Donnerstag, 8. Juli 2010
Zwar habe ich Nimród Antal seit seinem wirklich tollen Budapester U-Bahnfilm Kontroll ein wenig aus den Augen verloren (die zwischenzeitlich in den USA entstandenen Genrefilme genießen aber immerhin einen ganz guten Ruf), gerade aber dieses Filmes wegen hatte ich doch einige Erwartungen an den Franchise-Reboot Predators - selbst wenn Robert Rodriguez, dessen Filme ich für ungeheuer überschätzt halte, als Produzent mit an Bord war.

Um es kurz zu machen: Der Film ist eine einzige Enttäuschung und gibt sich als solche schon sehr frühzeitig zu erkennen. Warum ich das so sehe, kann man an dieser Stelle ein klein wenig detaillierter nachlesen.


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Samstag, 26. Juni 2010
Das einstige Aushängeschild des postmodernen Horrorfilms ist schlecht gealtert. Der "Gag" des Films - das beständige, auch innerdiegetisch konkrete Referenzieren auf die Mechanismen, Konventionen und Klassiker des Slasherfilms - wirkt heute wie der berühmte Funke einer Idee, die einen kompletten Film dann aber doch nicht trägt, bzw. wie ein in endloser Insistenz zu Tode gekommener Witz, ganz zu schweigen von der plumpen Bemühtheit, die das rasch ausstrahlt.

Immerhin ganz brauchbar lässt sich an der Gestalt des Films ein ganz anderer Mediendiskurs ablesen: Die Diktatur des Pan & Scan, die mit der immensen Rolle von VHS innerhalb der ökonomischen Verwertungslogik der Filmproduktion seit den 80er Jahren einher geht und die Ästhetik der Filme von ihrer Zweitverwertung her unter die Knute zwingt: Kaum ein Bild in diesem Film, das auch nur ansatzweise Gebrauch machen würde von den Potenzialen des weiten Bildformats, fast jedes verhungert an den Rändern zu mindestens einem Drittel, weil sich schlicht nichts darin befindet oder gar tut, was für den Film von Belang wäre.


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Donnerstag, 13. Mai 2010
Im folgenden mein leicht überarbeitetes Skript der Einführung, die ich am 12.05.2010 im Kino Babylon vor der Vorführung von Das Geheimnis des Dr. Z gehalten habe.

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Im Herbst 1966 schreibt ein Filmkritiker im katholischen Film-Dienst über einen Film, mit dem er es bis dahin noch recht gut gemeint hatte:
Wie dem Opfer spitze Nadeln in Kopf und Rückenmark gejagt werden, das ist so angelegt, daß den Zuschauer das kalte Grausen überkommen soll. Damit entpuppt sich die Geschichte als einfache Gruselstory im Gewande moderner Wissenschaftlichkeit.

Der Film, um den es sich dabei handelt - Das Geheimnis des Dr. Z - wird gleich im Anschluss zu sehen sein. Sein Regisseur, Jess Franco, wird heute 80 Jahre alt.

Dass nun ausgerechnet in einem Kino, das lange Zeit den Titel "Filmkunsthaus Babylon" trug, Jess Franco eine Ehrenaufführung zuteil wird, dürfte den bis heute umtriebigen spanischen Regisseur wohl freuen, finden in solcher Bezeichnung doch zwei Aspekte zusammen, die auch in Francos Werk immer wieder aufeinander treffen: Die unbedingte Liebe zum Film als Kunstform und die obsessive Liebe zur "großen Hure Babylon", der Mutter alles Verderblichen, was die Menschheit hervorbringt, sprich: zu Sex and Crime.



"Sex and Crime" bei Franco ist offensichtlich, das mit der Filmkunst bedarf der Erläuterung. Denn Jess Franco dürfte, neben Ed Wood, der vielleicht übelst beleumundete Filmemacher der letzten 50 Jahre sein. Seine Filme gelten als inkohärent, langweilig, stümperhaft, ein gestern im Netz veröffentlichter Geburtstagsgruß nennt ihn bereits in der Überschrift nur „Trash-Papst“, dem Autor des "Edgar Wallace Lexikon" schien, wenn es um Jess Francos Beiträge zur späten Wallace-Reihe geht, offenbar der Schaum vor den Mund zu steigen. Genauso legendär, zumindest aber berüchtigt, wie seine Zooms, die fortwährend und ausgedehnt Belanglosigkeiten in den Blick nehmen, um auf diese Weise wertvolle Minuten Laufzeit zu klauben, sind seine persönlichen Obsessionen: In zahlreichen seiner immerhin fast 200 Filme lässt er sich mit Vorliebe selbst vor laufender Kamera von jungen Schönheiten foltern. Fast schon Signaturcharakter hat die obligatorische Nachtclub-Szene, in der eine geheimnisvolle Frau zu psychedelischer oder avantgardistischer Musik einen erotischen Tanz aufführt. Einer seiner buntesten Filme – Blue Rita – spielt denn auch fast komplett in so einem Nachtclub, auch gleich im Anschluss werden wir ein überaus reizendes Exemplar einer solchen Franco-Szene sehen.

Und doch schwingt, wenigstens in den besseren seiner Filme, immer auch eine stark künstlerische Komponente mit. Ein auteur ist bei den französischen Filmkritikern der 50er Jahre ein Regisseur, der nicht nur die mise en scène kontrolliert, sondern dabei auch eine eigene Stilistik entwirft, in der der Regisseur eine gewisse Sicht auf die Welt formuliert. Ein Autorenfilm ist vor allem als Werk seines Regisseurs erkennbar: So besehen, ist Jess Franco ein auteur par excellence: Obwohl die meisten seiner Filme inhaltlich Trivialfilme sind, geben sie sich eben doch nicht mit einer industriell standardisierten Ästhetik zufrieden. Einen „Franco“ erkennt man normalerweise spätestens auf den zweiten Blick. Auch der heiligste Tempel der Cinephilie, die Cinémathèque Francaise, sieht das mittlerweise so: 2008 adelte sie den Regisseur mit einer bemerkenswert umfangreichen Retrospektive, 2009 wurde er in seiner spanischen Heimat für sein Lebenswerk mit dem Goya-Filmpreis ausgezeichnet.





Dass zahlreiche seiner Filme runtergekurbelt wurden, versteht sich bei einem Output von zum Teil 10 Spielfilmen pro Jahr von selbst. Christopher Lee zum Beispiel, der häufiger mit Franco arbeitete, bemerkte einmal, dass man bei Franco gerne für zwei Filme unter Vertrag stand, aus dem Material dann aber kurzerhand drei Filme geschnitten wurden. Auch Horst Tappert soll sich, lange vor seiner Zeit als "Derrick", einmal bei Artur Brauner beklagt haben, dessen CCC einen Jess-Franco-Film namens Sie tötete im Orgasmus mit Horst Tappert in der Hauptrolle ankündigte, den dieser aber nie gedreht haben will. Auch hier griff Francos Methode der wundersamen Filmvermehrung. Das Studio und Tappert einigten sich, dass der Film wenigstens unter dem etwas weniger ehrenrührigen Titel Sie tötete in Ekstase ins Kino kommen sollte.



Sie tötete in Ekstase ist auch für uns von Belang, da er in gewisser Weise ein Remake des heute gezeigten Geheimnis des Dr. Z darstellt. In beiden Filmen wird ein Doktor, der im Dienste der Wissenschaft Experimente jenseits aller Ethik durchführt, aus der scientific community ausgeschlossen und damit in den Tod getrieben. In beiden Filmen rächt sich eine Frau im Anschluss ganz erbarmungslos - und unter Einsatz aller sexuellen Mittel - an den Wissenschaftlern: Im Fall von Sie tötete in Ekstase ist es die hinterbliebene Frau des Doktors selbst (gespielt von Europloitation-Ikone Soledad Miranda), in Das Geheimnis des Dr. Z ist es seine Tochter, die sich mit den technologischen Errungenschaften ihres Vaters eine Nachtclubtänzerin zur gefügigen Sklavin macht und diese dann mit den Morden beauftragt.

Das Geheimnis des Dr. Z ist ein Schlüsselfilm in der frühen Werkphase von Jess Franco und für einige "Franco-phile" der beste Beleg für die These, dass in Jess Francos Schaffen ein auteur zu bergen ist, der beim späteren Akkordarbeiter Franco zunehmend verloren gegangen scheint: Unbestreitbar ist der Wille zur unbedingten Stilisierung, der sich in den großartigen Bildkompositionen niederschlägt (unter denen sich, nebenbei, noch zwei, drei obskure Orson-Welles-Reverenzen ausmachen lassen). Bemerkenswert ist auch der Gebrauch der Musik: Während in den etwa zeitgleich entstandenen deutschen Edgar-Wallace-Filmen, nahe Verwandte dieses Films, meist gemütlicher Krautswing zu hören ist, lässt Franco hier bizarre atonale Musik erklingen, die das ohnehin leicht surreale Geschehen völlig jeder realistischen Verbindlichkeit enthebt: Stockhausen meets Groschenroman!



Jess Franco weiß sehr gut, in welchen Traditionen er sich hier bewegt: Sein Dr. Z wirkt wie eine Mischung aus dem von Peters Sellers verkörperten Dr. Strangelove und Wolfgang Preiss' Performance des Dr. Jordan in Fritz Langs 1000 Augen des Dr. Mabuse mit einer Prise Dr. Caligari – daneben scheint der deutsche Filmexpressionismus der 20er Jahre ästhetisch Pate gestanden zu haben. "Von Caligari zu Hitler" heißt die berühmte soziologische Studie von Siegfried Kracauer über den deutschen Film - und ein bisschen was von dieser Bewegung schwingt auch im Geheimnis von Dr Z mit: Wohl kein Zufall ist es, dass die französisch-spanische Produktion in Deutschland spielt und dass Dr. Z, der Doktor Zimmer heißt (die deutsche Synchro, wohl auch um die verstörenden Qualitäten solcher Assoziation dem deutschen Publikum zu ersparen, macht aus Dr. Zimmer hingegen einen osteuropäischen Dr. Zarowski), Menschenexperimente durchführt, eine Technologie zur Steuerung von Menschen entwirft und dass seine Tochter später Leichen im Ofen verbrennen lässt. Im Gewand eines lupenreinen Pulp Movies, mit allen Spekulationen, die dazu gehören, befasst sich Jess Franco, der hier im übrigen als Inspektor eine Cameo-Rolle hat, auch auf sehr deutliche Weise mit den Verbrechen des deutschen Faschismus.

Spannend ist der Film aber auch wegen seiner Verbindungen zum europäischen Kino der 60er und 70er Jahre: Der spanische Kameramann Alejandro Ulloa würde fortan vor allem in Italien zahlreiche Western und Thriller drehen – für Lucio Fulci, Antonio Margheriti, Enzo G. Castellari und Sergio Corbucci, um nur die bekanntesten zu nennen. Noch bemerkenswerter aber ist Drehbuchautor Jean-Claude Carrière, der die Drehbücher für fast alle späten Bunuel-Filme verfasst und darüber hinaus für Louis Malle, Jean-Luc Godard und Volker Schlöndorff gearbeitet hat. Zu seinen letzten aufsehenerregenden Arbeiten gehört der 2004 entstandene Arthouse-Thriller Birth mit Nicole Kidman - ein eher untergegangenes Werk, das in informierten cinephilen Kreisen mittlerweile den Rang eines kleinen Meisterwerks genießt.

Um unseren eingangs zitierten Filmkritiker nochmal zu Wort kommen zu lassen: "Unterhaltsam ist eine derartige Strapaze für die Nerven allerdings nicht." Ich kann Euch versichern: Das glatte Gegenteil ist der Fall. Ich wünsche Jess Franco alles Gute zum 80. Geburtstag und uns allen hier eine exzellente Projektion – vielen Dank.



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Montag, 21. Dezember 2009
Jacques Tourneurs großartiger Night of the Demon gehört zu den herausragenden Filmentdeckungen, die ich in den letzten Monaten gemacht habe.

Statt hier vieles in den Äther zu tippen, was sich schon ein Jahr später komisch lesen könnte, stelle ich hier lieber den sehr klugen Videoessay von Kevin B.Lee und Chris Fujiwara ein, auf den ich vor kurzem ganz zufällig gestoßen bin. Hier untersuchen die beiden den so augenfälligen Diskurs über die Schrift, den der Film unternimmt, dass ich ihn, wie den Brief bei Poe, vor Augen stehend nicht gesehen habe.



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Freitag, 4. September 2009
» info: imdb ~ wikipedia (en)
» siehe auch: giallo fever ~ the temple of the matmos
» varia: interview w/ martino ~ la musica dello scorpione


Die Blaupause für den Giallo, den italienischen Slasherfilm, ist unverkennbar Hitchcocks Psycho (und es ist kein Wunder, dass De Palmas Quasi-Remake von Psycho, Dressed to Kill, sich sehr deutlich über den Umweg des Giallos Hitchcocks Film nähert). Häufig entpuppt sich der Killer, in Inversion, überraschend als Frau, das Morden selbst wird innerhalb des Films zur ästhetischen Attraktionsinsel - oder man übernimmt einfach ein Strukturelement des geistigen Vaterfilms: Eine junge Frau, die über Nacht zu viel, sehr viel Geld kommt. Und die, zunächst als Hauptfigur eingeführt, nach etwa einem Drittel der Spieldauer nicht mehr am Leben ist. So geschieht dies in Der Schwanz des Skorpions.

Was folgt, ist, rein als Plot betrachtet, ein leicht hanebüchenes Verwirrspiel um einen Versicherungsdetektiv (George Hilton, hier ausnahmsweise nicht im Staub des Italowesterns), der auf die junge Frau angesetzt war und nun selbst unter Mordverdacht steht, die ermittelnde Polizei und eine französische Journalistin (Anita Strindberg), die sich mit dem Verdächtigen einlässt. Sehr exakt springt der Film zwischen Plot und Mordszene hin und her, ein ums andere verlassen Verdächtige den Film mit den Füßen voran.

Als spannender Whodunnit mag Der Schwanz des Skorpions gewiss nichts taugen (aber ist er, wohlgemerkt, unter den Gialli noch immer einer der kohärensten), seine Stärken liegen jedoch in seiner schier wahnsinnigen Gestaltungswut, seinem Willen zum Stil. Sergio Martino (der mit Der Killer von Wien in zeitlicher Nähe einen noch weit besseren Vertreter des Subgenres vorgelegt hat) verlässt sich kaum auf herkömmliche Perspektiven, fast jede Einstellung sucht das letzte aus dem gegebenen Material herauszuholen: Da wird steil von unten ein Dialog gefilmt, mit Handkamera eine Wendeltreppe hinunter gejagt, da werden die Irritationen von Schaufensterspiegelungen zu einem abstrakten Stück Experimentalfilm. Und nicht zuletzt ist Der Schwanz des Skorpions oft harte, krude primitivistisch, völlig überrumpelnd geschnitten.





Den Gipfel dieses entfesselten, völlig sich selbst genügsamen Manierismus stellt eine Verhörszene dar, deren an einem Tisch sich gegenüber sitzenden Parteien die exakt zwischen ihnen positionierte Kamera völlig überraschend um 90 Grad versetzt hochkant filmt und dabei den wechselnden Dialogzeilen im beherzten Schwung hinterher eilt.



Der Schwanz des Skorpions sticht somit, wie bereits Hitchcock mit seiner Duschszene, sehr geradewegs ins Herz des klassischen Hollywood, dem der Nachvollzug einer in sich geschlossenen Handlung alles, das Bemerkbarwerden der ästhetischen Gestalt hingegen nichts war. Jedes Bild, jede Bewegung in diesem Film zielt darauf, die rein formale Ebene vom Diktat der Plotdienlichkeit zu befreien: Man will bald nicht mehr wissen, wie genau das Verwirrspiel um die Personen nun angeordnet ist (die Lösung schließlich wirkt entsprechend wie einmal laut gejohlt), viel lieber lässt man sich, bald im Sekundentakt, davon überraschen, an welchem Ort als nächstes eine Kamera stehen mag und an welchem nicht.

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Der ungeheuerliche italienische Trailer des Films, der ihn ganz einfach so in eine Reihe altvorderer Klassiker der Filmkunst einsortiert.


Eine Kostprobe des Soundtracks von Morricone-Schüler Bruno Nicolai.


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Dienstag, 26. Mai 2009
» imdb
» movie blog search engine
» movie mag search engine
» greencine daily




Timecrimes gehört zu jener Sorte kleiner, clever konstruierter (Genre-)Filme, über die man im Vorfeld möglichst wenig wissen sollte, denn die ständige Perspektivverschiebung, das ständige Spiel mit den (auch durch die mitgebrachten Erfahrungen und Genrekenntnisse bedingten) Erwartungen ist sein Hauptmanöver. Und dies nicht nur auf Seiten des Zuschauers: Gerade und besonders auch die Hauptfigur, Hector (Karra Elejalde), muss hier die Ereignisse, die sich ganz arglos, eigentlich nur durch einen bisschen awkwardness, buchstäblich von selbst - oder doch nicht? - abrollen, von immer wieder neuer Warte aus betrachten. Dass hierbei schon die Promotion des Films auf falsche Fährten lockt, ist nur konsequent.

Dass es um Zeitreisen geht, stellt schon der Titel in Aussicht. Und das sich daraus ergebende, in seiner Auflösung mit dem Kubismus zumindest liebäugelnde Paradox aus Ursache und Wirkung, aus Kausalverhältnissen und Intentionen, ist Vigalondo schon ganz famos gelungen. Selten hat im Genrekino mitpuzzeln soviel Spaß gemacht. Und bei aller Gewitztheit bleibt Timecrimes dem Genrekino durchaus verbunden, im besten Sinne.

Angeberkino hingegen ist Timecrimes nicht. Weder wird der Zuschauer auftrumpfend überrumpelt, noch wird er von ausgestellter Kunstfertigkeit an die Wand gedrückt: Vigalondo hat sein - man muss das wirklich betonen: - Debüt gänzlich unaufgeregt, mit ruhiger Hand, fast schon gedämpft gedreht. Es dauert sogar eine kleine Weile, bis man seinen Film ästhetisch und inhaltlich eindeutig abgrenzen kann von einem mutmaßlichen Beziehungsdrama in einem abgelegenen Familienhaus, wie man es wahlweise von der "Berliner Schule" oder einem Haneke erwarten könnte.

Was aber folgt ist ungeheuer wahnwitzig und von seiner Idee her so naheliegend wie zugleich originell. In seiner Umsetzung vielleicht ein klitzekleines bisschen zu ausgezirkelt, aber nichtsdestotrotz ein Heidenspaß, wie sich das Blatt von einem Kapitel zum nächsten wendet - und doch nicht.

Den Namen Nacho Vigalondo jedenfalls sollte man sich merken. Ich bin mir sicher, da wird noch einiges von Interesse kommen.



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Montag, 4. Mai 2009
Im Vorfeld hatte mich der famose Trailer, fast noch mehr aber der Name J.J. Abrams - immerhin der Mastermind hinter Lost und Cloverfield - soweit gelockt, dass ich trotz bisheriger weiträumiger Umschiffungen des Star-Trek-Universums hinreichend Interesse und Erwartungen mitbrachte, nur um aber über weite Strecken enttäuscht zu werden. Ein eingefleischter ST-Fan mag deshalb ganz andere Qualitäten dieses Resets wahrnehmen, die sich mir allerdings nicht erschließen.

Schon der Plot ist so uninteressant wie eine zurecht vergessene fünfseitige Zeitreisegeschichte in schlechtem Englisch aus Zeiten von Amazing Stories. Doch für den Plot interessiert sich Abrams, glaube ich, ohnehin nicht recht. Wichtiger sind die Details, das unentwegte nudge nudge. So erfährt man so triftige wie erhellende Biografica, dass Kirk in einer Bar mal die junge Uhura angemacht hat. Und der junge Spock darf seine Finger in Großaufnahme in altbekannter Manier spreizen, aufdass sich Rührung einstellen möge. Das Wirrwarr um einen Pulp-Abziehbild-Romulaner aus der Zukunft wird unter solcher Anhäufung von Nostalgica unter den Teppich zu kehren versucht.

Überhaupt das Verhältnis vom Detail zum großen Ganzen. Dass der Film unentwegt Großaufnahmen von Gesichtern zeigt, mag seine Begründung zwar in der Referenzierung seliger TV-Zeiten der Serie finden, in der ein solcher Inszenierungsmodus unbedingt angeraten war, im Kino vermag sowas aber schnell zu nerven, zumal unter den Bedingungen des sensationsaffinen Blockbusters. So wird man in Star Trek ein ums andere Mal damit abgespeist, dass Attraktionen und Spektakel an den Bildrändern zwar hereindräuen, aber nie ganz zur Geltung kommen dürfen, weil es den Machern wichtiger erscheint, die physiognomische Ähnlichkeiten ihrer jungen Schauspieler mit den alten Vorbildern zu unterstreichen. Ganz bezeichnend ist dafür nicht nur eine irrwitzige Verfolgungsjagd gleich zu Beginn, deren sheer amount of awesomeness im folgenden Film an so gut wie keiner Stelle mehr erreicht wird, und passend dazu eine in jener Szene im Dunst am Horizont auszumachende Giganto-Metropolis, deren Pracht man im Detail gerne gesehen hätte, allein, sie bleibt vor allem: diesig. Oder diese wunderbaren Monster auf dem Eisplaneten gegen Ende, die so sehr damit beschäftigt sind, wild herumzutollen, dass man sich über ihr eigentliches Aussehen nicht abschließend sicher sein kann. (Noch viel trauriger stimmen einige Sekunden, in denen fast schon der Geist des Experimentalfilms in den Blockbuster hineinweht. Diese Momente stehen dann wie abgebrochener Zuckerguss im Film herum - oder vielmehr wie ein Versprechen, zu was die Leute hier eigentlich befähigt gewesen wären, hätten sie einfach nur gewollt.)

Eine der schrecklichsten ästhetischen Entscheidungen aber muss mit einem eigenen Absatz gewürdigt werden: Die kiloweise über den Film geschmierten Lens Flares. Abrams lässt in die Kameralinse strahlen, dass es nur so eine Art hat, kaum ein Filmdezimeter, auf dem's nicht mindestens einmal aus dem Bildzentrum oder keck von der Seite herein blitzt und funkelt. Im Presseheft ist man auf dieses Design sehr stolz - man selbst bleibt gerade wegen solcher Eigenbegeisterung schulterzuckend und völlig ratlos zurück: Die Lens Flares sehen, mit Verlaub, Scheiße aus, steuern zur visuellen Haptik und Attraktivität des Films zumindest auf der Habenseite eher gering bei und stehen eigentlich auch nur weitgehend sinnbefreit in der Gegend rum (zugestanden, gelegentlich hat man den Eindruck, dass durch solches lichtgleißende Aufblitzen allenthalben Insuffizienzen übertüncht werden sollen, was allerdings ein reichlich billiger Griff in die Trickkiste wäre).

Ums mal auf Web 2.0 zu sagen: Die Star Trek-Neupolitur ist ein eigentümlicher Blockbuster Fail. Wäre da nicht der charmante Auftritt eines gewissen Altdarstellers, der wenigstens für ein paar Minuten Herzigkeit in den Film trägt, das Ding wäre komplett an die Wand gefahren.


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Donnerstag, 4. Dezember 2008
» inhalt ~ imdb
» angelaufen.de ~ filmz.de ~film-zeit.de ~ moviepilot.de
» mrqe ~ rottentomatoes ~ movie blogs ~ movie magazines
Bewertung (nach Cargopunkten): 52

Viel wurde und wird wieder diskutiert, inwiefern dieser neue Bond-Typus dem Franchise denn nun gut anstehe oder nicht. Viele vermissen das comicartig augenzwinkernde bigger than life, das Bond bis Craig ausgezeichnet habe, das alte Konvolut aus Posen und Sprüchen, aus unnützem Wissen, das sich in Pausenhofecken immer gut anbringen lässt (Martini, etc). Ich bleibe bei meinem Standpunkt, dass der Re-Launch des Bond-Franchise dem ganzen eigentlich nur gut tut: Keine Martini-Sprüche mehr, keine mittelschichtig harmlose Augenzwinkereien mehr. Der neue Bond ist grizzly und steht zum Gutteil in der neueren Tradition eines sehnig verbindlichen Körperkinos.

Ich mag das. Auch wenn mir Quantum of Solace nur bedingt zusagte. Nicht so sehr, weil mir irgendwelche Connery'ismen fehlten. Eher vermisste ich so etwas wie ein gerüttelt Maß an zwingender Stringenz des Ganzen. Von allem gibt's ein Quantum: Ein bisschen Rache, ein bisschen Underdog-Attitüde, ein bisschen Öko-Schwein, ein bisschen Geheimdienst-Bashing. Die Story-Schmiere war mir zu dünn, zu hastig aufgelegt.

Viel diskutiert wurden auch die Actionsequenzen. Bemängelt wurde im allgemeinen der Verlust an Übersichtlichkeit. In der Tat stellt A Quantum of Solace eine neue Stufe der Eskalation dar: So schnell, aber eben auch: so wirr wurde bislang im Actionkino kaum geschnitten. Schätzung: Wenn's hopplahopp ging, waren das bestimmt um die vier Schnitte - pro Sekunde! Am Anfang ist das nicht ohne Reiz: Gerade die Eingangssequenz schwang sich zu derart abstrakten Qualitäten auf, dass ich mich im Experimentalfilmkino wähnte. Irgendwann lief sich das jedoch tot, zumal wenn wirklich die Grenzen des Nachvollzugs weit überschritten wurden. Keine Ahnung, wie Bond nun da herausgekommen ist. Ist er aber, es wurde nur nicht gezeigt. Fazit: Zwiespalt.

Und verflucht gut gefiel mir ja der Vorspann. Guter Style!

[einmal mehr gilt es indes die Vorführqualitäten des Cubix am Alexanderplatz zu geißeln: Bislang war dort noch keine Vorführung ohne Makel. So auch in diesem Falle: Das Bild flackerte nahezu über die gesamte Spieldauer. Entweder ist die Lampe im Projektor bereits im Rentenalter (das Bild wirkte auch verdunkelt) oder der Projektor war nicht recht justiert]


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Montag, 8. September 2008
Deadlock im Tilsiter, ein rabaukiger Film in der eher rabaukigen Kinokammer in Friedrichshains ziemlich rabaukigem Nordkiez. Is' klar, das wird eine Vorführung, an die man noch denken wird. Nicht nur, weil der Berliner Undergroundfilmer Carl Andersen, durchaus berüchtigt, auch im Publikum sitzt und gleich noch zwei Hunde mit im Schlepptau hat. Sondern auch weil Roland Klick, Regisseur des Film, bald 70, doch noch immer agil und hungrig, obwohl ihm schon Dennis Hopper mal den Fuß gebrochen hat, anwesend ist.

Der Film selbst: Großartig, zumal hier, wo er hingehört: Im/ins Kino. Muss man nicht groß drüber reden.

Denn danach: Anderthalb Stunden Anekdoten aus erster Hand. Natürlich: Basteln am eigenen Mythos, aber man will ja auch gar nichts anderes. Klick zunächst im Schneidersitz auf einem Tisch, doch springt er immer wieder auf, spielt nach, gestikuliert, eine unglaubliche Vitalität - die aber nichts aggressives für sich hat. Nur einmal, sagt er, hat er auf einem Set geschrien: Weil der Produzent 1.500 Mark sparen wollte - und damit eine Kettenreaktion in Gang gesetzt hatte, an deren Ende ein Verlust im sechsstelligem Bereich zu verzeichnen stand.

Wie fremd da alles Buhlen um Filmpolitik und Fördergelder wirkt (gerade auch wieder im Blog eines deutschen Regisseurs), wenn man hört, wie Klicks Crew da in Israels Wüste hockte und es keinen Weg zurück gab. Ein Produzent aus Deutschland - ein obskurer Film hatte gerade Kohle in die Kasse geschwemmt - hilft so gerade aus: Wenn Du es da raus schaffst, warten hier 50.000 Mark auf dich. Die Produktionsgelder, läppische 250.000 Mark, hatten gerade mal so den Dreh finanziert, Klick erwarten 1 Million Mark Schulden, zunächst. In Cannes soll der Film gezeigt werden: Ein Strohhalm bei solchem Kontostand. Regisseure, die, so Klick, "lieber ihre Intelligenz verfilmen als einen intelligenten Film zu machen", betreiben Lobbyarbeit: "Läuft dieser Film in Cannes, ist der junge deutsche Film ruiniert." 1 Million Mark Schulden - drei Tage später ist der Film aus dem Festival raus. Klick nimmt's, heute jedenfalls, mit größtem Humor, den nur der immer Außenstehende entwickeln kann. Wie ihm überhaupt nichts Bösartiges eignet, im Gegenteil: Er vertritt noch immer seinen Standpunkt, Häme oder Aggression sprudeln aus ihm indessen nicht. Schlussendlich gelingt diesem Abenteuerfilm/Filmabenteuer doch noch das Unglaubliche: Die Refinanzierung, Klick schuldenfrei.

(Andersen unterdessen, mit Hunden und Muse, hat den Saal verlassen, nicht ohne noch ein lautstarkes "Ihr Vollidioten" von sich zu lassen)

Es gab noch so viel mehr zu erzählen, aus Klick sprudelte es nur so, waren die richtigen Fragen seitens des Publikums erstmal gestellt. Ein bisschen ließ er sich freilich auch feiern, doch sei dieser Ruhm von Herzen gegönnt. Ein wunderbarer Abend: Kino nochmal von unten, von der Seite - mit ordentlich Hunger im Magen. Wenn Du einen Film drehen willst, dann raub eine Bank aus, hat Werner Herzog einmal gesagt.

Die Roland-Klick-Retrospektive läuft in den Tilsiter Lichtspielen mit zahlreichen Wiederholungen der einzelnen Filme noch bis 24. September und ist unbedingt zu empfehlen.



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Mittwoch, 3. September 2008


Morgen läuft Andreas Dresens neuer Film Wolke 9 in vermutlich viel zu wenig Kinos an. Ein wirklich schöner Film über Liebe und Sex im Alter, der Spekulation und Tabubruch so beiseite lässt, dass er sie noch nicht einmal ignoriert, und sich in meisterlicher Reduktion den Details und dem Wesentlichen nähert. Mir hat er sehr gut gefallen, weshalb ich ihn dringend empfehlen möchte, einen ausführlicheren Text gibt's im Perlentaucher zu lesen, wo Ekkehard Knörer zugleich noch Tasogare bespricht, den vermutlich ersten Pinku Eiga mit deutschem Kinostart. Von den zeitgenössischen Beiträgen zu diesem Genre hat mich bislang noch nichts begeistern können (viele Expeditionen wurden jedoch noch nicht unternommen), Tasogare könnte hier, auch Lukas' Kritik zufolge, die erste Ausnahme darstellen.


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lol