Thema: Filmtagebuch
01. Dezember 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
29.11., Heimkino
In mehrfacher Hinsicht ein Film über das Aufdecken. Da ist zum einen das kriminlogische Element des Plots, wie der junge Peter (Keith Gordon) den Mord an seiner Mutter (im übrigen, wie so oft bei de Palma, unter Zuhilfenahme der konstitutiven Elemente des Films: Akustik und Optik) aufdecken will. Dann, auf einer anderen Ebene, deckt de Palma selbst mit diesem Film den Hitchcock im Giallo auf: Dressed to Kill ist narrativ wie strukturell ein (wenn auch loses) Remake von Psycho (USA 1960), mit den drastischen Mitteln der spezifisch italienischen Auslegung des (obsessiven) Thrillers der 60er und 70er Jahre, eben des Giallos, umgesetzt. Aufgedeckt wird, wie der Giallo von Hitchcock kam, wie er das bebilderte, wovon Hitchcock immer erzählte, aber nie - vermutlich, weil man ihn damit nicht hätte davonkommen lassen - in aller Deutlichkeit zeigte. Ein raffiniertes Spiel, das de Palma da mit dem Zuschauer treibt und das eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass der Epigone weit weniger Plagiate abliefert, sondern eher schon Arbeitsstudien anfertigt, durch seine Filme hindurch Hitchcock erforscht. Unmöglich fast, dabei nicht den jungen de Palma vor Augen zu haben, der nachmittagelang Radios zerlegte, um im Prozess der Rekonstruktion ihre Funktionsweise zu erlernen. Der junge Peter im Film, das ist de Palma selbst.
imdb | mrqe | de palma:tv-termine
In mehrfacher Hinsicht ein Film über das Aufdecken. Da ist zum einen das kriminlogische Element des Plots, wie der junge Peter (Keith Gordon) den Mord an seiner Mutter (im übrigen, wie so oft bei de Palma, unter Zuhilfenahme der konstitutiven Elemente des Films: Akustik und Optik) aufdecken will. Dann, auf einer anderen Ebene, deckt de Palma selbst mit diesem Film den Hitchcock im Giallo auf: Dressed to Kill ist narrativ wie strukturell ein (wenn auch loses) Remake von Psycho (USA 1960), mit den drastischen Mitteln der spezifisch italienischen Auslegung des (obsessiven) Thrillers der 60er und 70er Jahre, eben des Giallos, umgesetzt. Aufgedeckt wird, wie der Giallo von Hitchcock kam, wie er das bebilderte, wovon Hitchcock immer erzählte, aber nie - vermutlich, weil man ihn damit nicht hätte davonkommen lassen - in aller Deutlichkeit zeigte. Ein raffiniertes Spiel, das de Palma da mit dem Zuschauer treibt und das eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass der Epigone weit weniger Plagiate abliefert, sondern eher schon Arbeitsstudien anfertigt, durch seine Filme hindurch Hitchcock erforscht. Unmöglich fast, dabei nicht den jungen de Palma vor Augen zu haben, der nachmittagelang Radios zerlegte, um im Prozess der Rekonstruktion ihre Funktionsweise zu erlernen. Der junge Peter im Film, das ist de Palma selbst.imdb | mrqe | de palma:tv-termine
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Thema: Filmtagebuch
27. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
Das Spiel ist altbekannt: Ist ein Genre (oder ein Motiv) erst mal gut abgehangen und lange Zeit nicht mehr beackert worden, zerrt es irgendwer wieder aus den Kellern der Filmgeschichte empor. Legitimität verleiht man dem meist unter Argumentierung einer Authentizität, die sich nunmehr entweder auf historisch-narrativer oder auf ästhetischer Ebene einstelle. So nimmt es nicht viel Wunder, dass Peter Weir sich in seiner Belebung des klassischen Seefahrerfilms - nach Pirates of the Carribean bereits die zweite dieses Jahr, wenn auch zu diesem sich geradezu antithetisch verhaltend - auf Patrick O'Brians Romanreihe Master and Commander stützt, die sich weit weniger auf die epischen Qualitäten des Segelns unter britischer Flagge konzentriert, sondern um eine Vermittlung des beinharten Alltags auf hoher See bemüht ist.In dieser mehrere Bücher verschmelzenden Adaption geht es Weir nun vor allem um die ökonomischen Bedingungen, unter denen die kriegerische Seefahrt wohl stattgefunden hat, wie schon die ersten Inserts verdeutlichen: Im frühen 19. Jahrhundert ist der Ozean ein Schlachtfeld, die Surprise ist ein Schiff mit 28 Kanonen und 197 Seelen, dann der schlichte Auftrag der britischen Krone: Erlegt die französische Acheron. Harte Fakten, stichpunktartige Hintergrundinformationen, keine langwierige biografische, historische oder schlicht narrative Exposition, die einer Epik dienlich wäre. Dafür aber Detailaufnahmen im dichten Nebel, schmieriger Schmutz und Hunderte von dicker Tau die das Bild vom Deck zerschneiden und den Überblick erschweren. Kapitän Aubrey (Russell Crowe) liegt auf der Lauer - hat man da was gesehen, da draußen im Nebel? Als es dort zu blitzen beginnt, ist es eigentlich schon zu spät: Mit jedem Einschlag der Kanonenkugeln zerbirst massives Holz in Myriaden kleinster Spreißel, eine atemberaubende Soundkulisse verstärkt den Eindruck totaler Zerstörung. Chaos bricht aus, der Bauch des Schiffs: bestenfalls ein Sarg. Die subjektive Kameraführung erhöht die Authentizität drastisch: Jeder Blitz am Bug des gegnerischen Schiffs zieht unweigerlich die innere Anspannung des Zuschauers nach sich - das Gefühl der physischen Bedrohung, auch diesseits der Leinwand, ist perfekt.
Nach diesem Schock nimmt sich der Film viel Zeit. Zwar ist man schwer beschädigt aus dem Gefecht hervorgegangen, aber eben nicht besiegt. Und Aubrey ist - eine kurze Zeitlupe während der Schlacht lässt dies bereits erahnen - eine Kämpfernatur. Mag die Acheron - im übrigen ein bis zum Ende anonym bleibender MacGuffin - auch größer und schneller sein, mag sie mehr und weitreichendere Kanonen besitzen, irgendein Weg findet sich immer. Und Aubrey weiß die Mannschaft hinter sich. Nicht etwa, was sich schnell erschließt, aus Nibelungentreue oder ähnlich romantischen Gründen, alleine schon die Situation gebietet das: Man sitzt buchstäblich im selben Boot, das nur die Hölle auf Erden ist. Man macht Tabula rasa, die unerbitterliche Ökonomie auf hoher See nimmt ihren Lauf: Arme werden amputiert, Operationen durchgeführt, eine neue Gallionsfigur geschnitzt, Segel repariert, allzu unnütz Gewordenes über Bord geworfen oder, wie später, bei Wind und Wetter über Bord gegangene Matrosen nicht gerettet: Dies hielte zulange auf, wo Zeit ein unschätzbarer Vorteil, auch für das Überleben der restlichen Mannschaft, ist. Dem schließt sich eine Litanei der Gezeiten und des Klimas an: Es geht durch orkanartige Stürme, eisigen Schnee, lähmende Hitze. Die Physis, auf die Master and Comannder hin inszeniert ist und die sich in einer Lust an der Textur und dem schmutzverdreckten Detail manifestiert, kommt hier voll zum Tragen. Das teils sehr behäbige Erzähltempo indes lässt ein Gefühl für die Zeit und den Leerlauf auf hoher See entstehen, wo die Verfolgung eines Schiffs mitunter Tage, wenn nicht Wochen beansprucht. Wer dem einen Actionfilm suggerierenden Trailer auf den Leim geht, könnte hier zugegeben eine mittelschwere Enttäuschung erleben. Doch das wäre schade, ist doch das betont langsame Element der Erzählung ihre eigentliche Stärke.An Bord entwickelt sich nämlich ein Konflikt zwischen dem Kapitän und dem Schiffsarzt Maturin (Paul Bettany), der einzige an Bord, zu dem ein offen freundschaftliches Verhältnis zu bestehen scheint. Und dieser Konflikt ist nicht ohne Reiz: Wo Aubrey treu dem Befehl der Krone Folge leisten will, drängt es Maturin ganz in der Tradition Darwins nach Forschungsarbeiten an der exotischen Fauna dieser Breiten. Man hätte diesem Konflikt wohl mit Leichtigkeit bestimmenden Charakter für die Erzählung verleihen können, hat sich aber, zum Glück, anders entschieden: Vielmehr entwachsen diesem Konflikt letztendlich nur die entscheidenden Denkanstöße für die eigentliche Mission, die erst durch die Überwindung der Unabrückbarkeit des jeweiligen Standpunkts überhaupt angegangen werden kann. Obwohl dieser königliche Auftrag stellenweise komplett in den Hintergrund tritt, verbindet das brillante Drehbuch am Ende doch alle Episoden, Details und Charakterentwicklungen zu einem schlüssigen und mitreißend inszenierten Finale.
Weir ist ein echter Glücksgriff gelungen: Ohne sich in Retrogefilde zu verirren, verbindet er alte Traditionen des großen Erzählkinos mit modernster Ausstattungskunst und Inszenierungstechnik und beweist dergestalt, dass Krisen wie die derzeitige des Mainstreamkinos ohne weiteres auch als Chance begriffen werden dürfen. Ein Sequel wird nicht nur durch den finalen Kniff in der Spielhandlung bereits angedeutet, auch der Titel selbst stellt schon ein solche zumindest als Option in den Raum. Selten wohl hat man sich während eines Abspanns stärker gewünscht, bereits in einem entsprechenden Double Feature zu sitzen.
Ab 27.11. im Verleih der Fox im Kino.
>> Master and Commander - Bis ans Ende der Welt (Master and Commander - The Far Side of the World, USA 2003)
>> Regie: Peter Weir
>> Darsteller: Russell Crowe, Peter Bettany, James D'Arcy,
Edward Woodall, Chris Larkin, Max Pirkis, u.a.;
imdb | offizielle site | mrqe | links@filmz.de
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Thema: Filmtagebuch
26.11., UCI Kinowelt Friedrichshain
Der diskrete Charme wattiger Familienunterhaltung. Nicht so brachial verkleistert/-nd wie vergleichbare Ware der Konzernmutter Disney, auf Gesangseinlagen wartet man glücklicherweise vergebens. Natürlich, das ist alles so trivial wie harmlos und auch unerheblich. Und trotzdem machen die liebevoll gezeichneten Schrulligkeiten der Charaktere Spaß: Jeder lebt so als eine kleine Welt für sich in einer Welt der Größe eines Ozeans und kommt so irgendwie zurecht. Da gibt es vegetarische Haie, Fische mit memento-haftem Gedächtnisschwund, verhuscht blubberblasenliebende Aquariumsbewohner (mein heimlicher Favorit) und weiß nicht, was noch alles. Vergleichsweise blass dagegen schon Nemo selbst und sein Vater, der ihn sucht - deren Geschichte dient letztendlich nur der Legitimation dieser Weltenkonstruktion. Und diese erweist sich als höchst gelungen: Selbst noch nach der Monster AG (USA 2001), die dahingehend Standards setzte, ist es hier wieder aufs Neue erstaunlich, wieviel Emotion ein paar Pixel auszudrücken vermögen: Die Tendenz geht hin zum Vertuschen des eigenen Ursprungs, was einem schnell dämmert, ertappt man sich dabei, doch tatsächlich vergessen zu haben, Bits und Bytes bei der Arbeit zuzusehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist (weil: die Illusion fotorealistischer Darstellung kann doch nun nicht wirklich Anliegen der Computeranimation sein, was für eine Verschwendung an Potential!).
Am Ende ist alles wieder gut, damit ist nicht zuviel verraten. Man kann dem zuschauen, ohne, wie bei Muttern, Brechreiz zu kriegen. Das ist doch ganz gut soweit. Unterm Strich war die Monster AG dann aber doch unterhaltsamer und ich möchte fast sagen: beeindruckender. Weil, wenn man mal ehrlich ist: Diese Welt war doch weit komplexer, es gab mehr zu sehen, weil man eben nicht dauernd, böse gesagt, durch blaues Wasser schwamm. Und letzten Endes geht man, wird man nicht gerade vom Nachwuchs in die Pflicht genommen, doch wirklich nur wegen dem Schauwert in diesen Film. Das hat man mit den ersten Kinogängern zu Paris irgendwann Ende 19. Jahrhundert gemein.
imdb | mrqe | links@filmz.de | angelaufen.de
Der diskrete Charme wattiger Familienunterhaltung. Nicht so brachial verkleistert/-nd wie vergleichbare Ware der Konzernmutter Disney, auf Gesangseinlagen wartet man glücklicherweise vergebens. Natürlich, das ist alles so trivial wie harmlos und auch unerheblich. Und trotzdem machen die liebevoll gezeichneten Schrulligkeiten der Charaktere Spaß: Jeder lebt so als eine kleine Welt für sich in einer Welt der Größe eines Ozeans und kommt so irgendwie zurecht. Da gibt es vegetarische Haie, Fische mit memento-haftem Gedächtnisschwund, verhuscht blubberblasenliebende Aquariumsbewohner (mein heimlicher Favorit) und weiß nicht, was noch alles. Vergleichsweise blass dagegen schon Nemo selbst und sein Vater, der ihn sucht - deren Geschichte dient letztendlich nur der Legitimation dieser Weltenkonstruktion. Und diese erweist sich als höchst gelungen: Selbst noch nach der Monster AG (USA 2001), die dahingehend Standards setzte, ist es hier wieder aufs Neue erstaunlich, wieviel Emotion ein paar Pixel auszudrücken vermögen: Die Tendenz geht hin zum Vertuschen des eigenen Ursprungs, was einem schnell dämmert, ertappt man sich dabei, doch tatsächlich vergessen zu haben, Bits und Bytes bei der Arbeit zuzusehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist (weil: die Illusion fotorealistischer Darstellung kann doch nun nicht wirklich Anliegen der Computeranimation sein, was für eine Verschwendung an Potential!).Am Ende ist alles wieder gut, damit ist nicht zuviel verraten. Man kann dem zuschauen, ohne, wie bei Muttern, Brechreiz zu kriegen. Das ist doch ganz gut soweit. Unterm Strich war die Monster AG dann aber doch unterhaltsamer und ich möchte fast sagen: beeindruckender. Weil, wenn man mal ehrlich ist: Diese Welt war doch weit komplexer, es gab mehr zu sehen, weil man eben nicht dauernd, böse gesagt, durch blaues Wasser schwamm. Und letzten Endes geht man, wird man nicht gerade vom Nachwuchs in die Pflicht genommen, doch wirklich nur wegen dem Schauwert in diesen Film. Das hat man mit den ersten Kinogängern zu Paris irgendwann Ende 19. Jahrhundert gemein.
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Thema: Filmtagebuch
Im Jahr 1974 steckten die britischen Hammer Studios bereits knietief in der Krise. Das Publikum war über die Jahre hinweg der immer wiederkehrenden Variationen klassischer Universal-Stoffe müde geworden. Aus den USA kam längst schon eine neue Welle an härteren, zeigefreudigeren, vor allem aber authentischeren Horrorfilmen - die früheren Splatterfilme -, mit denen ein vergleichsweise träger Frankenstein oder Dracula schon lange nicht mehr mithalten konnte. Und aus Hongkong machten sich die zunehmend an Popularität gewinnenden Eastern mit ihrem neuen, dynamischen Entwurf eines Kinos der in Szene gesetzten Körper auf, die heißumkämpften Kinosäle in Beschlag zu nehmen. Solche Zeiten der Auflösung sind es, die - wirtschaftlich, sozial wie eben auch kulturell und somit letztlich auch filmhistorisch - neue Wege gangbar machen, Fusionen und Verdichtungen anstreben. Etwas Neues musste also her, etwas, das verschiedenste Interessengruppen des gesamten Publikumspektrums ansprechen würde, an diese knallig verkauft werden und sie somit gemeinsam in den Lichtspielhäusern versammeln könnte, unter Berücksichtigung einer möglichst kostengünstigen Produktion versteht sich. Das Resultat: Legend of the 7 Golden Vampires, eine Co-Produktion mit den auf Genrefilme kaprizierten Shaw Brothers aus Hongkong und eben dort auch zur Gänze on location gedreht.Für Hammer-Puristen gewiss ein Graus, entpuppt sich dieser Film jedoch - bei allem Bedauern für das Studio, das einen im direkten Vergleich dieses Films mit den gediegenen Gruselfilmen der frühen Sechzigerjahre befallen mag - als quirlige Trash-Granate mit hohem Unterhaltungswert. Professor Van Helsing (Peter Cushing), Experte für das Okkulte, verschlägt es für eine Vorlesungsreihe ins ferne China, wo ihm die jungen Studenten - trotz aller Beschwörungen, dass er doch wisse, wovon er spreche - nur mit Spott und Unglauben begegnen. Allein der junge Hsi Ching (David Chiang) schenkt dem Briten Glauben. Mit gutem Grund: In einer ruhigen Minute bittet Ching Van Helsing um Hilfe, kommt er doch aus einem Dorf in der chinesischen Provinz, das seit Jahrzehnten von einer Heerschar an Vampiren heimgesucht wird. Vor einem Jahrhundert hatte der Urgroßvater des Studenten den Mut besessen, den blutigen Ritualen der sieben Vampire - aus dem Dorf entführte, junge Mädchen werden gefoltert und blutig geopfert - entgegen zu treten. Einer der Blutsauger konnte dabei vernichtet, das goldene, fledermausförmige Medaillon - jeder der Vampire trägt ein solches - entwendet werden. Seitdem halten die verbliebenen Vampire begierig Ausschau nach dem Verbleib des Ornaments, liegt darin doch deren Macht begründet. Sollten sie es in die Finger kriegen, so könnten sie ihren alten Gefährten wiederbeleben und zu alter Macht zurückzufinden. Van Helsing sagt dem jungen Studenten seine Hilfe zu und bald macht man sich, mit einigen anderen Engländern, auf den langen, gefährlichen Weg in die entlegene Provinz. Doch Van Helsing ahnt noch nicht, dass sein alter Gegenspieler, Graf Dracula (John Forbes-Robertson), ebenfalls den langen Weg von den Karpaten nach China angetreten ist ...
Was soll man sagen? Freunde gediegener Filmkunst wird man mit diesem Film sicherlich jagen können, alle anderen, die gerne noch auf filmische Entdeckungsreise gehen und ein Herz für unbekümmertes und wildes Genrekino vergangener Tage haben, sind indes herzlich eingeladen. Legend ist eine kleine Wundertüte mit herrlich naivem, oftmals hemmungslos unbekümmert abwegigem Krimskrams drin: Peter Cushing inmitten von schwertschwingenden Kung-Fu-Vampiren, allesamt mit goldenen Masken und - so richtig inkompatibel zu dem in unseren Breiten herrschenden Vampirbild - wilder Haarpracht und modriger Hauttextur versehen, das ist ein Bild für die Götter. Wie überhaupt das Spektakel äußerst liebevoll und farbenfroh in Szene gesetzt wurde: Die Höhlen und Gemäuer sind stimmungsvoll aus Pappmaché modelliert, die darin Agierenden werden knallebunt angestrahlt, was Geisterbahnflair entstehen lässt und eher schon der italienischen Tradition des Gruselfilms verpflichtet scheint. Besonders die Szene gleich zu Beginn - ein Hohepriester aus China sucht Graf Dracula (interessanter- wie wenig nachvollziehbarerweise in dieser Inkarnation fast schon tuntiger geschminkt als Tim Curry in seiner Verkörperung des Frank N. Furter in der Rocky Horror Pictuer Show (GB 1975) ) in seinem Schloss auf, um ihn zu einem finstren Pakt zu bewegen - ist dergestalt in schönstem Scope eingefangen. Auch die Sequenz, in der die Vampire ihre Armee an Untoten aus den Gräbern auferstehen lassen, gehören zu den großartigen Momenten dieser kleinen Perle von einem B-Movie: Wunderschön sind die skelettierten Wesen anzusehen, wie sie sich aus dem Boden graben oder auf Pferden durch die Nacht reiten, allesamt eher an die fernöstliche Bildtradition der Untotendarstellung angelehnt, die eher noch mit offensichtlichen Masken zu arbeiten bereit ist als die westliche. Und entgegen des Zombies im westlichen Gruselfilm sind die hier dargebotenen lebenden Toten auch noch äußerst agil: Mit Klingen bewehrt scheuen sie kein Gefecht, auch den Martial Arts gegenüber sind sie aufgeschlossen. Und natürlich ist ein Vampir in China etwas anderes als ein Vampir in Mitteleuropa: Kreuze helfen hier nicht viel, nein, eine kleine Buddhastatue schreckt die Kreaturen ab - man muss sich den regional-esoterischen Gegebenheiten schließlich anpassen.Die Spielhandlung ist gewiss naiv und voller Insuffizienzien, keine Frage. Doch das tut dem munteren Treiben keinen Abbruch. Warum Van Helsing so wichtig für diese Expedition ist, bleibt herzlich unklar. Cushing steht dem oft wirren Treiben eigentlich meist nur unbeteiligt gegenüber, gibt ab und an so kluge, wie unnötige Anweisungen - "Stoßt in ihr Herz!" -, schafft es allerdings auch an einer Stelle selbst, im munteren Handgemenge einen Kung-Fu-Vampir zu richten. Letzten Endes bleibt er aber doch nur Schauwert für ein Publikum, das an Cushing in einem Horrorfilm, mit Vampiren zumal, gewöhnt ist. Auch erscheint die Handlung im wesentlichen selbstzweckhaft und unmotiviert: Warum man nun kurz nach Aufbruch der Expedition von einer Horde Schurken auf offenem Feld überfallen wird, wird weder erklärt, noch wird im Nachhinein näher darauf eingegangen. Es passiert eben, sorgt aber immerhin für ein paar knallige körperliche Auseinandersetzungen. Warum die Vampire jungen Damen während der Attacken gerne die Bluse runterreißen, hat wohl ebenfalls eher mit visuellen Qualitäten zu tun als mit narrativer Dringlichkeit. Hier, vor allem aber in den Ritualszenen, findet sich, für den Laien vielleicht nicht gleich ersichtlich, dann auch das Echo einer ganz eigenen Hongkong-Filmtradition: Das naiv-sadistische Torture-Movie für das Chor Yuens Meisterwerk Intimate Confessions of a Chinese Courtesan (HK 1972), auf der diesjährigen Berlinale im Rahmen einer Retrospektive zu sehen (und hier eine sehr ausführliche Betrachtung von =MAERZ= auf jump-cut.de), emblematisch steht. Gipfel dieses offen vor sich hergetragenen Exploitation-Habitus ist der Moment, als sich Vanessa Buren (Julie Ege) selbst, vor Hitze stöhnend, vor der Linse die Bluse auszieht und weitergeht: Dramaturgisch wie narrativ natürlich vollkommen sinnlos, allein die vage Ahnung von Brustkonturen unter einem britischen Korsett rechtfertigt diese Szene: Symptom und Ausdruck einer ganz eigenen Welt des Filmverständnisses.
Diese Schwächen sollten einen nicht beirren. Legend of the Golden Vampires hat mit heutigen Werten und Verständnissen der Filmwelt und wie sie sich organisiert nur wenig gemein: Noch war es George Lucas mit Star Wars (USA 1977) - zumindest in der Besetzungsliste im übrigen ebenfalls Hommage wenn schon nicht an die Hammer Studios selbst, so doch an deren Tradition des Unterhaltungskinos - nicht gelungen, knalliges Exploitation-Genrekino in die großen Säle zu katapultieren, damit den Typus des Blockbuster-Konzepts zu entwickeln und der Filmlandschaft nachhaltig ein anderes Gepräge zu verpassen. Legend ist in seiner Mixtur und der Unbekümmertheit, mit der er Plausibilität und Diegese filminternen wie -externen ökonomischen Fragestellungen unterordnet, gewissermaßen ein Urahne davon, ohne freilich über vergleichbares technisches Know-How und Budget zu verfügen. Das hindert ihn nicht daran, für 90 Minuten vorzüglichste Unterhaltung zu garantieren. Sofern man ein Herz für charmanten Trash hat, versteht sich.>> Die 7 Goldenen Vampire (The Legend of the 7 Golden Vampires, GB/HK 1972)
>> Regie: Roy Ward Baker, Chang Cheh
>>Darsteller: Peter Cushing, David Chiang, Julie Ege, Robin Stewart, Szu Shih, John Forbes-Robertson, Robert Hanna, u.a.
imdb | mrqe | hammerfilms | shaw appreciation
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Thema: Filmtagebuch
25. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
24.11., Heimkino

Am Ende ist ein Körper nur ein Geldsack, derjenige ein gemachter Mann, der einen Leichenwagen füllen konnte. Und dennoch: Mag man es ihm nicht fast gönnen? Leone ist ein gefährlicher Mann, ihm auf den Leim zu gehen wunderbar. Ein Jammer allein die Verschwendung Kinskis, der hier, zwar am Rande bloß, ganz Mimik ist. Den sollte später erst Corbucci besser würdigen.
imdb | mrqe
tv-termine: eastwood | leone | van cleef | kinski

Am Ende ist ein Körper nur ein Geldsack, derjenige ein gemachter Mann, der einen Leichenwagen füllen konnte. Und dennoch: Mag man es ihm nicht fast gönnen? Leone ist ein gefährlicher Mann, ihm auf den Leim zu gehen wunderbar. Ein Jammer allein die Verschwendung Kinskis, der hier, zwar am Rande bloß, ganz Mimik ist. Den sollte später erst Corbucci besser würdigen.
imdb | mrqe
tv-termine: eastwood | leone | van cleef | kinski
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Thema: Filmtagebuch
24. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
24.11., Heimkino

Unglaublich nahezu, welche emotionale Intensität Christopher Lee, die Gesichtszüge hinter Bandagen versteckt, noch alleine anhand seines Augenspiels zu vermitteln weiß.
imdb | mrqe | hammerfilms
tv-termine: peter cushing | christopher lee | terence fisher

Unglaublich nahezu, welche emotionale Intensität Christopher Lee, die Gesichtszüge hinter Bandagen versteckt, noch alleine anhand seines Augenspiels zu vermitteln weiß.
imdb | mrqe | hammerfilms
tv-termine: peter cushing | christopher lee | terence fisher
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Thema: Filmtagebuch
24. November 03 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Im England der 1960er Jahre stellen die Top-Wissenschaftler des Landes eine heiß umkämpfte Ressource dar. Nicht nur, dass sie abgeworben werden, sie werden auch entführt und einer perfiden Gehirnwäsche unterzogen, die dem wissenschaftlichen Standort zunehmend zusetzt. Der lakonische und höchst zwielichtige Agent Harry Palmer (Michael Caine) wird auf den Fall angesetzt und sieht sich binnen kürzester Zeit in einem kaum mehr durchschaubaren Knoten aus Intrigen und Fallen verstrickt, der ihm zur existenziellen Erfahrung wird. Ipcress - Streng Geheim steht sichtlich in der Tradition des klassischen Film Noir. Palmer ist gewiss kein moralischer Held mit Vorbildfunktion, wie dies vielleicht noch auf die kriminologischen Figuren klassischer Whodunnits Geltung zutraf. Im Gegenteil: Seine kleinkriminelle und obrigkeitsrenitente Ader hat ihn, um Sanktionen zu vermeiden, direkt in die Arme des Geheimdienstes gespielt. Eingeführt wird diese Figur denkbar unvorteilhaft: Während des Vorspanns sehen wir ihn mit verstruppelten Haaren und im Nachthemd beim Aufstehen, der Morgenwäsche und der Zubereitung einer Tasse Kaffee. Michael Caine, dem mit diesem Film der endgültige Durchbruch gelang, zeichnet diesen Menschen einsilbig, lakonisch und zynisch. Auch stehen seine beruflichen Fähigkeiten keineswegs im Vordergrund der Spielhandlung, eher noch stolpert Palmer, nach einem beinahe desaströsem Fehlschlag, in die richtige Richtung: Direkt in die Arme seiner Gegenspieler, die dem Agenten mit Psychofolter zuleibe rücken.
Auch auf bildästhetischer Ebene wiederholt sich die Anlehnung an den Film Noir: Kaum ein Zentimeter des breiten Scopebildes bleibt für seine ungemeine innere Dynamik ungenutzt. Das Geschehen vermittelt sich oft in raumverzerrenden Untersichten, kaum eine Szene, die nicht aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel mit entsprechendem ästhetischen Effekt gefilmt wäre. Die oft starken Bewegungsdynamiken auf der Tiefenachse und die Weite des Bildes sorgen für unnatürlich verzerrte Bildeindrücke und Bezugssysteme, die stellenweise an Welles' Tiefenschärfe-Experimente in Citizen Kane (USA 1941) erinnern. Dem diegetischen Raum dieses Films, das unterstreicht diese bemerkenswerte Kameraarbeit, ist nicht zu trauen: Eine souveräne Perspektive über das Geschehen ist nicht möglich, am wenigsten noch für den Protagonisten selbst - Held wäre ein denkbar falsches Wort, an einer Stelle spricht er von sich selbst nur im Konjunktiv als solcher -, der hoffnungslos in diesem verwirrenden Spiel aus Winkeln, Raumkadrierungen und Bezugspunkten gefangen ist. Der sich daraus ergebende ästhetische Reiz wird durch die schöne Farbästhetik des zugrunde liegenden Technicolormaterials noch unterstrichen: Ipcress ist in erster Linie ein Film der Optik und will als solcher genossen werden.Und dies mit gutem Grund, denn die Handlung wirkt gewiss hier und da etwas überkonstruiert und kann auch das eine oder andere eher fadenscheinige Moment nicht verbergen. Die brillante Kameraarbeit und Michael Caines Spiel aber, wie überhaupt die teils faszinierende Fortschreibung der Dekonstruktion des Helden, die der Film Noir als Projekt vorgeschlagen hatte, und die Formulierung einer Welt, in der der Raum, analog zum sozialen Gefüge, seine Verlässlichkeit verloren hat, lassen diese kleinen Unschärfen am Rande leicht verzeihen. Ein elegant-melancholischer Genrefilm, den es zu entdecken gilt.
Eine qualitativ hochwertige DVD ist dieser Tage bei Koch Media erschienen.
>> Ipcress - Streng Geheim (The Ipcress File, Großbritannien 1965)
>> Regie: Sidney J. Furie
>> Darsteller: Michael Caine, Nigel Green, Guy Doleman, Sue Lloyd u.a.
imdb | michael caine: tv-termine
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Thema: Filmtagebuch
24. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
Nicht nur die offensichtliche Zitation von Monty Normans berühmtestem Filmmusikthema, auch die Charakterzeichnung des Helden Hugh "Bulldog" Drummond (Richard Johnson), wie überhaupt dessen Gesichtszüge und die Verwendung der deutschen Synchronstimme von Sean Connery, lassen keinen Zweifel: Hier wird sich ohne Scheu an James Bond angelehnt. Auch die stellenweise reichlich abstrus konstruierte Geschichte ist am großen Vorbild orientiert: Ein skrupeloser Bösewicht hat sich aufgemacht, um sich mit allerlei Finten und Tricks - darunter auch so Kleinigkeiten wie etwa Mord - an den Ölkonzernen zu bereichern, diese gegenseitig auszuspielen und, wenn es sich einrichten lässt, zumindest die ökonomische Weltherrschaft an sich zu reißen. Ein Squad so verführerischer wie gefährlicher Frauen, die titelgebenden "Heißen Katzen", dient ihm beim trickreichen Ausschalten seiner Gegenspieler. Hierfür nun wiederum scheint Emma Peel ein wenig Patin gestanden zu haben, die in Mit Schirm, Charme und Melone, in den 60ern ebenso überaus erfolgreich, mit ähnlich aufreizendem Effekt im TV gelegentlich zur Waffe griff. Man kann der Ökonomie des B-Movies - "Reize aus, was der zahlfreudige Kunde bereits kennt und schätzt, und verdopple es!" - förmlich beim Arbeiten zusehen.Dies ist nicht ohne Reiz. Wo das kommerzielle Vorbild, dem Markt gegenüber zum Kompromiss verpflichtet, zurückhalten und sich auf Andeutungen beschränken muss, kann das weit kostengünstigere und somit von den Geschmäckern des Konsens weit unabhängigere B-Movie all das ausformulieren, was einem James Bond verwehrt bleiben muss. So gehen Irma Eckmann (60ies Schönheit Elke Sommer) und Penelope (Sylva Koscina) so kaltblütig wie bezaubernd an ihr Handwerk und der Film auffällig zynisch an seine Erzählung: Ohne für einen Moment lang das dekorative Lächeln zu verlieren, werden ganze Flugzeuge mit Besatzung in die Luft gejagt, naive Jungmänner, die allzu leicht den Reizen der beiden verfallen, gefoltert und deren Appartements zerstört, unliebsame Gegenspieler mit Gift gelähmt und in den höchsten Etagen eines Hochhaus über den Balkon geworfen. Dies alles geschieht seitens der "Katzen" mit einer Leichtigkeit vor eleganter 60ies Kulisse, dass es kaum noch Wunder nähme, wenn im nächsten Moment die fröhlich plappernde Audrey Hepburn als Holly Golightly mit ihren Einkäufen von Tiffany's durch die Tür herein käme. Ein prägnanter Bruch, denn wer würde dieser bezaubernden Holly Golightly, der die "Katzen" im Auftreten durchaus ähnlich sind, ein derartig rabiates Verhalten unterstellen?
Auch ansonsten weiß der Film durch den Charme naiver Unbekümmertheit zu überzeugen. Dass es kaum Drummonds kriminologisches Geschick ist, das ihn quer durch Europa ans Mittelmeer bringt, um dort, auf einem Schloß, den Vigilanten zu konfrontieren, sondern wenig nachvollziehbare Schlussfolgerungen und bemerkenswert glückliche Zufälle, fällt da kaum ins Gewicht, dient eher schon dem Amusement, wie auch der Umstand, dass es keineswegs Drummonds Fähigkeiten geschuldet ist, dass die beiden "Katzen" sich selbst zum Ende hin ein denkbar vermeidbares Bein stellen. Wie überhaupt der Showdown: Als Kulisse dient dem ein Schachspiel auf saalfüllendem Spielbrett mit überlebensgroßen Figuren, die - Superverbrecher haben immer Zugriff auf die neuesten technologische Gadgets - mittels Computerspracherkennung gesteuert werden. Das große Spektakel, mit dem ein Bond sich zu beschließen pflegt, bleibt zwar aus, doch reizt die Idee dahinter, das Skurrile des Sich-Für-Nichts-Zu-Schade-Seins, solange es dem knalligen Effekt zu dienen weiß.Was bleibt? Die filmische Version eines kleinen Abenteuer-Groschenromans mit reißerischem Cover in knalligen Farben vor mediterraner Spielfläche, der einem die ganz große Show verspricht, dieses Versprechen schon allein aus finanziellen Gründen nicht zur Gänze einlöst, im Zuschauer aber, ganz britischer Charmant, augenzwinkernd einen Komplizen sucht und diesen dort - sofern Bereitschaft besteht, sich auf diese Räuberpistole einzulassen - auch ohne weiteres findet. Und alleine schon Elke Sommer, die im wesentlichen, wie immer, sich selbst spielt, ist als sardonische Killerin eine Sichtung wert.
Die qualitativ überzeugende DVD erschien jüngst bei Koch Media.
>> Heiße Katzen (Deadlier than the Male, Großbritannien 1966)
>> Regie: Ralph Thomas
>> Darsteller: Richard Johnson, Elke Sommer, Sylva Koscina u.a.
imdb | elke sommer: tv-termine
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Thema: Filmtagebuch
23. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
22.11., Heimkino
Dass man mit dieser Adaption eines erfolgreichen italienischen Comic Serials auf den populären James-Bond-Zug aufspringen wollte, ist offenkundig. Alles ist vorhanden: Lounge-Atmosphäre im futuristischen 60ies Look, die augenzwinkernde Eleganz, mit der jede brenzliche Situation gemeistert wird, das gute Leben eines Manns von Welt, der schnelle Wägen fährt und leichtbekleidete Frauen an der Taille umfasst. Und trotzdem: Der Held, ein dem französischen Fantômas nicht unähnlicher, maskierter Superverbrecher namens Diabolik (John Phillip Law), ist nicht etwa ein Lebemann, aber dennoch Vertreter bürgerlicher Ideologien, sondern ein hedonistischer Outcast, der ähnlich wie Batman in einer modischen Hi-Tech-Höhle lebt, vornehmlich den Staat beklaut und dessen Symbole und Vertreter der Lächerlichkeit preis gibt. Nicht nur sämtliche Steuerbehörden des Landes werden in die Luft gesprengt, auch das gesamte eingeschmolzene Goldvermögen der Nation in Form eines übergroßen Goldbarrens ist für ihn lohnendes Ziel. Und beinahe schon beiläufig sabotiert er eine live im TV übertragene Pressekonferenz des Innenministers, der, Diaboliks Spielereien gegenüber machtlos, die Wiedereinführung der Todesstrafe verkünden will, mit Lachgas.
Es ist dies die erfrischend unmoralische Würze, die das italienische Genrekino seit jeher zu dieser oft belächelten Schatzkammer der Filmgeschichte macht. Und mit Mario Bava, dem Meister des farbverliebten Filmemachens, der fast noch aus jedem B-Movie mit seinem Hang zum Ästhetizismus eine aufregende Achterbahnfahrt durch die Welt der filmischen Konventionen gemacht hat, war obendrein noch der für diesen Stoff geeignetste Regisseur verpflichtet.
Die dramaturgische Struktur gleicht sich dem Comic-Vorbild an und erzählt dergestalt eine zwar zusammenhängende Geschichte - im wesentlichen Inspector Ginkos (Michel Piccoli) Jagd auf den meist im Catsuit zu Werke gehenden Superverbrecher -, unterteilt diese aber in episodische Etappen mit kleinen Höhepunkten. So bleibt zwar zum Schluß das ganz große Knallbonbon, das man sich angesichts des unbekümmert zur Schau gestellten wilden Gestus eines angenehm unverkrampften Unterhaltungskinos erwartet hatte, aus - dafür gibt es einen leicht absurden Cliffhanger, an dem der Film genauso gut hätte weitergehen können, ein Sequel wurde trotz großen Erfolgs leider nie gedreht -, doch stellt sich ein rasantes Erzähltempo ein, das durch seine stete Verabreichung kleiner bis größerer Schauwertspitzen den freudigen Zuschauer bei Laune hält. Gewiss, man hat schon brillantere Drehbücher gesehen, doch bezieht Danger Diabolik seinen Reiz auch nicht etwa durch den sukzessiven Spannungsaufbau eines clever durchgezogenen Coups, man ist vielmehr im besten Sinne naives Spektakel, das sich aus der grundehrlichen Sehnsucht nach dem Ausbruch aus kapitalistischen Widersprüchen und dem Versprechen dessen Möglichkeit speist. Diabolik ist kein despotischer Blofeld oder der Prototyp eines Faschisten wie Dr. Mabuse. Nein, er ist unbekümmerter Anarchist. Aber einer, der Geld, vor allem dessen reichhaltiges Vorhandensein, noch zu schätzen weiß. Er ist der Mensch, der die hohlen Versprechungen der Reklamewelt beim Wort nimmt und einfordert, was ihm zusteht. Ein Materialist also auch, was die Kamera mit wenigen Einstellungen kommuniziert: Kaum in seiner Höhle angekommen, kann sie ihn nur noch in wechselseitiger Beziehung verschränkt mit der edlen Einrichtung in Szene setzen.
Morricones Soundtrack (hier ein sehr schöner, großformatiger Coverscan) unterstreicht diese sorglos wattige Atmosphäre eines angesichts der Erzählung paradox anmutenden unschuldig gebliebenen Luxus. Ein loungiger Swing mit verführend trällernden Frauengesängen unterlegt die Popart-Bilder. Das klingt nach Sekt auf Flokatis, Patton-Einrichtungen, Seifenreklame und Panoramablick. Eine Welt, aus der das Elend der Lohnarbeit siegreich vertrieben wurde.
Bava, für den Film vor allem Kameraarbeit und - hier nicht ganz so deutlich nachzuzeichnen wie andernorts - Ausleuchtung bedeutet, hat das Geschehen mit ganz wunderbaren Raumstrukturierungen in den Bildkader gepresst. Die Welt reinster Oberflächligkeit, die hier entworfen wird, kann im Spiegel nur den besten Verbündeten finden, folgerichtig genießt das filmgestalterischen Experiment damit hohe Priorität. Der Raum, den Diabolik wie kein zweiter in diesem Film beherrscht, ist immer wieder Adressat inszenatorischer Anschläge: Spiegelbilder erweitern ihn in seiner Beengung, Fernsehbildschirme wandeln sich nahtlos zur eigentlichen Perspektive, die Tiefe des Filmbildes dient allein der Aufsprengung des Raums durch Bewegungsdynamik: Alles ist der Optik unterworfen.
Ein Kino des Sehen-Wollens, der Lust am Sehen also. Das Auge als oberste erogene Zone, das im italienischen Genrekino eine vorrangige Position genießt. Seien es Bronsons scopeleinwandfüllende Augen vor dem entscheidenen Duell oder später Fulcis wiederholten und lustvoll in Szene gesetzten Attacken gegen das Sehorgan im Close-Up. Auch Danger Diabolik kann kaum anders als im Vorspann mit einer Großaufnahme der Augen zu beginnen, wie überhaupt das Kostüm den Körper in der Nacht egalisiert, die Augen aber betont. Am Ende dann ein Augenzwinkern, komplizenhaft in Großaufnahme: Alles gar nicht ernst gemeint. Als ob wir anderes erwartet hätten!
imdb | mrqe | bmovies.de
the mario bava webpage | ars incubi - das mario bava archiv | heroin in strampelhosen - italienische superhelden im einsatz (christian keßler)
Dass man mit dieser Adaption eines erfolgreichen italienischen Comic Serials auf den populären James-Bond-Zug aufspringen wollte, ist offenkundig. Alles ist vorhanden: Lounge-Atmosphäre im futuristischen 60ies Look, die augenzwinkernde Eleganz, mit der jede brenzliche Situation gemeistert wird, das gute Leben eines Manns von Welt, der schnelle Wägen fährt und leichtbekleidete Frauen an der Taille umfasst. Und trotzdem: Der Held, ein dem französischen Fantômas nicht unähnlicher, maskierter Superverbrecher namens Diabolik (John Phillip Law), ist nicht etwa ein Lebemann, aber dennoch Vertreter bürgerlicher Ideologien, sondern ein hedonistischer Outcast, der ähnlich wie Batman in einer modischen Hi-Tech-Höhle lebt, vornehmlich den Staat beklaut und dessen Symbole und Vertreter der Lächerlichkeit preis gibt. Nicht nur sämtliche Steuerbehörden des Landes werden in die Luft gesprengt, auch das gesamte eingeschmolzene Goldvermögen der Nation in Form eines übergroßen Goldbarrens ist für ihn lohnendes Ziel. Und beinahe schon beiläufig sabotiert er eine live im TV übertragene Pressekonferenz des Innenministers, der, Diaboliks Spielereien gegenüber machtlos, die Wiedereinführung der Todesstrafe verkünden will, mit Lachgas.Es ist dies die erfrischend unmoralische Würze, die das italienische Genrekino seit jeher zu dieser oft belächelten Schatzkammer der Filmgeschichte macht. Und mit Mario Bava, dem Meister des farbverliebten Filmemachens, der fast noch aus jedem B-Movie mit seinem Hang zum Ästhetizismus eine aufregende Achterbahnfahrt durch die Welt der filmischen Konventionen gemacht hat, war obendrein noch der für diesen Stoff geeignetste Regisseur verpflichtet.
Die dramaturgische Struktur gleicht sich dem Comic-Vorbild an und erzählt dergestalt eine zwar zusammenhängende Geschichte - im wesentlichen Inspector Ginkos (Michel Piccoli) Jagd auf den meist im Catsuit zu Werke gehenden Superverbrecher -, unterteilt diese aber in episodische Etappen mit kleinen Höhepunkten. So bleibt zwar zum Schluß das ganz große Knallbonbon, das man sich angesichts des unbekümmert zur Schau gestellten wilden Gestus eines angenehm unverkrampften Unterhaltungskinos erwartet hatte, aus - dafür gibt es einen leicht absurden Cliffhanger, an dem der Film genauso gut hätte weitergehen können, ein Sequel wurde trotz großen Erfolgs leider nie gedreht -, doch stellt sich ein rasantes Erzähltempo ein, das durch seine stete Verabreichung kleiner bis größerer Schauwertspitzen den freudigen Zuschauer bei Laune hält. Gewiss, man hat schon brillantere Drehbücher gesehen, doch bezieht Danger Diabolik seinen Reiz auch nicht etwa durch den sukzessiven Spannungsaufbau eines clever durchgezogenen Coups, man ist vielmehr im besten Sinne naives Spektakel, das sich aus der grundehrlichen Sehnsucht nach dem Ausbruch aus kapitalistischen Widersprüchen und dem Versprechen dessen Möglichkeit speist. Diabolik ist kein despotischer Blofeld oder der Prototyp eines Faschisten wie Dr. Mabuse. Nein, er ist unbekümmerter Anarchist. Aber einer, der Geld, vor allem dessen reichhaltiges Vorhandensein, noch zu schätzen weiß. Er ist der Mensch, der die hohlen Versprechungen der Reklamewelt beim Wort nimmt und einfordert, was ihm zusteht. Ein Materialist also auch, was die Kamera mit wenigen Einstellungen kommuniziert: Kaum in seiner Höhle angekommen, kann sie ihn nur noch in wechselseitiger Beziehung verschränkt mit der edlen Einrichtung in Szene setzen. Morricones Soundtrack (hier ein sehr schöner, großformatiger Coverscan) unterstreicht diese sorglos wattige Atmosphäre eines angesichts der Erzählung paradox anmutenden unschuldig gebliebenen Luxus. Ein loungiger Swing mit verführend trällernden Frauengesängen unterlegt die Popart-Bilder. Das klingt nach Sekt auf Flokatis, Patton-Einrichtungen, Seifenreklame und Panoramablick. Eine Welt, aus der das Elend der Lohnarbeit siegreich vertrieben wurde.
Bava, für den Film vor allem Kameraarbeit und - hier nicht ganz so deutlich nachzuzeichnen wie andernorts - Ausleuchtung bedeutet, hat das Geschehen mit ganz wunderbaren Raumstrukturierungen in den Bildkader gepresst. Die Welt reinster Oberflächligkeit, die hier entworfen wird, kann im Spiegel nur den besten Verbündeten finden, folgerichtig genießt das filmgestalterischen Experiment damit hohe Priorität. Der Raum, den Diabolik wie kein zweiter in diesem Film beherrscht, ist immer wieder Adressat inszenatorischer Anschläge: Spiegelbilder erweitern ihn in seiner Beengung, Fernsehbildschirme wandeln sich nahtlos zur eigentlichen Perspektive, die Tiefe des Filmbildes dient allein der Aufsprengung des Raums durch Bewegungsdynamik: Alles ist der Optik unterworfen.Ein Kino des Sehen-Wollens, der Lust am Sehen also. Das Auge als oberste erogene Zone, das im italienischen Genrekino eine vorrangige Position genießt. Seien es Bronsons scopeleinwandfüllende Augen vor dem entscheidenen Duell oder später Fulcis wiederholten und lustvoll in Szene gesetzten Attacken gegen das Sehorgan im Close-Up. Auch Danger Diabolik kann kaum anders als im Vorspann mit einer Großaufnahme der Augen zu beginnen, wie überhaupt das Kostüm den Körper in der Nacht egalisiert, die Augen aber betont. Am Ende dann ein Augenzwinkern, komplizenhaft in Großaufnahme: Alles gar nicht ernst gemeint. Als ob wir anderes erwartet hätten!
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Thema: Filmtagebuch
21. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
20.11., UCI Kinowelt Friedrichshain
Was den transnationalen Konzernen recht ist, scheint dem Franchise nur billig: Die Fusion. Getreu der Regel, dass ein Sequel - zumal in einem Serial, dass das Element des Seriellen schon innerhalb der Narration zum eigentlichen Gegenstand erhoben hat - immer schneller, dramatischer, knalliger und besser zu sein, vor allem aber von allem ein deutliches Mehr aufzuweisen habe, stellt Freddy vs. Jason den logischen Endpunkt zweier Slasherfilmwelten dar. Noch bizarrer hätte man Freddys Traumwelten vermutlich nicht gestalten, noch vertrackter als in New Nightmare (Wes Craven, USA 1994) hätte man das Verhältnis zwischen Film, Traum und Realität wohl kaum verhandeln können und wo hätte man Jason Voorhees noch morden lassen können, nachdem er in der vorangegangenen Inkarnation bereits in einer futuristischen Science-Fiction-Umgebung die Machete schwingen durfte? Die Konfrontation innerhalb einer Akkumulation beider Universen - seit Jahren Gegenstand spekulativer Pausenhofgespräche und Internetdiskussionen - bietet hier eine so naheliegende wie ökonomisch gut verwertbare Option.
Doch die Konfrontation ist zunächst keine. Freddy Krüger leidet unter den Konsequenzen der effizientesten Form der Zensur, dem geflissentlichen In-Vergessenheit-geraten-lassen. Jeder Mord, der im Zusammenhang mit dieser Kreatur steht, wurde aus den Mikrofilmarchiven der Bibliotheken gestrichen, die wenigen Überlebenden bei Nacht und Nebel in weit entfernt liegende Psychiatrien eingewiesen, um dort als Versuchskaninchen für traumunterdrückende Medikamente herzuhalten, die Hausnummer 1428 in der Elm Street, dereinstige Wirkstätte des Kindermörders, von Grund auf renoviert, der Name Freddy Krüger aus dem Sprachgebrauch verbannt. Dergestalt im Nachhinein aus den Diskursen gestrichen, geht Krüger der Quelle seiner Macht verlustig: Angst. Ein Plan gegen das Verschwinden ist schnell geschmiedet: Der untote Jason Voorhees aus der Freitag der 13.-Reihe wird wiederbelebt und in die Elm Street entsandt, um dort wieder die Angst vor Krüger entstehen zu lassen.
Der unachtsam ausgesprochene Name Krügers wird ihm dabei zum Komplizen. Er verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den verstörten Jugendlichen, die darob nach jenem ominösen Bürger der Stadt und den vertuschten Vorkommnissen zu forschen beginnen. Und vom Wort zum Fleisch ist's bekanntlich kein weiter Weg: Von harmlosen Schreckspielchen aus führt dieser in den Träumen der Opfer in spe über ausgemachte Metzeleien hin zur ganz physischen Auseinandersetzung im Hier und Jetzt. Dies ermöglicht freilich ein dem ersten Teil des Reihe entommener Kniff, der dafür sorgt, dass was im Moment des Erwachens im Traum festgehalten wird, sich auch im Wachzustand noch in den Händen befindet.
Die symbiotische Aufteilung der Wach- und Traumwelten unter den beiden Slasherhelden entwickelt anfänglich gewissen Reiz, zumal dann, wenn sich erste Konkurrenzen auftun: Ein Wettlauf um die Opfer beginnt. Wer immer in seiner Domäne ein solches richtet, schnappt es dem anderen, meist buchstäblich, vor der Nase weg. Diese Allegorie auf die ökonomische Beziehung zwischen den beiden Serials (die nach der Übernahme der Rechte am Friday-Franchise durch New Line Cinema - Grundlage für die Entstehung dieses Films - eh nur noch bestenfalls symbolischer Natur war) begründet letztendlich das "versus" im Titel: Die finale Auseinandersetzung zwischen beiden ist erklärtes Ziel des Films, den Teenagern fällt nach gut halber Spielzeit, alleine schon aus offensichtlichem Eigennutz, nur mehr die undankbare Rolle der Organisatoren dieses Treffens anheim.
In dieser Stringenz liegt im wesentlichen auch die Schwäche des Films (von allerlei Drehbuchlöchern und einigen seltsamen Dialogen abgesehen, die wohl, man habe Nachsicht, schon als konstitutives Element des Genres angesehen werden dürfen). Steht Krüger und dessen filmhistorisches Erbe zu Beginn noch spürbar im Vordergrund, markiert nicht nur die konsequente Bewegung der Erzählung hin zum Camp Crystal Lake, Voorhees' primärer Wirkstätte, dass es sich bei Freddy vs. Jason am ehesten noch um Friday 11 und kaum umNightmare 8 handelt. Ein Malus, da die Friday-Reihe, wenn auch wie Nightmare in erster Linie Nummernrevue, alleine schon durch weitgehende Ausblendung des Übernatürlichen wesentlich redundanter zu Werke geht. Der Reiz der Nightmare-Filme - immer bizarrere Traumgebilde zu entwickeln, den Raum des Traumes immer weiter in sich zu brechen - fehlt, von ein paar markigen Sprüchen abgesehen, beinahe zur Gänze. Dafür scheint man sich darin zu gefallen, die gewiss effektiv inszenierten Gefechte zwischen den Kontrahenten mit ein wenig an und für sich deplazierten Martial Arts zu bereichern.
Auch hat man es versäumt, Freddys Dilemma zu Beginn als konsequente Fortschreibung des Schicksals der Kunstfigur Freddy Krüger diesseits der Leinwand zu begreifen: Die einst sehr ernste und schockierende Reihe erfuhr im zunehmenden Verlauf eine stete Ironisierung mit bekannter Konsequenz: Freddy eroberte als kaum mehr angstverbreitender Popstar Bravohefte und Kinderzimmer. Hier hätte man ansetzen müssen, um aus Freddy vs. Jason einen wahrhaft furchteinflößenden Horrorfilm zu machen, allein, man bleibt im wesentlichen unreflektierter Actionfilm mit Splatterästhetik. Dies mag für den einen oder anderen unterhaltsamen Moment herhalten, dass aber Wes Craven mit seinem New Nightmare, in dem unter Ausblendung aller vorangegangen Sequels das Produktionsteam des ersten Nightmare-Films (Wes Craven, USA 1984) von Freddy heimgesucht wird, schon wesentlich weiter war, dieser schale Nachgeschmack obsiegt letztendlich.
Ab 20.11. im Verleih von Warner Bros, hier der Trailer (15,9 mb). Hier "Freddy vs. Jason re-enacted by Bunnies in 30 seconds" (viel Spaß).
>> Freddy vs. Jason, USA 2003
>> Regie: Ronny Yu
>>Darsteller: Robert Englund, Ken Kirzinger, Monica Keena,
Kelly Rowland, Jason Ritter, Chris Marquette, u.a.
Offizielle Site | imdb | mrqe
Was den transnationalen Konzernen recht ist, scheint dem Franchise nur billig: Die Fusion. Getreu der Regel, dass ein Sequel - zumal in einem Serial, dass das Element des Seriellen schon innerhalb der Narration zum eigentlichen Gegenstand erhoben hat - immer schneller, dramatischer, knalliger und besser zu sein, vor allem aber von allem ein deutliches Mehr aufzuweisen habe, stellt Freddy vs. Jason den logischen Endpunkt zweier Slasherfilmwelten dar. Noch bizarrer hätte man Freddys Traumwelten vermutlich nicht gestalten, noch vertrackter als in New Nightmare (Wes Craven, USA 1994) hätte man das Verhältnis zwischen Film, Traum und Realität wohl kaum verhandeln können und wo hätte man Jason Voorhees noch morden lassen können, nachdem er in der vorangegangenen Inkarnation bereits in einer futuristischen Science-Fiction-Umgebung die Machete schwingen durfte? Die Konfrontation innerhalb einer Akkumulation beider Universen - seit Jahren Gegenstand spekulativer Pausenhofgespräche und Internetdiskussionen - bietet hier eine so naheliegende wie ökonomisch gut verwertbare Option.
Doch die Konfrontation ist zunächst keine. Freddy Krüger leidet unter den Konsequenzen der effizientesten Form der Zensur, dem geflissentlichen In-Vergessenheit-geraten-lassen. Jeder Mord, der im Zusammenhang mit dieser Kreatur steht, wurde aus den Mikrofilmarchiven der Bibliotheken gestrichen, die wenigen Überlebenden bei Nacht und Nebel in weit entfernt liegende Psychiatrien eingewiesen, um dort als Versuchskaninchen für traumunterdrückende Medikamente herzuhalten, die Hausnummer 1428 in der Elm Street, dereinstige Wirkstätte des Kindermörders, von Grund auf renoviert, der Name Freddy Krüger aus dem Sprachgebrauch verbannt. Dergestalt im Nachhinein aus den Diskursen gestrichen, geht Krüger der Quelle seiner Macht verlustig: Angst. Ein Plan gegen das Verschwinden ist schnell geschmiedet: Der untote Jason Voorhees aus der Freitag der 13.-Reihe wird wiederbelebt und in die Elm Street entsandt, um dort wieder die Angst vor Krüger entstehen zu lassen.Der unachtsam ausgesprochene Name Krügers wird ihm dabei zum Komplizen. Er verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den verstörten Jugendlichen, die darob nach jenem ominösen Bürger der Stadt und den vertuschten Vorkommnissen zu forschen beginnen. Und vom Wort zum Fleisch ist's bekanntlich kein weiter Weg: Von harmlosen Schreckspielchen aus führt dieser in den Träumen der Opfer in spe über ausgemachte Metzeleien hin zur ganz physischen Auseinandersetzung im Hier und Jetzt. Dies ermöglicht freilich ein dem ersten Teil des Reihe entommener Kniff, der dafür sorgt, dass was im Moment des Erwachens im Traum festgehalten wird, sich auch im Wachzustand noch in den Händen befindet.
Die symbiotische Aufteilung der Wach- und Traumwelten unter den beiden Slasherhelden entwickelt anfänglich gewissen Reiz, zumal dann, wenn sich erste Konkurrenzen auftun: Ein Wettlauf um die Opfer beginnt. Wer immer in seiner Domäne ein solches richtet, schnappt es dem anderen, meist buchstäblich, vor der Nase weg. Diese Allegorie auf die ökonomische Beziehung zwischen den beiden Serials (die nach der Übernahme der Rechte am Friday-Franchise durch New Line Cinema - Grundlage für die Entstehung dieses Films - eh nur noch bestenfalls symbolischer Natur war) begründet letztendlich das "versus" im Titel: Die finale Auseinandersetzung zwischen beiden ist erklärtes Ziel des Films, den Teenagern fällt nach gut halber Spielzeit, alleine schon aus offensichtlichem Eigennutz, nur mehr die undankbare Rolle der Organisatoren dieses Treffens anheim.
In dieser Stringenz liegt im wesentlichen auch die Schwäche des Films (von allerlei Drehbuchlöchern und einigen seltsamen Dialogen abgesehen, die wohl, man habe Nachsicht, schon als konstitutives Element des Genres angesehen werden dürfen). Steht Krüger und dessen filmhistorisches Erbe zu Beginn noch spürbar im Vordergrund, markiert nicht nur die konsequente Bewegung der Erzählung hin zum Camp Crystal Lake, Voorhees' primärer Wirkstätte, dass es sich bei Freddy vs. Jason am ehesten noch um Friday 11 und kaum umNightmare 8 handelt. Ein Malus, da die Friday-Reihe, wenn auch wie Nightmare in erster Linie Nummernrevue, alleine schon durch weitgehende Ausblendung des Übernatürlichen wesentlich redundanter zu Werke geht. Der Reiz der Nightmare-Filme - immer bizarrere Traumgebilde zu entwickeln, den Raum des Traumes immer weiter in sich zu brechen - fehlt, von ein paar markigen Sprüchen abgesehen, beinahe zur Gänze. Dafür scheint man sich darin zu gefallen, die gewiss effektiv inszenierten Gefechte zwischen den Kontrahenten mit ein wenig an und für sich deplazierten Martial Arts zu bereichern. Auch hat man es versäumt, Freddys Dilemma zu Beginn als konsequente Fortschreibung des Schicksals der Kunstfigur Freddy Krüger diesseits der Leinwand zu begreifen: Die einst sehr ernste und schockierende Reihe erfuhr im zunehmenden Verlauf eine stete Ironisierung mit bekannter Konsequenz: Freddy eroberte als kaum mehr angstverbreitender Popstar Bravohefte und Kinderzimmer. Hier hätte man ansetzen müssen, um aus Freddy vs. Jason einen wahrhaft furchteinflößenden Horrorfilm zu machen, allein, man bleibt im wesentlichen unreflektierter Actionfilm mit Splatterästhetik. Dies mag für den einen oder anderen unterhaltsamen Moment herhalten, dass aber Wes Craven mit seinem New Nightmare, in dem unter Ausblendung aller vorangegangen Sequels das Produktionsteam des ersten Nightmare-Films (Wes Craven, USA 1984) von Freddy heimgesucht wird, schon wesentlich weiter war, dieser schale Nachgeschmack obsiegt letztendlich.
Ab 20.11. im Verleih von Warner Bros, hier der Trailer (15,9 mb). Hier "Freddy vs. Jason re-enacted by Bunnies in 30 seconds" (viel Spaß).
>> Freddy vs. Jason, USA 2003
>> Regie: Ronny Yu
>>Darsteller: Robert Englund, Ken Kirzinger, Monica Keena,
Kelly Rowland, Jason Ritter, Chris Marquette, u.a.
Offizielle Site | imdb | mrqe
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