Sonntag, 14. Januar 2007
Thema: Jukebox


Das Netlabel Laridae begeht seinen Einstand ins Jahr 2007 auf ganz bezaubernde Weise: Seit kurzem steht dort das neue Album von Guy Andrews a.k.a iambic2 zum Download und Stream bereit - und es ist eine ganz wundervolle Zusammenstellung von zirpenden Klängen und warmen Pads geworden. Wenn Laridae u.a. Sigur Ros als Einflus nennt, liegt das Label damit nicht völlig falsch; ein bisschen Air schwirrt da ebenfalls drin rum, unter anderem jedenfalls. Und plötzlich träumt der Januar vom März.
01 regulus
02 touch the sky
03 enigma
04 sleepless night
05 aura
06 for you…
07 going home
08 now we’re mobile
09 situla
10 moment
11 rain drop
12 caelum
13 these lights

» m3u
» release
» archive.org

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Thema: videodrome
Der 1982 in der Türkei entstandene Film Dünyayi Kurtaran Adam - wörtlich übersetzt "Der Mann, der die Welt rettete", international aber nur unter dem Titel Turkish Star Wars bekannt - ist sicher einer der seltsamsten, bizarrsten, darin interessantesten, vor allem aber vergnüglichsten Filme, die die Zwischenwelt von Genre und Trash bislang hergab (hier berichtete ich bereits). Zugleich ist seine Wiederentdeckung in den letzten Jahren vielleicht auch ein bezeichnendes Symptom für eine neue, globalisierte Form der Filmkultur unter dem Zeichen des Internets: Vor allem dieser hochvernetzten Umgebung ist es zu verdanken, dass eine solche Obskurität des peripheren Weltkinos überhaupt als Schatz gehoben und aufgefangen werden konnte; dies zumindest legt meine Referrer-Statistik nahe: Die Google-Suchanfrage nach Dünyayi Kurtaran Adam ist eine der häufigsten und mein Posting zu diesem Film eines der meistgelesenen auf diesem Blog. Unter dem (deutschen Verleih-)Titel Türken im Weltall (was ich für eine, um ehrlich zu sein, reichlich ungehobelte Betitelung halte) kam schließlich unlängst eine Art Sequel zum Film auch in hiesige Kinos, alldieweil wohl jede Tauschbörse und -community, die etwas auf sich hält, die unbekümmerte Trash-Preziose aus den frühen 80er Jahren sozusagen im eigenen Sortiment "bereit hält".

Lange Rede, kurzer Sinn: Im Zeitalter von VideoGoogle war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis Dünyayi Kurtaran Adam auch in dieser Umgebung abrufbereit sein würde. Eine gute Seele hat hier unlängst Abhilfe geschaffen und den Film, der sich selbst mit freudiger Nonchalance wider jedes Urheberrecht bei Star Wars und dergleichen bedient (wohlgemerkt: nicht motivisch, sondern durch herausgeschnittene und wiedereingefügte Szenen und Sequenzen!), in völler Länge bei Google hochgeladen. Da das türkische Genrekino kiloweise Filme solchen Formats und Zuschnitts hevorgebracht hat, deren Rechteinhaber vermutlich kaum mehr ermittelt werden können, darf man gespannt sein, ob es in naher Zukunft wohl noch weitere "Turkploitation"-Reißer auf VideoGoogle zu sehen geben wird. Im folgenden jedenfalls Dünyayi Kurtaran Adam, now for everyone to see und in völler Länge. Viel Spaß:

[direktlink]

[via]

Nachtrag:
Eine Website, die sich auf ganz hervorragende (und teils sehr erhellende) Weise mit dem Film beschäftigt, findet sich hier.



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Thema: good news
"Apocalypse Oz contains, as Telford proudly proclaims, zero percent original dialogue", schreibt Todd.

Apocalypse Oz ist eine CineClash-Produktion, was sich unter Umständen wirklich als die Langfilm-Nachfolge der digitalen Kunst des Trailer-MashUps fassen lässt. Ganz konkret heißt das, dass für den Film keine Zeile Dialog geschrieben wurde; dafür wurde der gesamte Film aus Dialogstellen der beiden Filme Apocalypse Now und The Wizard of Oz zusammengestellt. Was für eine fabulöse Idee!

Ob das Experiment gelingt, steht abzuwarten. Auf der Website kann man sich jedenfalls schon einen Trailer anschauen, der recht vielversprechend ist. Ich bin gespannt!


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Samstag, 13. Januar 2007
11.01.2007, Heimkino; zum Inhalt.



The Omen kam am 06.06.2006 ins Kino. Und man spürt es dem Film in jeder seiner lustlosen, uninspirierten Einstellungen ab, dass er genau für diesen Zweck inszeniert wurde: Um an diesem Tag ins Kino zu kommen. Damit reiht er sich in die Riege jener Filme ein, die über ihre Erstverwertung hinaus fast schon erschreckend an Belang verlieren; man erinnere sich an das Schwarzenegger-Vehikel End of Days, das den okkult bedingten Untergang der Welt anlässlich des Milleniumwechsels zum Thema hatte - und wenige Tage vor dem 31.12.1999 ins Kino kam. Ein Film also, der spätestens am 02.01.2000 so veraltet war wie höchstens noch Brötchen der Vorwoche. Hallo, Gimmickfilm.

Im vorliegenden Fall aber ein Gimmickfilm, der eben außer diesem einen Witz seine Weltpremiere betreffend so gut wie nichts zu bieten hat. Die Kamera steht irgendwo, sie wackelt immer ganz leicht, weil das vermutlich Authentizität suggerieren soll (als ob gerade ein okkulter Horrorthriller von der Authentizität seiner Bilder leben würde!) oder weil es zumindest modisch ist, und die Darsteller chargieren sich mehr schlecht als recht durch abrufbare "Gefühlsgesichter", die so nervig sind, dass man regelrecht froh darüber ist, wenn Frau Stiles endlich der Gravitation zum Opfer fällt und also aus Leben samt Film scheidet. Toll ausgeleuchtet ist zwar jede Falte in den Gesichtern. Nie war Schwärze so konsequent in sie hineingedrungen; allein, es ist egal. Weil dem Film das A und O des okkulten Horrorfilms nicht gelingen will: Das Etablieren von Atmosphäre, die sanfte bis bedrohliche Verschiebung des Raumgefühls - vom Alltag in den horriden Raum.

Dies alles entsteht im Horrorfilm gerade durch den Modus der Inszenierung; weil The Omen aber keine Ahnung hat, und rein gar nichts anderes will, als pünktlich ins Kino zu kommen, und keinen Moment lang noch nicht einmal den Hauch einer Ahnung einer womöglich vorhandenen Vision (selbst eine gescheiterte wäre ja noch interessant genug) entstehen lässt, ist The Omen - ganz im Gegensatz zur einstigen filmischen Vorlage - ja fast schon als Bravourstück der Klasse "langweiliger Film" anzusehen.

Einzig für den Aspekt des creative killing - hier war schon der ältere Film gewissermaßen ein Meilenstein - ließ man etwas Sorgfalt walten, so dass man zumindest gelegentlich aus dem Schlummerschlaf aufmerkt. Hübsch geraten ist beispielsweise die Abwandlung der legendären "Glasscheibenszene". Drei, vier Inseln ergeben sich auf diese Weise, in denen man den Eindruck gewinnt, dass Mühe aufgewandt wurde; im Großen und Ganzen betrachtet ganz schrecklich vergeudete allerdings.

» imdb ~ angelaufen.de ~ filmz.de

» movie magazine search engine ~ movie blog search engine



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Freitag, 12. Januar 2007
Thema: Hinweise
»Guillermo del Toro on fairy tales, fascists, and everybody's new favorite movie«

» Austin Chronicle.

Siehe auch hier. Videos? Go!



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Detlef Kuhlbrodt jetzt auch mit Blog.

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Donnerstag, 11. Januar 2007
Auch was die alljährlich interessanteste Sektion des Festivals, das Internationale Forum des jungen Films betrifft, sind erste Regungen zu verzeichnen. Traditionell ist hier vor allem das Weltkino sehr stark vertreten, mit regelmäßigen Ausblicken ins japanische und indische Kommerz-/Genrekino.

Besonders gespannt bin ich schon auf den japanischen Dokumentarfilm Senkyo und den neuen Film von Amir Muhammad, dessen letztjähriger Beitrag The Last Communist mir sehr gefallen hat.

Im folgendenen eine erste Auflistung mit Angaben von Filmen aus der heutigen Mail des Forums:
Jagdhunde
R: Ann-Kristin Reyels, D: Constantin von Jascheroff, Josef Hader, Luise Berndt, Sven Lehmann, Judith Engel, Ulrike Krumbiegel, Marek Harloff Deutschland 2007, WP, 35mm, 85 min., Deutsch
Als Zugezogene sind Vater und Sohn Außenseiter in einem Dorf in der Uckermark, ihre Beziehung ist in Sprachlosigkeit gefangen. Während der Vater eine neue Frau ins Haus holt, lernt der Sohn ein Mädchen aus dem Dorf kennen. Zu Weihnachten taucht die Mutter mit einem neuen Liebhaber auf. – "Jagdhunde" ist Ann-Kristin Reyels’ Spielfilmdebüt.

Klopka (The Trap)
R: Srdan Golubovic, D: Nebojsa Glogovac, Natasa Ninkovic, Anica Dobra, Miki Manojlovic, Marko Durovic, Dejan Cukic, Vuk Kostic Serbien/Deutschland/Ungarn 2006, WP, 35mm, 106 min., Serbisch mit engl. UT
Weil er das Geld für die Operation seines todkranken Sohnes nicht auftreiben kann, lässt sich ein Vater auf ein Angebot ein, das ihn in ein unbarmherziges Dilemma treibt zu töten, um das Leben eines geliebten Menschen zu retten.

Pas douce (A Parting Shot)
R: Jeanne Waltz, D: Isild Le Besco, Lio, Steven de Almeida, Yves Verhoeven, Christophe Sermet Frankreich/Schweiz 2006, WP, 35mm, 85 min., Französisch mit dt. UT
Im Affekt schießt eine lebensmüde Krankenschwester im Wald einen Jungen an. Im Krankenhaus treffen die beiden aufeinander. Zunächst drückt sich die junge Frau vor ihrer Verantwortung, doch langsam entdeckt sie Ähnlichkeiten zwischen sich und dem Jungen. Seine Hassausbrüche empfindet sie als willkommene Bestrafung.

L’Esprit des lieux (The Spirit of Places)
R: Catherine Martin Kanada 2006, IP, 35mm, 84 min., Französisch mit engl. UT
Auf den Spuren des Fotografen Gabor Szilasi bereist die Filmemacherineine ländliche Region im Québec. Szilasis 30 Jahre alten Fotografien sind heute Dokumente einer vergangenen Zeit und Lebensweise. Zugleich sind sie Ausgangspunkt für die lebendigen Erinnerungen der verbliebenen Bewohner. – Catherine Martin war bereits 2002 mit "Mariages" im Forum vertreten.

Dans les villes (In the Cities)
R: Catherine Martin, D: Hélène Florent, Robert Lepage, Hélène Loiselle, Ève Duranceau, Béatrice Picard, Markita Boies
Kanada 2006, IP, 35mm, 88 min., Französisch mit engl. UT
Als eine Art Komplementärstück zu "L’Esprit des lieux" erkundet dieser Spielfilm den Alltag und die Gemütszustände von vier Stadtbewohnern in Québecs Metropole Montréal, deren Wege sich kreuzen. So begegnen sich mit der naturverbundenen Fanny und dem blinden Fotografen Jean-Luc – gespielt von Robert Lepage – auch Sehvermögen und das Gespür füreinander.

Dol
R: Hiner Saleem, D: Nazmi Kirik, Belcim Bilgin, Omer Ciaw Sin, Rojin Ulker, Tarik Akreyi Autonome Region Kurdistan/Frankreich/Deutschland 2006, IP, 35mm, 90
min., Türkisch/Kurdisch mit engl. UT
Am Tag seiner Hochzeit muss Azad nach einem Konflikt mit den dort stationierten türkischen Soldaten aus seinem türkisch-kurdischen Dorf fliehen. In der autonomen Region Kurdistan im Nordirak ebenso wie auf seinem gefährlichen Weg in den kurdischen Iran begegnen ihm viele
weitere kurdische Schicksale. – "Dol" wurde vom World Cinema Fund für die Verleihförderung ausgewählt.

Senkyo (Campaign)
R: Kazuhiro Soda Japan/USA 2006, WP, HDCAM, 120 min., Japanisch m. engl. UT –
In der Tradition des Direct Cinema begleitet der Filmemacher den Wahlkampf eines politisch völlig unerfahrenen Kandidaten für Japans Liberaldemokratische Partei im Jahr 2003. Ein ungeschminkter und bisweilen hochgradig komischer Einblick in die Eigenheiten der politischen Kultur Japans.

El Telón de Azucár (The Sugar Curtain)
R: Camila Guzmán Urzúa
Spanien/Frankreich 2006, 35mm, 82 min., Spanisch mit engl. UT –
Die Filmemacherin, in Cuba aufgewachsen, kehrt nach Jahren der Emigration zurück, um dem Glück ihrer Schulzeit in jenen "goldenen Jahren" der Revolution nachzuspüren. Der nostalgische Blick auf den einstigen kollektiven Traum weicht nach und nach dem Eindruck einer widersprüchlichen und desillusionierten Wirklichkeit. Wie sie selbst haben die meisten ihrer Generation dem Land den Rücken gekehrt. – "El
Telón de Azúcar" ist Camila Guzmán Urzúas Debüt.

Apa Khabar Orang Kampung (Village People Radio Show)
R: Amir Muhammad
Malaysia 2007, WP, DigiBeta, 72 min., Malaiisch/Thai mit engl. UT
Porträt ehemaliger Angehöriger einer muslimischen Division der kommunistischen Partei Malaysias, die heute als Bauern im thailändischen Exil leben. Ihre brüchigen Erinnerungen an die Guerillakämpfe verschmelzen mit einer örtlichen Radioshow, einem Shakespearschen Drama um Liebe und Verrat. – 2006 war Amir Muhammads "Lelaki komunis
terakhir" ("The Last Communist") im Forum zu sehen.

Tuli (Tuli (The Circumciser))
R: Auraeus Solito, D: Desiree del Valle, Vanna Garcia, Carlo Aquino, Bembol Rocco, Eugene Domingo Philippinen 2006, HDCAM, 113 min., Tagalog mit engl. UT
Die Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau in einer isoliert lebenden traditionellen Gemeinschaft auf den Philippinen erzählt von Normen und Anpassung, Verweigerung, erwachender Sexualität und sexueller Selbstbestimmung vor dem synkretistischen Hintergrund von Christentum
und Naturreligion. Auf der Berlinale 2006 gewann Auraeus Solito mit "Ang Pagdadalaga ni Maximo Oliveros" ("The Blossoming of Maximo Oliveros") sowohl den Teddy für den besten Spielfilm als auch den Preis der Internationalen Jury des Kinderfilmfestes/14plus.

Ichijiku no kao (Faces of a Fig Tree)
R: Momoi Kaori, D: Yamada Hanako, Momoi Kaori, Ishikura Saburo
Japan 2006, 35mm, 94 min., Japanisch mit engl. UT
Bizarres Familiendrama in einem Tokyoter Vorort: Nach dem mysteriösen Tod ihres Mannes lebt Maasa zeitweise bei ihrer Tochter, bis sie mit einem neuen Mann in das alte Haus zurückkehrt. Dort entwickelt sie nach und nach Wahnvorstellungen. Die ungewöhnlich inszenierte Geschichte mit skurrilen Seitensträngen enthält animierte Passagen. – Momoi Kaori ist als Schauspielerin bekannt, etwa als pfeifenrauchende Lady in "Memoirs of a Geisha".

Don
R: Farhan Akthtar, D: Shah Rukh Khan, Priyanka Chopra, Arjun Rampal, Kareena Kapoor
Indien 2006, 35mm, 169 min., Hindi mit engl. UT
Remake des gleichnamigen Films von 1978. Im Kampf gegen ein international agierendes Drogenkartell bittet Indien die malaysischen Geheimdienste um Unterstützung. Zielscheibe sowohl der Ermittler als auch so mancher vermeintlicher Komplizen ist der gefürchtete Kartellchef Don – gespielt von Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan.

Meng Na Li Sha (Mona Lisa)
R: Li Ying, D: Xiu Xiu, A Quiong
Volksrepublik China/Japan 2007, WP, HDCAM, 110 min., Chinesisch (Henan) mit engl. UT
Als ihre Großmutter im Sterben liegt, entschließt sich Xiu Xiu, ihre Adoptivmutter im Gefängnis aufzusuchen und eine letzte
Familienzusammenführung zu erwirken. Während der langen Heimreise entwickelt sich ein zarter Dialog zwischen Xiu Xiu und der Frau, die beschuldigt wird, sie als Kleinkind
entführt zu haben. Mit einfühlsamem Blick und unmittelbarer Direktheit beleuchtet Li Ying das Schicksal einer zerrütteten Familie in der armen chinesischen Provinz. – Li Ying war zuletzt 2003 mit "Aji" ("Dream Cuisine")im Forum vertreten.

Kurz davor ist es passiert
R: Anja Salomonowitz
Österreich 2006, IP, 35mm, 72 min., Deutsch –
Künstlerische Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Frauenhandels, die auf den realen Erzählungen betroffener Frauen basiert. Ihre Geschichten werden von Personen rezitiert, die mit den geschilderten Ereignissen und Orten in einer Beziehung stehen könnten: einem Zöllner, einer Dorfbewohnerin, einem Bordell-Kellner, einer Diplomatin und einem Taxifahrer. – Auf der Viennale 2006 hat "Kurz davor ist es passiert" den Wiener Filmpreis gewonnen.

A.K.A. Nikki S. Lee
R: Nikki S. Lee
USA 2006, IP, HDCAM, 60 min., Englisch und Deutsch mit engl. UT –
Dokumentation der für ihre Identitätsexperimente bekannten New Yorker Konzeptkünstlerin Nikki S. Lee, in der sie sich selbst in Szene setzt. Ein Jahr lang lässt sie sich von der Kamera auf ihren Reisen um die Welt begleiten und inszeniert die unterschiedlichen Facetten ihrer Arbeit – des Spiels mit immer neuen Identitäten – und ihrer Person.



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Vor wenigen Stunden wurde die Jury des diesjährigen Festivaljahrgangs vorgestellt. Im folgenden die Pressemeldung der Berlinale:
Ein Mann für gewisse Stunden lautet der deutsche Verleihtitel von American Gigolo, der bekanntesten Regiearbeit des Jury-Präsidenten Paul Schrader. Filmgeschichte schrieb er allerdings mit dem Drehbuch zu Taxi Driver (1976). In der Zusammenarbeit mit Regisseur Martin Scorsese feierte er Erfolge mit Wie ein wilder Stier (1980) und Die letzte Versuchung Christi (1988). Sein Regiedebüt gab Schrader 1978 mit Blue Collar. Es folgte u.a. 1985 Mishima. Herausragend war seine Verfilmung des Romans The Comfort of Strangers (1991) von Ian McEwan mit Nobelpreisträger Harold Pinter als Drehbuchautor. Im Berlinale-Wettbewerb 1992 präsentierte Schrader sein Kriminaldrama Light Sleeper.

Auch die palästinensische Schauspielerin Hiam Abbass schreibt Drehbücher und führt Regie. Die in Paris lebende Schauspielerin hat in herausragenden Filmen der vergangenen Jahre mitgewirkt, so zeigte sie ihre Wandlungsfähigkeit in Satin Rouge und spielte 2004 Die syrische Braut. Zuletzt wirkte sie in Hany Abu-Assads Paradise Now (2005) und Steven Spielbergs München (2005) mit.

Mit Mario Adorf ist ein Kenner des deutschen Kinos Mitglied der Jury. Weit über 120 Film- und Fernsehrollen haben ihn zu einem der bekanntesten Schauspieler Deutschlands gemacht. Adorf spielte in Filmen wie Volker Schlöndorffs Die verlorene Ehre der Katharina Blum und Die Blechtrommel, in Fassbinders Lola und in Helmut Dietls Rossini. Darüber hinaus wirkte er in zahlreichen internationalen Produktionen mit – u.a. von Claude Chabrol, Sergio Corbucci, Sam Peckinpah und Billy Wilder.

Der mexikanische Schauspieler Gael García Bernal ist seit seinem Kinodebüt im Oscar-nominierten Amores Perros von Alejandro González Iñárritu nicht nur in seiner Heimat ein gefeierter Star. Walter Salles besetzte ihn als Che Guevara in Die Reise des jungen Che und Pedro Almodóvar in La mala educacíon – Schlechte Erziehung. 2006 war Bernal in dem Berlinale-Wettbewerbsfilm Science of Sleep – Anleitung zum Träumen zu sehen sowie in Iñárritus Kinoerfolg Babel.

Willem Dafoe gehört zu den profiliertesten US-Schauspielern und gilt als Meister der abgründigen Charaktere. Nach seinem Debüt in Michael Ciminos Heaven´s Gate (1980) erregte er 1986 als Soldat in Oliver Stones Platoon weltweit Aufmerksamkeit. Er beeindruckte in Blockbustern wie Spider-Man ebenso wie in Arthouse-Produktionen von David Cronenberg, Lars von Trier oder Martin Scorsese. Auch als Theaterschauspieler ist Dafoe sehr anerkannt, insbesondere durch die Arbeit mit der legendären „Wooster Group“.

Mit der Filmproduzentin Nansun Shi aus Hongkong kommt eine Frau nach Berlin, die zu den „50 einflussreichsten Machern im internationalen Filmgeschäft gehört“, so das Branchenfachblatt Variety. Einer der großen Erfolge in ihrer 20-jährigen Karriere ist der preisgekrönte Hongkong-Thriller Infernal Affairs, der die Vorlage für Scorseses Departed bildete. Außerdem produzierte sie das Martial-Arts-Epos Die sieben Schwerter von Tsui Hark, der 2005 die Biennale in Venedig eröffnete.

Die Cutterin Molly Malene Stensgaard aus Dänemark schnitt fast alle Filme ihres Landsmannes Lars von Trier - von der Serie Hospital der Geister über Idioten, Dancer in the Dark, bis zu Dogville und Manderlay und hat somit den dänischen Film mit ihrer Handschrift geprägt. Sie arbeitete unter anderem auch für die Regisseurin Anette K. Olesen, deren Film Forbrydelser (In deinen Händen) vor drei Jahren im Berlinale-Wettbewerb zu sehen war.



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Thema: videodrome
Wenig im Leben hat mich als Persönlichkeit so beeinflusst wie Monty Python. Wobei die Pythons für mich im wesentlichen immer eher mit ihrer TV-Serie affiniert waren, während mich an den Filmen, zumindest für eine gewisse Zeit lang, deren Allgegenwärtigkeit abstieß; die Jokes aus dem Kokosnuss-Film schien jeder Depp auf dem Schulhof nacherzählen zu können, den wahren Stoff hingegen gab es am Wochenende spätnachts in den Programmschienen der Dritten Programme, wo der Flying Circus (allerdings mäßig gelungen) untertitelt gezeigt wurde. Bis heute ist die Serie ein Meilenstein und vielleicht das wichtigste Stück Philosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Doch kann auch ein schlechtes Publikum gute Filme nicht kaputtkriegen, weshalb vor allem The Life of Brian selbstverständlich einer der ganz großen Filme ist, die man gesehen haben muss. Sei es, weil man als Lateiner den Horror von Deklination und Konjugation nur allzu gut kennt; oder weil man sich als Freund eines ätzenden wie aufklärenden Humors am Witz über hyper-religiösen Irrsinn nicht satt erfreuen kann. Und nicht zuletzt, weil der Film immer exakt diejenigen, wegen denen er gedreht wurde, zum Aufheulen bringt. (wir wollten den Film damals an Ostern im Latein-Unterricht kucken, wohlwissentlich, dass unser Lehrer auch (katholischer) Religionslehrer war, was entsprechend erfreuliche Abwehrreaktionen bis hin zum offenen Blasphemie-Vorwurf nach sich zog) Man wünscht sich solche Filme auch heute wieder, deren Witz radikal respektlos ist, ohne ins dümmliche Geunke zu verfallen.

Auf YouTube kann man sich derzeit die Dokumentation The Secret Life of Brian anschauen, in dem unter anderem die zeitgenössischen Reaktionen auf diesen Film zusammengefasst werden. Sehenswert!

[via]

Und weil es einfach so ein wunderbares Dokument ist, das mir regelmäßig die Tränen in die Augen treibt: Graham Chapman, co-author of the Parrot sketch, is no more.



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Mittwoch, 10. Januar 2007
Thema: Hinweise
» Sex, Art, Horror and Experimentation in World Film.

Ein auf den ersten Blick sehr interessantes (und erst wenige Tage altes) Movie Blog mit sehr ausgewähltem Geschmack. Unbedingt im Auge behalten!


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Sonntag, 7. Januar 2007
Thema: videodrome
Eins für den Morgen und den ersten Kaffee. So very nice:

Die Szene stammt im übrigen aus Godards Bande à part.



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Thema: Kinokultur
Irgendwie hatte ich mich gesträubt, eine Bestenliste 2006 anzufertigen. Weil, das Kinojahr war beschissen. Wirklich fast nix was wenigstens noch auf dem Papier interessant ausgesehen hätte, also kaum im Kino gewesen. Was also schreiben?

Aber wurscht, denn wenn der Kinobetrieb - wohl gemerkt: nicht das Kino - immer schlechter wird, wird mittels DVD der Filmgenuss nur umso größer. Und es gibt ja durchaus auch Kinos, die sich, gottlob, nicht auf den Kinobetrieb der Aktualitäten verlassen. Also mal schauen, was ich so geschaut habe, ohne Druck von Verleihfirmen mal betrachtet jetzt.

Interne Reihenfolge finde ich immer blöd, also ohne:

- Miami Vice (Michael Mann)
- The Devil and Daniel Johnston (Jeff Feuerzeig); den habe ich nach der Silvesternacht gesehen, also eigentlich schon im Neuen Jahr, aber das war so super und ich war ja noch vom Vortag wach.
- Napoleon Dynamite (Jared Hess)
- Vendredi Soir (Claire Denis)
- Battlestar Galactica (die neue Serie)
- Lost (Serie)
- Prison Break (Serie)
- The Shield (Serie)
- Blast of Silence (Allen Baron)
- The Saddest Music in the World (Guy Maddin)
- Operation Dance Sensation (Timo Gosejohann)
- Clean, Shaven (Lodge Kerrigan)
- Shije - The World (Jia Zhangke)
- The Mysterious Geographic Explorations of Jasper Morello (Anthony Lucas)
- Borat: Cultural Learnings... (Larry Charles)
- 901: After 45 Years of Working (Eames Demetrios)
- My Date with Drew (Jon Gun/Brian Herzlinger)
- Takeshis' (Takeshi Kitano)
- Zero Woman: Red Handcuffs (Yukio Noda)
- Die Delegation (Rainer Erler)
- Csillagosok, katonák (Miklós Jancsó)
- La Vampire Nue (Jean Rollin)
- Grey Gardens (Maysles Bros.)
- Aus der Ferne (Thomas Arslan)
- Georg G. Glaser - Schriftsteller und Schmied (Harun Farocki)
- In the Year of the Pig (Emile de Antonio)
- Angst (Gerald Kargl)
- The 40 Year Old Virgin (Judd Apatow)
- Dear Pyongyang (Yong-hi Yang)
- Montag kommen die Fenster (Ulrich Köhler)
- Kurutta Ippeji (Teinosuke Kinugasa)
- Tokaido Yotsuya kaidan (Nobuo Nakagawa)
- Brothers of the Head (Keith Fulton, Louis Pepe)
- Grizzly Man (Werner Herzog)
- Unseen Cinema (DVD-Box)

Nachtrag, da bei der Zusammenstellung übersehen:

- Yorokobi mo kanashimi mo ikutoshitsuki - Monate und Jahre in Freuden und Schmerz (Keisuke Kinoshita)


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Thema: TV-Tipps
Feinfein, dass arte seine "Trashreihe" in diesem Jahr fortsetzt. Zwar war ich mit dem Begriff "Trash" zuvor schon nicht zufrieden, und ich werde es auch weiterhin nicht sein (weil Trash als Haltung eben zynisch ist und Trash auch eben nicht günstig produzierte, spekulative movies sind, sondern David Hasselhoff und Dieter Thomas Heck), aber allemal freut es mich, dass dem "schlechten Film" vergangener Dekaden ein Podium geboten wird. Dass sich ausgerechnet arte dieses Filmkosmos' annimmt, ist weiterhin ein Grund zur Freude, ist doch eine solche Geste der Hinwendung eines "Kultursenders" (auch wieder so ein Wort, aber lassen wir das, bzw. den Deutschen ihren hehren Kulturbegriff...) Indiz dafür, dass das teils eben doch nicht geringe cinephile Potential solcher Obskuritäten mehr in Aussicht stellt als bloß billig produzierte Derivatformen des Unterhaltungskinos.

Begonnen wurde die Reihe bereits am vergangenen 05.01. mit der zwar mäßigen, aber als Einführung vielleicht nicht verkehrten Dokumentation Midnight Movies, mit der ich bereits an dieser Stelle ins Gericht gezogen bin. Fortgesetzt wird sie am 11.01. mit dem eher seltenen Film Der Teuflische von Mario Bava, ein Spätwerk des für seine Form- und Farbspielereien bekannten Italo-Regisseurs, das zwar eigentlich so gar nicht zur Midnight Movies-Doku passt, aber durch eine hübsch entrückte, fast schon traumartige Stimmung besticht. Außerdem spielt die wunderschöne Elke Sommer die Hauptrolle als Touristin, die auf einer Insel in die Fänge von Telly Savalas gerät, der an einer Stelle sogar an einem Lolli lutschen darf. Kein Meisterwerk, aber schön entspanntes Gruselkino. [Programmtext]

Am 18.01. läuft The Glamorious Life of Sachiko Hanai, eine Art Reprise des japanischen Pinku Eiga, vom Verleih Rapid Eye Movies zwar als anarchisch-subversives Stück Underground-Kino angepriesen, insgesamt aber auf Grund seiner latenten Lustlosigkeit und filmischen Uninspiriertheit eher enttäuschend. [Programmtext]

Der 25.01. bringt dem deutschen Publikum schließlich Jean Rollin näher, den Großmeister des spezifisch französischen, surreal flirrenden Grusel-Erotikfilms. Ob allerdings die Entscheidung, für eine solche Begegnung ausgerechnet den 2002'er Beitrag Draculas Braut vorzusehen, die richtige ist, wird sich noch weisen müssen; besser wäre es gewesen, man hätte eines seiner großen, fast schon psychedelischen Meisterwerke aus den frühen 70er Jahren gewählt. [Programmtext]

Ein weiterer, von dem Programm völlig unabhängiger Grund zur Freude ist freilich, dass ausgerechnet das Zentralorgan für bundesdeutsche Verklemmtheit und Ignoranz, genau: die B.Z., zum Sturm auf die Bastille den deutsch-französischen Sender bläst. Die Behauptung, dass arte nunmehr zum Pornosender degeneriere, weil sich nun auch etwas wilderes (und kulturhistorisch eben gar nicht mal uninteressantes) Kino im Spielplan des Senders tummelt, ist bezeichnend für ein Provinzblättle, in dem ein Bischof kolumnieren darf und alle paar Seiten irgendwelche jungen Tittenmäuschen abgebildet und mit debil-altherriger Lustmolch-Lyrik aus dem Taschentuch-Mülleimer betextet werden. Der Intendant nimmt solche Deliranz hingegen sympathisch gelassen und bemerkt, dass das in Frankreich alles kein Problem sei mit diesen Filmen: "Franzosen sind eben cinephil." [und der Durchschnitts-Empörungs-Dummdeutsche eben ein dummes Arschloch, so ist das halt.]

Andererseits, arte als Pornosender - warum nicht? Wie toll wäre das, wenn arte mal Eon McKais überaus bemerkenswerten Neu Wave Hookers zeigen würde, der beispielhaft vor Augen führt, zu was dieses Segment imstande sein könnte. Auf den Aufschrei freue ich mich schon ganz besonders! [und welches deutsche Filmmagazin hatte den Film als erstes besprochen? Genau! Die gute alte Tante!]

Mehr Informationen zur Trash-Reihe hier.


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Freitag, 5. Januar 2007
04.01.2006, CineStar Sony Center.

Im Kino gewesen, indifferent hinausgegangen. Das Schlimmste, was einem Scorsese-Film vielleicht passieren kann, wird wahr: Man verlässt den Saal und zuckt mit den Achseln. Man könnte sich aufregen, man könnte es sein lassen. Schlimmer wird's nur dadurch, dass The Departed nun alles andere als solche Indifferenz zu bezwecken im Schilde führt. Der Soundtrack erzählt davon: Scorsese fürchtet weder Tod noch Lizenzkosten - und so ist der Soundtrack vollgesogen mit Rolling Stones und Pink Floyd, mit wuchtigem Irish-Folk-Punk der neueren Stunde und allem und jedem, was in den 70ern ein Gesicht auf einem Musikmagazin hatte. Das soll knallen, tut es nicht. Was lief da schief?

Eine Antwort fällt schwer. Es mag die Uninspiriertheit sein, die jedem Import-Remake als "Geschmäckle" mit anhaftet, selbst wenn versucht wird, die Vorlage - ein sehr solider Hongkongthriller aus einer Zeit, als auf das Hongkongkino schon nur noch in Ausnahmefällen (sagen wir: Johnny To) zu hoffen war - so irgendwie noch zu bereichern, selbst wenn einem im Grunde doch nichts einfällt. Die Achsensymmetrie aus Infernal Affairs ist nicht genug, es muss zum Ende hin noch ein bisschen mehr Wallung in den Plot, zu seinen Ungunsten allerdings. Der Unterschied schließlich zum Original ist der für das Nicht-Gelingen prägnanteste: Infernal Affairs setzt eine Idee um, spielt sie durch und ist darin so strikt wie konsequent; The Departed formuliert diese Idee nur (schlimmer: formuliert sie nur nach) und stellt sie in den Raum. Ein bisschen Fleisch legt er drauf, den Rest erledigt Ballhaus und der Music Supervisor und beide waren von der Muse nicht unbedingt geküsst.

Ein Film spult sich ab und es ist egal. Selten war ein Scorsese-Film derart mit Brutalitäten vollgestellt. Man beobachtet das zwar und ist doch eher erschreckt von den "Männermännern" im Kinosaal, die jedes Blut-Actionpainting und jedes "Fuckin' fuck" mit einem debilen höhö kommentieren und sich dabei, vermutet man, noch gegenseitig mit den Ellbogen in die Seite stupsen. So unbeholfen ihre Verbrüderung mit dem Film, so orientierungslos wandelt Scorsese durch seinen Stoff, der in Einzelteile zerfällt, für die sich Scorsese bestimmt was gedacht haben mag, doch allein, die Syntax geht nicht auf. Und der Soundtrack deliriert sich ohne Sinn und Verstand von einer Lizenz zur nächsten. Wie vollkommen sinnlos die Songs auch immer eingefadet werden. Am witzigsten überhaupt nur an diesem Film, dass Alec Baldwin hier aussieht wie Sozen-Wowi aus Berlin.

Genauer, treffsicher und lesenswert dazu: Knörers Kritik auf jump-cut.de, bzw. sein Essay für den Perlentaucher.

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Donnerstag, 4. Januar 2007
Vor rund einer Stunde wurden per Pressemitteilung die ersten Wettbewerbsfilme des 2007'er Festivaljahrgangs mitgeteilt.

Ganz besonders freut es mich, dass Yella, der neue Film von Christian Petzold, und The Good German, der neue Film von Steven Soderbergh, im Wettbewerb vertreten sind. Yella erzählt von einer Brandenburgerin, die im Westen eine neue Arbeitsstelle antritt und von ihrem alten Leben eingeholt wird. In den Hauptrollen sind Nina Hoss, Hinnerk Schönemann und Devid Striesow zu sehen. Weitere Informationen zum Film finden sich hier.

Über The Good German konnte man bereits hier einiges lesen. Ich bin gespannt, wie und ob Soderberghs Experiment, den klassischen Stil von Michael Curtiz zu emulieren, gelungen ist.

Als Internationale Premiere zeigt der Wettbewerb Robert De Niros zweite Regiearbeit The Good Shepherd, der von einem idealistischen Yale-Studenten handelt, der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in den Geheimdienst eintritt.

Das europäische Kino ist mit Sam Gabarskis Irina Palm vertreten. Der Regisseur hatte zuvor mit Der Tango der Rashevskis debütiert, den ich, ehrlich gesagt, eher für abgeschmacktes Bürgerkino halte. Mit Goodbye Bafana von Bille August scheint sich die penetrant sozialdemokratische Ader des Wettbewerbs zu ihrem Recht zu verhelfen: Die Geschichte um den einstigen Gefängniswärter von Nelson Mandela stellt allenfalls gefühliges "Ich bin ein guter Mensch"-Kino in Aussicht.

Anhänger des manieristischen Kinos dürften sich wohl sehr auf Park Chan-Wooks neueste Arbeit I Am A Cyborg But That’s Ok freuen, die im Wettbewerb als Internationale Premiere zu sehen ist. Dass Chan-Wook sich von seiner Lady Vengeance-Überzuckerung erholt hat, steht zwar nicht zu hoffen, wäre aber eine schöne Überraschung. Für die Chefdirektion des Festivals zählt aber wohl ohnehin nur der Prestigegewinn, einen internationalen Festivalliebling in die eigene Königsdisziplin gehievt zu haben. Den (allerdings in der Tat recht hübschen) Trailer zum Film kann man sich hier in sehr zäher Geschwindigkeit herunterladen; ein erstes Poster folgt sogleich:



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Mittwoch, 3. Januar 2007


Ich will gerne nochmals darauf hinweisen, dass ab heute abend und dann noch bis Freitag jeden Abend der wirklich ganz großartige japanische Film Yentown - Swallowtail (auch unter dem Titel Swallowtail Butterfly bekannt) in Berlin-Friedrichshain im mit hinreichend Sofas und Matratzen ausgestatteten b-Ware-Ladenkino mit deutschen Untertiteln läuft. Ehrlich: Das lohnt sich unbedingt.

Wer es aus vollkommen unerfindlichen (und sowieso nicht gültigen) Gründen nicht schafft, darf sich dennoch freuen: Der lange Zeit herbeigesehnte Film ist seit kurzem endlich auch in Deutschland auf DVD erhältlich. Einfach bei Rapid Eye Movies anfragen.


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Samstag, 30. Dezember 2006
Thema: Hoerkino
Bereits vor einigen Tagen habe ich dem Radiohörer für seine Listensammlung meine Top-Platten des Jahres zukommen lassen. Dann kann ich sie ja auch eigentlich gleich hier einstellen, wenn die Arbeit eh schon gemacht ist, näch?

Here we go (ohne interne Reihenfolge):
- jan jelinek: tierbeobachtungen
- sunn o)) & boris: altar
- red sparowes: every red heart shines towards the sun
- the world/inferno friendship society: red-eyed soul
- beirut: gulag orkestar
- tortoise & bonnie 'prince' billy: the brave and the bold
- the kilimanjaro darkjazz ensemble: same
- mouse on mars: varcharz
- ekkehard ehlers: a life without fear
- isis: in the absence of truth
- ten volt shock: 6null3

Und dann noch, mit Dank an Roland für den Hinweis, als kleine nachgereichte Ergänzung:

- console: mono

Die Scheibe hatte ich nämlich so gar nicht auf dem Schirm (auch die Junior Boys könnte sich noch, so nach erstem Hören, als veritable Popscheibe für die nächsten Wochen herausstellen!).



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Unter diesem Titel startet ab Mittwoch die nächste Staffel der sich mittlerweile glücklicherweise institutionalisiert habenden Exploitationfilmreihe der "Freunde des Schrägen Films" im Kino Babylon in Berlin-Mitte. Grob skizziert ließe sich sagen, dass diese Staffel den US-Horrorfilm nach "New Hollywood" thematisch ins Auge fasst. Mit dem rise and fall der "Jungen Wilden", die in die Krise des Studiosystems preschten und dabei die Methoden und Manöver des Autorenfilms ins Herz der Filmindustrie bugsierten (und diese damit gleichsam - etwa ab Der weiße Hai - restaurierten und auf neue Füße stellten), war auch das Horrorkino nicht mehr dasselbe. Regisseure wie George A. Romero, Wes Craven, David Cronenberg und John Carpenter transzendierten das Genre und etablierten es als (zuweilen vehement kulturkritische) Ausdrucksform. In diesem (mehr oder weniger freien) 'Freiraum' entstanden schließlich auch Nischen für Experimente wie beispielsweise Kathryn Bigelows Vampir-Variation Near Dark.

Gezeigt werden immer mittwochs einige ganz prächtige Artefakte aus den 70er und 80er Jahren. Besonders schön finde ich es, dass auch der gemeinhin übergangene B-Movie-Maverick Larry Cohen berücksichtigt wird, der einige der seltsamsten und interessantesten Horrorfilme (und nicht zuletzt - siehe etwa Q - The Winged Serpent - die 'schönsten' New-York-Filme) dieser Zeit gedreht hat.

Im folgenden das Programm:
3. Januar 2007, 22 Uhr
Death Trap/ Eaten Alive (USA 1976, Tobe Hooper, 35mm, amerikanische Originalfassung)

10. Januar 2007, 22 Uhr
Near dark – Die Nacht hat ihren Preis (USA 1987, Kathryn Bigelow, 35mm, deutsche Fassung)

17. Januar 2007, 22 Uhr
Re-Animator (USA 1985, Stuart Gordon, 35mm, amerikanische Originalfassung)

24. Januar 2007, 22 Uhr
Martin (USA 1978, George Romero, 16mm, amerikanische Originalfassung)

31. Januar 2007, 22 Uhr
Die Wiege des Bösen / It's alive (USA 1974, Larry Cohen, 35mm, deutsche Fassung)

7. Februar 2007, 22 Uhr
Nightmare – Mörderische Träume / Nightmare on Elm Street (USA 1984, Wes Craven, 35mm, deutsche Fassung)

14. Februar 2007, 22 Uhr
Society (USA 1989, Brian Yuzna, 35mm, amerikanische Originalfassung)

21. Februar 2007, 22 Uhr
Tourist trap (USA 1978, David Schmoeller, 35mm, deutsche Fassung)

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die letzten beiden Filme noch nicht gesehen habe; für diese kann ich meine Hand also kaum ins Feuer legen (aber ich sage mal: Yuzna war in den 80ern schon eine Bank!). Die anderen aber sind alle auf ihre Art und Weise kleine Juwelen des Genres und allemal eine Empfehlung wert. Wer sondieren muss, sollte unbedingt Martin von Romero sehen (eine ungemein spannende und sensible Aufarbeitung des Vampirmotivs unter dem Zeichen "New Hollywoods", die weit von seinen rabaukigen Zombie-Filmen angesiedelt ist) und dann natürlich Re-Animator, einen der spaßigsten (und, äh, 'einfallsreichsten') Gummi-Horrorfilme der 80er Jahre, zumal im Kino.



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Freitag, 29. Dezember 2006
Heimkino.

Und die Welt braucht ihn doch, Superman. So jedenfalls lautet, nach viel Behauptung, das Fazit von Superman Returns. Am Anfang sieht das noch ganz anders aus: Fünf Jahre war Superman auf der Suche nach seinem Heimatplaneten Krypton und also für den Rest der Menschheit spurlos verschwunden und gerade Lois Lane, jener seltsamen Geliebten Supermans in jener seltsamen Liebschaft, ist es vorbehalten gewesen, einen Leitartikel zu verfassen, der den Titel Why the world doesn't need Superman trägt. Versteht sich, dass am Ende das Gegenteil behauptet werden muss. Weder den einen, noch den anderen Artikel bekommt man im Detail zu lesen; es dämmert einem: Mit gutem Grund.

Aber jetzt ist er wieder da, weil er zurückkehrt, und dies in Permanenz. Zweieinhalb Stunden dauert diese Rückkehr, die sich Bryan Singer, der in Sachen Comicadaptionen eigentlich einen guten Leumund vorweist, ausgedacht hat. Und alleine für die Feststellung, dass die Welt Superman nicht mehr braucht und Superman daran schwer zu knuspern hat, hat der Regisseur nicht enden wollende 90 Minuten investiert. Das zweifelhafte Kunststück dabei ist, dass Singer zu diesem Thema nicht das Geringste zu sagen hat. Superman Returns brütet so irgendwie vor sich hin, macht ein paar hübsche Mätzchen und lässt Superman-Aspiranten Brandon Routh ein paar altbekannte Sätzchen aufsagen, damit auch die Freunde der alten Superman-Filme was fürs Herz mit auf den Weg bekommen. Den Rest erledigt das glossy image, das hier verdächtig oft zum Pastellfarbenen drängt. Sieht super aus, lässt vollkommen kalt.

Dann folgt etwas Zinnober und mal wieder dräuender Weltuntergang. Verantwortlich hierfür zeichnet natürlich Lex Luthor, Supermans Leib- und Magenwidersacher. Kevin Spacey spielt ihn auf höchst lächerliche Weise. Von der seltsamen Ironie, die Gene Hackman seinerzeit dieser Figur fast schon untergejubelt hat, ist Spacey meilenweit entfernt. Wie überhaupt der ganze, noch hastig in den Film reingebutterte Weltuntergangsplot von allem sehr weit entfernt ist: In seiner betulichen Naivität datiert er glatt auf die späten 30er, frühen 40er Jahre. Jene Zeit also, in der Superman als Pionier ein ganzes Comicgenre ausgehoben hat, das seitdem von unzähligen Figuren bevölkert ist, die mal mehr, mal weniger albern ihren Superkraftbefähigungen nachgehen. Vor allem das Verlagshaus Marvel - Superman stammt ja aus dem Hause DC - hat den Superheld als solchen dabei auf ein neues Niveau gehoben; der Filmgänger kann dies den gelungeneren Comicadaptionen der letzten Jahre abspüren.

Superman Returns aber tut am Ende so, als hätte es nie was anderes gegeben als die infantilen Geschichtchen der frühsten Jahre. Immerhin offenbart sich dabei, dass Superman der vielleicht kulturhistorisch wichtigste, im Detail letzten Endes aber der uninteressanteste aller Superhelden ist. Das Vorhaben Singers, Superman als großen Melancholiker zu etablieren, ist vielleicht wirklich von vorneherein zum Scheitern verurteilt, zumindest aber allemal in der vorliegenden Konzeption. Diesen Superman, sorry, braucht kein Mensch.

imdb ~ angelaufen.de ~ filmz.de



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Freitag, 22. Dezember 2006



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Mittwoch, 20. Dezember 2006
Heimkino.

Zum Inhalt:
»Verschlafene Örtchen wie Wheelsy gibt es tausendmal in den USA. Seine Bewohner sind höflich, freundlich und ziemlich normal. Unter der Oberfläche allerdings gedeiht etwas teuflisch Böses. Langsam, verflucht langsam, beginnen sich die Dinge zu verändern. Haustiere verschwinden, und der einflussreiche Grant Grant (Michael Rooker) verhält sich plötzlich äußerst merkwürdig.

Als dann noch das Vieh eines Farmers erschreckend mutiert und eine junge Frau wie vom Erdboden verschluckt wird, stellen Sheriff Pardy (Nathan Fillion) und sein Team Nachforschungen an ... und das hätten sie lieber bleiben lassen sollen. «

[Text: UIP]

Slither ist zunächst eine erfreulich unambitionierte Reprise des vor allem in den 80ern (und da schon unter Rückgriff auf die spröden Horrorfilme der 50er) beliebten Horror-Motivs "Monströses, vorzugsweise aus dem Weltall, infiltriert us-amerikanische Kleinstadt" - Gremlins, Crittert, Blob-Remakes, Raketenwürmer und hassenichgesehen bevölkerten seinerzeit die Leinwände und noch viel mehr Videorekorder. Diesmal sind es kleine, schmierige kackwurst-artige Wesenheiten, die in Leute schlüpfen und von ihnen Besitz ergreifen - Cronenbergs Parasisten-Mörder wird denn auch in einer Sequenz überdeutlich gehuldigt, wenn man schon die Idee fürs Monster von dort klaut. Und es versteht sich, dass ein Film, der auf den Blick der 80er auf die 50er blickt, sich dazu auch irgendwie verhalten muss. Das macht er, indem er sämtliche Subtexte, die aus dem bekannten Stoff mittlerweile extrapoliert wurden, wie warme Brötchen mitliefert. An allen Ecken und Enden kann man "Kenn' ich" sagen und das beliebte Spiel "Spot the reference" mitspielen.

Nur macht Slither in dieser Hinsicht nicht sonderlich viel Spaß (wobei der eine Moment, in dem, wie beiläufig, in einem Fernseher gerade The Toxic Avenger läuft, schon herzig ist); auch als jungsiger Ekelhorror kann er nicht überzeugen. Am Ende gibt's viel Kautschuk und Blut spritzt und egal ist's einem trotzdem. Das ist zum einen an sich schade und zum anderen Symptom dafür, dass die Sparte des Geek-Horrors sich orientierungslos in einer handfesten Krise befindet. Dies wiederum ist bedauerlich, da Geek-Horror, wie sonst vielleicht nur die RomCom, ein bilderspendender Kompass für Jugendliche ist, weshalb man sich, in Anbetracht von Slither, Sorgen um den Nachwuchs machen muss.

imdb ~ angelaufen ~ filmz ~ movie magazine search engine ~ movie blog search engine


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Thema: Hinweise
»I'd never met a famous person before and I've never met one since who (with the possible exception of Susan Sontag) took such obvious pleasure in being their very own self. An amiable host, Jodorowsky plied us with toritos and showed off some Danish porn (snatching it nervously back when we began to riff on it in public). Outside, he paused to relieve himself against a parked car. "Look, he has made three streams," Mrs. J remarked proudly as we staggered toward a disco named Paz y Amor. The evening provided material for three months of stoned impersonations: "Three streams! I . . . am . . . the Maker of the Topo!"«
» You Had To Be There...


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Montag, 18. Dezember 2006
» ...
Wenn schon Widerstand, dann Widerstand gegen solchen Widerstand. Was dort steht ist: manipulativer Dummfug, von falschen "Fakten" durchzogen und insgesamt auf dem Niveau, um das sich jeder Stammtisch, der gerade so noch was auf sich hält, bemüht. Also kurz: Dummheit galore.

Wer es immer noch nicht begriffen hat, dass gebührenfinanzierter Rundfunk - bei aller Kritik im Detail - eine unbedingt erhaltenswerte Bastion ist, darf sich bei RtlProSiebenSat1usw gerne einen Weihnachtskeks abholen. Auch die Werbeindustrie ist dankbar. Nicht zuletzt die Herren Politiker, für die der ÖR ein Dorn im Auge ist - weshalb sie immer wieder zum Angriff auf denselben blasen.

Und wer jetzt immer noch meint, er müsse keck dahergeschissen kommen, von wegen, "ich zahl' aber nix, was ich nicht nutze", der darf sich gerne mal fragen, mit wievielen Hundert bis Tausend Euro im Jahr er so vollkommen nutzlose wie ungenutzte Dutzende von Privatsendern und noch viel nutzlosere Werbeagenturen über den Umweg der Supermarktkasse finanziert. Sowas nennt sich im Finanzjargon "Unmerklichkeit" - man könnte auch "mangelnde Transparenz" dazu sagen. Mal ganz davon abgesehen, dass eine Öffentlichkeit, die durch eine von Politik und Industrie vergleichsweise unabhängige Einrichtung mitgestaltet ist, jedem Teilnehmer dieser Öffentlichkeit einen Nutzen bringt - und wenn er nur ein mittelbarer ist.

Und nein, ich bin auch kein Freund von diesen Computer-, Internet-, Handy-, etc.-Gebühren.

Und nein: Darüber gibt es auch keine Diskussion. Comments closed.


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Nachdem die Berlinale in diesem Jahr eine Wiederentdeckung des japanischen Genreregisseurs Nobuo Nakagawa ermöglicht hatte, wird im kommenden Jahr erneut ein alter japanischer Haudegen in Erinnerung gerufen werden. Die Rede ist von Okamoto Kihachi, der unter Umständen schon von seinem chambara-Film Sword of Doom her bekannt ist, den Rapid Eye Movies vor nicht allzu langer Zeit auf DVD herausgebracht hat. International bewanderte DVD-Freunde kennen vielleicht auch seinen von Criterion auf DVD veröffentlichen Kill!, ein Samuraifilm, der sich derselben literarischen Vorlage wie Akira Kurosawas Sanjuro bedient und interessanterweise von Sergio Leones Fistful of Dollars (welcher wiederum ein Remake von Kurosawas Yojimbo ist) beeinflusst wurde.

Das Internationale Forum der Berlinale, die traditionelle Umgebung für Reprisen asiatischer Klassiker auf dem Festival, zeigt insgesamt neun Filme von Okamoto Kihachi, die als erstes richtig großes Highlight der Filmfestspiele angesehen werden dürfen.

Weitere Informationen können der heutigen Pressemitteilung im ersten Kommentar entnommen werden. Ein ausführliches Feature über den Regisseur findet sich auf midnighteye.com - wo sonst!

Weiterhin bietet die Website der Criterion Collection zwei Essays über Kill!: Einen von Chris D. und einen von Howard Hampton.


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