Freitag, 20. August 2004
18.08.2004, Filmtheater am Friedrichshain

Ein langweiliger Film, in seiner Vorgehensweise ein Ärgenis. Hier meine ausführliche Kritik bei Jump Cut. Zugegeben recht polemisch und sicher selbst auch leicht angreifbar. Sehen Sie's als Entsprechung.


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Donnerstag, 19. August 2004
Thema: Kinokultur
Man muss sich manchmal schon über manche Geschäftsführer großer Filmverleihe wundern. Beispielsweise über Martin Bachmann, Geschäftsführer von Columbia Tristar. Der hat sich gestern offenbar, laut diesen Aussagen bei der Vorführung von Hellboy im Rahmen des Fantasy Filmfests reichlich daneben benommen. Als einige Fans bei der Autogrammstunde mit Regisseur Guillermo del Toro ihre Import-DVDs des Films zückten, sah sich Bachmann offenbar dazu gezwungen, einzuschreiten. Mehrere DVDs wurden einkassiert und nicht wieder herausgegeben. Dass Import wie Besitz ausländischer DVDs zweifellos legal ist, letzten Endes also gar keine Befugnis für solcherlei Aktionen herrscht, schien dabei nicht weiter von Interesse zu sein. Der Kampf gegen Raubkopierer scheint manchem hauptberufliche Chefetagenbewohner wohl etwas zu Kopfe gestiegen. Alles dürfen sich aber auch Menschen dieses Schlags nicht erlauben.

Edit: Der Fairness halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass Columbia in Folge der sich im Web wie ein Lauffeuer verbreitenden Nachricht sich um eine schnelle Beilegung bemüht und die DVDs offenbar den Besitzern zurückgeschickt hat. Eine Stellungnahme findet sich bei areadvd.de.


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gesehen auf DVD

Henry Silva und Chuck Norris vereint in einem Film. Zwei schillernde Persönlichkeiten des internationalen Filmgeschäfts. Der eine trocken wie ein Kiesweg, der andere mit dem entsprechenden schauspielerischen Vermögen. Daneben sind beide, und das ist dann letztlich doch wichtiger, auf den entgegengesetzten Seiten unserer altehrwürdigen Rechtsordnung beheimatet. Während Norris den lauteren, hartarbeitenden Superbullen Eddie Cusack gibt, besorgt Silva es dem Zuschauer in der Rolle des eiskalten, kolumbianischen Mafiapaten Luis Comacho. Comacho befindet sich seinerseits in einer blutigen Fehde mit dem italienischen Mobster Tony Luna und schickt sich an die Stadt mit der teuflischen Trinität von Terror, Mord und Totschlag zu überziehen. Zu Henry Silva muss man nicht mehr viel sagen. Prägnant, glaubwürdig und ehrfurchtgebietend, dabei immer mit einer gewissen lausbübischen Chuzpe, ist er der richtige Mann am richtigen Ort. ("Ich möchte Ihnen eine kolumbianische Krawatte schenken!") Das Fundament für einen vielversprechenden Reißer nach alter Väter Sitte ist gelegt...

Nach der Sichtung dieses Films steht eines glasklar im Raum: Egal welche Rolle - und sei sie noch so ausgefallen und an den Haaren herbeigezogen - Chuck Norris spielt, es ist immer Chuck Norris, den der Zuschauer feist und bärtig präsentiert bekommt. Ich habe mich schon in etlichen seiner Filme häufig dabei ertappt, dass ich den Namen des von ihm verkörperten Charakters längst vergessen hatte und besagte Figur einfach nur noch "Norris" nannte. In Cusack - Der Schweigsame kommt dann wohl auch am deutlichsten heraus, warum dem so ist: Eindimensionalität ist Trumpf! Das ist jetzt mitnichten selbstverliebte, in Herrenreiter Attitüde vorgebrachte Arthouse Onanie. Nein, ganz im Gegenteil. Ob Absicht oder nicht, das passende Stilmittel, um Handlung und Aussage des Films adäquat zu transportieren und in diesem besonderen Fall einen konkreten Konflikt zu illustrieren ist es allemal. Anders gesprochen: Gebe es Chuck Norris nicht, so müsste man ihn erfinden. Sicher, über ein breites Spektrum schauspielerischer Fähigkeiten mag Norris nicht verfügen, aber er stellt das, was er hat effektvoll in den Dienst des Filmes. Und darauf kommt es letztlich schließlich an. Ob er daneben vielleicht noch gleichzeitig lachen, weinen, singen und einen Kaffeelöffel in die Luft schmeißen kann ist nicht nur Nebensache, sondern auch überhaupt völlig unerheblich.

Neben dem glücklichen Händchen beim Casting, fallen die formalen Aspekte etwas ab, bzw wird der hinlänglich bekannte Standartlook der Produktionen dieser Zeit aufgeboten. Garniert wird die Chose mit ein paar Härten, die sich aber ebenfalls voll im Rahmen der Genrekonventionen befinden. Konkret bedeutet das handgemachte, konserative Stunts, die sich nicht in Rebellion zu den physikalischen Gesetzmäßigkeiten befinden und meist von Norris selbst ausgeführt wurden, sowie ein paar kräftige Shoot-Outs und Prügeleien. Etwas hanebüchen wird es allerdings, wenn ein wackliger, bis an die Zähne bewaffneter Polizeiroboter aus Plaste zum Einsatz kommt. ("Das ist die Zukunft!") Da wird sich manch einer mit Sicherheit verdutzt die Klüsen reiben. Funktioniert aber alles tadellos und weiß durchaus zu unterhalten, größere Längen stellen sich nicht ein. Regisseur Andrew Davis sollte später schließlich noch für Filme wie Nico, Alarmstufe Rot und Auf der Flucht verantwortlich zeichnen. Ein Stümper ist der Mann also keineswegs. Die deutsche Synchro ist übrigens auch recht amüsant. Norris Rollenname wird nicht wie im Original "Kjusäck" ausgesprochen, nein, stattdessen fliegt dem Zuschauer ein zackiges "Kussack" um die Ohren. ("Ich bin Kussack!"). Toll!

Geradezu rührend sind die bemühten Referenzen an Coppolas Der Pate, die dem Film ein wenig mafiösen Glamour verleihen sollen. So kann man u.a. Henry Silva bestaunen, der im Angesicht von zwei seiner jüngst zusammengeschossenen Schergen theatralisch verkündet: "Richtet sie wieder her. Ich will nicht, dass ihre Mutter sie so sieht." In einer anderen Szene werden Mitglieder der gegnerischen, italienischen Gang vor einem Gemüsewagen abgemeiert. Nicht schlecht, Herr Specht! Von diesen Highlights abgesehen erscheint das Gangsterleben eher wüst und leer. So residiert das italienische Mafiaoberhaupt nicht etwa in einer standesgemäßen Villa, sondern nur in einer scheddrigen Mittelstandsbudik. Nicht gerade der wahre Jakob - lässt sich aber sehr wahrscheinlich auf das niedrige Budget zurückführen. Toll ist auch der Dialog zwischen Norris und der Tochter des Mafiapaten, der sich bei einer Vernissage für naiv-abstrakte Kunst entfaltet:

Norris mit Blick auf ein Gemälde:
"Verstehen sie etwas davon?"
Sie, schon leicht pikiert:
"Sie etwa nicht?!"

In diesem Sinne. Mütter sperrt Eure Töchter ein, Chuck Norris ist wieder auf der Walz!

Yeeee-haaa!

imdb


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Montag, 16. August 2004
Thema: Hoerspiele
Die Geschichte um Orson Welles' Hörspielbearbeitung von H.G. Wells' War of the Worlds kennt wohl jeder: Angeblich folgten der Ausstrahlung hysterische Panikattacken und Hamsterkäufe - einige hatten die Interpretation des Invasionsstoffs als Live-Berichterstattung wahrgenommen.

Das Hörspiel wurde im Rahmen des Mercury Theatre on the Air ausgestrahlt, das noch zahlreiche weitere Stücke produzierte und sendete, die allesamt, natürlich, nicht den Status von Welles' Werk erreichten. Hier findet sich nun eine ungeheure Auswahl jener Hörspiele, darunter auch Welles' War of the Worlds. Die Stücke sind stream- und downloadbar, letzteres aber wohl nur mit reduzierter Geschwindigkeit.


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Gary Sullivan, auf englisch, nun mit Zweitblog Ghost World über "Bollywood Noir", gehostet auf Jump Cut.

"But Bollywood borrows copiously from the West, and there have been many films that have exploited aspects of film noir--just as film noir, for instance, exploited aspects of German expressionist film. Every third one of them, it seems, involves some kind of ghost story in addition to the crime/underworld or general corruption element."


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Sonntag, 15. August 2004
Thema: good news
Eine Buchpublikation dieses Titels bereitet derzeit Video Watchdog in den USA vor. Auf der Website links der Link "Bava Book Update" führt zu einer Art Werkstattbericht. Das Buch, eine wohl ungemein umfangreiche Biografie, soll zusätzlich mit zahlreichen qualitativ überzeugenden Reproduktionen von Lobby Cards und Filmplakaten bestehen - ein kleiner Schatz der Filmreklame also vielleicht, der da gerade zusammengetragen wird. Eine Einführung steuert Martin Scorsese bei - was mich in der Tat zunächst wunderte, auch wenn es mich, bei zweiten Hinsehen, nicht wundern sollte -, das Vorwort hat Riccardo Freda verfasst, dem Bava gewissermaßen die Regielaufbahn verdankt. War er es doch, der sich bei den Dreharbeiten zu I Vampiri (1957) mit dem Produzenten überworfen und das Set verlassen hatte, so dass Kameramann Bava spontan zur Fertigstellung des Films verpflichtet wurde.

Ich bin schon sehr gespannt auf das Buch und hoffe, dass es recht ansehnlich ausfallen wird. Gewiss ein schöner Schmökerspaß für herbstliche Abende.


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vor einigen Tagen, Heimkino

Ein delirierendes Fest der Sinne. Die Handlung: Auf das wesentliche reduziert. Klassische Adventurespiel-Dramaturgie: Formulierung des großen Ziels, den Weg dahin abstecken in Etappen, kleine Prüfungen meistern. Werfe den Stein in den heiligen Baum, um den heiligen Apfel zu ergattern, mit dem sich weiteres erledigen lässt. Das Bild: Psychedelisch. Sattes Rot, Nebelschwaden, grünes Licht höhlt die Schatten aus. Violett umschmeichelt die Konturen. Der Hades als PopArt-Pappmaché-Travestie, das Anwesen des Bösewichts ein Traum symmetrischer Architektur. Und Herakles bei der ersten Audienz bringt Ungleichgewicht ins Bild, genau von Bava ins Bild staffiert. Ein Rausch im Ganzen, entspannend undramatisch, die ohnehin kaum vorhandene Spielhandlung fast schon vergessen lassend. Hinsehen, entspannen, sich freuen. Ein nettes Angebot zur lustvoll-naiven Filmtrivialität, wer will, möge sich drauf einlassen.



imdb | mrqe | bmovies.de


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Thema: visuelles
Ganz groß: Plakate diverser BollyHorrorfilme. Hier mehr Informationen zu diesem Thema. Wer Quellen zu diesen Filmen kennt, möge mich bitte in Kenntnis setzen.



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Samstag, 14. August 2004
Ein Artikel im Guardian über die kürzliche Wiederentdeckung des Laurel & Hardy-Films Spuk um Mitternacht.



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13.08.2004, Heimkino

Der Film scheint innerlich zerrissen. Zum einen ist da die Präsenz des Regisseurs zu jedem Zeitpunkt zu spüren: Guillermo del Toro, Comicfreak und vielleicht einer der letzten wirklich interessanten Geek-Regisseure. Da ist der Wille zum Besonderen, zum Leidenschaftlichen. In seinen besten Momenten steht das dem Film gut an. Doch dann ist da gleichzeitig das stete Schielen auf die Konventionen des (faden) Actionkinos zur Milleniumswende. Hochglanz-Action-Potpourri, mit nervigem HipHop an den stets falschen Stellen, der dem Film notwendigen Pathos raubt, an dessen Stelle allerdings eine, aus heutiger Perspektive, ungeheure cheesiness installiert, die den Film, trotz modernster Technik, schon jetzt als schlecht gealtert erscheinen lässt. Auch Lack-und-Leder-Matrix-Coolness en masse, das ist, wortwörtlich, so yesterday, das es fast schon von vorgestern erscheint. Das sind Momente, die, wie die Dramaturgie, die wenig reizvollen Figuren und vor allem der - kein Kalauer - farb- und sympathielose Held, dem Film schlußendlich das Genick brechen. Habe mich durch die letzte halbe Stunde gequält, froh dann gewesen, dass es endlich aus ist. Zum Abspann nochmal die ganze lameness dieses Films in Musik gepackt. Verstehe beim besten Willen nicht, was del Toro hier geritten hat.

imdb | mrqe


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13.08.2004, Cinemax Potsdamer Platz (Fantasy Filmfest)

Eine Brücke, oft im Film haben wir sie gesehen, immer wieder hat der Film uns auf ihre Existenz hingewiesen, dient dem Showdown als Kulisse. Weit hinten im Bild der Angstgegner, der, dem die Titelfigur seine Versehrung zu verdanken hat. Ein Hauch von Leone liegt in der Luft. Ein Ballett des Todes folgt, wie wir viele schon zuvor in diesem Film gesehen haben, doch hat dieses eine ganz eigene Bravour. Zu den Füßen der Duellisten: Dutzende Tote.



Drei Schwerter schließlich, zwei in der Luft, eins in der Hand. Artistik, Akkrobatik, ein hyperkinetisches Vergnügen. Oft krude strukturiert, Einstellungen, die viel zu dicht an ihrem Gegenstand kleben, um das Scope, im althergebrachten Sinne, zu rechtfertigen, doch liegt in dieser schroffen Art mithin die Stärke des Films verborgen. Eine Schönheit und Abenteuerlichkeit liegt darin, die wer auf zuvorderster Ebene verharrt mit Dilletantismus- und Kitschverdacht leichter Hand wegzuwischen sich entschließen könnte. Blinde und, vor allem, nur zu Bemitleidende, die nicht tiefer schürfen können, nicht sehen wollen, was hier Aufregendes direkt vor ihren Augen geschieht.

Eine Botschaft aus früheren Zeiten, ihr Weg war lang: Von den klassischen Western zu Kurosawas Samuraiabenteuern. Von dort eine halbe Rolle rück- und wieder westwärts, nach Italien zwar nur, zu Leone hin und somit zurück in den Western, bzw. dessen melancholischer, dreckstrotzender Widerhall. Von dort schließlich wieder in den Osten, nach Hongkong, zu den Shaws. Zu jeder Sekunde spürt man diese Reise, meint die Schichten, die abgeblättert sind, zu vermissen, macht neu hinzugefügte aus.

imdb


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Freitag, 13. August 2004
Thema: Hinweise
Barbara Steeles Artikel Cult Memories, erschienen 1994 in "Perfect Vision", ist auf Silent Scream, einer recht umfangreichen Fan-Website, reproduziert. Die us-amerikanische Schauspielerin, die hauptsächlich im italienischen Kino tätig war und vornehmlich für ihre Genrefilme bekannt ist, erinnert sich darin an ihre Arbeiten in Cinecitta.



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Donnerstag, 12. August 2004
Thema: Kinokultur
Die 15. Ausgabe der sympathischen Filmzeitschrift ist erschienen.

Inhalt:

Hiroshi Shimizu - der Poet japanischer Landschaften (Rüdiger Tomczak)

.. „Wie die Dinge sind“ - Yasujiro Ozus Zustandskino (Johannes Beringer)

.. Nur ein Bild von Japan - Japanische Filme
..auf dem Weltfilmfestival von Montréal (Claude R. Blouin)

.. Ich hätte auch gern einen Körper gehabt (Bettina Klix)

.. The General. Zu Bob Dylan (Stefan Flach)

.. Une Visite au Louvre/Ein Besuch im Louvre (Johannes Beringer)

.. Zu Olivier Assayas: Fin août, début septembre (Bettina Klix)

.. Politique des acteurs (Andreas van Düren)

..Godard. Liebe, Arbeit, Kino (Bettina Klix)

..Aufzeichnungen zur Berlinale 2004 (Rüdiger Tomczak)

..Retrospective: Films of Ingo Kratisch and Jutta Sartory (Daniel Eisenberg)

..Kontinuum von Bärbel Freund (Ulrike Pfeiffer)

..Zwischen Gebäudenvon Thomas Schultz (Johannes Beringer)

Joel Agee – eine amerikanische Jugend in der DDR
von Barbara Kasper und Lothar Schuster

Es ist noch nicht Tag, es ist nicht mehr Nacht (Stefan Flach)
..Drei Filme aus Quebec (Rüdiger Tomczak)

..Sitzenbleiben (Bettina Klix)

Bezug: Website

Die vergriffene Ausgabe 1 (1995) hier als pdf-Download von der Website. Die ebenfalls verlinkte Ausgabe 2 führt leider ebenfalls nur zu Ausabe 1.


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Thema: TV-Tipps
Heute Nacht, 01:40 bis 03:00 Uhr auf dem ZDF. Hier weitere Informationen, dort eine Kritik von Ekkehard Knörer.



Ganz generell der Hinweis auf eine Godard-Reihe im ZDF: Hier die Termine.

imdb | mrqe | filmz.de


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Donnerstag, 12. August 2004
Thema: literatur
Ipcress - Streng Geheim heißt das Buch, das ich heute in dem neuen Antiquitätenläden in einer Bücherkiste entdeckt und im folgenden gekauft habe. Ist von Len Deighton. Ansonsten war in der Bücherkiste nur so John-Sinclair-Zeug - kenne ich mich zuwenig aus. Den gleichnamigen Film fand ich sehr nett, keine Ahnung aber, ob das Buch noch viel mit dem gemein hat. Lohnenswert war es schon allein wegen des Covers, das - auch aufgrund des allgemein leicht angefledderten Zustands - ganz eigenen Reiz entwickelt. Sieht aus wie auf Reisen gewesen, am Strand gelesen, vielleicht in irgendeiner Bahnhofskneipe, nachts zwischen zwei Zügen.

Ganz spannend die Stempel vorne drin, die Herkunft des Buches. Gedruckt 1968, steht da noch ganz regulär in der Signatur. Ein Stempel weist das Buch als am 22.11.1977 (Datum in den Stempel handschriftlich eingetragen) aufgenommen aus, der verantwortliche Aufnehmer hat zackig mit "Kleinberg" unterschrieben, laufende Nummer: 242. Weiter unten dann, mit anderer Tinte und wesentlich frischer: schlicht "09.FEB. 1990". Ob das wohl mit einer Aussortierung zu tun hat? Diese wird jedenfalls in grüner Tinte angezeigt, quer über die ganze Seite. Dazu leicht schräg und wieder andere Tinte die Adresse der "Instituto Aleman Biblioteca" - und die findet sich, dem Stempel nach, in Madrid. Ob die was mit der Aussortierung und Einsortierung zu tun hat? Ob dort am 9. Februar 1990 das Buch, daselbst im Herbst '77 einsortiert, aussortiert wurde? Und welchen Weg hat es in 14 Jahren zurückgelegt, um in einem kleinen Antiquitätenladen zu landen, schlussendlich in meinen Händen?

Darüber schweigt sich das Buch aus, starrt mich unverhohlen an. "Ich bin angekommen", scheint es zwischen den Seiten zu flüstern. "Und das ist doch das Einzige was zählt, oder?" Ich halte es in Händen wie einen kleinen Schatz. Wie eine entdeckte Flaschenpost. Nur nicht zu schnell aufmachen, sonst verfliegt womöglich noch der Zauber.


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Von der Historisierung übergangenes Vinyl.



http://www.vinylorphanage.com


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Dienstag, 10. August 2004
"Wir haben auf Internet die, die ernsthaftesten und am einfachsten Deutsch sîtes für das Schlüsselwort 'abo' angemessensten zu benutzenden gesucht."

<nolink>preise-paradies.com</nolink>

[via Jump Cut Filmfilter, so irgendwie]


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Thema: good news
"Continue in the same direction, is the logical yet surprising answer. With Vital he digs deeper, past the skin and into the body, his camera exploring our innermost like the modern-day equivalent to Leonardo DaVinci's sketchbook. Rest assured, though, for just as A Snake of June steered well clear of exploiting the topic of female sexuality, Vital wisely avoids lingering close-ups of organs and body cavities. Tsukamoto's goal is a much more philosophical one; his search is for our individual personality and where in our bodies we might find it."

Tom Mes auf Midnight Eye über Shinya Tsukamotos neuen Film Vital.


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hier

[via cartoonist]


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08.08.2004, Heimkino

Von allen Halbwesen, die uns Universal zu seinen Gruselblütezeiten, ausgehend von der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts, erschlossen hat, erscheint mir der Werwolf ein bißchen als "kranker Mann". Frankenstein, der Vampir oder auch die Mumie - mal in lauen Hollywoodaufgüssen, mal mittels der entfernt verwandten Zombies - erfreuen sich ungleich größerer Popularität und feiern in regelmäßigen Abständen fröhliche Urständ' auf der Leinwand. Beim Werwolf sieht die Lage etwas anders aus: Zu drive-in-Zeiten herrschte zwar, vor allem in den trashigen Arkoff-Filmen, einiger Zuspruch (I was a Teenage Werewolf und der richtig clevere How to Make a Monster, der für den 50er Teenie-Horrorfilm in etwa das ist, was ihm in den 90ern Scream war), doch wurde er in der zunehmenden Archivierung des Horrorfilms seiner eigenen Typen und Motive etwas übergangen. In den 80ern gab es dann Filme wie den zumindest handwerklich gelungenen und spannenden An American Werewolf in London und kurz zuvor den narrativ weit weniger spannenden und handwerklich kaum überzeugenden The Howling, der jedoch als einer der wenigen "Postmodernisierungen" des Werwolffilms immanent wichtig ist. Und dann natürlich noch Teen Wolf, über den man wohl besser den Mantel des Schweigens ausbreitet.

Spannend fand ich deshalb zumindest in diesem Kontext an Wolf Man, wie wenig Variation das Topos in den Folgefilmen erfuhr. Wie dieser Film als schematische Blaupause auch weiterhin absolute Verbindlichkeit für sich beanspruchen konnte. Natürlich gibt es Details in der Narration, in denen sich die zumindest struktutrell als Remakes anzusehenden Epigonen unterscheiden, doch bleibt das Grundgerüst - mit Joe Dantes The Howling und How to Make a Monster vielleicht als großen Ausnahmen - in fast allen Filmen bestehen. Es geht um Regeln, die formuliert und für die noch kommende Filmhistorie erschlossen wurden. Was kann einen Werwolf töten? Diese Frage ist wichtig für das Topos, geriert sich zum eigentlichen Thema jedes Werwolffilms. Wolf Man liefert erste Gedankenansätze, die spätere Filme weiterspinnen und zu Ende denken. Der Gedanke, dass ein Stock mit einem Silberknauf, auf dem der Werwolf und dessen Zeichen - das Pentagramm - eingraviert ist, als effektiver Totschläger zu gebrauchen ist, wurde meines Wissens leider wohl fallengelassen, auch wenn er im vorliegenden Film für einige schöne Einstellungen gut ist: ein jeder Mord an einem Wolf wird durch zwei im Vordergrund stehende Baumstämme, die ein umgekehrtes, rahmendes Dreieck - Hinweis auf den sexuellen Subtext? - ergeben, gefilmt.

Spannend immerhin auch, wie "fleischlos" der Film ist. Kaum ausgebildete Charaktere, ein paar wenige Locations, wenn Lon Chaney jr. als Wolf die Nacht durchstreift, zieht es ihn immer wieder an die gleiche Stelle in einem anonym bleibenden, nebeldurchzogenen Wald. Das Verhältnis der Charaktere untereinander ist schematisch, geradezu modellhaft. Das kann man dem Film negativ auslegen (und: auf der oberstene Ebene - der des bloßen, entspannten Filmgenusses - würde ich sogar dazu neigen). Man kann sich das auch mit dem geringen Budget des Films, der ihm zugrunde liegenden Intention des schnellen Cash-In erklären. Gleichzeitig ist das aber auch zumindest dahingehend aufschlussreich, welche Rolle die Psychoanalyse für das Grusel- und Horrorkino spielt. Und zwar gar nicht im Sinne, dass der Film als Beleg für die Gültigkeit psychoanalytischer Theorien fungieren könnte, eher ganz im Gegenteil, dass die Strukturen, die Freud zum einen der Kultur entnommen, ihr aber auch in gebündelter Form erschlossen hat, hier in vollem Wissen darum angelegt wurden: Dass der Werwolf eine Frau begehrt, was sich der im Werwolf steckende Mann nicht eingestehen, bzw. dem nicht nachgehen kann, dass der Vater den Wolf schließlich richtet, das ist in dieser schematischen Anordnung unschwer als die Struktur von Ich, Es und Über-Ich zu erkennen. Die Narration eilt dem zudem zu Hilfe und erläutert schon gleich zu Beginn - mit einem fast wehmütigen Griff ins Buchregal (der Horrorfilm thematisiert seine literarischen Wurzeln stets), einer aufgeschlagenen Lexikonseite -, dass das Werwolfphänomen nämlich wohl in erster Linie psychischer Natur sei. Und auch Chaneys Charakter stellt sich gehäuft die Frage, ob seine Wolfsphasen nicht nur das Ausleben psychischer Beschädigungen sein könnten oder ob er "wirklich" zum Wolfsmenschen mutiert. Der Film bestätigt nicht die Psychoanalyse aus sich heraus, er greift ihre Theoreme als für den Horrorfilm dankbare Vorlagen auf und illustriert sie. In seiner Reduktion vielleicht noch deutlicher, als dies andere Horrorfilme zu der Zeit betrieben.

Diese Aspekte machten mir den Film zumindest spannend, auch wenn er, nur ganz für sich genommen, nicht so recht bei Laune hielt. Alte Gruselfilme sind letzten Endes auch ästhetischer Genuss, und der stellte sich bei Wolf Man - von einigen immerhin schönen Kamerafahrten und der einen oder anderen effektiv ausgeleuchteten Einstellung - kaum ein. Die Szenen mit den Gypsies - Bela Lugosi als Hellseher, der als Exot das Böse schließlich auch, jedoch nicht willens, in das verschlafene Nest trägt - wurden kaum ausgereizt, auch die Reduktion der Schauerszenen auf eine Location - ein paar Bäume im Wald, Nebelschwaden - nimmt dem Film den Freiraum für optische Reize. So bleibt ein zwar genregenealogisch recht interessanter, an sich aber eher weniger überzeugender Gruselfilm in Erinnerung. Nicht die beste Ausgangslage für eine Renaissance in Permanz, wie die anderen Figuren des Universal-Arsenals sie regelmäßig erleben. Die Filmgeschichte gab dem Recht.

imdb | mrqe


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... That delicate satin draped frame?"

Tot, gestorben. Am vergangenen Sonntag im Alter von 96 Jahren. Goodbye, Scream Queen!



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Gestern mich in einer Liege rumgefläzt, Ort: Strandbar Al-Stralau, mit Blick auf den Treptower Park jenseits des Gewässers. Zu K. gemeint, müsse mal Sport machen, um schneller abzunehmen (ich mache gerade, mit Erfolg und Lust im übrigen, etwas Diät). Aber nur welcher? Kostengünstig sollte er sein. Und keine Lust, mich entweder mit Sportskanonen in Gruppen zusammenzutun, oder gar mit am Wochenende durch Tiergarten um ihr Leben joggende Hausfrauen und Berufs-Neurotiker. Dann über das hier gestolpert, DilettantenSportClub Berlin, und ich muss sagen: Das ist schon nach meiner Facon. Vor allem das mit den Handicaps. Hat der hier angeleiert, inspiriert von dem. Für was gibt's schließlich Weblogs, nicht wahr?

Edit Whoops, der Termin war ja schon, der hier gerade eben noch stand.


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Dienstag, 10. August 2004
Erstaunlich fast schon immerhin, wie die Kombination "Kerstin Grether in der Intro über und im Gespräch mit 2Raumwohnung" darum bemüht ist, schlimmste Befürchtungen darob pflichtbewusst zu erfüllen, wenn nicht gar zu übertreffen.


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Sonntag, 8. August 2004
schon vor einiger Zeit im Heimkino gesehen

Nur um das nochmal betont zu haben: Der Moment, als Christina Ricci ihre trotzige Schnute zu einem Grinsen hinfaltet, als da zwei oder noch mehr Knoten auf einmal durch ihr Gesicht wandern, der ist schon extrem großartig. Da habe ich den Film für eine Sekunde innig geliebt. Schade, dass der eigentlich viel unterhaltsamere Nebenplot im Sommercamp, dem diese Akkrobatik entstammt, zugunsten des zunächst spaßigen, jedoch zunehmend ungelenk über die eigenen Füße stolpernden Hauptstrangs so untergeordnet abgewickelt wurde.

imdb | mrqe


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Heute auf dem Flohmarkt auf dem Boxie. Ein Stand von 'nem Typen, der eher etwas schmierig wirkt, aber viele schöne Bücher verkauft. Und dann auch Super8-Filmrollen. Mit alten Spielfilmen drauf. Ein Typ, mehr so, ich sag mal, Student im negativen Sinne, hat sich schon knapp 10 Rollen unter den Nagel gerissen, irgendwelchen alten Action-Cheese aus den 70ern, vornehmlich des euopäischen Kinos, er verhandelt gerade den Preis. Ob er dann nicht noch die beiden anderen Rollen hier wolle, ich erkenne einen Schriftzug Die Filzlaus und dann Der Gelbe Taifun, ich schließe auf einen Eastern. "Ja, neee, ich weiß ja nicht, ob da die Filme auch komplett drauf sind", entgegnet der Student. Ich schalte mich ein, hoffe darauf, entweder einen Unkundigen zu erleuchten, oder aber von einem Kundigeren erleuchtet zu werden. "Damit kannst Du aber generell nicht rechnen, auf Super8 waren die Filme so gut wie immer aufs wesentliche reduziert, die Du da in der Hand hältst sind bestimmt auch nicht komplett. Das ist doch der Reiz dran, Star Wars dauerte damals nur 20 Minuten in den eigenen 4 Wänden", meine ich. Er lächelt leicht blöde, etwas peinlich berührt, vielleicht auch ertappt oder er hat einfach nur Mitleid mit einem armen Licht, das in mir auszumachen er sich, in diesem Falle, sicher sein will. Richtig einordnen kann ich's jedenfalls nicht. "Aber wenn ich die schon kaufe, sollen sie auch komplett sein, wäre doch doof!", beginnt der zu jammern. Meine Güte, denke ich mir, und schalte mich gleich aus dem Gespräch wieder aus. Meine Güte, wer kauft sich denn bitte Super8-Spielfilme, um einfach nur 'nen Film zu sehen? Hier geht's ums Material, möchte ich ihn angehen, um dessen spezifische Ästhetik, um die Haptik beim Einlegen, das Flackern des Bildes, Kratzer, Verschleiß, um den Projektor und sein verträumtes Rattern, die Kunst, einen Film von zwei Stunden Länge auf eine Länge zu schneiden, die noch jede Vorabendserie zu unterbieten weiß. Mir schwant fürchterliches. Ein Profilierungssüchtiger klaubt sich aus Hipness Liebhaberware zu Spottpreisen unter den Nagel. "Hey Leude, wollnwa nicht mal so Super8-Filmabend machen, habe da jetzt'n paar Filme vom Flohmarkt, ist doch voll cool!", höre ich ihn schon zu seinen Freunden sagen und werde innerlich aggressiv. Auf den Typen, wie auf den Händler gleichermaßen. In einem Karton finde ich dann noch ein paar Pornoklassiker der frühen 70er, ebenfalls auf Super8, namhafte Titel. "Die kannst Du nicht verkaufen", sage ich zu ihm, "die gehören in ein Museum, in ein Archiv!"

Er grinst mich scheel an. Er meint wohl, ich hätte einen schmierigen Witz gemacht. Von Pornofreak zu Pornofreak. Eine etwas ältere Frau hat sich von ihm gerade irgendwelche Hoch- und Weltliteratur verkaufen lassen und kuckt mich skeptisch aus dem Augenwinkel an, wendet sich, wohl leicht angeekelt, ab. Das war kein Witz, es war mein voller Ernst. Ich ziehe ab, lasse die traurige Szene in ihrer Gänze hinter mir.


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Die Situation verschlimmere sich, es herrsche Konfusion, von Legasthenie ist die Rede, von der Abnahme von Schreib-, Lese- und somit Sprachfähigkeit. Und dann das große Wort: Verantwortung. Für die nachfolgenden Generationen möglich. So hier, neben Aust, Döpfner, Vorsitzender der Springer AG. Ob in Folge nun auch das bei Springer erscheinende Zentralorgan für Versaubeutelung der deutschen Schriftsprache eingestellt wird, wurde indes leider vergessen zu erwähnen. Wird aber wohl schon so sein. Weil Verantwortung und so.

Unterdessen erlitt Aust auf AOL einen herben Rückfall in die alte, also neue Rechtschreibung:

"Als jetzt die Kultusministerkonferenz entschieden hat, dass im nächsten Jahr diese merkwürdige Reform auch noch Pflicht werden soll, da haben wird gedacht, jetzt müssen wir etwas tun, um diesem staatlicherseits verordneten Schwachsinn Grenzen zu setzen", sagte Aust.

Welch Dolchstoß! Döpfner, lassen Sie sich solche Kapriolen nicht gefallen!


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Thema: literatur
Das mitunter Schöne an Klang der Zeit von Richard Powers scheint mir, dass es bereits im ersten Kapitel - "Dezember 1961" - sein ganzes Konzept ausbreitet, alle Falten der Handlung schon impliziert, man es aber trotzdem erst später, beim gelegentlichen Zurückblättern und Nachschlagen, bemerkt. Zunächst eingenommen von der bloßen Fabulierkunst - Stichwort: Strandbuch - liest man da glatt drüber hinweg, hat's dann auch bald schon, eigentlich, vergessen, was da auf den ersten Seiten stand. Bei 700 Seiten Hardcover auch kein Wunder, denke ich. Dann der gelegentliche Blick zurück in den Anfang und es ergibt sich, trotz aller vermeintlich willkürlicher Sprünge und freier Assoziationen - eine Perlenschnur. Was das "cinematographischer Roman" auf dem Backcover als Hinweis soll, darf man sich aber wohl zurecht fragen. Gewiss ist da gelegentlich die Simulation filmischer Schnitttechniken zu spüren - Herauszögerungen, Locationwechsel, usw. -, aber trotzdem scheint mir das doch in erster Linie "literarische Literatur" zu sein. Whatever.

Bislang die Hälfte durch, bis spätestens 16. August will der Rest gelesen sein, sonst setzt's Gebühren bei der Bibliothek. Ob das nun ganz große Literatur ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ein mal wieder rundum schön zu lesender, hie und da ganz und gar nicht unintelligenter Roman ist er jedoch - auch wenn der manchmal schon verkrampft liberale Gestus bisweilen ein bißchen arg in den Vordergrund gekehrt wirkt - allemal. Für mich als Freund des Taschenbuchs im übrigen auch eines der wenigen Hardcover, das ich mir lieber in dieser Form ins Regal stellen würde. Scheint mir passender. Vielleicht werde ich aber auch einfach nur älter.

perlentaucher


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Thema: Hoerkino
Dass der Northern Soul mit die schönsten, bezauberndsten, mitreißendsten Musiken hervorgebracht hat, die je menschliche Ohren umschmeichelten, ist bekannt (sage ich jetzt mal). Ein wahres Wunder dieser, wenn man so will, Gattung ist aber Bobby Lynns Earthquake. Fast schon mirakulös wie es dieser Song schafft mir jeglichen - jeglichen! - Ärger von der Seele zu zaubern. Und das mit einfachsten Mitteln. Das ist zu Musik geschmolzenes Gold, kein Zweifel.

Wundervoller Nachtrag: Der ohnehin nicht genug zu küssende Soulclub bietet den Song doch in der Tat als qualitativ zu überzeugen wissenden RealAudio-Stream an (neben zig anderen Songs).


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Einmal im Jahr kehrt das ansonsten lebens- und liebenswerte Friedrichshain seine im Alltag gut versteckte hässliche Fratze nach außen. Dann ist Bierfest auf der Karl-Marx-Allee. Das sieht dann so aus, dass auf der Strecke von drei U-Bahn-Stationen eine Seite der Allee Düsseldorf Konkurrenz macht. Stehbude an Stehbude, Bierseligkeit, Gegröle, Geprolle. Heute war's mal wieder soweit.

Hab's mir tatsächlich mal angetan. Bin die Strecke vom Frankfurter Tor bis zum Kino Kosmos gelaufen, bzw. habe mich durch die Masse gezwängt. Kenner wissen, dass die Strecke mit "Katzensprung" übertrieben weit bemessen wäre. Dennoch war's 'ne lange Qual, dann Resignation, schnelle Rückkehr zur Wohnung. Was für ein Ekel, der einen da befällt. Arschgesicht an Arschgesicht. Blöde, blödere Sprüche als Meterware. Möchte nicht wissen, wieviele Frauen heute nacht mit eindeutiger Absicht abgefüllt und dann nach Strich und Faden durchgebumst werden. Von diesen Testosteron-Anabolika-Ekelpaketen mit ihren Outfits zwischen Neonazi und Hooligan. Wie diese Typen mit ihren aufgebretztelten Ischen zu solchen Events immer massenweise aus ihren hässlichen Wohnungen gekrochen kommen. Ein einziges Elend, in dem sich diese Menschen suhlen. Von der Ferne gröhlt deren Ungeist noch durch das offene Fenster. Morgen geht's dann wieder Menschen und sich selbst drangsalieren. Bloß keine Lebensqualität wagen. Ihr gottverfluchten Arschlöcher.


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"I have always been fascinated by the idea of weird and somewhat inaccessible libraries full of books filled with marginalized or forgotten knowledge: the forbidden books supposedly hidden away in the bowels of the Vatican, the "Enfer" of the Bibliothèque Nationale de Paris, fictional libraries like the book collection of Roderick Usher or the vast underground archive in the Australian desert used by giant crustaceans, described in Lovecraft's "Shadow Out of Time"."

Dead City Library

[gewissermaßen via Desolate Market, ein Blog der stets wachsenden Jump-Cut-Blogfamilie]


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Samstag, 7. August 2004
Thema: good news
Beziehungsweise nicht so ganz: In frühsten Tonfilmtagen war's ja durchaus üblich, einen Film "mehrfach" zu drehen und die Darsteller dabei mittels phonetischer Simulation die Synchronisation ersetzen zu lassen (auch im Stummfilm wurden im übrigen Szenen mehrfach oder perspektivisch leicht versetzt von einer zweiten Kamera gefilmt, um mehr Negative für das Erstellen der Export-Master zur Verfügung zu haben). Heute gelten diese Fassungen weitgehend als verloren, obwohl zahlreiche Hollywooddarsteller von Rang und Namen auf diese Weise ihre Filme für die internationalen Märkte aufarbeiteten.

programmkino.de meldet nun, dass von dem Laurel & Hardy Film Spuk um Mitternacht, ein Zusammenschnitt zweier Kurzfilme der Komiker mit spezifisch deutschen Ergänzungen, vom Filmmuseum München in einem russischen Filmarchiv eine Kopie aufgetan worden ist, in der die beiden durchgehend deutsch sprechen. Das Museum restauriert den Film derzeit und zeigt diese Fassung erstmals im Oktober 2004. Eine noch nicht restaurierte Fassung wird im Rahmen des "Bonner Sommerkinos" der Bonner Kinemathek am 14.08. gezeigt.


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Es ist ein ewiges Siechtum, tief unten in den Schächten der Budapester U-Bahn. Ein Tunneläußeres scheint es nicht zu geben, zumindest hält's der Film uns vor, der Siff regiert, Schwarzfahrer tanzen den runtergekommenen Kontrolleuren regelmäßig auf der Nase. Im Zentrum des Geschehens steht eine Gruppe besonders degenerierter Kontrolleure, einer nach dem anderen mit einer Macke grotesker als die seines Nächsten ausgestattet. Choleriker, Schmeißfliegen, zynische alte Säcke. Der Umgang untereinander ist lakonisch, zynisch, herb. Man hat gelernt, sich mit dem Status Quo zu arrangieren. Der zumindest graduell Charismatischste unter ihnen - und steckte er nicht in so einer speckigen Lederjacke, er wäre wohl sogar recht gut aussehend - ist gar vollkommen obdach- und wohl auch mittellos und verbringt auch seine Nächte im U-Bahn-System. Der Berufsalltag ist dabei alles andere als trist: Zum einen ist da eine schneidige Konkurrenztruppe an Kontrolleuren, die sich über die Outcasts, mit denen man immerhin doch, wiewohl selbst unsympathisch bis aufs Blut, bald sympathisiert, regelmäßig lustigmacht und sie provoziert, ein cholerischer Vorgesetzter, an Vampire erinnernde Chefetagenbewohner, die jeglichen Respekts gegenüber der Kontrollenautorität verlustig gegangene Nahverkehrskundschaft, ein Skater, "Roadrunner" genannt, der, mit Rasierschaum bewaffnet, Jagd auf Kontrolleure macht und, nicht zuletzt, ein mysteriöser Killer, der das Unternehmen mit seinen willkürlichen Schubsereien regelmäßig in die negative Schlagzeilen bringt.

Liest sich eigentlich wie ein Film von Josef Fares, dessen bodenlos dämlicher Kops ihm in regelmäßigen Abständen kräftig um die Ohren gehauen werden sollte, und hätte dieser die Hände bei Kontroll im Spiel gehabt, es wäre wohl ein ähnlicher Schmarrn dabei herausgekommen. Doch Kontroll schmiegt sich weniger an die Traditionen der verquast albernen Arthouse-Klamotte europäischer Provenienz, sondern eher an die des Mitternachtskinos und überzeugt letztendlich, neben einer Vielzahl im besten Sinne skurriller und grotesker Ideen, die als Lockerungsübungen im zentralen Geschehen angesehen werden können, durch seine sorglos offene Erzählform, die den Film oft schon beinahe durch sich selbst stolpern erscheinen lässt. Mal ist das beinharter Sozialrealismus von beinahe dokumentarischem Charakter, dann wieder Kaurismäki'sche Lakonie, bald rabenschwarze Komödie, um dann, wenn der vermummte Killer in betont cooler Inszenierungsmanier auftritt, in ganz und gar mystisch überhöhte Genregefilde umzubrechen. Annäherungen an einzelne Fahrgäste durch besagte obdachlose Hauptfigur - vor allem eine Beziehung zu einem stets als Hase verkleideten, jungen Mädchen bahnt sich an -, erscheinen auf filmischer Ebene poetisch irreal und reiben sich eigentlich schon an anderen Sequenzen, die zum Hyperbolischen und Grotesken neigen. Komödie, Thriller, Krimi, Drama, Liebesfilm, derbe Groteske mit reichlich Körperflüssigkeiteneinsatz, durchgeknallte Genre-Phantasterei - das könnte denkbar beliebiges Aneinanderreihen ergeben, Bruch an Bruch des Bruches willen, doch gelingt Kontroll ganz im Gegenteil das gar nicht mal kleine Kunststück trotz allem ganz bei sich und vor allem in Form zu bleiben. Seine verschiedenen Erzählstränge werden mit Muße episodisch ausgewalzt, oft hat man andere darob schon fast vergessen, doch das stört nicht, ganz im Gegenteil: Daraus bezieht dieser zwar gewiss nicht immer sichere, aber in Wagemut und Ambition doch hochbeachtenswerte, sympathische Film seine einnehmende Kraft, letzten Endes dann, wenn alles sich zusammenfügt und sich ein bizarres Bild von der, in der Tat, Unterwelt ergibt.

Die verschiedenen Erzählmodi halten das Geschehen frisch, den Zuschauer bei Laune: In jeder Sekunde könnte das wieder vollkommen umkippen, alles scheint zumindest denkbar, der weitere Verlauf kaum vorhersehbar. Trotz aller Schwächen, die man dem Film sicher und ohne weiteres auch attestieren kann: Schon alleine deshalb war's eine Lust, dem zuzuschauen.

Der Film läuft auf dem Fantasy Filmfest als Eröffnungsfilm und kommt im Januar 2005 regulär in die deutschen Kinos (Verleih: Tiberius Film)

imdb


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Freitag, 6. August 2004
Thema: festivals
Die Zeitschrift F.LM - Texte zum Film, für die ich auch als freier Redakteur tätig bin, berichtet hier tagesaktuell in Form von das Festival begleitenden Kritiken vom Fantasy Filmfest in Köln. Da einige Filme bereits vorab im Rahmen anderer Festivals gesehen werden konnten, haben sich schon einige Kritiken angesammelt.

Hier im Weblog gibt es bereits Kritiken zu One Missed Call von Takashi Miike und zu Brad Andersons schön anzusehenden, aber inhaltlich durchwachsenen Paranoiathriller The Machinist, die beide auch schon auf der Berlinale 2004 zu sehen waren.


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Thema: festivals
Das Fantasy Filmfest nähert sich mit großen Schritten Berlin. Grund genug für eine eigene Rubrik.

Als erstes kann ich auch gleich eine hocherfreuliche Meldung weiterreichen. Wie mir die Pressesprecherin von Columbia heute morgen auch persönlich nochmal bestätigte, wird die Berliner Vorführung von Hellboy auf den 18.08. verlegt und tauscht mit Ryuhei Kitamuras Azumi den Platz. Natürlich mit gutem Grund: Hellboy-Regisseur Guillermo del Toro weilt am 18.August in der Hauptstadt und wird mit seinen Hauptdarstellern dem Publikum einen Besuch abstatten. Die eine oder andere Frage aus eben diesem wird er dann bestimmt auch beantworten können. Dass Hellboy ein echter Knaller ist, der mir heute morgen häufiger als nur einmal ein selig-debiles Grinsen ins Gesicht gezaubert hat, sei dabei noch erwähnt.


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Donnerstag, 5. August 2004
Thema: Visuelles


[imdb]

3 Dev Adam, oder auch Turkish Spider-Man genannt. Eine Trouvaille des klassischen türkischen Genrefilms, offenbar in einer Liga mit dem sensationellen Dünyayi Kurtaran Adam (Turkish Star Wars, siehe hier) anzusiedeln. Bereits 1973 entstanden, klaut der Film sorglos - wie das türkische Kolportagenkino eben war - bei den us-amerikanischen Superhelden und beim - ob Sie's glauben oder nicht - mexikanischen Wrestlerkino. Ein interessanterweise höchstkrimineller Spider-Man versetzt die Welt mit seinen Attacken in Schrecken. Captain America bildet zusammen mit dem mexikanischen Wrestler Santo - eine Ikone des mexikanischen Genre- und Trashkinos (großer Überblick hier) - ein Team, um dem Bösewicht geschlossen entgegen zu treten. Mir leider bislang nicht bekannt, wird aber sicher bald nachgeholt. Hier zunächst einmal Weiteres.


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Erst heute entdeckt, bei der SZ aber glücklicherweise noch im Archiv zu finden: Dominik Graf über Polizeifilme im Allgemeinen und im Besonderen. Sehr schöner, wenn auch nicht immer abzunickender Essay vom 22.Juli. Erfrischend auch die mangelnde Tagesaktualität, der Raum, den man dieser Beobachtung dennoch zugestand - beinahe eine ganze Seite immerhin. Gerne öfter.


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