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Freitag, 26. November 2004
Auch viele von uns haben gelernt, sie zu schätzen. Bricht eines unserer Kinder auf dem Eis ein, ist es oft ein Türke, der als erster den Sprung wagt, um das Kind zu retten.

Gar nicht mehr darüber nachdenken wollen. Der Schmerz im Kopf, das unweigerliche Zucken des Körpers, den dies nur nach sich ziehen würde. [via bildblog]


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Ein guter Freund auf Weblogpfaden, noch recht leer, aber, hoffentlich, mit bald viel Lesens- und Sehenswertem: SinAlley.


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Thema: comics


Schöne Stöberkiste mit mannigfaltigen Erstaunlichkeiten! [via crime in your coffee]


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Thema: good news


Das Fleisch ist Ron Jeremys Kapital: Pornofossil aus den 70ern, damals noch, naja, nicht schlank, aber ansehnlich stämmig (Doppelsinn indeed intended), heutzutage eher massiger Klops auf Beinen, hat seit jeher von der Ablichtung seines bloßen Fleisches gelebt (und von Zeit zu Zeit sieht man ihn in diversen Independentstreifen gar mal angezogen als Kultikone durch's Bild huschen). Dass die Visage des aufgrund seiner massigen Erscheinung und ansehnlichen Körperbehaarung auch liebevoll "Hedgehog" genannten Superstars sich auch prima für irgendwelche Psychoschnippelstreifen eignet, wäre dabei nicht erst heutzutage zu entdecken gewesen. However, bald ist es soweit: Ron Jeremy goes Slasher-Madness. Philip Cruz, von dem ich noch nie was gehört habe, inszeniert den Mann, dessen ganz eigener Body Count mehrere Tausende umfassen dürfte, in - haha - Dead Meat als durchgeknallten "Andre the Butcher". Hier die offizielle Website.


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Mittwoch, 24. November 2004
Die Pressemitteilung zur Retrospektive der Berlinale 2005:

"Ob verschwenderisch und opulent ausgestattete Sets oder zurückhaltend und schlicht gestaltete Räume – Production Design bestimmt den Look und die Atmosphäre eines Films und gibt dem visuell Typischen seine Gestalt.

Die Retrospektive der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin (10.–20.02.2005) widmet sich unter dem Titel „Schauplätze – Drehorte – Spielräume. Production Design & Film“ der Wirkung und dem Metier des Production Designs.

„Production Designer sind weit mehr als nur Kulissenbauer“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick die Retrospektive 2005. „Sie sind genuine Künstler, die das Gesamtbild eines Films wesentlich beeinflussen. Die Wirkung ihrer Arbeit ist auf den ersten Blick oft unterschwellig, doch für die Vermittlung der dramatischen Handlung sehr wichtig.“ Production Designer liefern den visuellen Schlüssel für die Stimmung und Geschichte eines Films. Die Ausstattung kann individuelle Gefühle ebenso wie gesellschaftliche Verhältnisse zum Ausdruck bringen oder das Rätselhafte und Bedrohliche einer Handlung akzentuieren.

Die Retrospektive der Berlinale 2005 ist gegliedert in fünf thematische Bereiche, die verschiedene Aspekte der Wirkungsweise von Production Design zeigen. Die Filmreihe umfasst 45 internationale Filme aus den vergangenen 65 Jahren. Dabei wird den stilbildenden Filmen Stanley Kubricks ein besonderer Platz eingeräumt.

Die Rubrik „Interiors“ widmet sich Innenwelten und privaten Räumen. Diese hat zum Beispiel Rolf Zehetbauer für Rainer Werner Fassbinders Film Die Sehnsucht der Veronika Voss (BRD, 1981/82) eindringlich in Szene gesetzt. Und Richard Sylbert gelingt es, mit der Gestaltung des Interieurs in Mike Nichols’ Film Who’s Afraid of Virginia Woolf? ( Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, USA, 1966) innere Konflikte des Akademikerpaars Taylor/Burton sichtbar zu machen.

Unter der Überschrift „Transit“ werden Filme gezeigt, in denen der filmische Raum zur Metapher wird: Der Production Designer P.A. Lundgren gestaltete in Ingmar Bergmans Film Tystnaden (Das Schweigen, Schweden, 1962/63) durchlässige Räume, die das thematisierte „Schweigen” hörbar machen, Entfremdung visualisieren. In 2001: A Space Odyssey (2001: Odyssee im Weltraum, Großbritannien/USA, 1965–68) findet Stanley Kubricks Blick auf die Entwicklung der Menschheit im Production Design von Ernest Archer, Harry Lange und Anthony Masters seine Entsprechung.

Der Abschnitt „Macht“ zeigt unter anderem Gattaca (Gattaca, USA, 1997) von Andrew Niccol. In diesem Film ist es Jan Roelfs auf subtile Weise gelungen, das Bedrohliche totalitärer Strukturen in Architektur und Design zu spiegeln. Für Billy Wilders Meisterwerk The Apartment (Das Appartement, USA, 1960) hat Alexandre Trauner mit seinen Bauten eine Welt der Hierarchien und Abhängigkeiten räumlich übersetzt.

Der Zwischen-Raum von Realität und Illusion wird im Bereich „Bühne“ sichtbar. Für E la nave va (Fellinis Schiff der Träume, Italien/Frankreich, 1983) etwa kreierte Dante Ferretti ein artifizielles Meer aus riesigen Plastikplanen, weil Federico Fellini in seinem Film kein „echtes Meer“ haben wollte. In den Bauten K. Efimows wird Grigorij Alexandrows Komödie Wesna (Der Frühling, UdSSR, 1947) zum Double des Lebens und das Leben zum Double des Films.

Die Rubrik „Labyrinth“ versammelt Filme, die ein Wechselspiel von Erzählstruktur und Raumkonstellation präsentieren. Endlose Flure und verwirrende Raumabfolgen werden zum Irrgarten. So zum Beispiel in Stanley Kubricks Film The Shining (Shining, Großbritannien/USA, 1978–80), für den Roy Walker das Production Design entworfen hat. Die labyrinthische Form findet sich aber auch in Bernardo Bertoluccis Strategia del ragno (Die Strategie der Spinne, Italien, 1969/70), einer Reflexion über Verrat und Schuld, für die die Production Designerin Maria Paola Maino einen betörenden Drehort ausfindig machte.

Die von Ralph Eue kuratierte Retrospektive der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin wird vom Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek verantwortet. Leiter der Retrospektive ist Hans Helmut Prinzler. Die Filmvorführungen finden im CinemaxX am Potsdamer Platz statt. Zur Retrospektive erscheint im Berliner Bertz + Fischer Verlag die Publikation „Schauplätze – Drehorte – Spielräume. Production Design & Film“. Im Filmmuseum Berlin gibt es begleitende Vorträge und Diskussionen. Außerdem wird dort vom 10. Februar bis zum 19. Juni 2005 die Ausstellung „Bewegte Räume“ gezeigt.

Das Deutsche Filmmuseum Frankfurt am Main präsentiert vom 19. Januar bis zum 11. April 2005 im Martin-Gropius-Bau die Ausstellung „Stanley Kubrick“. Zusätzliche Synergien ergeben sich mit dem Berlinale Talent Campus, der sich ebenfalls dem Thema Production Design widmet. "


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Wir nähern uns langsam, aber bestimmt dem Februar 2005. Erste gute Neuigkeiten gibt es da vom Potsdamer Platz zu hören:

"Die Filme von Stanley Kubrick sind im Rahmen der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin
(10. - 20. Februar 2005) zu sehen: Die Berlinale widmet ihre Retrospektive unter dem Titel "Schauplätze - Drehorte - Spielräume. Production Design & Film" der Wirkung und dem Metier des Production Designs. Dabei wird den stilbildenden Filmen Stanley Kubricks ein besonderer Platz eingeräumt. Die Filmvorführungen finden im CinemaxX am Potsdamer Platz statt.

Ferner führt das Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum vom 23. Februar - 6. März Kubrick-Filme sowie die Dokumentation A LIFE IN PICTURES (GB/USA 2001) vor. "

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Filmmuseum


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Thema: good news
Pressemitteilung vom Deutschen Filmmuseum:

"Ausstellung vom 20. Januar bis zum 11. April 2005 im Martin-Gropius-Bau Berlin

Nur wenigen Regisseuren ist es wie Stanley Kubrick (1928-1999) gelungen, ein breites Kinopublikum gleichermaßen zu faszinieren und zu befremden. Die Filmgeschichte verdankt ihm einige ihrer einflussreichsten Beiträge: Werke wie DR. STRANGELOVE OR HOW I LEARNED TO STOP WORRYING AND LOVE THE BOMB (GB/USA 1964), 2001: A SPACE ODYSSEY (GB/USA 1965-68) oder
A CLOCKWORK ORANGE (GB/USA 1971) gelten als zeitlose Meisterwerke des Kinos und haben Maßstäbe gesetzt.

Die erste Ausstellung, die sich dem Gesamtwerk von Stanley Kubrick widmet, präsentiert Materialien aus dem persönlichen Nachlass des Regisseurs sowie Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Die meisten Exponate entstammen dem umfangreichen Arbeitsarchiv von Stanley Kubrick. Im Jahr 2003 erschloss das Deutsche Filmmuseum erstmals diesen vorher für die Öffentlichkeit weitgehend unzugänglichen Bestand auf Kubricks Wohn- und Arbeitsstätte nahe London.

Zu den Nachlassfunden und Ausstellungsobjekten gehören Fotos und Briefe, Originalrequisiten und Kostüme, Drehbücher, Produktionsunterlagen und Kameratechnik. Darunter befinden sich ikonenhafte Exponate wie das Starchild aus 2001: A SPACE ODYSSEY, die Kleidchen der Schwestern aus THE SHINING (GB/USA 1980) oder der Born to Kill-Helm des Gefreiten Private Joker aus FULL METAL JACKET (GB/USA 1987). Die Ausstellung zeigt originales filmtechnisches Equipment wie die Frontprojektions-einheit, mit der die Tricks für 2001: A SPACE ODYSSEY entstanden, oder die Eyemo-Kamera, die Kubrick bei den Dreharbeiten von KILLER'S KISS (USA 1955) einsetzte.

Durch originalgetreue Modelle wie dem War Room aus DR. STRANGELOVE, dem Labyrinth aus THE SHINING und der Raumschiffzentrifuge aus 2001: A SPACE ODYSSEY veranschaulicht die Ausstellung das Design und die Funktionalität der Kubrickschen Film-Sets. Zu einzelnen Filmen entstanden begehbare Räume mit Bild- und Toninstallationen. Beispielsweise entstand ein Raum, der dem Inneren des HAL-9000-Computers nachempfunden ist. Der Bereich zu A CLOCKWORK ORANGE orientiert sich an der Gestaltung der Korova Milkbar.

Erstmals werden auch die unrealisierten Projekte Napoleon und Aryan Papers ausführlich vorgestellt. Materialien wie Rechercheunterlagen, Kostümentwürfe und Drehpläne belegen, wie weit die Vorarbeiten zu den Filmen bereits fortgeschritten waren und wie umfassend und zugleich detailliert Stanley Kubrick gearbeitet hat. Die Ausstellung geht auch auf Kubricks frühe Dokumentarfilme und seine bislang wenig bekannten fotografischen Arbeiten ein, die zwischen 1945 und 1950 für das amerikanische Look-Magazin entstanden.

Ein halbstündiger audiovisueller Vortrag erläutert den Einsatz von Musik in seinen Filmen und eine Bildschau zeichnet die Biografie von Stanley Kubrick nach. Begleitet wird die Ausstellung durch eine Hörführung, die einzelne Themen vertieft und Exponate erläutert. Auf Monitoren in den einzelnen Bereichen sind Ausschnitte aus allen Filmen und dokumentarische Aufnahmen zu sehen."


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23.11.2004, Heimkino

Es gibt Momente in diesem Film, kleine Inseln, die sind ganz und und gar bezaubernd. Da fühlte ich mich wie vor vielen Jahren, als ich das Hongkongkino und seinen sorglosen Hang zur Emotionalität, die vielleicht ein kleines bisschen over the top ist und sich direkt in den Tableaux vivants niederschlug, zu entdecken und zu lieben begann. Stellen, in denen das Drama des Films - Throwdown, das bezieht sich natürlich auf die Judotechniken, die häufig zur Anwendung kommen, allerdings ist auch die zentrale Figur definitiv am Boden angekommen, von wo aus es sich wieder aufzurappen gilt - sich von der narrativen Kette löst und im Bild selbst erzählt wird.



In der Tat hangelt sich der Film - was zunächst ihm noch nicht zu kritisieren wäre - von einer solchen Insel zur nächsten durch ein dramaturgisch ansonsten eher etwas herausgefordertes Kuddelmuddel. Zum ganz großen Wurf aus der nie still zu stehen scheinenden Filmschmiede Johnnie To hat es deshalb, mangels eines Überbaus, der das Ganze zu fassen kriegt, nicht gereicht. Begreift man Throwdown jedoch vielleicht als kleine Galerie, dann gibt es manchen magischen To-Moment in ihm zu entdecken.

Als spannend empfand ich, wie die naturgemäß recht reduzierte Anzahl von Lokalitäten, die die Stadt Hongkong als Kulisse zu bieten hat, zunehmend ein Geflecht ergibt. Ich sah hier kurz Scharniermöglichkeiten, an denen man in andere Filme gleiten könnte. Wenn die drei Protagonisten beispielsweise in einen dieser typischen Straßenbusse steigen, dann könnte man an dieser Stelle zu dem tollen Lost in Time umschneiden, der im Straßenbusfahrermilieu angesiedelt ist. Andere Ecken kennt man bereits aus anderen To- und Hongkong-Filmen: Hier der Showdown von PTU, und dort die Spielhalle, in die dieser sich in einem Moment verirrt. Auch die Straßen aus Running on Karma sind, soweit ich das überblicke, mit denen von Throwdown zum Teil identisch.

imdb


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Dienstag, 23. November 2004
Thema: Kinokultur


Gute News mal nicht aus Berlin: Das wohl sympathischste und natürlich schönste Kino im Fränkischen, das Kino Casablanca in Ochsenfurt, präsentiert eine kleine Russ-Meyer-Reihe. Keine Ahnung, wie lange die nun schon geht, aber mit Faster Pussycat und Mudhoney sind dann doch in naher Zukunft zwei sehr nette Elaborate aus dem bizarren Werk des Großmeisters der Sexploitation zu sehen. Details auf der Website unter "Monatsprogramm".


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Montag, 22. November 2004
Eisensteins kritische Griffith-Analyse und dann noch Eisenstein selbst in drei, maximal vier Minuten. Selten so gelacht.


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Woerterberg wieder da. [via knoerer]


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Montag, 22. November 2004
Thema: Hoerkino
Das ist sicher tragisch für die Musiksenderkultur. Andererseits komme ich nicht umhin zu denken, dass das auch der Anfang von was sein kann: Die Fronten sind geklärt, die Paläste gesichert, draußen das musikalische Proletariat. So geht Sturm auf die Bastille: Es wurde viel zu lange gekuschelt, viel zu lange war alles fluffig nett und nach dem Meeting noch schnell einen Milchkaffee bei den Hackeschen Höfen. Dieses legere Alles-Wurscht ist nun vorbei: Biografien wurden umgeschmissen, die Butter wird dünner auf dem Brot. Befreit vom Speck der Chefetage kann nun wieder auf die Kacke gehauen werden: Die Zutaten liegen überall bereit, man muss sie nur sich anzueignen wissen. Jede Krise ist auch Chance, jeder verstopfte Kanal stellt die Entdeckung neuer bereits in Aussicht. Pop heißt wieder bluten, heißt wieder kämpfen, heißt wieder den Feind klar und deutlich als Krawattenträger zu diffamieren.

Vermutlich wird es so nicht kommen. Vermutlich Rückzug in die Eigenheimnische. Ab und an die Intro auf dem Frühstückstisch. Die kostet nichts. Aber ich hoffe dennoch, so irgendwie, dass sich was tut. Dass Bewegung ins Glied kommt. Weg mit Virginia Jetzt!, Mia, den Stillern und all den blöden Spacken mit ihren Hipness-Spastiken. Eure Biedermeierlichkeit kennzeichnet den Boden, auf dem ihr steht, als jenseits unseres Gebiets. Vielleicht wird was geschehen, es ist zumindest möglich...


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Thema: good news


So las ich es eben bei twitch und der Autor bezieht sich auf diese Meldung von aintitcoolnews.com. Paul Greengrass darf also Hand an Alan Moores Meisterwerk der Comickunst legen. Darren Aronofsky wurde auch hier, wie schon zuvor bei dem neuen Batman-Film, frühzeitig gekickt. Eigentlich schade, gerade von Aronofsky hätte ich mir (in beiden Fällen) viel erhofft. Greengrass hingegen - das Sequel von Bourne Identity habe ich nicht gesehen (der erste war schon, von ein paar netten Verfolgungsszenen mit Minis abgesehen, Film gewordenes Schlafmittel für Füße) und den vielgelobten Bloody Sunday kenne ich auch nicht. Ein Sprung ins kalte Wasser also, ich hoffe das Beste...


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Thema: Kinokultur
bezaubernd. [via tillmann]


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» .txt
neu und könnte sehr nett werden: http://txt.twoday.net


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Thema: Kinokultur
Sky Captain ist seit langem mal wieder ein Kinofilm, auf den ich so richtig rundum Lust habe. Auf den ich sehr gespannt bin. Und jetzt, wegen Peithenen, noch eine kleine Spur mehr.


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18.11.2004, Kino Arsenal

Ulrich Gregor begrüßt die Anwesenden im Saal. Man merkt ihm deutlich an, wie wichtig ihm das ist. Diese kurze Ansprache, wie überhaupt der gleich gezeigte Film. Ob man denn Griffith nicht zuviel Raum in der filmhistorischen Jahresreihe gewähre, auf dieser rethorischen Frage hebt er ab und argumentiert: Natürlich kann man auf die Kurzfilme nicht verzichten, die gehören dazu, das sind wundervolle Artefakte. Und Intolerance, der sei ja sein Meisterwerk, muss also. Birth of a Nation, ideologisch fragwürdig sicher, aber auf dieses große Epos mag man allein der Filmsprache halber schon nicht verzichten wollen. Und Broken Blossoms, der gleich zu sehen wird, der sei nun Griffiths schönster und poetischer Film. Was will man also tun, als Programmator? Eine Zwickmühle, die man mit Lust nicht auflöst, sondern sich ihr fügt: Zeigen wir eben alle. 4 Griffithabende von 365, in denen die Filmgeschichte erneut zum Leben erweckt werden soll: Das ist knapp mehr als 1 Prozent aller Termine (erfahrungsgemäß kommt die Reihe meist ohnehin nicht ans Ziel), ein stolzer Raum, der da gewährt wird also. Bedauern darüber seitens Gregor? Wie man sieht: keineswegs. Es ist ihm eine Freude. Ich bin gespannt, was da nun kommt.

Die Pianistin hebt mit den Bildern einer längst vergangenen Epoche an, lässt mich ins Geschehen hineingleiten. Ihre Improvisationen und Miniaturen sind wundervoll: Sie unterstützen das Bild, dehnen den Zeitfluß, wo es Not tut, durch erdrückende Stille (die Peitsche!) und verleihen dem stummen Film eine Leichtigkeit, die denen jener Tage oft abhanden gekommen scheint. Und dabei rückt sich die Musik nie in den Vordergrund, bleibt immer eins hinter dem Bild, dem die eigentliche Aufmerksamkeit gebührt. Mit einem Wort: Schön.

Der Film selbst ist vielleicht die Geburtsstunde des Melodrams wie wir es heute kennen. Er hat eine Leichtigkeit, eine Schönheit, aber auch eine tiefe Melancholie, die bis heute auf der Klaviatur der Gefühle mit leichter Hand zu spielen weiß. Es sind Bilder zu entdecken, die sich umgehend einbrennen, die man behalten möchte und wie einen Schatz nach der Vorführung mit nach Hause trägt. Der Hafen in China etwa, mit dem der Film beginnt und endet. Die Glocke im Tempel, wie auf sie geschlagen wird. Der "Gelbe Mann", wie er sich in London an die Wand drückt, darin gescheitert, die Lehre des Friedens in die westliche Welt zu tragen. Natürlich das Mädchen, das unter dem Vater, der verkörperten Rohheit dieser Tage, leidet. Deren Trauer und natürlich die tiefe Verzweiflung, die aus den zunächst witzig anmutenden Versuchen spricht, ein ungelenkes Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Wie sie am Ende, mit diesem kläglichen Lächeln, das zeit ihres Lebens kein wirkliches war, aus dem Leben scheidet. Der Tand, der überall zu bewundern ist. Die Reihe könnte beliebig fortgesetzt werden.

Beeindruckend, wie das frühe Kino emotional zu manipulieren wusste. Innerlich kämpfte ich beim Anblick dieser geisterhaften Bilder mit, wollte einschreiten, Leben retten. Man ist sich dessen bewusst, dass man hier einer List ergeht, der List der Filmsemantik, des behaupteten Gefühls: Ein lustvolles Sich-Ergeben. Ein schöner, glänzender Film. Auf ihn zu verzichten wäre in der Tat nicht zu verzeihen.

imdb | mrqe
filmtagebuch: magical history tour | griffith


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... und dann Michael Bautes Notizen vom Oktober/November.


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In Tagen wie diesen, wo die Deutschen wieder ganz besonders bei sich sind und ihre so übliche, wie langweilige Griesgrämigkeit bezüglich ihrer Identität (die ihnen ja - wie man von ihnen weiß - tagtäglich aufs neue wie das Zipfelchen des kleinen Jungen von finsteren Gesellen weggeschnitten, abgezupft und hinfortgetragen werden könnte) mit besonderer Emphase in Aggression ummünzen, in diesen Tagen, wo sie wieder ganz besonders ihre Identität einfordern und dabei weder auf Sinn und Verstand noch auf die Vorgaben der Realität Rücksicht nehmen, wenn sie in bizarr anmutenden Szenarien aus dem Reich des Phantastischen - so wurde im Hessischen zwar ein Gebetshaus muslimischer Provenienz angezündet, doch schuld daran, so scheint es Konsens, sind nun - was angewandter Verstand als Einsicht gebieten würde - nicht etwa die zündelwilligen Vollstrecker, sondern ganz im Gegenteil: die Moslems selbst, die nun, erweitern wir den Kreis doch mal grundsätzlich um alles irgend Orientalische in deutschen Landen, sei es nun gläubig oder nicht, sich von allen Seiten, vor allem aber von den üblichen Besorgnisträgerseiten, die nun endlich, ja endlich auch mal gegen Kanaken wettern können, ohne vor sich als Unmensch dazustehen, als Kritik getarnte ausgespieene Kotze im Gesicht gefallen lassen müssen, weil zuvor, noch nicht einmal in diesem, nein, in einem anderen Land, ein besonders durchgeknallter Spinner einen Filmemacher (dessen Kritik im übrigen teilenswert ist!) niedergeschossen hatte - in einem Endlos-Loop vor sich hindelirieren, in diesen Tagen also ist es kraftspendender Trost, bei Wiglaf Droste nachzuschlagen und zu blättern, alleine schon, um sich rückzuversichern, dass nicht jeder, der sich mittels des Deutschen ausdrückt, im Hirnkasten in Absenz anderer dort üblicherweise anzutreffender Reliquien einem Haufen Exkrement in Permanenz Asyl gewährt. So steht also bei Droste, wahllos herausgepickt, 1997 geschrieben:

Die Deutschen auf ihrem Marsch in die geistige Umnachtung zu begleiten und zu beobachten, war einmal die Aufgabe ihrer Kritiker. Diese Aufgabe ist abgeschlossen: Die Deutschen aller Fraktionen sind an ihrem Ziel angekommen.

Diese Worte seien an dieser Stelle mit Nachdruck wiederholt.


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Sonntag, 21. November 2004
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Thema: radio
He, Sie da! Ja genau, Sie mein ich, Deutschlandradio!

Ganz tolles
Feature gestern abend über Walter Benjamin auf Ibiza, über "Erfahrung und Armut". Beim Baden gehört, darüber das Lesen der bereitgelegten Bücher vergessen und am Ende war das Wasser dann auch kalt. War super!

Und jetzt? Jetzt wollte ich das in Ihrem tollen Audio-On-Demand-Dingen runterladen (und überdies im Blog empfehlen). Aber da isses nicht! Nix zu machen! Dafür irgendwelche Comments zu irgendwelchem Zeitgeschehen, die spätestens übermorgen doch keinen Menschen mehr interessieren. Meinen Sie, da lässt sich noch was machen? Wäre echt super!


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Donnerstag, 18. November 2004
Zum heutigen Kinostart von Head in the Clouds: Kurzkritik auf fluter.de.

Weitere Links zum Film bei filmz.de.


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Umfangreicher Artikel über Johnny Bruck, den Illustrator zahlreicher Perry-Rhodan-Romane. Zahlreiche Zeichnungen inklusive.



[via cartoonist]


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Thema: Kinokultur


Heute bei mir im Briefkasten: Die neue Ausgabe der stets lesenswerten, werbefreien, textorientierten Filmzeitschrift Revolver. Thema diesmal: Realismus. "Jede Generation von Filmemachern muss ihr Verhältnis zum Realismus aufs Neue bestimmen.", heißt es im Vorwort. An einer anderen Stelle kommt Frieda Grafe zu Wort: "Realismus ist auch nur ein System aus Zeichen". Neben Editorial und Grafe noch:

//: Interview mit Eric Rohmer.

//: Interview mit Ulrich Seidl.

//: Kino der Herausforderungen von Christoph Hochhäusler. Plädoyer, Pamphlet, Manifest? Von allem etwas!

//: Neue Realistische Schule? Gespräch.

Bezug über die Website (dort auch Texte alter, vergriffener Ausgaben). Revolver benötigt auch weiterhin Abonnenten, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Das Heft erscheint zweimal im Jahr, entsprechend wenig würde das Haushaltsbudget belastet.


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Mittwoch, 17. November 2004
Feststellung: Firefox 1.0 ist wie schon die anderen Versionen zuvor sehr nett. Unmotivierte Abstürze gibt's immer noch zu bewundern, doch scheinen sie seltener geworden zu sein. Eigentlich ja indiskutabel, aber der restliche Candy überwiegt's dann doch.

Die "Live Bookmarks" sind dann so eine Art Versuch, einen RSS-Reader mitanzubieten. Ich bin mit RSS ja eigentlich nie sonderlich warm geworden: Vom Konzept her ja riesig, sicher, aber ich schaue bei den liebgewonnenen Blogs halt doch immer lieber persönlich vorbei. Bin da altmodisch, das ist wie ein Besuch bei einem Freund und dann schauen, ob sich im Buchregal was getan hat. Aber dennoch: Natürlich habe ich das mal wieder ausprobiert, mit dem RSS (vierter oder fünfter Versuch nach diversen Stand-Alone-Readern), wenn's der Browser denn nun schon anbietet...

Aber irgendwie ist das nur so eine Krückenlösung: Die Feeds werden wie Bookmarks mit eigenem Folder verhandelt. Die Möglichkeit, alle Feeds in Tabs zu öffnen, wird nicht angeboten, dafür kann ich pro abgelegtem Blog alle letzten 10 Einträge per tabs öffnen lassen (Merke: sinnlos, echt gezz!). Dass sich die Einträge erst durch Neustart aktualisieren, ist auch so ein Ding, wo ich meine: Nützt nüscht. Wenn schon RSS, dann doch bitte selbständig und mit Hinweis, dass jetzt gerade im Moment was neues geschrieben wurde: Pling und so! Aber nö, man muss (soweit ich das verstanden habe) mühsam seine Feeds selber durchkucken, kriegt nur die jeweils letzten Headlines präsentiert, was für den Nutzwert ab einer gewissen Anzahl x abgelegter Feeds auch entsprechenden Abrieb bedeutet - woher ist denn, bei sagen wir 200 Feeds, noch zu wissen, welche Headlines bei Feed x oder y das letzte Mal da schon standen? Eben.

Also doch wieder das übliche Anklicken und schauen, was so passiert. Will mich auch gar nicht beklagen, ist doch viel netter. Aber vielleicht lege ich mir mal einen Blog-Folder auf der Bookmark-Bar an. Das hätte den Vorteil, dass ich alle Lieblingsblogs mit einem einzigen Klick ansurfen kann. Da kommen die vollmundig angetragenen "Live Bookmarks" nicht die Bohne ran.


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14.11.2004, Kino Arsenal

Mit Fug und Recht meine ich behaupten zu können, dass man diesen Film, heutzutage, zweimal zum ersten Mal sieht. Zunächst natürlich auf dem Fernsehgerät. Schön und gut, doch ist das Dispositiv des Heimkinos kaum in der Lage, diesem Film gerecht zu werden. Dann nämlich, wenn man etwas Glück und ein engagiertes Kino in der Nähe hat, wenn man also diesen - Achtung, Doppelsinn! - Kinofilm in seiner angestammten Gegend sichten kann, dann erst sieht man ihn wirklich zum ersten Mal, der eigentlich ersten ganz zum Trotz.

Die Kamera nimmt einen bei der Hand, von Sekunde 1 an, zeigt in der Tat alles, führt einen durch diese Hinterhofwelt. Und in atemberaubend kurzer Zeit ist man mittendrin, in diesem Film, in diesem wunderschönen, detaillierten, kontingenten Technicolor-Mikrokosmos, dessen künstliche Studio-Stadthintergrund-Kulisse zum hermetisch-konzentrierten Eindruck entschieden beiträgt (einen Moment lang der Gedanke, diese Zeitschriften im Hintergrund, die Bücher in den Regalen mal mit Muße durchblättern zu wollen, und der Brandy hierfür steht ja auch stets bereit - überhaupt was in dem Film gesoffen wird!). Verblüffend ist, wie dieser Film, zumal im Kino, in den Bann zieht und einen wirklich erst wieder entlässt, wenn das letzte Bild auf der Leinwand abdunkelt.



Ein ungemein sinnliches Erleben. Der Moment etwa, als sich Grace Kelly - zunächst ihr Schatten, dann der Schnitt auf ihr Gesicht - dem vor sich hin dämmernden James Stewart erstmals nähert. Der Kuss in Zeitlupe, das perfekte Einfangen jenes Zustands zwischen Dösen und Erwachen. Gänsehaut. Oder die Tänzerin gegenüber. Wie Hitchcock genau weiß, was er machen muss. Ein heruntergefallener BH - gibt's hier gleich was zu sehen? -, der gleich wieder übergestreift wird - außer einem nackten Rücken nichts gewesen! Schon hier, in der ersten Minute, hat er den Zuschauer an der Angel. Wie die Kleidung der Tänzerin auf den Millimeter genau abgepasst wurde, obwohl man sie ja doch aus ziemlicher Entfernung filmte, und zwar so, dass jeder Beinwurf ein Versprechen zu geben scheint (schon deshalb, wegen dieser, mit Verlaub, zwar textilbelegten, aufblitzenden Details aus der Schoßgegend macht die Kinosichtung Sinn - das Fernsehgerät schluckt kleine Falten und beraubt sie ihrer suggestiven Kraft, soviel ist sicher).

Es gibt Momente, da verlässt der Film die ungefähre Perspektive aus dem Apartement des Fotografen. Plötzlich sind wir dicht an den Personen dran. Der Hof, der an sich Distanz aufbaut, ist plötzlich direkte Umgebung. Harte Blickwinkel nach oben, Durchmessung des neutralen Gebiets aus seinem Inneren heraus. Vorstöße. Genauer zu beobachten wäre beim nächsten Mal, was es mit diesen Sprüngen auf sich hat, an welchen Positionen der Erzählung sie auftauchen, zu welchem Zweck genau. Die Kammern des Arsenals wären mir für eine solche Beobachtung der liebste Ort - schon jetzt das ungeduldige Warten auf die nächste Vorführung dieses Films.

web: imdb | mrqe | hitchcock im tv
filmtagebuch: alfred hitchcock | james stewart | grace kelly


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Montag, 15. November 2004
Die Philosophische Fakultät der Technischen Universität Dresden (ich gebe zu: das klingt seltsam) bietet in diesem Semester die Ringvorlesung "Scary Movies" zum Horrorfilm an. Eine genaue Übersicht mit Terminen und Referenten ist hier einzusehen. Die augenfällig transdisziplinär gehaltene Veranstaltung lässt Wissenschaftler wie Publizisten zu Wort kommen. Da Vorlesungen prinzipiell öffentlich zugänglich sind, sollten auch Nicht-Immatrikulierte ohne weiteres Zugang zu den Vorträgen haben. Rechtzeitiges Erscheinen ist dabei wohl Pflicht: Dem Vernehmen nach waren die bisherigen Sitzungen mit reichem Andrang gesegnet.



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Sonntag, 14. November 2004
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Die beim Hören ihres Livealbums unweigerlich entstehende, überwältigend große Lust, diese Band endlich, ja endlich mal wieder live erleben zu können. Viel zu lange ist es hier.


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Thema: Hoerspiele
Erst jetzt, im Radio, drauf aufmerksam geworden, leider einen Tag zu spät: Gestern tagte zum 5. Mal Plopp, das Forum für die unabhängige Hörspielszene Berlins, in der Akademie der Künste. Deutschlandradio stellte das Programm vor wenigen Tagen vor (hier im Audio-on-Demand von Deutschlandradio als mp3) und präsentiert hier, ebenfalls als mp3, ein Fazit danach. Das nächste Jahr: Bin ich dabei! (zumindest im Publikum)

(schöne Idee übrigens, dieses Audio-on-Demand)


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Thema: comics
Spirit von Will Eisner erschien erstmals im Jahr 1940, mit dem das goldene Jahrzehnt der Superhelden begann. Der Spirit ist ein irrtümlich für tot gehaltener, markiger Polizeibeamter, der von seinem Geheimversteck auf dem Friedhof aus die Charade aufrecht erhält und von dort aus (geringfügig) maskiert auf Verbrecherjagd geht. Ein Superheld ist er deshalb im eigentlichen Sinne nicht, seine Waffen sind Witz, Erfindungsreichtum und körperliche Agilität - Superkräfte hat er keine, trotz vorhandener orgin story. Darin ähnelt er Batman, doch unterscheidet er sich auch von ihm durch sein lebensbejahendes Auftreten als Bon Vivant und Charmeur. Entsprechend ähnelt sein "Höhle" unter den Gräbern eher einem attraktiven Apartement als der bizarren Tropfsteingrotte, in der Batman dunkelnd über seine Lebenstragödie sinniert. Überliefert ist es wohl auch, dass Will Eisner die an Zorro erinnernde Maskierung nur widerwillig und als Zugeständnis an seine Vorgesetzten mit ins Spiel brachte.

Virilität, Witz, Charme, adrette Kleidung und stets den richtigen Spruch auf den Lippen: Keine Frage, Spirit hat seinen Ursprung in den eher etwas harmloseren Pulp Novels, in kleinen Gaunergeschichten um schnell gedrehte Dinger und ehrenvolle Polizisten. Es herrschen satte, knallige Vierfarbbilder, der Film Noir hat die Welt noch nicht aus den Angeln genommen. Doch deuten sich dessen Schattenwelten in Spirit bereits an: Über mehrere Ausgaben hinweg steht dem Helden ein handfester Mordverdacht im Wege, der ihm die Arbeit erschwert. In den Hafengebieten tummelt sich bereits allzu scheeles Pack und im Verlauf der Reihe werden die Blickachsen der Panels gewagter, das Geschehen verzerrter. Handelt es sich in den ersten Stories noch um kleinere Gaunereien, die der strahlende Held mit linker Hand zu lösen weiß, mehren sich bereits nach einigen Monaten Geschichten um sprechende Affen, verrückte Wissenschaftler, Femmes Fatales und Politiker, die für Ämterposten zu Mördern werden. Eine Folge gibt es, da gerät der Spirit gar zur bloßen Randfigur und zum ahnungslosen Beobachter von einigen Phänomen, deren Ursachen ihm weitgehend verborgen bleiben: Das Böse richtet sich in dieser selbst und dem guten Helden bleibt nurmehr das konstatierende Schlußwort, dass es manchmal keines Spirits bedarf, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Der Charme des Serials hat vor allem zweierlei Ursprünge: Zum einen die Stories selbst. Auf wenigen Seiten werden Räuberpistolen aus der Wunderwelt des Pulps entwickelt, für die manch andere ganze Hefte füllen müssten. Oft nur umrißartig, geradewegs skeletthaft werden diese knalligen Stories präsentiert, wie die Essenz aus einschlägiger Literatur sozusagen. Ein Herz für Schund- und Trivialkultur ist deshalb für den Genuss unweigerlich vonnöten (schon alleine, um das Konzentrat mit Fleisch zu füllen). Aus dieser Raumbegrenzung folgert das zweite Faszinosum: Die Kunst der Form, die hier ganz dem Inhalt dient. Eisner ist, wenn man so will, der erste große Comicästhet und wie er den Ausdruck dieser Kunst mittels einer an sich trivialen Story aus Niveau brachte, ist schlicht fabelhaft. Wer auf wenigen Seiten solche zwar in sich teils recht komplexe Miniaturen vermitteln will, muss notgedrungen organisieren, straffen, wirtschaftlich denken: Bei Eisner wachsen die Panels über sich hinaus, gehen untereinander Bündnisse ein, Einschübe, Schnitttechniken, Verdichtungen, aber auch Weglassungen ergeben eine Strukturierung und ästhetische Vermittlung des Geschehens, die seinerzeit atemberaubend gewirkt haben muss und auch heute noch beeindruckend ist. Eisner mag vielleicht nicht der erste gewesen sein, der die weiße Fläche zwischen den Panels nicht als unerhebliche Zwangsläufigkeit der Form, sondern als mitkonstituierenden Aspekt derselben wahrnahm, aber sicher war er der erste, der die Thematisierung und Nutzung dieser Fläche (und sei es nur durch ihre Weglassung oder Überbrückung) zur grundlegenden Methode emporhob.

Es macht große Freude in diesen Stories zu blättern, sich darin zu versenken und ästhetischen Genuss darauszuziehen. Dass sie schon über 60 Jahre auf dem Buckel haben sollen, ist angesichts ihrer ungeheuren Bild- und narrativen Dynamik eigentlich kaum zu glauben. Fast jede Seite ist noch ein kleines Kunstwerk für sich, das man gerne groß kopieren und sich an die Wand hängen möchte. (In der Tat der kurze Gedanke, genau dies mit einer besonders liebgewonnenen Geschichte zu machen, um damit meinen doch recht langen Flur etwas aufzupeppen.) Sie sind kleine Zeitreisen in die Geschichte des Comics und in eine charmante Genrenaivität, die heutigen zynischen Zeiten - been there, seen it all, done it twice - ziemlich abhanden gekommen scheint.

links: perlentaucher


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Volker Pantenburg von new filmkritik hat Francois Ozons neuester Film 5x2 (filmz.de) nicht sonderlich gefallen. Der Film, offenbar (ich habe ihn noch nicht gesehen und zweifele auch, ob dieses Textes, an der Dringlichkeit, diesen Umstand zumindest in naher Zeit zu ändern, weil, freilich, irgendwann sollte man ihn dann doch gesehen haben) nur eine Drehbuchspreizerei, wie sie in letzter Zeit populär ist, erzählt eine nicht gut enden werdende Liebesgeschichte eliptisch von hinten und gelangt vermittels dieser Organisation dann doch an sein Happy End, das, natürlich, an sich lediglich den Beginn der Liaison darstellt. Ganz pikant jedoch, und dies macht Volkers Text hinweisenswert, der Gedanke, der sich zum Ende des Filmerlebens und deshalb auch in den des davon berichtenden Textes heranschleicht, dass es doch spannend wäre, ertränken beide Liebenden zu Beginn ihrer Leidenschaften, der das Ende des Films markiert, ganz einfach in dem See, in dem sie gerade umherschwimmen.

Das ist in der Tat ein Film, auf den ich von nun an warte!


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Über allem liegt das kalte, diesige Grau eines trockenen Novembersonntags. Volkstrauertag ist heute; das wüsste ich selbst nicht, das Radio hat es mir am Morgen beim Kaffee gesagt. Aber das interessierte mich nicht, also habe ich es vergessen. Deshalb stehe ich jetzt hier, am Boxhagener Platz, erwartet hatte ich das emsige Flohmarkttreiben, das hier allsonntäglich zu beobachten, zu erleiden, zu genießen ist, aber nichts dergleichen: Der Platz ist so karg wie der ganze Tag. Volkstrauertag, vermutlich deshalb, denke ich kurz, als ich mich wieder an die entsprechende Information aus dem Radio erinnere. Kein Flohmarkt, kein Treiben, keine schmuddeligen Bücherkisten mit kleinen und auch größeren Schätzen. En contraire, der Platz stellt seine weiß-grauen Flächen aus, wie sonst nie, das Grün in seiner Mitte: abgeriegelt, eine große Tafel klärt das Bauvorhaben auf, irgendein Bauarbeitermonstermobil steht herrenlos herum.

Doch egal, es ist noch vor Mittagszeit, ich bin schon eine ganze Weile wach und überdies kein Kind von Traurigkeit. Ich genieße es, im fast menschenleer gefegten Kiez für einen Moment so dazustehen, nicht zu wissen, was mit dem angebrochenen, nunmehr sinnlos erscheinenden Gang aus dem Hause anzufangen ist, und entschließe mich kurzerhand zu einem Spaziergang durch den Kiez und seine karge Novembersonntagmorgenwelt, sinnfreie, müßige Beobachtungen anzustellen. "Dieser Tag gehört nur Dir allein", hauchen, später: schreien, Dawnbreed in einem wunderbaren Song, der mich seit meiner Jugend Blüte an Morgen wie diesen (manchmal auch: an Morgen nach Nächten wie jenen) stets im Geiste begleitet.

Friedrichshain lässt sich, in dieser Ecke, als große Galerie begreifen. Überall gibt es was zu sehen. Nicht im Sinne des Ausdrucks natürlich, denn sensationslüstern geht es hier nur selten zu. Es gibt was zu sehen für jene, die Freude am Sehen haben, die nicht vom Anblick erschlagen werden, sondern einen solchen, der sich lohnt, ausfindig machen wollen. Ich beginne umherzustreifen und erstmals wieder seit langer Zeit (im Sommer war ich oft hier nachts unterwegs, aus gleichem Grund) erbllicke ich, befreit von der Zweckhaftigkeit meines Weges, das Viertel (oder besser: diese Ecke desselben) mit, in der Tat, wachen Augen. An den Wänden erblühen Generationen von Werken der Straßenkunst, die sich zunehmend komplexer gestalten (dies erschließt sich freilich nur dem, der das oft Aufregende, was hier an verfallenen Fassaden wuchert, über längere Zeit mitverfolgt). An manchen Gemäuern ist die Farbe kaum mehr auszumachen, dafür befinden sich darauf Dutzende, Aberdutzende kleiner Xerox-Art-Artefakte, die sich ergänzen, kommentieren, Strukturen in das Zettelchaos bringen, die doch nur die Strukturlosigkeit zum Thema haben. Oft und gerne bleibe ich stehen, fasziniert von dem Einfallsreichtum, mit dem sich Künstler jenseits von Kulturbetrieb, Museumsmuff und Fördergremien mit dem wenigen, was hier - jüngster Wahlbezirk Deutschland, überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, Copyshops mit lachhaft kleinen Preisen - greifbar ist, aufschwingen, um Kreatives zu leisten, dem die eigene Vergänglichkeit, der eigene Ursprung aus Abfall der Populär-, Reklame-, was-weiß-ich-Kultur in jeder Nuance eingeschrieben ist.

Ich entdecke einen Hinweiszettel, auf dem der neue, sehr sympathische Buchladen Lit.List in der Mainzer Straße von einem öffentlichen und wöchentlichen Treffen in seinen Räumlichkeiten jeden Donnerstag Abend um 20 Uhr erzählt und alle Schreibenden, die das Zeug zum Vorlesen haben, herzlich einlädt (Buhrufer sollen, so der Zettel weiter, indes zu hause bleiben). Ich mag das, dass dieser Zettel überall hängt, die Möglichkeit dort donnerstags einfach hinzugehen, nur zwei Ecken weg von meiner Wohnung, das Gefühl, dass das genau hier ist, genau jetzt, ohne diesen ganzen Hippness-Scheiß, der sonst an here and now zu hängen pflegt. Ob ich hingehe, weiß ich nicht. Aber es ist schön, davon zu wissen, dass Menschen voller Leidenschaft andere, in dieser Hinsicht Gleichgesinnte suchen. Mit einem Zettel an einem Baum, an einer Wand, an Abfalleimern, die so zum zentralen Ort des öffentlichen Austauschs werden.

Und dann der ganze Abbruchcharme dieser Ecke. Kaputte, rusige Fassaden, abgeplatzter Putz, schäbige Antiquariate, die noch versuchen dem, was andere achtlos wegwarfen, einen schnellen Euro zum Leben abzuringen. Ich erinnere mich, wie ich selbst vor langer Zeit hierherzog, aus dem sauberen Franken/Westdeutschland, wie ich damals, 19jährig, geradewegs abgeschreckt war von diesen Insignien des Verfalls (die in den letzten Jahren weniger wurden, leider), wie ich mich lange Zeit weigerte, daran Gefallen zu finden, obwohl ich weiß Gott kein Spießerjunge war, und wie ich mich irgendwann dabei ertappte, das alles, dieses Spezifische dieser Gegend, bereits seit langer Zeit mit der Selbstverständlichkeit des heimisch Gewordenen zu lieben, ohne mir dabei des Bruchs dieser Ansicht bewusst gewesen zu sein. Heute, an diesem frösteligen Tag, um diese Zeit, liebe ich das Ambiente wieder ganz besonders. Ein kleiner Rumpelladen an der Ecke hat ein Akkordeon im Schaufenster hängen, das ich kurz näher beobachte, daneben wieder abgefledderte Straßenkunst. Diese Kreuzung hier mag ich, den "Feuermelder", eine abgeranzte, unheimlich charmante Kneipe, in der es gerne mal laut wird, im Rücken, ganz besonders.

Ich manövriere mich von Zeichen zu Zeichen, mäandere durch die Vertrautheit dieses Soziotops, denke kurz an die Situationisten, die das ziellose Umherschweifen als politischen Akt zelebrierten und frage mich kurz, ob das überhaupt die Situationisten waren. Egal. Eine andere Wand zeigt sich neu bemalt, die Hauseigentümer waren der wilden Zuständ' darauf wohl überdrüssig. Eigentlich beklagenswert, könnte man meinen, doch ich weiß es besser, denn nichts in dieser Ecke ist von Bestand und in spätestens drei Monaten wird die Wand wieder in alter Pracht erblühen, voller Schmierereien mit orthografisch zweifelhaftem Inhalt, ambitioniert-wilder Straßenkunst und Plakaten, die auf wundersame Ereignisse der nächsten Zeit in den lokalen Kleinclubs und dergleichen hinweisen. Bis dann wieder zuviel Farbe übrig ist und ein neuer Anstrich gewagt wird. Das Spiel vom Hasen und dem Igel.

Ich sehe mich satt an allen Ecken, gehe zufrieden nach Hause, fröstele etwas, da ich über meinem T-Shirt nur eine Kapuzenpullover trage. Ich denke mir, dass das zu diesem Tag passt, schüttele mich und weiß einmal mehr: Ich liebe diesen Flecken Erde von ganzem Herzen.


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Samstag, 13. November 2004
Thema: Kinokultur
"This a personal site where visitors can read my reviews of Japanese films for The Japan Times, Japan's oldest English-language newspaper, and articles on the Japanese film industry for Screen International, a London-based film trade magazine, in both its weekly and daily editions."

Mark Schillings Tokyo Ramen


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Freitag, 12. November 2004
Thema: Kinokultur
Hörbeitrag des Deutschlandfunks zur derzeitigen Stummfilmkonzertreihe in der Kreuzberger Passionskirche.


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Thema: Hoerspiele
Gleich, um halb neun, auf Bayern2radio: Keiner ist böse und keiner gut, Hörspiel aus dem Jahr 1972 von Rainer Werner Fassbinder.

Wie immer als Empfehlung: Das Streamingtool Phonostar mit Mitschneidefunktion (und der Bayern2Radio-Stream ist auch ab Werk dabei).


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Donnerstag, 11. November 2004
Sehr charmant, diese Aktion. Demokratenwähler entschuldigen sich massenhaft bei der Welt. Niedlich und nett! Und mitten drin immer wieder: Apologies accepted und dergleichen. Damit ist schon mehr erreicht als mit dem ganzen Sich-das-Maul-Zerreißen der Ewig-Dünkelnden.


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Mittwoch, 10. November 2004
09.11.2004, Kino Arsenal

"... und aus den Seiten stiegen die Figuren auf."
(aus dem Vorspann)

Eine Texttafel zu Beginn rechnet den Posten des Regisseurs Hanns Heinz Elwers zu. Meine (etwas älteren) Quellen im Buchregal sprechen diesbezüglich nur von Stellan Rye. Die imdb verteilt die Rolle auf beide Namen: Nichts Genaues weiß man nicht. Und vielleicht macht es auch kaum Sinn, in diesem Stadium der Filmgeschichte bereits vom "Regisseur" zu sprechen. Richtiger wäre wohl: "Autorenfilm". Denn mit Der Andere (heute abend im Arsenal zu sehen, leider ohne mich; Nachtrag: Christian war dort) begründete Der Student von Prag denselben. Wobei auch hier anzumerken ist, dass unser heutiger Begriff davon sich natürlich unterscheidet: "Autorenfilme" waren damals Prestigefilme für die Filmindustrie, die eigens von Literaten erdacht waren. Man wollte im Feuilleton sich zunächst platzieren, und dann sich dort behaupten.

Der Student von Prag erweitert die horizontale Achse des vorderen Filmraumes, wo sein Geschehen in der Regel stattfindet, um eine in die Tiefe nach hinten weg. Auffällig oft ist die Bewegung ins Bildvordere hinein oder aber von dort nach hinten ab Thema der Einstellung. Dies, so konnte man während der morgendlichen Seminarsitzung beim Referat erfahren, unterscheide dann auch den europäischen vom amerikanischen Spielfilm jener Tage: Während die USA bereits fröhlich schnitten, herrschte in Europa die lange (und weitgehend ruhig bleibende) Einstellung vor, in der sich das Geschehen zwischen Vorder- und Hintergrund organisierte.

Gewissermaßen passt dies auch zu dem Film, stellt doch die romantische Annahme seine Grundprämisse, dass sich das plane Bild - ein Spiegel (vielleicht aber, so denke ich kurz im Saal, während dieser Szene: die Leinwand selbst) - als Fortsetzung des diesseitigen Raums begreifen ließe, aus der Gestalten - Spiegelbilder, Doppelgänger, Automaten - heraustreten und fleischlich werden könnten. Meine schon seit längerem so eingeschätzte Grundannahme des Grusel- und Horrorkinos als ein Genre, das wie kein zweites seinen eigenen Raum thematisiert (um ihn zunächst zu entwickeln, dann zu destabilisieren, ihn "unheimlich" werden zu lassen mit allen Mitteln, die ihm, dem Film - dem einzelnen, aber auch ganz anonym verstanden -, recht und billig sind), findet hier bereits ein erstes Zugeständnis von Seiten der Filmgeschichte.

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Ein bisschen wirkt der Film wie ein Versprechen. Dies natürlich eine rückblickende Annahme, die Geschichte bereits strukturiert und Sinn ausgemacht hat. Ein Versprechen, was die Kinematografie zu bieten wissen wird. Vieles wirkt noch unbeschlagen, roh aneinandergehängt. Doch wird etwas formuliert, was über den Film hinaus verweist. Das Gruselkino formiert, ja konfiguriert sich und lässt erste Schauerahnungen wohlig über den Rücken gleiten. "Das ist noch nicht alles", wird man vertröstet, "wir haben ja erst angefangen." Der Rest: Geschichte (und Romantik).

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Am Ende erliegt Balduin dem Schuss, den er auf das Spiegelbild, dieses buchstäblich kinematographische Phantasma, abgegeben hat: Die Kugel aus der aufs Gegenüber gerichteten Pistole landet im eigenen Rumpf (der destabilisierte, unheimliche Raum!). Eine Umkehrung dieses Motivs, zumindest innerhalb seiner Konstellation, finden wir auch am diesseitigen Ende der Filmgeschichte, in Fight Club. Ob es wohl sinnvoll wäre, jenen mit diesem Film zu lesen, frage ich mich kurz beim Verlassen des Saales. Immerhin erzählen beide vom Schauer der fleischgewordenen Kopfgeburt. Die Distanz dazu schafft das Flächige des Bewegungsbildes. Auf dass es flächig bleibe und die Gestalten dort bleiben, wo wir uns aus sicherer Distanz vor ihnen gruseln!

imdb


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Thema: Kinokultur
Aus aktuellem Anlass die heutige Pressemitteilung des Berliner Filmkunsthauses Babylon:

"In zwei Gesprächen teilte uns die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten, vertreten durch die Staatssekretärin Frau Dr. Barbara Kisseler bzw. den Kultursenator Herr Dr. Thomas Flierl, die Streichung der institutionellen Förderung des des „Berliner Filmkunsthaus Babylon e.V.“ durch das Land Berlin zum 1. Januar 2005 mit. Aufgrund aufgelaufener Verbindlichkeiten stehen für den Kinobetrieb im „Babylon“ ab 1. Dezember 2004 keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung. Dem Berliner Filmkunsthaus Babylon e.V. als Betreiber des Babylon wurde von Seiten der Kulturverwaltung empfohlen, Insolvenz anzumelden. Damit steht die Schließung des Traditionshauses am Rosa-Luxemburg-Platz unmittelbar bevor.

Hintergrund dieser Entscheidung ist ein strukturelles Defizit im Haushalt des Kinos. Seit der Restaurierung des Kinos im Jahr 2001 muß die Zuwendung fast völlig zur Deckung der Miete und der Betriebskosten aufgewendet werden. Dieses strukturelle Defizit hat das Kino von Anfang an begleitet und ist den Verantwortlichen in der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheit seit langem bekannt. In den Rechnungsprüfungen der Senatsverwaltung wurde dem „Berliner Filmkunsthaus Babylon e.V.“ stets eine wirtschaftliche Geschäftsführung bescheinigt und auf die Unterfinanzierung des Hauses hingewiesen. Mit Projektmitteln und Kooperationen mit anderen Einrichtungen (Festivals, Kulturinstitute, Botschaften etc.) konnte das strukturelle Defizit in der Vergangenheit zwar nicht aufgefangen, jedoch abgemildert werden. Im vergangenen Jahr hatte auch der Kultursenator noch eine Möglichkeit zum Ausgleich des Fehlbetrages gefunden. Aufgrund der allgemein angespannten Haushaltslage in diesem Jahr existiert diese Möglichkeit nicht.

Kurz nach der Wende wurde dem Verein „Berliner Filmkunsthaus Babylon“ vom Senat das erste Fördergeld ausgezahlt. Bis dahin hatten lange und zähe Auseinandersetzungen stattgefunden, zunächst, um das „Babylon“ aus der Gesamtmasse der Ost-Berliner Kinos, die privatisiert werden sollten, herauszulösen, schließlich, um das Kino mit seiner besonderen Geschichte und Aura als „Kommunales Kino des Ostens“ – neben dem in West-Berliner „Arsenal“ - zu etablieren. Dieser Kampf war erfolgreich, und der Erfolg war vor allem dem Engagement des Vereins und seinem damaligen Vorsitzenden Rolf Richter zu danken. Es folgten 14 Jahre erfolgreiche, beim Publikum, in der Fachöffentlichkeit und in der Presse hoch geschätzte, durch Preise gewürdigte Filmarbeit. In Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalschutz, der Senatsverwaltung für Bau und Wohnungswesen, der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und den Hauseigentümern wurde eine denkmalschutzgerechte Rekonstruktion des Gebäudeensembles nach Plänen von Hans Poelzig durchgeführt. Das „Babylon“ gilt als einzigartiges Symbol von „Filmkunst in Baukunst“. Damit und durch das ambitionierte Programm, das mit inzwischen weit über 100 regionalen, nationalen und internationalen Kooperationspartnern gestaltet wird, hat sich der „Berliner Filmkunsthaus Babylon e.V.“ einen Ruf erarbeitet, der weit über den Berliner Rahmen hinausgeht.

Nach Aussage von Herrn Dr. Flierl soll ein Interessenbekundungsverfahren eingeleitet werden, um einen Nachfolger als Betreiber des Kino „Babylon“ zu finden, der das Haus mit der zur Verfügung stehenden jährlichen Fördersumme von € 320.700, - betreibt. Dies wird nicht gelingen. Um den Betrieb aufrecht erhalten zu können, müsste das Programm radikal kommerzialisiert werden, zumal die mit einem Betreiberwechsel und einer – wenn auch nur vorübergehenden – Schließung verbundene Verunsicherung der Kooperationspartner und Fördermittelgeber zu einem langfristigen Rückzug verschiedener Unterstützungsleistungen führen wird. Eine Spielplangestaltung, wie sie von einem kommunalen Kino gefordert wird und Voraussetzung für eine institutionelle Förderung ist - Vorführung von Filmklassikern, Stummfilmen mit Live-Musik, ständig wechselndes Programm, Diskussionen bzw. Einführungen von Filmemachern oder Filmwissenschaftlern etc. – ist damit nicht durchführbar. Genauso wenig ist eine angemessene Betreuung der Filmfestivals – vom Internationalen Forum des Jungen Films über das Kurzfilmfestival „interfilm“ bis zur Filmreihe des Literaturfestivals – und ein repräsentativer Rahmen für die bilateralen Kooperationen zu gewährleisten, die wir im Zuge der Zusammenarbeit mit verschiedenen Botschaften und ausländischen Kulturinstituten eingegangen sind. Es ist zu befürchten, daß ein Betreiber, der sich auf eine Durchführung des Kinobetriebes zu diesen Konditionen einläßt, nach einem halben Jahr den Spielbetrieb einstellen muß. Ein Betreiberwechsel im „Babylon“ setzt zudem voraus, daß der Vermieter der Räume allen Plänen des Senats zustimmt. Nur der „Berliner Filmkunsthaus Babylon e.V.“ kann aufgrund des langfristigen Mietvertrags einen kontinuierlichen Spielbetrieb gewährleisten.

Wir fordern den Kultursenator daher auf, alle Möglichkeiten zu prüfen, um den Betrieb im „Berliner Filmkunsthaus Babylon“ aufrecht erhalten zu können. Das Schließen des Kinos bzw. der Veränderung seines Profils würde – nach der eine weitere Ausdünnung der kulturellen Kinoszene Berlins bedeuten. Wir dürfen eine solche kurzsichtige und kurzschlüssige Kulturpolitik des Landes Berlin nicht zulassen."


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