Thema: Filmtagebuch
Poesie des Jet-Lags: Außenseiter der Tageszyklen, gefangen in einer wohlbehüteten Welt der Hotels, jenseits aller Alltagslebensrealitäten. Eine kleine Miniatur beständigen Sichumkreisens zweier buchstäblich Lebensmüder entwickelt sich, fernab von allem in Tokio. Er, Bob Harris (Bill Murray), ist Schauspieler, trotz allen Erfolgs in der Midlife-Crisis und für allerlei Medientermine eine Woche lang in der Stadt. Sie, Charlotte (Scarlett Johansson), ist studierte Gattin des vielbeschäftigten Popfotografen John (Giovanni Ribisi), mit ihren 20 Jahren noch blutjung und ebenso in den Hotelzimmern Tokios gestrandet.Das Gefühl vollkommenen Entrücktseins in die Position des äußerst möglichen Beobachters: Auf das eigene Leben, die Menschen, die Umgebung. Faxe kommen mitten in der Nacht, denkbar unnütz ihr Inhalt - "Welches Regal soll ich kaufen, Schatz?" -, vor den Augen, getrennt durch Hotelzimmerglas, die Enge der anonymen Stadt, nachts dann das verirrte Streifen durch die kunterbunte Konsumerwelt der Metropole: "Alles ist so anders hier!", nicht ohne einen Hauch schmerzlicher Melancholie ausgesprochen. Den Regisseur des Werbeclips kann Bob nicht verstehen, was die Dolmetscherin wiedergibt, scheint auf unwesentliches verkürzt: Der Rest ist lost in translation: Was nicht übersetzt wurde, vielleicht nicht übersetzt werden kann. Und wie kann man Liebe übersetzen, in Worte kleiden, in Bildern vermitteln? Die sanfte Melancholie des Films, die sich aus dieser Fragestellung ergibt, ist bloß Konsequenz: Die letzten Worte zwischen den beiden, die sich finden, ja vermutlich auch lieben lernen, diese letzten Worte kurz vor dem Abschied, die das wesentliche überhaupt zur Sprache bringen: Sie werden ausgeblendet, gehen unter im Straßenlärm. Allein ein Lächeln als universelle Sprache des Menschen zaubert sich in diese beiden Gesichter. Der Rest, das Detail: Es geht verloren, es ist nicht wichtig.
Ein Film über die Sanftheit der Geste, die behutsame Annäherung. Ein Lächeln im Fahrstuhl als erste Begegnung, komplizenhaft an den einzigen Nicht-Japaner dort gerichtet. Später wird sie sich nicht mal mehr daran erinnern. Keine schwülstigen Küsse später, dann eine sanfte Umarmung aber, eine kurze Berührung an der Schulter, ein leichtes Streicheln über einen nackten Fuß. Ein Sich-Ausliefern an die Ökonomie der rigide begrenzten Zeit, die den beiden fernab der Heimat nur gegönnt ist, notwendige Konsequenz im Jet-Lag-Delirieren inmitten der neonstrahlenden Metropole und ihrer digitalen Plastikwelten. "Bist Du noch wach?", auf einem unter der Tür hindurch geschobenen Zettel geschrieben, wird zur Schlüsselfrage. Diese beiden, so unterschiedlich wie sich nahe, leben nicht in den Zeitläufen der Anderen, die nur Kulisse bleiben.
Wie bereits in The Virgin Suicides (USA 1999) erhöht Sofia Coppola den behutsamen Kitsch des Alltags auf unaufdringlich artifizielle Weise zur Schönheit des Films. Scarlett Johanssons Hintern, von einem unspektakulärem Höschen bedeckt, dient ihm als erstes Bild, so banal in seinem Inhalt, so schön fernab männlich-voyeuristischer Kategorien auf der Leinwand. Ein wenig zu pummelig ist sie für eine Hollywood-Schönheit, die Nase ein bisschen zu groß, die Lippen etwas zu dick, der Busen eine Nuance zu großzügig ausgefallen - und dennoch macht ihr Coppolas Kamera die schönsten Komplimente, die sich eine Schauspielerin derzeit wünschen kann. Dies überträgt sich auf den Zuschauer, der, wie schon in Coppolas Debüt, nicht anders kann, als diesem gänzlich unsirenenhaften Wesen selbst noch in den kleinsten Belangen hypnotisiert zuzusehen, diesem Wesen, das sich selbst in einer der schönsten Szenen, der Bettszene in Vincent Gallos Buffallo '66 (USA 1998) nachempfunden, als "durchschnittlich" bezeichnet, dies eigentlich auch ist und dennoch in ihren Bann zieht.Was bleibt ist tiefe Wärme im Innern, ein Stück Glückseligkeit, wie es auch der zwar gänzlich anders inszenierte, dennoch aber auf seltsame Art wesensverwandte Punch-Drunk Love (USA 2002) bescherte. Written & Directed by Sofia Coppola, wenn dieser Credit auf der Leinwand erscheint, möchte man, ganz wie der junge Holden Caulfield, zu Stift und Papier greifen, um einen Brief zu schreiben. Er würde dem Film wahrscheinlich nicht gerecht.
Kinostart am 08.01.2004 im Verleih der Constantin, hier der Trailer als Videodownload (11,7 MB).
>> Lost in Translation, USA 2003
>> Regie & Drehbuch: Sofia Coppola
>> Darsteller: Bill Murray, Scarlett Johansson, u.a.
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Thema: Filmtagebuch
19. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
18.11., UFA Palast Kosmos
Das war es also. Das war die Matrix-Trilogie. Nachdem Reloaded (USA 2003) mich bestenfalls kalt ließ, schlechtestenfalls eines der mißglücktesten Sequels aller Zeiten darstellte, wusste Revolutions mich zumindest über weite Strecken zu unterhalten. Schon alleine, weil nicht alle naselang der Plot mit allerlei bedeutungsschwangerem, indes kaum dechiffrierbarem Trallala künstlich aufgebläht wurde, sondern weil man relativ straight zur Sache ging: In die Matrix selbst verwirrt man sich selten, kaum einer der Charaktere - dies gilt in der Tat auch fast für Neo selbst, der zu Beginn für seine Apostel verschwunden ist, es später im Bild dann auch lange bleibt - kommt über eine bloße Nebenrolle hinaus. Dafür bekommt man den Angriff auf Zion wie, natürlich, das finale Duell zwischen Neo und Smith in einer atemberaubenden Weise kredenzt, die nur sehr wenig mit klassischem Erzählkino zu tun hat. Bildästhetisch erinnert das alles viel eher schon an die vulgär-surrealistische Auflösung der Erlösergeschichten in Jodorowskys bekanntesten Filmen oder aber an Tsui Harks herrlich unbekümmerte Fantasy-Achterbahnfahrt The Legend of Zu (Hongkong 2001), die wiederum, welch Zufall, ganz hoch in Jodorowskys Gunst steht. Da nur wenig mit unnötig schwerem Brimborium ausgestattet, gibt es kaum einen Grund, sich diesem bildgewaltigen Treiben in Revolutions nicht entspannt hinzugeben.
Back to the roots also, im doppelten Sinne: Die Dreistigkeit, mit der man sich aus der Rolle des bloßen Weltenmythen-Zitierens und -Verwurschtelns hinausbewegt, um zum Ende hin - an dem sich in etwa bewahrheitet, was alle eh schon dachten - diesen Mythen den eigenen überzustülpen, hat schon einen gewissen Reiz. Gehen am Ende etwa alle Superhelden-Geschichten - und eine solche zu sein, deutete ja bereits das letzte Bild des ersten Teils mehr als bloß an - auf die Geschichte jenes Jesus von Nazareth zurück? Beziehungsweise geht dessen Geschichte wiederum auf die Matrix zurück? Ein im Abspann in der Tat so bezeichneter Deus Ex Machina jedenfalls formt sich gegen Ende hin aus Myriaden von Wächtern über den wie gekreuzigt darnieder liegenden Neo: "Es ist vollbracht!"
Gewiss, die Lücken im Script und auch nach mehrmaligem Hin- und Herwenden dramaturgisch wie narrativ wenig ökonomische Szenen vergällen einem den Film, die Trilogie noch immer, wenn man mal drüber nachdenkt. Da hat man sich nicht zur Gänze von Reloaded befreien können. Den Widerspruch aber zu wagen, sich selbst in die Tradition des Superhelden-Motivs - gleichsam als die ewige Erzählung der Menschen (ich verweise hier auf den so großartigen wie unterbewerteten Unbreakable (USA 2000) von M. Night Shymalan) - zu stellen, gleichzeitig aber auch den Status der großen Meta-Erzählung desselben für sich zu proklamieren, das ist in der Tat bemerkenswert. Wie überhaupt auch der Widerspruch als oberstes Gebot in diesem bonbonfarbenen, so friedlich scheinenden Happy End, das doch bestenfalls nur dystopisch, wenn nicht nihilistisch sein kann, Entsprechung findet.
Ich will es sicher nicht beschreien, aber vielleicht haben die Wachowski Brothers doch noch, beinahe schon unbemerkt, einen überaus subversiven Mainstream-Knaller geschaffen, der sich im semantischen System, einem Virus gleich, ganz prima einnistet, bevor er an sein Werk geht. Dies unter Beweis zu stellen, fällt einer erneuten, retrospektiven Betrachtung der Trilogie mit etwas historischem Abstand anheim. Welche Ergebnisse diese zutage fördern wird, ist denkbar ungewiss. Das letzte Wort zur Matrix, das zumindest ist sicher, scheint noch nicht gesprochen.
imdb | mrqe | links@filmz.de | pressespiegel@angelaufen.de
Das war es also. Das war die Matrix-Trilogie. Nachdem Reloaded (USA 2003) mich bestenfalls kalt ließ, schlechtestenfalls eines der mißglücktesten Sequels aller Zeiten darstellte, wusste Revolutions mich zumindest über weite Strecken zu unterhalten. Schon alleine, weil nicht alle naselang der Plot mit allerlei bedeutungsschwangerem, indes kaum dechiffrierbarem Trallala künstlich aufgebläht wurde, sondern weil man relativ straight zur Sache ging: In die Matrix selbst verwirrt man sich selten, kaum einer der Charaktere - dies gilt in der Tat auch fast für Neo selbst, der zu Beginn für seine Apostel verschwunden ist, es später im Bild dann auch lange bleibt - kommt über eine bloße Nebenrolle hinaus. Dafür bekommt man den Angriff auf Zion wie, natürlich, das finale Duell zwischen Neo und Smith in einer atemberaubenden Weise kredenzt, die nur sehr wenig mit klassischem Erzählkino zu tun hat. Bildästhetisch erinnert das alles viel eher schon an die vulgär-surrealistische Auflösung der Erlösergeschichten in Jodorowskys bekanntesten Filmen oder aber an Tsui Harks herrlich unbekümmerte Fantasy-Achterbahnfahrt The Legend of Zu (Hongkong 2001), die wiederum, welch Zufall, ganz hoch in Jodorowskys Gunst steht. Da nur wenig mit unnötig schwerem Brimborium ausgestattet, gibt es kaum einen Grund, sich diesem bildgewaltigen Treiben in Revolutions nicht entspannt hinzugeben.
Back to the roots also, im doppelten Sinne: Die Dreistigkeit, mit der man sich aus der Rolle des bloßen Weltenmythen-Zitierens und -Verwurschtelns hinausbewegt, um zum Ende hin - an dem sich in etwa bewahrheitet, was alle eh schon dachten - diesen Mythen den eigenen überzustülpen, hat schon einen gewissen Reiz. Gehen am Ende etwa alle Superhelden-Geschichten - und eine solche zu sein, deutete ja bereits das letzte Bild des ersten Teils mehr als bloß an - auf die Geschichte jenes Jesus von Nazareth zurück? Beziehungsweise geht dessen Geschichte wiederum auf die Matrix zurück? Ein im Abspann in der Tat so bezeichneter Deus Ex Machina jedenfalls formt sich gegen Ende hin aus Myriaden von Wächtern über den wie gekreuzigt darnieder liegenden Neo: "Es ist vollbracht!"Gewiss, die Lücken im Script und auch nach mehrmaligem Hin- und Herwenden dramaturgisch wie narrativ wenig ökonomische Szenen vergällen einem den Film, die Trilogie noch immer, wenn man mal drüber nachdenkt. Da hat man sich nicht zur Gänze von Reloaded befreien können. Den Widerspruch aber zu wagen, sich selbst in die Tradition des Superhelden-Motivs - gleichsam als die ewige Erzählung der Menschen (ich verweise hier auf den so großartigen wie unterbewerteten Unbreakable (USA 2000) von M. Night Shymalan) - zu stellen, gleichzeitig aber auch den Status der großen Meta-Erzählung desselben für sich zu proklamieren, das ist in der Tat bemerkenswert. Wie überhaupt auch der Widerspruch als oberstes Gebot in diesem bonbonfarbenen, so friedlich scheinenden Happy End, das doch bestenfalls nur dystopisch, wenn nicht nihilistisch sein kann, Entsprechung findet.
Ich will es sicher nicht beschreien, aber vielleicht haben die Wachowski Brothers doch noch, beinahe schon unbemerkt, einen überaus subversiven Mainstream-Knaller geschaffen, der sich im semantischen System, einem Virus gleich, ganz prima einnistet, bevor er an sein Werk geht. Dies unter Beweis zu stellen, fällt einer erneuten, retrospektiven Betrachtung der Trilogie mit etwas historischem Abstand anheim. Welche Ergebnisse diese zutage fördern wird, ist denkbar ungewiss. Das letzte Wort zur Matrix, das zumindest ist sicher, scheint noch nicht gesprochen.
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18. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
14.11., UCI Kinowelt Friedrichshain
Retrospektiv wird man für diesen nicht umsonst als Krisenjahr des Unterhaltungsfilms bezeichneten Jahrgang wohl wirklich vor allem auf zwei Filme als "gelungen im Sinne der Intention" zurückblicken: Verbinskis Fluch der Karibik und eben diesen hier, The Italian Job, ein Remake des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1969. Das heißt: Zumindest für letzteren wäre es zu hoffen, denn ob die Besucherzahlen wirklich für eine Verankerung des Films im Gedächtnis sorgen werden, bleibt noch abzuwarten.
Er macht im wesentlichen alles richtig: Eine gewitzte, nie aber formal allzu aufdringliche Inszenierung erzählt die Caper-Story ganz in ihrem Sinne. Eine, auch und vor allem was das biografische Element betrifft, liebevoll zusammengestellte und smarte Gruppe an professionellen Dieben gehen unbekümmert und smart ihrem Handwerk nach, ohne aber reine Hüllen bloßer Coolness, wie etwa in Soderberghs Ocean's Eleven (gegen den an dieser Stelle gewiss auch nichts gesagt sein soll), darzustellen. Im Gegenteil: Sie sind Menschen, denen man gerne bei ihrem Treiben zusieht. Die Action ist reich vorhanden und gekonnt dargeboten, nie aber derart in den Vordergrund gerückt, dass eine reine Materialschlacht das Ergebnis wäre. Wie überhaupt sich der durchweg spannende Film als angenehm testosteron-frei entpuppt.
Einen großen Coup zu bringen, ist ein sorgfältig durchzuführender Drahtseitakt sondergleichen. Einen eleganten, durchweg sympathischen und im besten Sinne des Wortes unterhaltsamen Actionfilm ohne nennenswerte Ausfälle auf die Beine zu stellen ganz ebenso. Der Erfolg der einen Ebene wiederholt und potenziert sich glücklicherweise auf der anderen. Was will man mehr?
imdb | mrqe | links@filmz.de | pressespiegel@angelaufen.de
Retrospektiv wird man für diesen nicht umsonst als Krisenjahr des Unterhaltungsfilms bezeichneten Jahrgang wohl wirklich vor allem auf zwei Filme als "gelungen im Sinne der Intention" zurückblicken: Verbinskis Fluch der Karibik und eben diesen hier, The Italian Job, ein Remake des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1969. Das heißt: Zumindest für letzteren wäre es zu hoffen, denn ob die Besucherzahlen wirklich für eine Verankerung des Films im Gedächtnis sorgen werden, bleibt noch abzuwarten.
Er macht im wesentlichen alles richtig: Eine gewitzte, nie aber formal allzu aufdringliche Inszenierung erzählt die Caper-Story ganz in ihrem Sinne. Eine, auch und vor allem was das biografische Element betrifft, liebevoll zusammengestellte und smarte Gruppe an professionellen Dieben gehen unbekümmert und smart ihrem Handwerk nach, ohne aber reine Hüllen bloßer Coolness, wie etwa in Soderberghs Ocean's Eleven (gegen den an dieser Stelle gewiss auch nichts gesagt sein soll), darzustellen. Im Gegenteil: Sie sind Menschen, denen man gerne bei ihrem Treiben zusieht. Die Action ist reich vorhanden und gekonnt dargeboten, nie aber derart in den Vordergrund gerückt, dass eine reine Materialschlacht das Ergebnis wäre. Wie überhaupt sich der durchweg spannende Film als angenehm testosteron-frei entpuppt.Einen großen Coup zu bringen, ist ein sorgfältig durchzuführender Drahtseitakt sondergleichen. Einen eleganten, durchweg sympathischen und im besten Sinne des Wortes unterhaltsamen Actionfilm ohne nennenswerte Ausfälle auf die Beine zu stellen ganz ebenso. Der Erfolg der einen Ebene wiederholt und potenziert sich glücklicherweise auf der anderen. Was will man mehr?
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18. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
17.11., Kino Balàsz
Die Idee an sich ist eine reizvolle: Die Kriminalitässtatistik eines idyllischen Städtchens irgendwo in Schweden tendiert seit Jahren gefährlich gegen 0.Weil die schrulligen Provinzcops nun deshalb einer Schließung ihrer Station entgegen sehen, inszeniert man selbst ein Verbrechen nach dem nächsten. Was rasantes und gewitztes Treiben verspricht, entpuppt sich lediglich als derbes Lustspiel aus dem Bauerntheater, filmisch behäbig und zotig dargeboten.
Nein, es ist nicht witzig und auch nicht spritzig, etwas minderbemittelten Cops dabei zuzusehen, wie sie eine entflohene Kuh auf dem Dorfplatz einfangen. Es ist auch nicht witzig, wenn's den Einen beim Bowling gepflegt auf die Fresse haut. Oder die üblichen "Wir sind zwar aneinandergekettet, aber ich muss trotzdem scheißen!"-Zoten. Und über einen in den Bilderwelten der Polizeithriller lebenden Cop, der bei jeder Gelegenheit unbeholfen über Motorhauben hechtet und dabei irgendwelches "Fucking-Fucker-You Fuck-With-Me-Motherfucker"-Kauderwelsch von sich gibt, vermag ich auch nur sehr bedingt, wenn überhaupt zu schmunzeln. Wie überhaupt die eingestreuten Parodien: Imaginierte Gangster werden im Matrix-Stil außer Gefecht gesetzt, ebenso imaginierte Schußwechsel versuchen das Element der Groteske in der Ästhetik zeitgenössischer US-Actionkracher zu entlarven. Wie das Projekt der unbeholfenen Cops geht natürlich auch dieser Schuß nach hinten los: Wenn schon die Filme sich selbst recht ernst nehmen, so nimmt kein Mensch mehr dieselbst wirklich ernst. Bewusst übertrieben inszenierte Shoot-Outs bieten die ironische Rezeption selbst schon als mögliche, wenn auch unausgesprochene Option an und diese wird - man blicke sich nur mal in den Kinosälen um - auch dankbar angenommen. Wenn der Europäer hier nun also versucht, das Alberne und Groteske in der Kultur des Amerikaners zu enttarnen, dann enttarnt er in diesem Falle nur sich selbst als dümmlich pöbelnden Trampel. Ein Lustspiel aus dem Bauerntheater, eben. Blickt man dann noch im Nachhinein in die Kritiken, wird daraus schnell ein Trauerspiel.
Beim Gang aus dem Saal noch aufgeschnappt: "Prima, wie da auch den Amis mal endlich hintenrum eins reingewürgt wird." Quod erat demonstrandum, ich strecke die Waffen.
imdb | mrqe | links@filmz.de | pressespiegel@angelaufen.de
Die Idee an sich ist eine reizvolle: Die Kriminalitässtatistik eines idyllischen Städtchens irgendwo in Schweden tendiert seit Jahren gefährlich gegen 0.Weil die schrulligen Provinzcops nun deshalb einer Schließung ihrer Station entgegen sehen, inszeniert man selbst ein Verbrechen nach dem nächsten. Was rasantes und gewitztes Treiben verspricht, entpuppt sich lediglich als derbes Lustspiel aus dem Bauerntheater, filmisch behäbig und zotig dargeboten.
Nein, es ist nicht witzig und auch nicht spritzig, etwas minderbemittelten Cops dabei zuzusehen, wie sie eine entflohene Kuh auf dem Dorfplatz einfangen. Es ist auch nicht witzig, wenn's den Einen beim Bowling gepflegt auf die Fresse haut. Oder die üblichen "Wir sind zwar aneinandergekettet, aber ich muss trotzdem scheißen!"-Zoten. Und über einen in den Bilderwelten der Polizeithriller lebenden Cop, der bei jeder Gelegenheit unbeholfen über Motorhauben hechtet und dabei irgendwelches "Fucking-Fucker-You Fuck-With-Me-Motherfucker"-Kauderwelsch von sich gibt, vermag ich auch nur sehr bedingt, wenn überhaupt zu schmunzeln. Wie überhaupt die eingestreuten Parodien: Imaginierte Gangster werden im Matrix-Stil außer Gefecht gesetzt, ebenso imaginierte Schußwechsel versuchen das Element der Groteske in der Ästhetik zeitgenössischer US-Actionkracher zu entlarven. Wie das Projekt der unbeholfenen Cops geht natürlich auch dieser Schuß nach hinten los: Wenn schon die Filme sich selbst recht ernst nehmen, so nimmt kein Mensch mehr dieselbst wirklich ernst. Bewusst übertrieben inszenierte Shoot-Outs bieten die ironische Rezeption selbst schon als mögliche, wenn auch unausgesprochene Option an und diese wird - man blicke sich nur mal in den Kinosälen um - auch dankbar angenommen. Wenn der Europäer hier nun also versucht, das Alberne und Groteske in der Kultur des Amerikaners zu enttarnen, dann enttarnt er in diesem Falle nur sich selbst als dümmlich pöbelnden Trampel. Ein Lustspiel aus dem Bauerntheater, eben. Blickt man dann noch im Nachhinein in die Kritiken, wird daraus schnell ein Trauerspiel.Beim Gang aus dem Saal noch aufgeschnappt: "Prima, wie da auch den Amis mal endlich hintenrum eins reingewürgt wird." Quod erat demonstrandum, ich strecke die Waffen.
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Thema: Filmtagebuch
16. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
"Blair Meat" steht in großen Lettern über dem industriellen Schlachthof zu Beginn. Das ist nicht nur ein produktionsinterner Witz - Greg Blair zeichnet als Production Designer verantwortlich -, sondern auch als Referenz an jüngere Filmgeschichte zu verstehen. Regisseur Marcus Nispel lässt sein Remake von Tobe Hoopers Texas Chain Saw Massacre - ein Film, der die Schraube der Authentizitätsstrategien im Horrorfilm ordentlich andrehte - mit allerlei verwackeltem und im Nachhinein auf alt getrimmtem Filmmaterial der Tatortbegehung beginnen, das in seiner Ästhetik dem im (fiktional) wahrsten Sinne des Wortes found footage aus Blair Witch Project sehr nahe kommt. Einem Film also, der dem seit Scream reichlich ironisch und somit zahnlos gewordenen Horrorfilm eine neue Ernsthaftigkeit bescherte, die nun ihre Wirkungen zu zeitigen beginnt und die die jüngste Inkarnation des Leatherface-Franchise, nicht zu ihrem Nachteil, dankbar aufgreift.
Weitere Verweise erspart sich der Film, wenn er die an sich knappe Geschichte von den Teens, die im texanischen Hinterland in die Fänge einer kannibalistisch veranlagten, bizarren Familie geraten, erneut ausformuliert. Da man sich in der Tat nicht als Fortsetzung begreift, sondern einmal mehr "die wahre Geschichte" (die natürlich auch schon 1974 nicht wahr gewesen ist) aufrollt, kann man seine Opfer bedenkenlos im Jahr 1973 gänzlich frei von naseweisem Genrewissen, wie es in Wrong Turn, der ebenfalls in diesem Jahr in den Kino zu sehen war, noch haufenweise (und oft auch penetrant) zum Besten gegeben wurde, in ihr Unglück laufen lassen, ohne dabei realitätsfern zu wirken. Da man obendrein in Hoopers Vorgaben nur eine strukturell, nicht aber im Detail verbindliche Vorlage sieht, entwickelt sich von Anbeginn an ein Suspense, der zwar mit dem Wissen des Zuschauers um die Narration des Originals spielt, nicht aber im Film selbst, etwa in den Dialogen der Protagonisten, das Genre thematisiert oder gar dieses Spiel in den Vordergrund rückt. In dieser grimmigen Ernsthaftigkeit entwickelt der Film einen Reiz, auch indem er vor der - das Unbehagen des Betrachters einkalkulierenden - Fortschreibung der Geschichte der Zerfaserung des Fleisches (die vor seiner Ironisierung eigentlicher Gegenstand des Splatterfilms gewesen ist) nicht zurückschreckt. Es werden, so eindringlich inszeniert wie schon lange nicht mehr, Beine abgetrennt oder halbtote Opfer an Fleischerhaken aufgespießt.
Es mag dies vielleicht, angesichts des Geschichtsverlaufs des Genres, anachronistisch sein, kommt aber dem Film zugute, zumal man auch auf allegorischer Ebene ein Projekt des Originals ungleich deutlicher und somit auch eindringlicher fortschreibt. Was Hooper in seinem von den Eindrücken der Berichterstattung des Vietnamkriegs und der oft gewaltsamen Niederschlagung der Bürgerrechtsbewegung in den USA geprägten Original einst nur suggerierte - dass nämlich der für den Film so wichtige geografische Raum der eigentliche Nährboden des gezeigten Grauens sei - formuliert Nispel zur Gänze aus: Texas ist hier nicht mehr nur Raum, sondern Zustand. Eine Denunziation, die sich am augenscheinlichsten in einer der vielen grotesken Figuren des Spiels manifestiert: Sheriff Hoyt, dargestellt von R. Lee Ermey, der hier - ein echter Casting-Glücksgriff - schon dank seines uniformierten Auftretens an seine Glanzleistung als sadistischer Ausbilder in Kubricks Full Metal Jacket erinnert, entpuppt sich, zunächst noch provinziell debiler Ordnungshüter, als Komplize des kettensägenbewehrten Schreckens, dessen sadistische Psychospiele mit dem einen Teil des Teenagergrüppchens parallel zu den ersten Abschlachtungen in Leatherface' unheimlichen Keller montiert werden. Auch andere unheimliche Zeitgenossen hier und da am Wegesrand dieses langen Martyriums finden sich zum Ende hin auf dem Familienanwesen weitab jeder Zivilisation ein und formen eine paranoide Parabel auf den amerikanischsten aller Bundesstaaten, in dem sich der reaktionäre White Trash vollends in den degenerierten Wahnsinn katapultiert hat: "Don't mess with Texas!".
Entgegen allen Unkenrufen, die der Produktion voraus geeilt waren, ist Nispel ein zwar mit plot holes gespickter, im Ganzen aber verstörender, angenehm unsteriler Splatterfilm gelungen, wie man ihn sich nach den endlosen Parodien und den Parodien der Parodien kaum noch hätte vorstellen können.
Kinostart am 01.01.2004, Kritik auch erschienen bei jump-cut.de.
imdb | offizielle site | mrqe
>> Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre (Texas Chainsaw Massacre, USA 2003)
>> Regie: Marcus Nispel
>> Darsteller: Jessica Biel, Jonathan Tucker, Erica Leerhsen, Mike Vogel, Eric Balfour, Andrew Bryniarski, R. Lee Ermey u. a.
Weitere Verweise erspart sich der Film, wenn er die an sich knappe Geschichte von den Teens, die im texanischen Hinterland in die Fänge einer kannibalistisch veranlagten, bizarren Familie geraten, erneut ausformuliert. Da man sich in der Tat nicht als Fortsetzung begreift, sondern einmal mehr "die wahre Geschichte" (die natürlich auch schon 1974 nicht wahr gewesen ist) aufrollt, kann man seine Opfer bedenkenlos im Jahr 1973 gänzlich frei von naseweisem Genrewissen, wie es in Wrong Turn, der ebenfalls in diesem Jahr in den Kino zu sehen war, noch haufenweise (und oft auch penetrant) zum Besten gegeben wurde, in ihr Unglück laufen lassen, ohne dabei realitätsfern zu wirken. Da man obendrein in Hoopers Vorgaben nur eine strukturell, nicht aber im Detail verbindliche Vorlage sieht, entwickelt sich von Anbeginn an ein Suspense, der zwar mit dem Wissen des Zuschauers um die Narration des Originals spielt, nicht aber im Film selbst, etwa in den Dialogen der Protagonisten, das Genre thematisiert oder gar dieses Spiel in den Vordergrund rückt. In dieser grimmigen Ernsthaftigkeit entwickelt der Film einen Reiz, auch indem er vor der - das Unbehagen des Betrachters einkalkulierenden - Fortschreibung der Geschichte der Zerfaserung des Fleisches (die vor seiner Ironisierung eigentlicher Gegenstand des Splatterfilms gewesen ist) nicht zurückschreckt. Es werden, so eindringlich inszeniert wie schon lange nicht mehr, Beine abgetrennt oder halbtote Opfer an Fleischerhaken aufgespießt. Es mag dies vielleicht, angesichts des Geschichtsverlaufs des Genres, anachronistisch sein, kommt aber dem Film zugute, zumal man auch auf allegorischer Ebene ein Projekt des Originals ungleich deutlicher und somit auch eindringlicher fortschreibt. Was Hooper in seinem von den Eindrücken der Berichterstattung des Vietnamkriegs und der oft gewaltsamen Niederschlagung der Bürgerrechtsbewegung in den USA geprägten Original einst nur suggerierte - dass nämlich der für den Film so wichtige geografische Raum der eigentliche Nährboden des gezeigten Grauens sei - formuliert Nispel zur Gänze aus: Texas ist hier nicht mehr nur Raum, sondern Zustand. Eine Denunziation, die sich am augenscheinlichsten in einer der vielen grotesken Figuren des Spiels manifestiert: Sheriff Hoyt, dargestellt von R. Lee Ermey, der hier - ein echter Casting-Glücksgriff - schon dank seines uniformierten Auftretens an seine Glanzleistung als sadistischer Ausbilder in Kubricks Full Metal Jacket erinnert, entpuppt sich, zunächst noch provinziell debiler Ordnungshüter, als Komplize des kettensägenbewehrten Schreckens, dessen sadistische Psychospiele mit dem einen Teil des Teenagergrüppchens parallel zu den ersten Abschlachtungen in Leatherface' unheimlichen Keller montiert werden. Auch andere unheimliche Zeitgenossen hier und da am Wegesrand dieses langen Martyriums finden sich zum Ende hin auf dem Familienanwesen weitab jeder Zivilisation ein und formen eine paranoide Parabel auf den amerikanischsten aller Bundesstaaten, in dem sich der reaktionäre White Trash vollends in den degenerierten Wahnsinn katapultiert hat: "Don't mess with Texas!".
Entgegen allen Unkenrufen, die der Produktion voraus geeilt waren, ist Nispel ein zwar mit plot holes gespickter, im Ganzen aber verstörender, angenehm unsteriler Splatterfilm gelungen, wie man ihn sich nach den endlosen Parodien und den Parodien der Parodien kaum noch hätte vorstellen können.
Kinostart am 01.01.2004, Kritik auch erschienen bei jump-cut.de.
imdb | offizielle site | mrqe
>> Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre (Texas Chainsaw Massacre, USA 2003)
>> Regie: Marcus Nispel
>> Darsteller: Jessica Biel, Jonathan Tucker, Erica Leerhsen, Mike Vogel, Eric Balfour, Andrew Bryniarski, R. Lee Ermey u. a.
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Thema: Filmtagebuch
12. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
09.11., Heimkino
Eine jüngst von mir aufgestellte Regel besagt, dass Cage immer dann besonders unausstehlich ist, wenn seine Rolle bar jeder Ironie ist. Man könnte auch sagen: Je unvorteilhafter diese sich ausnimmt, desto erträglicher der Cage. Con Air, aus reiner Langeweile eingeschoben und weil man für Anspruchsvolleres den Kopf eh nicht gehabt hätte, ist hierfür eine vortreffliche Bestätigung. Lachhaft geradezu, wie da mit allerlei Pathos der ganz große biografische Riss in Szene zu setzen versucht wird, immer treu, beinahe von Außen schon, beobachtet von Cages Hundeblick, der, unter ernstgemeinten Umständen, nicht viel mehr als dämlich ist. Bestenfalls langweilig, wie da eine so uninteressante, wie - im schlechtesten Sinne - unwahrscheinliche Geschichte holprig und plump erzählt wird, mit einem zum im Knast weisen Jesus gereiften Cage, nunmehr auch stilecht mit Hippiematte und grotesk geblähtem Brustkorb, im Mittelpunkt. Nur noch unfreiwillig komisch - indes leider nicht im Sinne von Camp - dann die bemühte Coolness, mit der Cage schließlich allen der beteiligten Guten den Feierabend gerade so noch genießbar gestaltet. Selbst Malkovich und Cusack, beide an sich gern gesehen, verkommen in diesem lustlos dargebotenem, sterilen Langeweilefilm zu bloß entfernt ähnlichen Kopien ihrer sonstigen Leistungen. Interessant zumindest aber, dass alle drei später dann mit weit besseren Leistungen bei Spike Jonze wieder auftauchen sollten, beinahe sogar im gleichen Film.
Allein Buscemis Verkörperung eines für die Erzählung herzlich sinnlosen Massenmörders sorgt hier und da für ein bißchen Amusement. Diese Physiognomie, dieser Wahnsinn in den Augen - all das kriegt offenbar noch der uninspirierteste Film nicht kaputt. Der Rest: Ein Trauerspiel. Es sei hier nicht auch noch unnötig durch ein Bild geadelt.
imdb | mrqe
Eine jüngst von mir aufgestellte Regel besagt, dass Cage immer dann besonders unausstehlich ist, wenn seine Rolle bar jeder Ironie ist. Man könnte auch sagen: Je unvorteilhafter diese sich ausnimmt, desto erträglicher der Cage. Con Air, aus reiner Langeweile eingeschoben und weil man für Anspruchsvolleres den Kopf eh nicht gehabt hätte, ist hierfür eine vortreffliche Bestätigung. Lachhaft geradezu, wie da mit allerlei Pathos der ganz große biografische Riss in Szene zu setzen versucht wird, immer treu, beinahe von Außen schon, beobachtet von Cages Hundeblick, der, unter ernstgemeinten Umständen, nicht viel mehr als dämlich ist. Bestenfalls langweilig, wie da eine so uninteressante, wie - im schlechtesten Sinne - unwahrscheinliche Geschichte holprig und plump erzählt wird, mit einem zum im Knast weisen Jesus gereiften Cage, nunmehr auch stilecht mit Hippiematte und grotesk geblähtem Brustkorb, im Mittelpunkt. Nur noch unfreiwillig komisch - indes leider nicht im Sinne von Camp - dann die bemühte Coolness, mit der Cage schließlich allen der beteiligten Guten den Feierabend gerade so noch genießbar gestaltet. Selbst Malkovich und Cusack, beide an sich gern gesehen, verkommen in diesem lustlos dargebotenem, sterilen Langeweilefilm zu bloß entfernt ähnlichen Kopien ihrer sonstigen Leistungen. Interessant zumindest aber, dass alle drei später dann mit weit besseren Leistungen bei Spike Jonze wieder auftauchen sollten, beinahe sogar im gleichen Film.
Allein Buscemis Verkörperung eines für die Erzählung herzlich sinnlosen Massenmörders sorgt hier und da für ein bißchen Amusement. Diese Physiognomie, dieser Wahnsinn in den Augen - all das kriegt offenbar noch der uninspirierteste Film nicht kaputt. Der Rest: Ein Trauerspiel. Es sei hier nicht auch noch unnötig durch ein Bild geadelt.
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Thema: Filmtagebuch
08.11., Heimkino
Spätestens wenn ein für die Narration eigentlich ganz offensichtlich nebensächliches Kung-Fu-Turnier denkbar lange mit immer wieder neuen Kämpfern mit abstrusen Styles und Skills präsentiert wird, macht sich bemerkbar, dass diesem Film die Spielhandlung lediglich als Perlenschnur für eine Aneinanderreihung technisch höchst gelungen inszenierter Kampfaustragungen dient. Und dies ist gar nicht negativ zu verstehen: Man entwickelt eine Poetik reiner Körperlichkeit, in der - wie ungewohnt für westliche Sehverhältnisse - Superhelden zwar übernatürliche Fähigkeiten besitzen - man läuft senkrechte Wände nach oben, fährt seine Arme aus, balanciert grotesk auf allem, was dafür nicht geschaffen ist -, die aber nie als solche und ihrem Ursprung nach thematisiert werden: Diesen finden sie, wie es scheint, in der Innerlichkeit der Agierenden.
Ein Kino der Spektakel, im besten Sinne. Indem man zwei unterschiedlichen Franchises des Kung-Fu-Films - die fliegende Guillotine, eine groteske Waffe, wie den One-Armed Swordsman - kombiniert, schafft man, - nicht nur im Film, auch im Publikum, man kennt das ja - synergetische Effekte. Im Ergebnis brillantes Genrekino, allein die seltsame, aber dem Film gar nicht mal fremd bleibende Soundtrack-Kulisse - zu hören sind die B-Seite von Kraftwerks Autobahn, der eine oder andere Track von Neu und angeblich auch Tangerine Dream - irritiert zunächst.
Oder mit einem Wort: Großartig.
imdb | mrqe
Spätestens wenn ein für die Narration eigentlich ganz offensichtlich nebensächliches Kung-Fu-Turnier denkbar lange mit immer wieder neuen Kämpfern mit abstrusen Styles und Skills präsentiert wird, macht sich bemerkbar, dass diesem Film die Spielhandlung lediglich als Perlenschnur für eine Aneinanderreihung technisch höchst gelungen inszenierter Kampfaustragungen dient. Und dies ist gar nicht negativ zu verstehen: Man entwickelt eine Poetik reiner Körperlichkeit, in der - wie ungewohnt für westliche Sehverhältnisse - Superhelden zwar übernatürliche Fähigkeiten besitzen - man läuft senkrechte Wände nach oben, fährt seine Arme aus, balanciert grotesk auf allem, was dafür nicht geschaffen ist -, die aber nie als solche und ihrem Ursprung nach thematisiert werden: Diesen finden sie, wie es scheint, in der Innerlichkeit der Agierenden.Ein Kino der Spektakel, im besten Sinne. Indem man zwei unterschiedlichen Franchises des Kung-Fu-Films - die fliegende Guillotine, eine groteske Waffe, wie den One-Armed Swordsman - kombiniert, schafft man, - nicht nur im Film, auch im Publikum, man kennt das ja - synergetische Effekte. Im Ergebnis brillantes Genrekino, allein die seltsame, aber dem Film gar nicht mal fremd bleibende Soundtrack-Kulisse - zu hören sind die B-Seite von Kraftwerks Autobahn, der eine oder andere Track von Neu und angeblich auch Tangerine Dream - irritiert zunächst.
Oder mit einem Wort: Großartig.
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° ° °
Thema: Filmtagebuch
05. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
Zur heutigen Veröffentlichung des Films auf DVD von Kinowelt/Arthaus.
Die Zeichen der Macht - die Macht der Zeichen
Klaus Kinski und Werner Herzog. Zwei Namen, zwei Genies, eine Legende der deutschen Filmgeschichte. Zahlreiche Mythen ranken sich um das gemeinsame Schaffen der beiden - seien es die berüchtigten, oft stundenlangen Wutausbrüche Kinskis während der Dreharbeiten, sei es die Legende von Herzog, der während der Aufnahmen den agierenden Kinski vom Regiestuhl aus stets mit dem Gewehr anvisiert habe. 16 Jahre dauerte die kreative Allianz der beiden, fünf Filme wurden in dieser Zeit geschaffen. Mit Aguirre, der Zorn Gottes wurde im Jahr 1973 der Grundstein für den noch immer lebendigen Mythos gelegt.
Peru zum Jahreswechsel 1590/1591. Von den spanischen Konquistadoren an den Rand der eigenen Existenz getrieben, erfinden die letzten Inkas in ihrer Not die Legende von El Dorado, dem güldenen Land des unermesslichen Reichtums, in der Hoffnung, die Besatzer ins unwegsame Landesinnere zu treiben. Unter der Führung von Gonzalo Pizarro ziehen einige Hundert Spanier, darunter auch Vertreter des Adels, des Klerus und Dutzende indigener Sklaven, ins Dickicht des Dschungels. Dieses entpuppt sich schon bald als undurchdringlich für die Konquistadoren mit ihren Rüstungen, Kanonen, Pferden und Vorräten - an einem Fluss wird der Plan gefasst, Flosse zu bauen, um einen Trupp von 40 Mann loszuschicken, die das Land erkunden und El Dorado ausfindig machen sollen.
Das Kommando wird Don Pedro de Ursua übertragen, doch auch der Vorstoß ins Innere des Landes mit dem Floß entpuppt sich als kaum zu meisternde Hürde. Angriffe von Indios und die reißenden Stromschnellen dezimieren die Truppe zusehends. Als Ursua angesichts der desolaten Situation den Rückzug zur Truppe befiehlt, kommt es zur Meuterei: der missgestaltete Unterführer Don Lope de Aguirre, schon zuvor durch Trotzigkeit aufgefallen, bringt die Soldaten und den Klerus mit Versprechungen von Macht und Reichtum hinter sich, legt Ursua und seine wenigen verbliebenen Anhänger in Ketten, rebelliert wider die spanische Krone und setzt den tapsigen, verfressenen Edelmann Don Fernando de Guzman als Marionetten-Kaiser auf den Thron von El Dorado. Die Suche nach dem goldenen Land auf dem Floß geht weiter. Tiefer in den Dschungel, tiefer in den alles verzehrenden Wahnsinn.
Werner Herzog bleibt sich treu und erzählt hier, wie auch in vielen anderen seiner Filme, eine Geschichte vom "ganz großen Scheitern". Macht und Ruhm - damit einhergehend der Hang zum Größenwahn - sind die bestimmenden Koordinaten, vor allem aber die Sinnlosigkeit dieser menschlichen Kategorien, deren Gültigkeit im wesentlichen nur in Form von Ritualen, stillschweigenden Übereinkommungen, bestätigt wird. Deutlich wird dies vor dem Hintergrund der erbarmungslosen Kräfte des Dschungels, die den Menschen in seine Schranken verweisen und ihn zu allerlei Groteskem zwingen, wenn zum Beispiel Kanonenrohre als Insignien der politischen Macht durch den Schlamm gezerrt werden, junge Adelsdamen auf Sänften mühselig von Sklaven durch den Wald geschleppt werden oder wenn mitten im Dschungel feierlich die offizielle Erklärung der Meuterei und der Inbesitznahme von El Dorado an den spanischen König, der ja nicht nur bloß absent ist, sondern sich obendrein noch auf einem anderen Kontinent befindet, verlesen wird.
Schon das erste Bild - ein zermartertes, nebelverhangenes Gebirge auf dem sich, zunächst kaum erkennbar, eine Hunderte Mann starke Expedition gezwungenermaßen mühsig im Gänsemarsch fortbewegt - erklärt den Menschen zum Spielball einer ihm entfremdeten, ihn bestimmenden Natur und reduziert seine Machtgelüste und -spiele zum bloßen Zeichen innerhalb reeller Machtgefälle. Umso irrealer wirken somit die zahlreichen Rituale, die der Film uns der Reihe nach präsentiert und in deren Dienste sich die Menschen stellen, von denen sie sich leiten lassen und nach denen sie streben. Die Symbole der Macht verkümmern vor der Kulisse des Dschungel mehr und mehr zum reinen Selbstzweck ohne Legitimation, ohne Aussage. Und sie verpuffen, genau wie der Glanz von El Dorado, im Nirgendwo der kollektiven Halluzinationen gegen Ende des Filmes. "Kein Fluss kann so hoch steigen", sagt der die Mission begleitende Mönch gegen Ende im Fieberwahn, als er ein Schiff in den Wipfeln eines Baumes entdeckt. Nun, die Macht des Menschen offenbar ebenfalls nicht, auch wenn Aguirre in seinem Monolog von sich als dem "Zorn Gottes" spricht und die Vögel auf sein Geheiß hin tot von den Bäumen fielen.
Dass sich dieser allegoriereiche Film nicht im - dieser Grundthematik ja verführerisch nahe liegenden - überwältigenden Bilderrausch ergeht, ist ein großer Verdienst Werner Herzogs. Anstatt dem Pathos zu erliegen, kleidet Herzog die Geschichte des großen Verrats in schon beinahe "langweilige" Momentaufnahmen der Agonie. Und anstatt mit bombastischen Landschaftsaufnahmen in verkitschter Postkartenromantik zu schwelgen, wird die Natur fragmentarisch und vor allem real-existent, also unzeichenhaft, inszeniert. Eine Kulisse, die in sich "ist", schon immer "war" und vermutlich auch trotz des Treibens seiner Gäste darin auch in Zukunft "sein wird".
Ganz im Gegenteil dazu die Menschen: degeneriert und perspektivenlos ziehen diese Machthungrigen durch den endlosen Dschungel, legitimieren ihr Verhalten gegenseitig durch sich stetig wiederholende Machtrituale und -duelle und wähnen sich selbst noch in den verzweifelsten Momenten als baldige Herrscher eines monumentalen Weltreichs. "Unser Reich ist jetzt schon 6 mal größer als Spanien", verkündet Guzman von seinem schäbigen Thron auf dem Floß aus, "und mit jedem Tag, der vergeht, wird es größer.". Dabei hat er von seinem Reich noch nicht mal mehr gesehen als ein paar Bäume und einen endlosen Fluss. Vor dem, was ist, haben sich die Menschen in ihrem Drang zur Zeichenhaftigkeit verloren, stürzen in ihr Verderben und sterben - Ironie des Schicksals - im Fieber halluzinierend. Die wohltuend langsame und bedachte Inszenierung tut ihr übriges, um den Zuschauer zum Endes des Films in Zweifel zu lassen, ob er gerade Zeuge einer hypnotischen Halluzination gewesen sei. Ein Effekt, den die sphärische Musik des Musiker-Projektes Popol Vuh, das zahlreiche Herzog-Filme musikalisch untermalt hat, noch verstärkt.
Erwähnenswert selbstverständlich auch Klaus Kinski, der hier eine seiner Glanzleistungen im schauspielerischen Bereich seines Schaffens darbietet. Er zeichnet Don Lope de Aguirre gerade durch eine ganz bewusste Reduktion auf erschreckende Art und Weise als machthungrige Bestie. Ein Mensch der in seiner Erhabenheit über allem zu stehen scheint, dem man nur zu gerne glauben möchte, dass die Erde unter seinen Füßen zu beben beginnt und die Vögel auf sein Wort hin tot von den Bäumen fallen. Ein Über-Charakter, wie er typisch für die Herzog-Filme ist. Nur sehr selten und pointiert kommt es zu den expressiven, "kinski-esquen" Ausbrüchen, ansonsten unterstreichen reduzierte Mimik, Gestik und Wortausdruck die Diabolik seines Charakters, der tausende von Meilen entfernt gegen die spanische Krone rebelliert und eine neue Dynastie gründen will. Es ist ein cineastischer Genuß par excellence Kinskis Monologe - gerade und besonders den packenden Schlussmonolog, in dem sich Aguirre noch im Moment des "großen Scheiterns" des eigenen Ruhms versichert - zu verfolgen, seinem ausdrucksstarken Gesicht und den minimalen Muskelregungen darauf zuzusehen und sich von der Aura dieses "wahren Aguirres" hypnotisieren zu lassen.
Auch wenn Aguirre, der Zorn Gottes nicht der Ästhetik und den Schauwerten klassischen "Abenteuer-Kinos" entspricht, so ist dem Gespann Herzog-Kinski - ohne Kinski wäre der Film vermutlich nur halb so faszinierend - ein beeindruckendes Stück (leiser) Kinogeschichte und eine meditative Reflexion über die Zeichen der Macht - oder aber eben auch über die Macht der Zeichen - geglückt. Und auch wenn uns von den armen Teufeln aus Aguirre, der Zorn Gottes immerhin die Epoche der (fortgeschrittenen) Aufklärung trennt, so ist der Film mit seiner Denunziation des "Fetisch Macht" doch noch immer aktuell.
Zur DVD
Die DVD von Kinowelt/Arthaus besticht in allen Belangen durch eine liebe- und respektvolle Aufbereitung: Das schön gestaltete Cover unterstreicht durch edle Reduktion die Gediegenheit des Filmes. Bild- und Tonqualität (nur Dolby Digital 1.0) sind für einen Film diesen Alters absolut hervorragend und garantieren ungetrübten Heimkinogenuß. Das Bild ist im Format 4:3 und entspricht somit dem Originalformat des Films.
Werner Herzog, der bereits für die DVD-Edition von Anchor Bay einen englischen Audiokommentar eingesprochen hatte, hat zusammen mit dem damaligen Verleiher Laurens Straub extra einen deutschsprachigen Kommentar eingesprochen. Die Nähe der beiden Kommentatoren zueinander kommt dem Zuschauer zugute, der mit vielen interessanten Informationen zum Schaffungsprozess des Films und schönen Anekdoten beschenkt wird. Schade allein, dass nicht auch der englische Audiokommentar enthalten ist. Dafür aber ist eine zwar kurze, aber dennoch schöne Werkfotoschau als Bonus zu sehen, die nicht auf der internationalen DVD zu finden ist. Desweiteren gibt es obligatorische Dreingaben wie Biographien der Beteiligten und den Trailer.
==
Aguirre - Der Zorn Gottes (Deutschland 1973)
Regie/Drehbuch: Werner Herzog, Kamera: Thomas Mauch, Musik: Popol Vuh, Schnitt: Beate Mainka-Jellinghaus, Darsteller: Klaus Kinski, Daniel Ades, Peter Berling, u.a.
Anbieter: Kinowelt/Arthaus
» imdb | mrqe.com | rottentomatoes
» werner herzog - offizielle website | klaus kinski forum | tv-termine: kinski
Die Zeichen der Macht - die Macht der Zeichen
Klaus Kinski und Werner Herzog. Zwei Namen, zwei Genies, eine Legende der deutschen Filmgeschichte. Zahlreiche Mythen ranken sich um das gemeinsame Schaffen der beiden - seien es die berüchtigten, oft stundenlangen Wutausbrüche Kinskis während der Dreharbeiten, sei es die Legende von Herzog, der während der Aufnahmen den agierenden Kinski vom Regiestuhl aus stets mit dem Gewehr anvisiert habe. 16 Jahre dauerte die kreative Allianz der beiden, fünf Filme wurden in dieser Zeit geschaffen. Mit Aguirre, der Zorn Gottes wurde im Jahr 1973 der Grundstein für den noch immer lebendigen Mythos gelegt. Peru zum Jahreswechsel 1590/1591. Von den spanischen Konquistadoren an den Rand der eigenen Existenz getrieben, erfinden die letzten Inkas in ihrer Not die Legende von El Dorado, dem güldenen Land des unermesslichen Reichtums, in der Hoffnung, die Besatzer ins unwegsame Landesinnere zu treiben. Unter der Führung von Gonzalo Pizarro ziehen einige Hundert Spanier, darunter auch Vertreter des Adels, des Klerus und Dutzende indigener Sklaven, ins Dickicht des Dschungels. Dieses entpuppt sich schon bald als undurchdringlich für die Konquistadoren mit ihren Rüstungen, Kanonen, Pferden und Vorräten - an einem Fluss wird der Plan gefasst, Flosse zu bauen, um einen Trupp von 40 Mann loszuschicken, die das Land erkunden und El Dorado ausfindig machen sollen.
Das Kommando wird Don Pedro de Ursua übertragen, doch auch der Vorstoß ins Innere des Landes mit dem Floß entpuppt sich als kaum zu meisternde Hürde. Angriffe von Indios und die reißenden Stromschnellen dezimieren die Truppe zusehends. Als Ursua angesichts der desolaten Situation den Rückzug zur Truppe befiehlt, kommt es zur Meuterei: der missgestaltete Unterführer Don Lope de Aguirre, schon zuvor durch Trotzigkeit aufgefallen, bringt die Soldaten und den Klerus mit Versprechungen von Macht und Reichtum hinter sich, legt Ursua und seine wenigen verbliebenen Anhänger in Ketten, rebelliert wider die spanische Krone und setzt den tapsigen, verfressenen Edelmann Don Fernando de Guzman als Marionetten-Kaiser auf den Thron von El Dorado. Die Suche nach dem goldenen Land auf dem Floß geht weiter. Tiefer in den Dschungel, tiefer in den alles verzehrenden Wahnsinn.
Werner Herzog bleibt sich treu und erzählt hier, wie auch in vielen anderen seiner Filme, eine Geschichte vom "ganz großen Scheitern". Macht und Ruhm - damit einhergehend der Hang zum Größenwahn - sind die bestimmenden Koordinaten, vor allem aber die Sinnlosigkeit dieser menschlichen Kategorien, deren Gültigkeit im wesentlichen nur in Form von Ritualen, stillschweigenden Übereinkommungen, bestätigt wird. Deutlich wird dies vor dem Hintergrund der erbarmungslosen Kräfte des Dschungels, die den Menschen in seine Schranken verweisen und ihn zu allerlei Groteskem zwingen, wenn zum Beispiel Kanonenrohre als Insignien der politischen Macht durch den Schlamm gezerrt werden, junge Adelsdamen auf Sänften mühselig von Sklaven durch den Wald geschleppt werden oder wenn mitten im Dschungel feierlich die offizielle Erklärung der Meuterei und der Inbesitznahme von El Dorado an den spanischen König, der ja nicht nur bloß absent ist, sondern sich obendrein noch auf einem anderen Kontinent befindet, verlesen wird.
Schon das erste Bild - ein zermartertes, nebelverhangenes Gebirge auf dem sich, zunächst kaum erkennbar, eine Hunderte Mann starke Expedition gezwungenermaßen mühsig im Gänsemarsch fortbewegt - erklärt den Menschen zum Spielball einer ihm entfremdeten, ihn bestimmenden Natur und reduziert seine Machtgelüste und -spiele zum bloßen Zeichen innerhalb reeller Machtgefälle. Umso irrealer wirken somit die zahlreichen Rituale, die der Film uns der Reihe nach präsentiert und in deren Dienste sich die Menschen stellen, von denen sie sich leiten lassen und nach denen sie streben. Die Symbole der Macht verkümmern vor der Kulisse des Dschungel mehr und mehr zum reinen Selbstzweck ohne Legitimation, ohne Aussage. Und sie verpuffen, genau wie der Glanz von El Dorado, im Nirgendwo der kollektiven Halluzinationen gegen Ende des Filmes. "Kein Fluss kann so hoch steigen", sagt der die Mission begleitende Mönch gegen Ende im Fieberwahn, als er ein Schiff in den Wipfeln eines Baumes entdeckt. Nun, die Macht des Menschen offenbar ebenfalls nicht, auch wenn Aguirre in seinem Monolog von sich als dem "Zorn Gottes" spricht und die Vögel auf sein Geheiß hin tot von den Bäumen fielen.
Dass sich dieser allegoriereiche Film nicht im - dieser Grundthematik ja verführerisch nahe liegenden - überwältigenden Bilderrausch ergeht, ist ein großer Verdienst Werner Herzogs. Anstatt dem Pathos zu erliegen, kleidet Herzog die Geschichte des großen Verrats in schon beinahe "langweilige" Momentaufnahmen der Agonie. Und anstatt mit bombastischen Landschaftsaufnahmen in verkitschter Postkartenromantik zu schwelgen, wird die Natur fragmentarisch und vor allem real-existent, also unzeichenhaft, inszeniert. Eine Kulisse, die in sich "ist", schon immer "war" und vermutlich auch trotz des Treibens seiner Gäste darin auch in Zukunft "sein wird". Ganz im Gegenteil dazu die Menschen: degeneriert und perspektivenlos ziehen diese Machthungrigen durch den endlosen Dschungel, legitimieren ihr Verhalten gegenseitig durch sich stetig wiederholende Machtrituale und -duelle und wähnen sich selbst noch in den verzweifelsten Momenten als baldige Herrscher eines monumentalen Weltreichs. "Unser Reich ist jetzt schon 6 mal größer als Spanien", verkündet Guzman von seinem schäbigen Thron auf dem Floß aus, "und mit jedem Tag, der vergeht, wird es größer.". Dabei hat er von seinem Reich noch nicht mal mehr gesehen als ein paar Bäume und einen endlosen Fluss. Vor dem, was ist, haben sich die Menschen in ihrem Drang zur Zeichenhaftigkeit verloren, stürzen in ihr Verderben und sterben - Ironie des Schicksals - im Fieber halluzinierend. Die wohltuend langsame und bedachte Inszenierung tut ihr übriges, um den Zuschauer zum Endes des Films in Zweifel zu lassen, ob er gerade Zeuge einer hypnotischen Halluzination gewesen sei. Ein Effekt, den die sphärische Musik des Musiker-Projektes Popol Vuh, das zahlreiche Herzog-Filme musikalisch untermalt hat, noch verstärkt.
Erwähnenswert selbstverständlich auch Klaus Kinski, der hier eine seiner Glanzleistungen im schauspielerischen Bereich seines Schaffens darbietet. Er zeichnet Don Lope de Aguirre gerade durch eine ganz bewusste Reduktion auf erschreckende Art und Weise als machthungrige Bestie. Ein Mensch der in seiner Erhabenheit über allem zu stehen scheint, dem man nur zu gerne glauben möchte, dass die Erde unter seinen Füßen zu beben beginnt und die Vögel auf sein Wort hin tot von den Bäumen fallen. Ein Über-Charakter, wie er typisch für die Herzog-Filme ist. Nur sehr selten und pointiert kommt es zu den expressiven, "kinski-esquen" Ausbrüchen, ansonsten unterstreichen reduzierte Mimik, Gestik und Wortausdruck die Diabolik seines Charakters, der tausende von Meilen entfernt gegen die spanische Krone rebelliert und eine neue Dynastie gründen will. Es ist ein cineastischer Genuß par excellence Kinskis Monologe - gerade und besonders den packenden Schlussmonolog, in dem sich Aguirre noch im Moment des "großen Scheiterns" des eigenen Ruhms versichert - zu verfolgen, seinem ausdrucksstarken Gesicht und den minimalen Muskelregungen darauf zuzusehen und sich von der Aura dieses "wahren Aguirres" hypnotisieren zu lassen.
Auch wenn Aguirre, der Zorn Gottes nicht der Ästhetik und den Schauwerten klassischen "Abenteuer-Kinos" entspricht, so ist dem Gespann Herzog-Kinski - ohne Kinski wäre der Film vermutlich nur halb so faszinierend - ein beeindruckendes Stück (leiser) Kinogeschichte und eine meditative Reflexion über die Zeichen der Macht - oder aber eben auch über die Macht der Zeichen - geglückt. Und auch wenn uns von den armen Teufeln aus Aguirre, der Zorn Gottes immerhin die Epoche der (fortgeschrittenen) Aufklärung trennt, so ist der Film mit seiner Denunziation des "Fetisch Macht" doch noch immer aktuell.
Zur DVD
Die DVD von Kinowelt/Arthaus besticht in allen Belangen durch eine liebe- und respektvolle Aufbereitung: Das schön gestaltete Cover unterstreicht durch edle Reduktion die Gediegenheit des Filmes. Bild- und Tonqualität (nur Dolby Digital 1.0) sind für einen Film diesen Alters absolut hervorragend und garantieren ungetrübten Heimkinogenuß. Das Bild ist im Format 4:3 und entspricht somit dem Originalformat des Films.
Werner Herzog, der bereits für die DVD-Edition von Anchor Bay einen englischen Audiokommentar eingesprochen hatte, hat zusammen mit dem damaligen Verleiher Laurens Straub extra einen deutschsprachigen Kommentar eingesprochen. Die Nähe der beiden Kommentatoren zueinander kommt dem Zuschauer zugute, der mit vielen interessanten Informationen zum Schaffungsprozess des Films und schönen Anekdoten beschenkt wird. Schade allein, dass nicht auch der englische Audiokommentar enthalten ist. Dafür aber ist eine zwar kurze, aber dennoch schöne Werkfotoschau als Bonus zu sehen, die nicht auf der internationalen DVD zu finden ist. Desweiteren gibt es obligatorische Dreingaben wie Biographien der Beteiligten und den Trailer.
==
Aguirre - Der Zorn Gottes (Deutschland 1973)
Regie/Drehbuch: Werner Herzog, Kamera: Thomas Mauch, Musik: Popol Vuh, Schnitt: Beate Mainka-Jellinghaus, Darsteller: Klaus Kinski, Daniel Ades, Peter Berling, u.a.
Anbieter: Kinowelt/Arthaus
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° ° °
Thema: Filmtagebuch
04. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
29.10.2003, Heimkino
Ganz hinten, am Ende einer Sackgasse, liegt das Haus der alten Mrs. Wimmerforce. Zur Sackgasse soll dieses Haus auch fünf zwielichtigen Gestalten werden, die sich bei dem naiven Muttchen zur Untermiete einquartieren, um, getarnt von der Fassade biederer Bürgerlichkeit, den ganz großen Coup zu landen. Derweil ziehen die Züge weiter hinten vorbei, unter der Brücke hinter dem Haus. Viel wird bald auf sie herabgeworfen werden ...
Wo nur anfangen bei diesem wunderbarem Stück Filmgeschichte, diesem augenzwinkernden Juwel des schwarzen Humors? Wie schön das kleine, verwinkelte Häuschen noch durch die Kameraarbeit verwinkelter, verschrobener zu sein scheint als es doch eigentlich schon ist. Und dann Alec Guinnes, wie er mit diesem irren Blick eines Vampirs, eines Caligari durch diese Behausung schleicht, so unheimlich weit weg von den sanften Augen dieses Mannes, wie man sie etwa aus Star Wars (USA 1977) kennt. Wie er zunächst als Schatten auf der Straße auftaucht, um das Haus schleicht. Oder die immer wiederkehrende Ansicht des Häuschens aus der Vogelpespektive, so schlicht wie effektiv: Zu Beginn heimelig, dann schon unheimlicher, zum Ende hin gruselig und mysteriös. Und natürlich die Schlußpointe des Films, das Tüpfelchen auf dem i, wenn sich fadenscheinige Beschwichtigungen auf der einen Seite und verhätschelnde Nachsichtigkeit auf der anderen zu einem so elegant aufgelöstem wie stimmigen Beschluß münden.
Wie man hört, arbeiten die Coens derzeit an einem Remake. Ein rundum passender Stoff für die beiden, möchte ich meinen. Auf das Ergebnis darf man so freudig gespannt wie neugierig sein.
imdb | mrqe | rottentomatoes | Alec Guinness: aktuelle TV-Termine
Ganz hinten, am Ende einer Sackgasse, liegt das Haus der alten Mrs. Wimmerforce. Zur Sackgasse soll dieses Haus auch fünf zwielichtigen Gestalten werden, die sich bei dem naiven Muttchen zur Untermiete einquartieren, um, getarnt von der Fassade biederer Bürgerlichkeit, den ganz großen Coup zu landen. Derweil ziehen die Züge weiter hinten vorbei, unter der Brücke hinter dem Haus. Viel wird bald auf sie herabgeworfen werden ...
Wo nur anfangen bei diesem wunderbarem Stück Filmgeschichte, diesem augenzwinkernden Juwel des schwarzen Humors? Wie schön das kleine, verwinkelte Häuschen noch durch die Kameraarbeit verwinkelter, verschrobener zu sein scheint als es doch eigentlich schon ist. Und dann Alec Guinnes, wie er mit diesem irren Blick eines Vampirs, eines Caligari durch diese Behausung schleicht, so unheimlich weit weg von den sanften Augen dieses Mannes, wie man sie etwa aus Star Wars (USA 1977) kennt. Wie er zunächst als Schatten auf der Straße auftaucht, um das Haus schleicht. Oder die immer wiederkehrende Ansicht des Häuschens aus der Vogelpespektive, so schlicht wie effektiv: Zu Beginn heimelig, dann schon unheimlicher, zum Ende hin gruselig und mysteriös. Und natürlich die Schlußpointe des Films, das Tüpfelchen auf dem i, wenn sich fadenscheinige Beschwichtigungen auf der einen Seite und verhätschelnde Nachsichtigkeit auf der anderen zu einem so elegant aufgelöstem wie stimmigen Beschluß münden.Wie man hört, arbeiten die Coens derzeit an einem Remake. Ein rundum passender Stoff für die beiden, möchte ich meinen. Auf das Ergebnis darf man so freudig gespannt wie neugierig sein.
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Thema: Filmtagebuch
04. November 03 | Autor: immo | 0 Kommentare | Kommentieren
29.10.2003, Heimkino
"Als fünf geistig eher minderbemittelte Kleinkriminelle von einem unzureichend bewachten, prall gefüllten Safe erfahren, glauben sie an die Chance ihres Lebens. Aus ironischer Distanz erzählte Geschichte von klassischen Verlierer-Typen, die die Standardsituationen des Caper-Movies in ihr Gegenteil verkehrt. Zwischen Anteilnahme am Schicksal seiner Figuren und forcierter Skurrilität schwankend, überzeugt der Film nur stellenweise als Komödie." (Lexikon des internationalen Films)
Sorglos hinsichtlich der eigenen Ambitionen entfaltet sich der Film, allzu sorglos leider über weite Strecken. Zu Beginn nicht sonderlich hastig, benötigt er lange, um zum Punkt zu kommen, nur um am Ende dann, wenn es dann denn wirklich amüsant zu werden droht, sein ganzes Pulver binnen weniger Minuten zu verschießen. Im Ergebnis bleibt ein Film, der gerne den Arthaus-Witz der üblichen Verdächtigen auch für sich beanspruchen würde, im wesentlichen hingegen harmlos ist, zum Schluß ein paar so herzliche wie tausend Mal zuvor bescherte Lacher bringt, im Ganzen dann aber nicht darüber hinweg täuschen kann, dass er letzten Endes doch nicht genügend Klasse aufweist, um sich langfristig in die Erinnerung der Zuschauer einzubrennen. Recht unerheblich also und bald schon größtenteils vergessen. Ein Film wie gemacht, um während des lustlosen Zappens dran hängen zu bleiben - und ich bin mir nicht sicher, ob das ein positives Urteil ist.
imdb | mrqe | rottentomatoes | angelaufen.de | filmz.de
"Als fünf geistig eher minderbemittelte Kleinkriminelle von einem unzureichend bewachten, prall gefüllten Safe erfahren, glauben sie an die Chance ihres Lebens. Aus ironischer Distanz erzählte Geschichte von klassischen Verlierer-Typen, die die Standardsituationen des Caper-Movies in ihr Gegenteil verkehrt. Zwischen Anteilnahme am Schicksal seiner Figuren und forcierter Skurrilität schwankend, überzeugt der Film nur stellenweise als Komödie." (Lexikon des internationalen Films)Sorglos hinsichtlich der eigenen Ambitionen entfaltet sich der Film, allzu sorglos leider über weite Strecken. Zu Beginn nicht sonderlich hastig, benötigt er lange, um zum Punkt zu kommen, nur um am Ende dann, wenn es dann denn wirklich amüsant zu werden droht, sein ganzes Pulver binnen weniger Minuten zu verschießen. Im Ergebnis bleibt ein Film, der gerne den Arthaus-Witz der üblichen Verdächtigen auch für sich beanspruchen würde, im wesentlichen hingegen harmlos ist, zum Schluß ein paar so herzliche wie tausend Mal zuvor bescherte Lacher bringt, im Ganzen dann aber nicht darüber hinweg täuschen kann, dass er letzten Endes doch nicht genügend Klasse aufweist, um sich langfristig in die Erinnerung der Zuschauer einzubrennen. Recht unerheblich also und bald schon größtenteils vergessen. Ein Film wie gemacht, um während des lustlosen Zappens dran hängen zu bleiben - und ich bin mir nicht sicher, ob das ein positives Urteil ist.
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lol