven des Alten Europas nach kulturgeschichtlichen Spuren und findet die Lösung schließlich in einem abgebrannten Gemäuer, als es auch schon zu spät für seine neue Geliebte sein könnte ...
Das liest sich nicht neu, es ist es auch nicht. Eyes of Crystal ist ein Giallo, ein sehr spät nachgeschobener Vertreter jenes spezifisch italienischen Thrillers der 60er und 70er Jahre also, in denen psychopathologische Mörder mit einigem inszenatorischen Effekt brutale Morde begehen, während eine überforderte Polizei meist das Nachsehen hat, wohingegen der Zuschauer mit formästhetischem Liebreiz belohnt wird. Ein Genre, wen man es denn so nennen mag, das am direktesten und vielleicht auch am überzeugendsten aus der Trivial- und Schundliteratur übernommen wurde (selbst der Name, Giallo, italienisch für "gelb", war zunächst die Bezeichnung für die oft reißerisch illustrierten Romane). Das macht einiges deutlich: Der Giallo ist vor allem ein Genre für Manieristen und Handwerker, es geht um den reißerischen Effekt, mithin den Irrwitz, den vorrangig Trivialliteratur dieser Facon in ihren besten Momenten (und zumal in dieser Zeit) zeitigt.
Lange war es still gewesen um den Giallo, dessen Geburtshelfer, wie könnte es auch anders sein, Mario Bava war und den Dario Argento schließlich nach routinierten Beiträgen mit Profondo Rosso (zu deutsch "Tiefrot", man könnte diesen Titel auch als Augenzwinkern in Richtung Bava verstehen, der die Brillanz von Technicolor mit als erster in Italien derart auslotete) auf's Niveau brachte. Neben Western, Gothic-Grusel und hartem Polizeithriller war der Giallo das am meisten beackerte Feld der stark trendausgerichteten kommerziellen Filmmanufaktur Italiens. Argentos Nonhosonno, 2001 entstanden, war ein ganz ordentlicher, wenngleich nicht voll überzeugender Anschlussversuch; eher enttäuschend, da nur mäßig inspiriert, war Almost Blue aus dem Jahr 2000, der auch das ansonsten oft sehr leidensfähige und kritiklose Publikum des Fantasy Filmfest zu allenfalls verhaltenem Feedback bewog.
Und nun eben Eyes of Crystal, der, und das überrascht dann eben doch, mit einiger Routine sein künstlerisch mäßig anspruchsvolles Projekt entfaltet - und eben damit auch überzeugt. Gar nicht erst versucht wurde, den Look und das spezielle feeling der alten Gialli zu simulieren; es wäre auch ein sinnloses Unterfangen gewesen: Der Giallo lebt von seiner, gewissermaßen, historischen Naturwüchsigkeit, eine Rückbindung an vergangene Ästhetik, die sich nicht allein aus dem Stilwillen der Regisseure, sondern auch aus technik-, austattungs- und zeitgeisthistorischen Dispositiven ergab, hätte den Film von vorneherein zur bloßen Maskenrevue degradiert. Eyes of Crystal macht sich lediglich etablierte Motive und Themen des Giallo zunutze, übersetzt aber dessen Stil in ein zeitgemäßes Gewand, ohne freilich alle Tugenden - auffallend häufig erarbeitet der Film aus dem Profilmischen in sich sehr fragmentierte Kadragen, als gelte es, das verworrene Geflecht der Handlung noch in ein verworrenes Bild zu übersetzen - über Bord zu werfen.
Eyes of Crystal bietet keine kriminalistische Feinarbeit, keine sonderlich durchdachte Psychologisierung, er ist, letzten Endes, auch keine großartige Kunst; das freilich hat er mit dem klassischen Giallo gemein. Er bietet etwas Bizarrerie, einen Blick in den Abgrund allemal, dies alles im Zeichen schlicht routinierter, souveräner Handwerkskunst. Und dies immerhin macht in der Tat Freude, vor allem auch, weil das so "aus dem Takt" wirkt, so sympathisch anachronistisch, wie dennoch nicht vollkommen rückwärtsgewandt. Gutes Genre-Kino, ohne viel Sperenzchen drumherum, solide gedreht, mit Gespür für die Details, kein Kunstwollen, auch keine Portfolio-Denke sind zu bemerken; ein kleiner Glücksfall, der, so steht es zu erwarten, wohl für sich bleiben wird.
Für August ist eine deutsche DVD von Concorde Entertainment angekündigt.
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Thema: Filmtagebuch
Der Effekt ist derselbe, der sich schon bei der theoretisch nicht wirklich weit entfernten Dokumentation A Journey into the Mind of [P.] einstellte: Ein für sich genommen faszinierendes Thema - hier also der Unabomber, dort Thomas Pynchon -, das Gegenstand weitreichender Spekulationen, Verschwörungstheorien und paranoischer Überlegungen ist, gerinnt in einer dokumentarisch-essayistischen Aufarbeitung zur leicht drögen Aneinanderreihung von Möglichkeiten und Abwägungen, die sich nie allzu weit hinaus wagen. Dem Pynchon-Versuch gelingt es immerhin so einigermaßen, die Gründe für die Faszination dieses sonderbaren Autors mehr oder weniger schlüssig zu verdichten; Das Netz hingegen versammelt weitgehend disparate Zutaten eines ausgemachten Paranoia-Cocktails, ohne auch nur ansatzweise die Kunst des Shakens zu verstehen. Man mag dies als Stärke auslegen, da gar nicht erst versucht wird, in ein paranoisch strukturiertes Hirngebilde aus Mathematik, Konstruktivismus, Kybernetik, Krypto- und Psycho-Technologie, Maschinenstürmertum, Drogenexperimenten, früher Medientheorie und allen anderen Schnittmengen von Physik, Esoterik und Philosophie vorzudringen; der Nachteil aber ist, dass sich von dem Irrsinn nichts wirklich vermittelt, den solche Hyper-, Meta- und Anti-Wissenschaft (man denke, nur als Beispiel, an McLuhan, der in diesem Film auch immer mal wieder in Form eines Schlagworts um die Ecke linst) zuweilen zu zeitigen vermag (und wenn er auch keine Erkenntnis bringt, sondern nur, auf gewisse Weise, unterhaltsam oder eben gruselig im Sinne eines "What if...?" ist). Der Gegenstand selbst - besser: die Begründung für ihn jenseits des Bombenlegertums - entgleitet dem Film, die einzelnen Elemente werden zwar angetippt, nie aber in ein Mosaik zumindest der Möglichkeiten eingefügt. Es bleiben ein paar talking heads, die viel erzählen, was man mühsam selbst miteinander verbinden muss, und im Anriss vor die Linse der Kamera gelegte Fotos und andere Dokumente, die keinen Mehrwert außer ihrer grafischen Gestalt aufweisen.
Das große Rätsel also, dem der Film nachspürt, ergibt sich noch nicht einmal als Gegenstand so recht. Da hilft auch der eingangs eingeblendete Hinweis auf einen Mathematiker nichts, der zu der Erkenntnis kam, dass jedes formal-logische System sozusagen blinde Flecken aufweist, in denen die Realität ihrer Beweisbarkeit voraus ist.
Gewünscht hätte man sich weniger den Bericht von einer Reise durch die USA, bei der Lutz Dammbeck diverse Protagonisten aus oben genannten "Fachbereichen" interviewt. Eher stand ein auch formal und ästhetisch aufregendes Abenteuer wünschenswert zu hoffen, das schon in seiner Gestaltung etwas von der Enthobenheit von Figuren wie dem Unabomber erahnen lässt, die solche auch immer für die Popkultur interessant macht. Auch die nicht reizlose - und, wie ich denke, sich auch beweisbare - These vom Ursprung heutiger Technologie und der Kultur ihrer Anwendung aus eben diesem einen Punkt, wo sich Physik, Soziologie, Psychologie, Hippie-Visionen und CIA-Drogenexperimente treffen, steht nur als kleine Abenteuerlichkeit im Raum, ohne dass sie wirklich mit Fleisch belegt würde. Dies bleibt dem Zuschauer überlassen, der sich nun selbst, im Zeitalter von Wikipedia, durch die angetippten keywords klicken muss; ein paranoischer Surfer, ganz auf sich allein gestellt.
Das große Rätsel also, dem der Film nachspürt, ergibt sich noch nicht einmal als Gegenstand so recht. Da hilft auch der eingangs eingeblendete Hinweis auf einen Mathematiker nichts, der zu der Erkenntnis kam, dass jedes formal-logische System sozusagen blinde Flecken aufweist, in denen die Realität ihrer Beweisbarkeit voraus ist.
Gewünscht hätte man sich weniger den Bericht von einer Reise durch die USA, bei der Lutz Dammbeck diverse Protagonisten aus oben genannten "Fachbereichen" interviewt. Eher stand ein auch formal und ästhetisch aufregendes Abenteuer wünschenswert zu hoffen, das schon in seiner Gestaltung etwas von der Enthobenheit von Figuren wie dem Unabomber erahnen lässt, die solche auch immer für die Popkultur interessant macht. Auch die nicht reizlose - und, wie ich denke, sich auch beweisbare - These vom Ursprung heutiger Technologie und der Kultur ihrer Anwendung aus eben diesem einen Punkt, wo sich Physik, Soziologie, Psychologie, Hippie-Visionen und CIA-Drogenexperimente treffen, steht nur als kleine Abenteuerlichkeit im Raum, ohne dass sie wirklich mit Fleisch belegt würde. Dies bleibt dem Zuschauer überlassen, der sich nun selbst, im Zeitalter von Wikipedia, durch die angetippten keywords klicken muss; ein paranoischer Surfer, ganz auf sich allein gestellt.
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Thema: Filmtagebuch
Brokeback Mountain ist weniger ein Film über Queer Awareness, wohltuend ist er auch kein Plädoyer, kein politisches Projekt. Die Selbstverständlichkeit und Unaufgeregtheit, mit der er sich entfaltet, tut gut nach all der gutgemeinten, aber immer doch so grundfalschen Empörungssauce.
Wie eigentlich immer bei Ang Lee steht der emotionale Karst im Mittelpunkt. Brokeback Mountain trägt in seinem Kern das Melodram eines Mannes, der zu emotionalen Bindungen nicht fähig ist und sich darüber sein Leben zerstört. Erst die letzten Minuten - die vielleicht wichtigsten des Films - offenbaren ihm dies. Sein letzter Satz, auch der des Films, gesprochen in die Leere seiner Biografie, wirkt wie Resignation und Versprechen zugleich.
Nicht alles an Brokeback Mountain ist rund geraten; immer ist das auch ein Film des Oscar Genre, in dem der letztjährige Million Dollar Baby doch soviel gelungener war.
Nicht zuletzt aber ist er, wie alle Western, ein Film über Landschaft und in dieser Hinsicht gewiss einer der schönsten der letzten Jahre.
imdb ~ filmz.de ~ angelaufen.de
Wie eigentlich immer bei Ang Lee steht der emotionale Karst im Mittelpunkt. Brokeback Mountain trägt in seinem Kern das Melodram eines Mannes, der zu emotionalen Bindungen nicht fähig ist und sich darüber sein Leben zerstört. Erst die letzten Minuten - die vielleicht wichtigsten des Films - offenbaren ihm dies. Sein letzter Satz, auch der des Films, gesprochen in die Leere seiner Biografie, wirkt wie Resignation und Versprechen zugleich.
Nicht alles an Brokeback Mountain ist rund geraten; immer ist das auch ein Film des Oscar Genre, in dem der letztjährige Million Dollar Baby doch soviel gelungener war.
Nicht zuletzt aber ist er, wie alle Western, ein Film über Landschaft und in dieser Hinsicht gewiss einer der schönsten der letzten Jahre.
imdb ~ filmz.de ~ angelaufen.de
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Thema: Filmtagebuch
30. Mai 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Neulich in der finnischen Provinz: Der sonnenstudiogebräunte und hold belockte Jyrki ist nicht nur Besitzer der lokalen (und ziemlich ekligen – vegetarians, be warned!) Wurstfabrik, sondern auch ein Womanizer vor dem Herrn. Kaum ein Weibchen im Dorf, das er sich noch nicht angelacht hätte. Zwar wurmt das seine Gattin schon, doch duldet sie die Spielchen. Überspannt wird der Bogen jedoch, als er sich an die Freundin von einem seiner Fabrikarbeiter ranschmeißt. Der schnappt sich seinen Kumpel und schlägt den Fabrikbesitzer in dessen Büro kurzerhand zusammen. Blöd alleine, dass Jyrki dabei gleich vollends aus dem Leben scheidet.
Es folgt das übliche Spiel: Leiche wegschaffen, Zeugen bestechen, mit dem eigenen Gewissen hadern undsoweiter undsofort. Und in die Leerstelle des sozialen Gefüge der kleinen Ortschaft, die Jyrki hinterlässt, strömen bald allerlei Machtkämpfe und Übervorteilungen...
Kukkia ja Sidonataa bringt eigentlich alle Zutaten für eine hübsch schwarzhumorige Komödie über die conditio humaine mit. Ein bisschen Mord, ein bisschen Missgunst, eine störende Leiche, die eine oder andere unerwartete Wendung, nicht zuletzt ein großes Arsenal von Figuren, die allesamt an ihren Alltagsproblemen und Neurosen zu scheitern scheinen. Trotzdem, so recht mag das Gericht nicht munden. Die Figuren bleiben blass, ihre Handlungen wenig motiviert, der Humor blitzt nur an wenigen Stellen durch, überhaupt scheint der Film nicht so recht zu wissen, ob er nun Drama, Komödie oder Krimi sein will.
Auffällig ist hingegen die Präzision der fahrig durchs Geschehen huschenden Handkamera, die zwischen den erstaunlich kurzatmig gesetzten Schnitten immer wieder mit Effizienz ihre Bilder und entscheidenden Details einfängt. Insgesamt jedoch nur mäßig gelungen, zuweilen unkonzentriert.
imdb
Es folgt das übliche Spiel: Leiche wegschaffen, Zeugen bestechen, mit dem eigenen Gewissen hadern undsoweiter undsofort. Und in die Leerstelle des sozialen Gefüge der kleinen Ortschaft, die Jyrki hinterlässt, strömen bald allerlei Machtkämpfe und Übervorteilungen...
Kukkia ja Sidonataa bringt eigentlich alle Zutaten für eine hübsch schwarzhumorige Komödie über die conditio humaine mit. Ein bisschen Mord, ein bisschen Missgunst, eine störende Leiche, die eine oder andere unerwartete Wendung, nicht zuletzt ein großes Arsenal von Figuren, die allesamt an ihren Alltagsproblemen und Neurosen zu scheitern scheinen. Trotzdem, so recht mag das Gericht nicht munden. Die Figuren bleiben blass, ihre Handlungen wenig motiviert, der Humor blitzt nur an wenigen Stellen durch, überhaupt scheint der Film nicht so recht zu wissen, ob er nun Drama, Komödie oder Krimi sein will.
Auffällig ist hingegen die Präzision der fahrig durchs Geschehen huschenden Handkamera, die zwischen den erstaunlich kurzatmig gesetzten Schnitten immer wieder mit Effizienz ihre Bilder und entscheidenden Details einfängt. Insgesamt jedoch nur mäßig gelungen, zuweilen unkonzentriert.
imdb
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Thema: Filmtagebuch
26.04.2006, Kino Babylon-Berlin:Mitte

Gewiss einer der schönsten, wundersamsten und bizarrsten Filme, die ich je gesehen habe. Ein unvergleichliches Kinoerlebnis.
imdb ~ bmovies.de
Fridolin fand sich allein, und diese plötzliche Verlassenheit überfiel ihn wie Frost. Er sah um sich. In diesem Augenblick schien sich niemand um ihn zu kümmern. Vielleicht war jetzt noch eine letzte Möglichkeit, sich ungestraft zu entfernen. Was ihn trotzdem in seine Ecke gebannt hielt, wo er sich nun ungesehen und unbeachtet fühlen durfte – die Scheu vor einem ruhmlosen und etwas lächerlichen Rückzug, das ungestillte, quälende Verlangen nach dem wundersamen Frauenleib, dessen Duft noch um ihn strich; oder die Erwägung, daß alles, was bisher geschehen, vielleicht eine Prüfung seines Muts bedeutet hätte und daß ihm die herrliche Frau als Preis zufallen würde – das wußte er selbst nicht. Jedenfalls aber war ihm klar, daß diese Spannung nicht länger zu ertragen war und daß er auf alle Gefahr hin diesem Zustand ein Ende machen mußte. Wozu immer er sich entschlösse, das Leben konnte es nicht kosten. Er befand sich vielleicht unter Narren, vielleicht unter Wüstlingen, gewiß nicht unter Buben oder Verbrechern. Und es kam ihm der Einfall, unter sie hinzutreten, sich selbst als Eindringling zu bekennen und sich ihnen in ritterlicher Weise zur Verfügung zu stellen. Nur in solcher Art, wie mit einem edeln Akkord, durfte diese Nacht abschließen, wenn sie mehr bedeuten sollte als ein schattenhaft wüstes Nacheinander von düsteren, trübseligen, skurrilen und lüsternen Abenteuern, deren doch keines zu Ende gelebt worden war. Und aufatmend machte er sich bereit.(aus Arthur Schnitzler: Traumnovelle.)

Gewiss einer der schönsten, wundersamsten und bizarrsten Filme, die ich je gesehen habe. Ein unvergleichliches Kinoerlebnis.
imdb ~ bmovies.de
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Thema: Filmtagebuch
23. Februar 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Angst ist der glückliche Fall einer DVD-Veröffentlichung, die ein bislang weitgehend in Vergessenheit geratenes Meisterwerk schlagartig in die Filmgeschichte einsortiert. Der österreichische Regisseur (und heutige Werbefachmann) Gerard Kargl inszenierte diesen höchst intensiven Serienkillerfilm 1983 weitgehend aus eigener Tasche und verschuldete sich damit auf Jahre hin. Dieses Herzblut, diese Leidenschaft, dieses unbedingte Festhalten an der eigenen Vision spürt man Angst in jedem Moment ab. Angst ist sicherlich einer der gewagtesten, radikalsten und beeindruckendsten Versuche, sich dem Topos wie der Figur des Serienkillers maximal anzunähern - bis hin zur Grenze der Erträglichkeit. 1994 wurde der Film auf einem britischen Festival in einem Double Feature mit Jörg Buttgereits nicht minder genialem, wenn auch 10 Jahre später entstandenen Schramm programmiert; seitdem ist der damals zurecht tief beeindruckte Berliner Undergroundregisseur in der Mission unterwegs, Kargls Film in Erinnerung zu rufen. Nun endlich besteht dazu mit der von epiX veröffentlichten DVD Gelegenheit.
Der Film wird ganz durch die Figur des namenlos bleibenden Killers (gespielt von Erwin Leder, der in Das Boot 'Das Gespenst" gab) strukturiert - er ist die unmittelbare Instanz, durch seine Augen, seine Präsenz staffelt sich der fast ausschließlich in Echtzeit inszenierte Film. Anfangs wird er aus dem Knast entlassen, vor Jahren hatte er seine Mutter ermordet. Kaum auf freiem Fuße, macht er sich auf die Suche nach seinen nächsten Opfern, denn das Zuchthaus mag, wie er sagt, dazu da sein, Menschen zu bessern, doch den Drang, Menschen zu quälen, habe es ihm nicht austreiben können. Noch in der selben Nacht wird ein abgeschieden gelegenes Anwesen zum Schauplatz einer blutigen Tragödie ...
Angst zeigt keinen sardonischen Serienkiller, keinen de Sade'schen Philosophen, auch keinen nachts souverän durch Großstadtstraßen flanierenden Dandy, seine Figur wird kaum als pathologische Psychopathen-Abziehfolie geschildert und er ist auch kein popkompatibler Rächer des Puritanismus, wie man ihn aus US-Slashern der frühen 80er kennt. Es gibt keinen Masterplan, kein durchdachtes Vorgehen, nur den gehetzten Drang und dann schließlich den Rausch der Gewalt selbst, der doch nichts anderes ist als nackte, gehetzte Angst. Immer ist da der kongenial geschriebene und eingelesene Voiceover, der uns direkt in die Welt dieses Menschen holt, der nichts erläutert, nichts rechtfertigt, nur reflektiert und Emotionen schildert - dies allerdings in Form einer literarisierten Distanziertheit, die im Kontrast zu den eruptiven Bildern steht und einen oft genug erschaudern lässt.
Die hochgradig präzise Kameraarbeit - die das widerwärtig detailfreudige Close-Up wie die panoramahafte Totale gleichermaßen für die Effizienz des Films und sein Projekt zu nutzen weiß - tut ihr übriges, um uns ganz dicht an diese Figur zu führen und verleiht dem Film eine Wertigkeit, die anderen Beiträgen des Subgenres völlig abgeht. Hinzu kommt eine Soundstruktur, die das "Ohr des Films" immer dicht am Körper des Protagonisten verortet, selbst noch in der distanziertesten Aufnahme von einem schwindelerregend hohen Kran aus; und die wabernd sich steigernde Synthie-Musik weist geradezu hypnotische Qualitäten auf. In dieser genau in sich austarierten Anordnung der Formmittel findet nun Erwin Leder die Möglichkeit, sein expressives Spiel ganz auszureizen und dem Killer eine ungeahnte physische Präsenz zu verleihen. Selten hat man einen Schauspieler die unterschiedlichen Zustandsformen von Rausch, Sadismus, Gehetztheit und schierer Panik und das Hinübergleiten von einem Zustand in den nächsten besser darstellen sehen als hier.
Angst verweigert sich einer moralischen Positionierung, es gibt keine ermittelnde Instanz und keine vollständig befriedigende Erklärung, die ihrerseits nur Distanzierung ermöglichen würde. Angst ist ganz Anordnung, ganz experimentives Feld, in dem über den gezielten Einsatz der Formmittel der Zuschauer direkt affiziert und emphatisiert wird. Seine Haltung nähert sich dabei selten, ja fast nie dem Exploitativen an, sehr zu seinem Gewinn. Angst ist ernst gemeint, als Beitrag einer Kunst, die anhand ihrer Ästhetik Extremzustände erfahrbar machen will, und in jedem Moment hochkonzentriert. Darin ist er nichts anderes als meisterlich und eine echte Empfehlung wert.
imdb ~ weitere Informationen ~ Kritik von St. Höltgen ~ Interview mit Kargl

Der Film wird ganz durch die Figur des namenlos bleibenden Killers (gespielt von Erwin Leder, der in Das Boot 'Das Gespenst" gab) strukturiert - er ist die unmittelbare Instanz, durch seine Augen, seine Präsenz staffelt sich der fast ausschließlich in Echtzeit inszenierte Film. Anfangs wird er aus dem Knast entlassen, vor Jahren hatte er seine Mutter ermordet. Kaum auf freiem Fuße, macht er sich auf die Suche nach seinen nächsten Opfern, denn das Zuchthaus mag, wie er sagt, dazu da sein, Menschen zu bessern, doch den Drang, Menschen zu quälen, habe es ihm nicht austreiben können. Noch in der selben Nacht wird ein abgeschieden gelegenes Anwesen zum Schauplatz einer blutigen Tragödie ...
Angst zeigt keinen sardonischen Serienkiller, keinen de Sade'schen Philosophen, auch keinen nachts souverän durch Großstadtstraßen flanierenden Dandy, seine Figur wird kaum als pathologische Psychopathen-Abziehfolie geschildert und er ist auch kein popkompatibler Rächer des Puritanismus, wie man ihn aus US-Slashern der frühen 80er kennt. Es gibt keinen Masterplan, kein durchdachtes Vorgehen, nur den gehetzten Drang und dann schließlich den Rausch der Gewalt selbst, der doch nichts anderes ist als nackte, gehetzte Angst. Immer ist da der kongenial geschriebene und eingelesene Voiceover, der uns direkt in die Welt dieses Menschen holt, der nichts erläutert, nichts rechtfertigt, nur reflektiert und Emotionen schildert - dies allerdings in Form einer literarisierten Distanziertheit, die im Kontrast zu den eruptiven Bildern steht und einen oft genug erschaudern lässt.
Die hochgradig präzise Kameraarbeit - die das widerwärtig detailfreudige Close-Up wie die panoramahafte Totale gleichermaßen für die Effizienz des Films und sein Projekt zu nutzen weiß - tut ihr übriges, um uns ganz dicht an diese Figur zu führen und verleiht dem Film eine Wertigkeit, die anderen Beiträgen des Subgenres völlig abgeht. Hinzu kommt eine Soundstruktur, die das "Ohr des Films" immer dicht am Körper des Protagonisten verortet, selbst noch in der distanziertesten Aufnahme von einem schwindelerregend hohen Kran aus; und die wabernd sich steigernde Synthie-Musik weist geradezu hypnotische Qualitäten auf. In dieser genau in sich austarierten Anordnung der Formmittel findet nun Erwin Leder die Möglichkeit, sein expressives Spiel ganz auszureizen und dem Killer eine ungeahnte physische Präsenz zu verleihen. Selten hat man einen Schauspieler die unterschiedlichen Zustandsformen von Rausch, Sadismus, Gehetztheit und schierer Panik und das Hinübergleiten von einem Zustand in den nächsten besser darstellen sehen als hier.
Angst verweigert sich einer moralischen Positionierung, es gibt keine ermittelnde Instanz und keine vollständig befriedigende Erklärung, die ihrerseits nur Distanzierung ermöglichen würde. Angst ist ganz Anordnung, ganz experimentives Feld, in dem über den gezielten Einsatz der Formmittel der Zuschauer direkt affiziert und emphatisiert wird. Seine Haltung nähert sich dabei selten, ja fast nie dem Exploitativen an, sehr zu seinem Gewinn. Angst ist ernst gemeint, als Beitrag einer Kunst, die anhand ihrer Ästhetik Extremzustände erfahrbar machen will, und in jedem Moment hochkonzentriert. Darin ist er nichts anderes als meisterlich und eine echte Empfehlung wert.
imdb ~ weitere Informationen ~ Kritik von St. Höltgen ~ Interview mit Kargl

° ° °
Thema: Filmtagebuch
01. Februar 06 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
"It's pretty! Everything should be pretty!"
- Geum-Ja

Anfang der 90er bekannte sich die damals 19-jährige Geum-Ja des Mordes an einem Kind schuldig und wurde zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt; freilich war sie unschuldig, der eigentliche Mörder ist ihr Liebhaber, ein Lehrer, für den sie sich aufopfert. Da sie, was zu erwarten war, hintergangen wird, nutzt sie die Zeit hinter Gittern und schmiedet einen perfiden Racheplan, dessen einzelne Glieder sich nach ihrer Entlassung minutiös (und blutig) ineinander fügen ...
Nach Sympathy for Mr. Vengeance und everyone's darling Oldboy schließt Park Chan-Wook mit Sympathy for Lady Vengeance seine Rachetrilogie ab und treibt dabei die kontinuierlich in der Reihe entwickelte, überdrehte Formsprache auf den Höhepunkt. Dies zeitigt, ohne Zweifel, einige der schönsten Bilder, die man im - nennen wir es so - glossy cinema in jüngster Zeit zu Gesicht bekommen konnte. Schon der Vorspann ist ein elegantes, regelrecht anschmiegsames Gedicht aus fahlem Weiß und tiefem Rot; im weiteren Filmverlauf findet Park Chan-Wook immer wieder Möglichkeiten zu hübschen, wenn auch sinnbefreiten Vignetten, die wie Puderzucker über den Film verstreut sind. Plastik-Bonbon-Kitsch ist das Ergebnis, der hart mit den oft fürchterlich physischen Gewaltexzessen kontrastiert.

Und eben dies ist das Problem des Films. Da sich die Spielhandlung noch etwas ungeschickter fragmentiert als bei Oldboy (wo das auch schon nicht recht aufgehen wollte), verliert man sich irgendwann in den optischen Zuckerlis, die der Film einem vor die Füße wirft. Und dies ermüdet auf lange Sicht, da Park Chan-Wook zwar ein Techniker und Handwerker ist, der weiß, mit welchem Knöpfchen er welchen bildästhetischen Effekt erzielt, aber leider nicht ganz so genau weiß, welchem Zweck jenseits der bloßen Bildebene dies dienlich sein könnte. Alles auf seltsam blödsinnige Weise "hübschhübsch", aber eben nie zwingend oder gar tragend und von daher herrlich unerheblich für den Ablauf der Dinge oder das "Informationsmanagment" der fabula, deren vitale Entfaltung - und gerade diese wäre doch in einem revenge movie dringend nötig - durch solche Manöver so konsequent wie unnötig torpediert wird. Vermochte Sympathy for Mr. Vengeance noch etwas über die Lust und Grausamkeit der Rache - immerhin ein Topos, dessen Tabu im Alltag ein Grundmaß für den Prozess der Zivilisierung einer Gesellschaft stellt und somit ein dauerhaft brennendes Thema - auszusagen, begannen in Oldboy bereits spürbar die ersten Metastasen eines vom Sujet sich manieriert lösenden Stilismus zu wuchern, die nun, in Sympathy for Lady Vengeance, endgültig das Ruder übernommen haben, um die ästhetische Produktion nach ihren Bedingungen zu diktieren.
Bleiben ein paar hübsche, sinnlos nebeneinander stehende Bilder, die man sich ohne weiteres gerahmt an die Wand hängen könnte. Die Eignung zum Fotografen sei Park Chan-Wook deshalb hiermit ausgesprochen.
imdb
- Geum-Ja

Anfang der 90er bekannte sich die damals 19-jährige Geum-Ja des Mordes an einem Kind schuldig und wurde zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt; freilich war sie unschuldig, der eigentliche Mörder ist ihr Liebhaber, ein Lehrer, für den sie sich aufopfert. Da sie, was zu erwarten war, hintergangen wird, nutzt sie die Zeit hinter Gittern und schmiedet einen perfiden Racheplan, dessen einzelne Glieder sich nach ihrer Entlassung minutiös (und blutig) ineinander fügen ...
Nach Sympathy for Mr. Vengeance und everyone's darling Oldboy schließt Park Chan-Wook mit Sympathy for Lady Vengeance seine Rachetrilogie ab und treibt dabei die kontinuierlich in der Reihe entwickelte, überdrehte Formsprache auf den Höhepunkt. Dies zeitigt, ohne Zweifel, einige der schönsten Bilder, die man im - nennen wir es so - glossy cinema in jüngster Zeit zu Gesicht bekommen konnte. Schon der Vorspann ist ein elegantes, regelrecht anschmiegsames Gedicht aus fahlem Weiß und tiefem Rot; im weiteren Filmverlauf findet Park Chan-Wook immer wieder Möglichkeiten zu hübschen, wenn auch sinnbefreiten Vignetten, die wie Puderzucker über den Film verstreut sind. Plastik-Bonbon-Kitsch ist das Ergebnis, der hart mit den oft fürchterlich physischen Gewaltexzessen kontrastiert.

Und eben dies ist das Problem des Films. Da sich die Spielhandlung noch etwas ungeschickter fragmentiert als bei Oldboy (wo das auch schon nicht recht aufgehen wollte), verliert man sich irgendwann in den optischen Zuckerlis, die der Film einem vor die Füße wirft. Und dies ermüdet auf lange Sicht, da Park Chan-Wook zwar ein Techniker und Handwerker ist, der weiß, mit welchem Knöpfchen er welchen bildästhetischen Effekt erzielt, aber leider nicht ganz so genau weiß, welchem Zweck jenseits der bloßen Bildebene dies dienlich sein könnte. Alles auf seltsam blödsinnige Weise "hübschhübsch", aber eben nie zwingend oder gar tragend und von daher herrlich unerheblich für den Ablauf der Dinge oder das "Informationsmanagment" der fabula, deren vitale Entfaltung - und gerade diese wäre doch in einem revenge movie dringend nötig - durch solche Manöver so konsequent wie unnötig torpediert wird. Vermochte Sympathy for Mr. Vengeance noch etwas über die Lust und Grausamkeit der Rache - immerhin ein Topos, dessen Tabu im Alltag ein Grundmaß für den Prozess der Zivilisierung einer Gesellschaft stellt und somit ein dauerhaft brennendes Thema - auszusagen, begannen in Oldboy bereits spürbar die ersten Metastasen eines vom Sujet sich manieriert lösenden Stilismus zu wuchern, die nun, in Sympathy for Lady Vengeance, endgültig das Ruder übernommen haben, um die ästhetische Produktion nach ihren Bedingungen zu diktieren.
Bleiben ein paar hübsche, sinnlos nebeneinander stehende Bilder, die man sich ohne weiteres gerahmt an die Wand hängen könnte. Die Eignung zum Fotografen sei Park Chan-Wook deshalb hiermit ausgesprochen.
imdb
° ° °
lol