Dienstag, 25. April 2006
Thema: literatur
Ich sitze auf der Parkbank und lese Thomas Pynchons Gravity's Rainbow, als sich ein, schätze ich, 20jähriger neben mich setzt und Dr. Sex von T.C. Boyle in der Hardcover-Fassung aufschlägt. Zuvor hatte er sich den Weg durch die gröhlenden Hartz-IV-Opfer gebahnt, die den Boxie immer dann umgehend mit vielen Flaschen Bier bewaffnet einen Sommer lang in Beschlag nehmen, wenn sich die ersten Sonnenstrahlen bemerkbar machen. Offenbar wähnte er in mir einen Verbündeten, zumindest lächelt er mich auf seltsame, mir allerdings vollkommen unsympathische Weise an, als er sich neben mir niederlässt und das Buch eine Spur zu demonstrativ aufschlägt.

Boyle mochte ich mal ganz gerne, ist aber auch schon einige Jahre her. Das letzte Buch, das ich von ihm gelesen habe, habe ich nicht zuende geschafft, weil es mich geschafft hat; immer dieses zwanghafte Verschrobene, immer diese ähnlichen Versatzstücke und Formulierungen, mit denen er seine Romane zusammenschraubt (was, zugegeben, auch eine Schwäche der Übersetzung sein könnte, üblicherweise bin ich viel zu faul für originalsprachliche Ausgaben). Aber mir scheint, dem Jungen neben mir gefällt das, sicher, für einen Frühlingstag ist das gute Lektüre für einen Schmökerer. Und er sieht auch ein bisschen so aus, wie man sich einen Schmökerer vorstellen kann, so eine Spur zu bieder, zu hilflos geraten.

Bal geht er auch schon wieder mit seiner unterhaltsamen Ferienlektüre, viele Seiten hat er nicht geschafft. Ich glaube, dreimal ein Blättern gehört zu haben. Vielleicht waren ihm die Gröhler mit ihren Hunden zuviel oder aber er hatte sich das irgendwie etwas romantischer vorgestellt, eben so im Park sitzen und lesen und all das. Keine Ahnung. Ich verbeiße mich wieder in Gravity's Rainbow (den ich natürlich auf Deutsch lese, aus obengenannten Gründen, aber der englische Titel hat einfach mehr Klang als der deutsche), dieses unfassbar in sich verkarstete, schillernde, faszinierende Werk. Uni-Lektüre ist das (und ich bin froh drum, ehrlich gesagt, dass ich studiere, mit was ich mich ohnehin gerne und oft befasse, zumindest fast immer), ein Seminar bei Kittler wird sich ausschließlich mit diesem Buch befassen. Ich bin gespannt.

"Geht alle scheißen!" sagte Slothrop.


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Freitag, 10. Juni 2005
Thema: literatur
Dies ist eine ganz und gar legitime Frage. Gestellt wurde sie als Ausdruck profunden Ketzertums wider althergebrachte, onkelige Germanistik vor vielen Jahren von einem, der stilbewusst dort zu sterben wusste, wo sich Teutonenpop und Gröfaz über die Dekaden hinweg zuprosteten: Auf der Autobahn.

Gefunden habe ich diese Frage, die ich affirmativ wiederhole, da sie mir aus der Seele spricht, heute in einem kurzen Text von Wiglaf Droste in der taz über den Fragenden, Jörg Fauser, von dem Droste, wie bekannt ist, ein glühender Verehrer ist.

Mir soll dies einmal mehr Notiz sein, den Fauser doch nun endlich einmal anzulesen.


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Mittwoch, 1. Juni 2005
Thema: literatur
Internetz wird immer besser! Nachdem über die von Amazon betreute Suchmaschine http://www.a9.com auch Bücher nach einzelnen Wörtern durchsucht werden konnten (allerdings mittlerweile nur noch via Amazon-Kundenschaft...) und Amazon.com selbst wohl mittlerweile eine Quellsuche anbietet, wurde nun still und heimlich die Print-Suche von Google installiert. Unter http://print.google.com lässt sich ein offenbar schon erfreulich unübersichtlich geratenes Angebot an eingescannten Büchern nach einzelnen Wörtern oder Wortfolgen durchsuchen. Die Ergebnisse können in Form der betreffenden eingescannten Seiten eingesehen werden, komfortablerweise kann man die Seite auch im Kontext ihrer benachbarten Seiten erheben. Rechtlich gesehen ist das gewiss heikles Gebiet, doch umschifft Google zumindest eigener Ansicht nach juristische Auseinandersetzungen, indem nur wenige Seiten eines Buches eingesehen werden können. Dies hindert die Rechteinhaber dennoch nicht, dass neue, still und heimlich installierte Feature kritisch zu kommentieren, wie die Netzeitung vor wenigen Tagen berichtete.

Mir soll das eins sein: Dieses Feature schlägt bislang alle Buch-Suchmaschinen im Web und scheint mir als Recherchetool, um Literatur ausfindig zu machen, sehr ideal (jaja, ich weiß Google ist nicht alles, alte Leier, dessen bin ich mir voll bewusst und setze es als bekannt voraus...). Erste Testanfragen haben jedenfalls schon beeindruckende Ergebnisse gezeitigt: Auch ein Nischenbereich wie die Filmtheorie ist zum Beispiel schon mit hinreichend vielen Büchern vertreten, um eine vorläufig zufriedenstellende Ausbeute zu ermöglichen. Einziger Wermutstropfen mag sein, dass sich die Auswahl an durchforstbaren Büchern bislang offenbar nur auf den us-amerikanischen Markt beschränkt. Solange aber nicht wieder weltfremde Besorgnisträger in Brüssel oder technikunkundige Pfuscher wie eben jene, die letztens einen deliranten Wahnsinn wie die GEZ für Computer ins Gesetz gegossen haben, mit ihren Schmierflossen rumklecksen, sollte ein europäisches/deutschsprachiges Pendant nur noch eine Frage der Zeit sein.


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Sonntag, 24. April 2005
Thema: literatur
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Vor wenigen Tagen habe ich mein erstes Exemplar eines Suhrkamp-Taschenbuchs erhalten, das rein äußerlich nicht mehr der vormals üblichen Fleckhaus-Gestaltung, sondern jener neuen Konzeption entspricht, die mit geometisch genau separierten vier Farbflächen ein wenig verzweifelt Modernität zum Ausdruck bringen soll. Mag bei vorliegender Prosa, durch den Einsatz naheliegender Fotografien, das Buch noch ansehnlich gestaltbar sein, zumindest dahingehend, dass man ästhetisch nicht vollends beleidigt wird, gelangt die Gestaltung wissenschaftlicher oder zumindest nicht-prosaischer Bücher bei der Blöße des ästhetischen Grundkonzepts an, das über mit zweifelhaftem Geschick zusammengestellter Farbflächen und bloßer Titelangaben keinerlei weiteren Anreiz mehr bietet. Und mit einigem Erfolg erreicht man auch das offenbar gesteckte Ziel: Es sieht zum Kotzen aus, nach Wegwerfliteratur und Billig-Quatsch, zumal auch das spezifische Einbandmaterial früherer Ausgaben - mit leichtem "Relief" - gewechselt wurde und man nun bei üblicher Taschenbuchglätte angelangt ist. Die elegante Schlichtheit und Serialität, wie sie die Fleckhaus-Konzeption mit sich brachte, die letzten Endes auch Suhrkamp-Bücher schnell differenzierbar machte, ist, zu Gunsten ästhetischer Gleichgültigkeit, dahin. Vorbei das Taktile, das Suhrkamp-Büchern in wissenden Händen Differenzqualität bescherte, vorbei offenbar auch die Zeit einer diskreten Gestaltungssingularität innerhalb des gesteckten, zwar rigiden, aber eben doch austestbaren Konzepts früherer Tage. Schade auch, dass im Regal der Eindruck des Geschlossenen nun mehr zerstört wird.

Jetzt, wo ich das Resultat der seit letztem Jahr geänderten Politik unmittelbar in Händen halte, frage ich mich, zu welchem Zweck hier herumgeschneidert wurde. Das Moderne, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll, ist doch nur Einfallslosigkeit und mündet in ästhetische Minderwertigkeit, vor allem aber in Profilverlust. Jede alte Lovecraft-Ausgabe aus selbem Hause überbietet den äußeren Reiz solcher Einfältigkeit. Erschreckend ist dabei die Geschwindigkeit, mit der nun auch scheinbar für ewig bei Suhrkamp vorliegende Klassiker der Sachliteratur durch ihre ermüdend neu gestalteten Pendants ersetzt werden.

Für mich hat dies nur eine Konsequenz: Sofern mir irgend möglich, wird Material von Suhrkamp in Zukunft auf antiquarischem Wege bezogen. Lieber nehme ich dusselige Anstreichungen in Kauf als mir solch ausgemachte, lieblos hingemurkste Hässlichkeit ins Regal zu stellen.

Nachtrag:
Die FAZ sah das, im September vergangenen Jahres, ähnlich.


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Samstag, 2. April 2005
Thema: literatur
Soilworker verweist auf eine ganz hervorragende Website: Horrormasters.com bietet hier unzählige klassische Stories der Grusel- und Horrorliteratur an, zahlreiches davon offenbar kaum mehr anderweitig beschaffbar. Eine kategorisierte Übersicht gibt es obendrein.


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Dienstag, 29. März 2005
Thema: literatur
Die junge deutsche Literatur der Gegenwart wirft gerne den Blick zurück. Wie war das "damals"? Wie war das "dort"? Und wie lässt sich über einen solchen Blick zurück Identität schaffen, im Verein mit dem Leser natürlich, der die ganze Zeit "Genau!" denken soll, wenn ihm ein anderer seine vermeintliche Vergangenheit vor die Füße rotzt. Sei es der unerträgliche Snobismus, mit dem Florian Illies eine Marken- und Geistesgeschichte des wohl ödesten Jahrzehnts - die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts - zur Revue geraten lässt, oder die allenfalls lähmende Larmoyanz, mit der Jana Hensel in "Zonenkinder" ein ähnliches Projekt für die Ostsozialisierten in Angriff nimmt: Die so genannte "Generation Berlin", wie man die aufstrebenden jungen Leute der 90er Jahre noch für alle klar erkennbar als "jung und dynamisch" apostrophieren wollte, ist schon kurz nach ihrer Maienblüte schon älter und satter als manch anderer Generationenentwurf vor ihr und trägt einen Rattenschwanz melancholischer Vergangenheitsapropos mit sich herum, dass die Forderung nach "tabula rasa" schon aus bloßen Gründen der Nächstenliebe notwendig erscheint. Allein Rocko Schamonis jüngstes Werk, "Dorfpunks", gelingt es, in die Vergangenheit zu blicken, Entwicklungslinien zu ziehen und dabei in der Tat einen kurzen Moment historischer Mentalitätsverfasstheit literarisch festhalten zu können. Es mag daran liegen, dass es bei ihm gerade nicht um ödes Quiz geht, in dem derjenige gewinnt, der die meisten mit "Ach, weißt Du noch..." beginnenden Fragen richtig zu beantworten weiß. Im Gegenteil, bei ihm geht es um eine an sich zur Geschichtslosigkeit neigenden Haltung - wer hätte unter Punkern schon Historiker mitschreiben sehen? -, die als kaum mehr bewusste Gegenbewegung in der Peripherie der Öffentlichkeit sich einen Freiraum von eben jenem Marken- und Nutellaterror verschaffte, dem Illies und Co in späteren Jahren nachweinen würden: Das Aushänge-Spießerbübchen, das von sich gerne behauptet, einer bewegungslosen Zwischengeneration anzugehören, war eben schon damals zu blöde, um stattfindende Bewegungen auf den Schirm zu kriegen.

Entsprechend distanziert nähert man sich zunächst Kolja Mensings Versuch, dem System Provinz nachzuspüren. Der Generalverdacht lautet zunächst: Eine weitere Retrosauce, voller Sentiment, Verklärung und debiler Verbrüderung mit dem Leser: "Damals, als Tante Erna noch die Spüli-Aufkleber auf den Kühlschrank pappte..." Und in der Tat gibt sich Mensing, Kulturredakteur bei der taz, zunächst alle Mühe, diese Erwartung zu bestätigen: Sein Buch beginnt mit einem Gespräch zweier Provinzflüchtlinge, die sich über ihre Heimat unterhalten; implizit läuft ein Wettbewerb ab: Wer sich als von der Provinz am meisten emanzipiert erweist, gewinnt. Es folgt die Rückfahrt in die Provinz, obligatorisch zu Weihnachten natürlich, Blick aus dem Zug-, Auto- und schließlich Schlafzimmerfenster: Willkommen zuhause, ein paar Tage lang wenigstens. Die letzten Seiten sind für die rückführende Bewegung reserviert.

Doch der erste Eindruck trügt. Hat man die etwas unglückliche fiktionalisierte Rahmung überstanden, gelingt Mensing manch kluger, kleiner Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Provinz der letzten 25 Jahre. Seine Form ist dabei nicht die der nostalgisch ausgeschmückten Anekdote, auch geht es ihm nicht um literarisierende Überhöhung. Das Wort "Roman" findet sich auf dem Umschlag nicht. Mit gutem Grund, eher schreibt der journalistisch versierte Mensing Reportagen, Artikel, Magazinbeiträge, Versuche eben, das Spezifische des Systems Provinz - und wie es sich im Laufe der letzten 20 Jahre wandelte, anpasste und, mit den Landflüchtlingen der "Generation Berlin", die Großstädte imperialisierte -, zu packen. Die Beobachtungen, Verdichtungen und Zusammenhang konstruierende Entwürfe sind dabei klar und besonnen geschrieben, natürlich um den Leser und dessen Erfahrungsschatz buhlend, gleichzeitig aber auch immer auf eine gewisse Distanz aus, die das Detail - sagen wir: das Mülltonnenhäuschen, das der Nachbar um seine Mülltonne herum bauen ließ - noch berücksichtigt, aber auch vor größeren Zusammenhängen - eine Mediengeschichte der Provinz etwa, wie sie über Satellitenschüsseln, Autobahnzubringern und nicht zuletzt das Internet die Welt zu sich holte und einverleibte - die Augen nicht verschließt.

Die behandelten Themen und Nischen sind vielfältig. Was sagen uns die Gothics der 80er Jahre? Was die Bushäuschen als zentraler Ort jugendlichen Kulturlebens? Komasaufen im Wald, sektiererischer Buchhandel in der Stadt, ominöse Hippieläden nebenan. Ein neues Kino bringt das Kino nahe, Erlebnisparks sorgen für Ausgleich, im Unterricht wird die katastrophale Bedeutung der Umweltverschmutzung für die Lebensqualität in der Region untersucht. Glanzmomente sind sicherlich die Gedanken über Boris Becker und die Hannoverander Indieband Fury in the Slaughterhouse - beide Phänomene der Medienwelt werden als bezeichnende des Verhältnisses zwischen Provinz und Kosmopolitismus nachgezeichnet und ergeben so, neben all der Profanität, die man einem Becker-Lebenslauf ansonsten vielleicht zumessen würde, eine zweite, kulturgeschichtliche Ebene: Der Junge aus Leimen, der nach den Sternen greift, in Monaco lebt und liebt, wehmütig in die Provinz zurückblickt und ihr eigentlich so recht doch nie entkommt - der späte Becker landet bei AOL, ist "drin" im Internet; der Horizont der Provinz wurde um ein wenig Welt erweitert. Mit den Hannoveranern - wie die anderen großen Musiker aus selber Stadt: natürlich fürchterlich - verhält sich das ganz ähnlich. Beide Texte leben dabei ganz entschieden von der soliden journalistischen Kenntnis des Autors: Der begnügt sich nicht, wie manche Popliteraten, den ewig jovialen Fanziner zu spielen, sondern reichert seine Texte mit sauber recherchierten (Arte-)Fakten an; Zusammenhänge werden nicht allein subjektiv konstruiert, sondern immer wieder anhand guter Quellen - im Falle Beckers etwa zahlreiche Interviews und Artikel aus der Frühzeit seiner Karriere - untermauert.

Auch wenn nicht jeder Text die Zunge schnalzen lässt, gelingt insgesamt doch Erkenntnis statt, wie bei Illies, Verklärung. Was die Provinz ausmacht - jenseits bloßer Stadtbilddifferenz -, was sie, sozusagen, "im Innersten zusammen hält", wird in den besten Momenten sichtbar (in den nicht ganz so guten entsteht immerhin Ahnung). Die Provinz, so das etwas melancholische Fazit, ist letzten Endes in der Großstadt angekommen: Auf der Love Parade in Berlin entdeckt Mensing die Wiederkehr der funshirt-bewehrten Komaköpfe einstiger Waldhüttenparties. So abwegig ist das nicht. Eine Verbrüderung findet, trotz aller aufgeschlossener, oft beinahe schon etwas standpunktlos erscheinender Beobachtung, nicht statt: Der Titel immerhin ist eine Frage, die Flucht geht weiter.

Kolja Mensing: Wie komme ich hier raus? Aufwachsen in der Provinz. Kiepenheuer & Witsch, 2002.


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Donnerstag, 10. März 2005
Thema: literatur
Dieses Projekt "Stammbaum der Bibel" (StaBil) erfasst alle im Alten Testament der Bibel vorkommenden Personen und stellt sie in einem Stammbaum von Adam & Eva bis Jesus dar. Der aktuelle Projektstand wird protokolliert und regelmäßig aktualisiert, so daß interessierte Personen sich ständig informieren können.

Stammbaum der Bibel

Dieser Stammbaum der griechischen Mythologie umfaßt die Genealogie sämtlicher griechischer Gottheiten sowie deren Kindern, Nachkommen, Ehe- und Liebespartnern und Helden der griechischen Sagenwelt.

Stammbaum der griechischen Mythologie

„Das Schwarze Netz” ist kein Lexikon, es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Wissenschaftlichkeit oder gar Deutungshoheit. „Das Schwarze Netz” ist vielmehr eine lose Sammlung von Gestalten, Begriffen und Phänomenen aus Mythologie, Religion, Paranormalem und Aberglaube. Auswahl und Bearbeitungsstand sind vollkommen willkürlich, wie sie gerade ins Blickfeld des Autors gerieten und geraten.

Das Schwarze Netz

Mit Dank an bekay aus den filmforen.de


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Sonntag, 23. Januar 2005
Thema: literatur
Wieder viel Neues erstanden die letzten Tage. Der Flohmarkt zeigte sich mal wieder als eine kleine Schatzkiste, aber auch in üblichen Lokalitäten wurde manches Mal der Geldbeutel gezückt, sträflich oft vielleicht auch. (aber wie benennt es ein Buchhandel in Prenzlauer Berg so schön beim Namen: "Bücher sind Lebensmittel" - so steht das dort groß draußen über dem Eingang)

Fred Gehler/Ulrich Kasten (Hrsg.) Friedrich Wilhelm Murnau. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin (DDR). 1990.
Ein schlicht gestaltetes Hardcover, das neben einem langen und offenbar eher biografischen Essay der Herausgeber auch eine große Sammlung von Texten aus Murnaus Feder enthält. So finden sich Aussagen aus Interviews genauso wie großzügiger angelegte Wortmeldungen in vornehmlich us-amerikanischen Organen des Filmjournalismus (ob sich diese Fundstücke auch im schönen Berlinale-Begleitband zur Murnau-Retrospektive 2003 finden, muss ich noch nachschlagen). Fernerhin gibt es Auszüge aus dem Drehbuch zu Sunrise, der demnächst im Kino Arsenal zu sehen sein wird (und den ich hoffentlich wahrnehmen kann). Viele schöne Fotos runden das Buch ab, auch wenn ich auf ein Foto von Murnaus Leiche im Sarg ehrlich gesagt gut hätte verzichten können.

Ingmar Bergman: Mein Leben. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR), 1989.
Autobiografie des schwedischen Auteurs im robusten, aber handlichen Hardcover zum antiquarisch sehr günstigen Preis. Zwar bin ich kein allzu großer Freund von Biografien - ob nun selbst verfasst oder nicht -, aber wenn sich einem die Gelegenheit bietet, kann man solche auch günstig mitnehmen.

Michael Hanisch: Western. Die Entwicklung eines Filmgenres. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin (DDR), 1986.
Eine in der DDR verfasste Genealogie des us-amerikanischsten aller Genres ist natürlich per se schon interessant, zumal, wenn man sich, wie im Vorwort beschrieben, allein auf Western beschränkt, die auch im Land des Westerns enstanden sind. Die zwischen Kritik und Affirmation alternierende Perspektive des (in sich nun allerdings auch nicht homogenen) Italowesterns kann also bei der Bewertung des Genres nicht berücksichtigt werden. Fernerhin ist der Hardcoverband im nahezu quadratischen Format eine kleine Zierde für's Regal und vor allem seine reichhaltige Bebilderung gerade der ersten Regungen des Filmwesterns lädt auch zum versunkenen Quer-Schmökern ein. Auch hier glücklicherweise ein diebisch günstiger Preis!

Thomas Lindeberger/Alf Lüdtke (Hrsg.) Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit. Frankfurt a.M., Suhrkamp 1995.
In zahlreichen Aufsätzen werden das Phänomen der physischen Gewalt, ihre Bedingungen und Räume im Laufe der letzten Jahrhunderte beleuchtet. Das Spektrum reicht dabei von kriegerischer über öffentliche, politische bis hin zur häuslichen Gewalt. Generell steht dabei die Alltäglichkeit von physischer Gewalt im Fokus.

Stanislaw Lem: Die Ratte im Labyrinth. Ausgewählt von Franz Rottensteiner. Frankfurt a.M., Suhrkamp 1982.
Erzählungen und Kurzgeschichten vom Meister der interdisziplinär sich verstehenden Science Fiction.

Hubert Horstmann: Die Rätsel des Silbermonds.
Werner Steinberg: Die Augen der Blinden.

Ich entwickle langsam ein Herz für die Ausgaben der DDR-Reihe SF Utopia aus dem Verlag Das Neue Berlin. Dies macht sich vorrangig auf ganz primärer Ebene sinnlich fest: Ich mag zum einen die individuelle wie konzeptionelle Covergestaltung der Reihe sehr gerne, fernerhin ist das Material des Einbands ein sehr schönes (das ist, glaube ich, mattes Leinenmaterial). Von der literarischen Qualität konnte ich mich bislang nicht überzeugen, aber rein sinnlich machen diese Bücher eben was her (und diese Pfeifenrauchermentalität, dass ja nun allein der Inhalt eines Buches zähle und den könne man, bei vorhandener Güte, ja durchaus auf das ästhetische Empfinden schlichtweg beleidigende Weise verpacken, ist ja mal wirklich sowas von ungemein unangenehm). Ich erhoffe mir aber zumindest ein angenehmes Trivialliteraturerlebnis (und alles, was darüber hinaus sich noch einstellt, wird natürlich dankbar in Empfang genommen).


Dorothee Kimmich (Hg.) Charlie Chaplin. Eine Ikone der Moderne. Frankfurt a.M., Suhrkamp 2003.
Der Band bietet eine schöne Zusammenstellung historischer Texte, die sich meist essayistisch mit Chaplin beschäftigen. Neben den naheliegenden Versuchen der deutschen Denker aus dem kritisch-soziologischen Umfeld und einigen Exkursen in die frühe Filmtheorie erschließt der Band auch einige französische Texte erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft. Ein schöner Band, wie mir scheint.


Enno Patalas: Alfred Hitchcock. München, dtv 1999.
Ein weiteres Hitchcock-Portrait ist eigentlich unnötig, in diesem Falle reizt mich mehr der Autor, der Filmhistoriker Patalas. Ich bin gespannt, ob es ihm gelingt, den ungeheuren Wissenskosmos, der sich um Hitchcock bildet, eventuell mit Fragmenten des eigenen, großen Wissens anzureichern oder aber ihn zumindest in griffiger Form zu strukturieren. Ein erster Blick hinein ergibt den Eindruck eines leicht lesbaren, eher kompilierenden Werkes, das aufgrund zahlreicher ergänzender Textkasten am Rande auch zerstreuende Querlektüre mit Gewinn ermöglicht. Schön anzusehen sind die großzügig vorhandenen farbigen Bildreproduktionen in gestochen scharfer Qualität.


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Sonntag, 9. Januar 2005
Thema: literatur


Sehr umfangreiche, lesenswerte Textsammlung aus dem Hause Metzler, das zahlreiche Autoren internationalen Ranges versammelt und kaum einen Aspekt der Filmgeschichte auslässt (naturgemäß kratzt natürlich jede Bearbeitung nur an den Tiefen, die wiederum andere Bücher dann themenspezifisch sichtbar werden lassen müssten). Natürlich ist das auch Seminarlektüre: Gut die Hälfte, wenn nicht mehr, der Texte meines filmhistorischen Seminars finden sich in diesem Band. Zwar liegen mir besagte Texte auch als Kopie im Handapparat vor, aber mich andauernd an den Kopierer zu stellen, ist mir u stressig, ferner brauche ich für das Durcharbeiten der Texte, die mir besonders wichtig sind, auch die gewisse Haptik eines Buches. Und überhaupt: Das Buch - eine schöne, schwere Hardcoverausgabe - macht sich gut im Regal und scheint mir in seiner Dichte und Fülle eine ungemeine Wissenssammlung, auf die ich in Zukunft noch oft und gerne zurückgreifen werde.


Stellvertretendes Bild, meine Ausgabe ist laubfroschgrün. Ich habe eine hohe Affinität zu den alten Suhrkamptaschenbüchern im Gestaltungskonzept von Willy Fleckhaus. Und da sich der Traditionsverlag nun sträflicherweise von diesem verabschiedet hat, gilt es, Lücken zu schließen, solange dies noch möglich ist. Zumal, wenn der Flohmarktpreis stimmt.

kein Bild
Kurd Laßwitz: Traumkristalle. Utopische Erzählungen. Märchen. Bekenntnisse.
Eine schon vergilbte Sammlung mit besagtem Inhalt in einer DDR-Ausgabe von 1982, Verlag Das Neue Berlin. Ich mag ja dieses "DDR-Papier" nicht sonderlich, das in Farbgebung und weiteren sinnlichen Implikationen immer ein wenig an Toilettenpapier in Jugendherbergen erinnert. Aber es ist ein rein äußerlich schön gestaltetes Buch (Scan folgt vielleicht, mal schauen) der Reihe "SF Utopia" (und gehörte, laut Stempel auf der ersten Seite, dereinst offenbar der Bibliothek der Grenztruppen der DDR an, zwischen Juli '83 und Oktober '88 wurde es gerade mal 15 mal entliehen ...). Auf Laßwitz war ich in einem Band des Diogenes Verlag ("Die besten Science Fiction Geschichten des 19. Jahrhunderts" oder ähnlich) in Form seiner hinreißenden Geschichte "Auf der Seifenblase" (die im erstandenen Band glücklicherweise ebenfalls enthalten und für Freunde der Monitorlektüre hier beim Projekt Gutenberg nachschlagbar ist) gestoßen. Laßwitz ist einer der ersten deutschsprachigen Autoren, die grob der Science Fiction zugerechnet werden können, bzw. auf diesem Gebiet Pionierarbeit leisteten. Auf die Lektüre bin ich schon sehr gespannt (Hier weitere Informationen und Volltexte beim Projekt Gutenbrg).


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Montag, 3. Januar 2005
Thema: literatur

Auf dem Flohmarkt auf dem Zionskirchplatz für wenig Geld erstanden, allem Anschein nach in der Originalfassung und gnädigerweise keine Jugendbuchversaubeutelung. Zudem mit den sehr schönen Illustrationen der französischen Erstausgabe. Nicht zuletzt auch wegen des spannenden Vortrags "Das Wunderbare und Geheimnisvolle. Anmerkungen zu einer unbekannten Moderne." von Natascha Adamowsky im Rahmen der Ringvorlesung "Berliner Kulturwissenschaft" (Programm als pdf hier) zugegriffen (und natürlich auch, weil ich mich mit der Abenteuer-/SciFi-Literatur des 19. Jahrhunderts ohnehin mal noch näher vertraut machen wollte).


Flohmarkt auf dem Boxhagener Platz, zum schmalen Preis in sehr gutem Zustand. Ich liebe diese monotonen Gedankengänge, diese Versuche, die Abscheu zu artikulieren, die doch nie artikulierbar ist. Überhaupt diese einzigartige Sprachvirtuosität.


"Und die Sonne geht auf, und die Erde geht unter, ganz oben steht der Mond. Und er schaut jeden Tag auf die Erde herunter, von seinem Blick bleibt nichts verschont." Für diese Zeilen aus seinem Song Der Mond liebe ich Rocko Schamoni (voller Text hier). In seinen Memoiren - ach herrje - erzählt er vom Leben als Punker in der tiefen schleswig-holsteinischen Provinz. Wie man in einem 300-Seelennest in den frühen 80ern Punker und Gesellschaftskritiker wird. Zwar bin ich ja nun in den 90ern groß geworden (und die Zäsur von 89/90 definierte auch den Punk dieser Dekade neu, exemplarisch hierfür halte man sich den Werdegang der Goldenen Zitronen vor Augen), aber dennoch ist das nah an meiner eigenen Biografie (und die ersten locker weggelesenen Seiten bestätigen dies). Bin schon sehr gespannt.


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lol