Freitag, 1. Oktober 2004
"1933, als am Himmel Europas bereits dunkle Wolken aufziehen, verführt die flatterhafte aber unwiderstehliche Gilda den schüchternen Guy. Für sie scheint es ohne Bedeutung, er aber verliert für immer sein Herz. Das Schicksal führt die beiden im schillernden Paris der 30er Jahre wieder zusammen. Selbst als Guy der spanischen Krankenschwester Mia näher kommt und Gilda sich auf eine Affäre mit einem Nazi-Offizier einlässt, reißt das Band zwischen den beiden nicht entzwei... " (Quelle: Tobis)

Head in the Clouds will nicht gerade wenig: Saftigen Boheme-Sex, Revolutionsromantik, Liebe zu dritt, große Liebe zu zweit dann, die sich über Dekaden und Nationen hinweg ihren Weg bahnt, der Film will Marlene Dietrich und Mata Hari, er will den Menschenverlust mit reichlich Tränen und all dies will er vor der historischen Kulisse der 20er bis 40er Jahre, wenn Europa zunehmend in Brand gesteckt wird - und alles, so will es die Wahrsagerin in der Exposition, soll sich bereits in der Handfläche der noch jugendlichen Gilda Bessé (Charlize Theron) ablesen lassen. Und um es zu unterstreichen blendet die Kamera aus der Hand ein paar Jahre über, als die älter gewordene Gilda in regnerischer Nacht durch ein Jungeninternat rennt - doch die Hand bleibt zu lange im Bild haftem, die markanteste Linie darauf bildet - im Bild, nicht in der Diegese - den Steg der dahineilenden, jungen Frau. Sie flieht vor den Moralwächtern der Akademie, blind in Guys (Stuart Townsend) Studentenbude. Schicksal. In dem Moment ahnt man schon: Hier ist was faul.

Er will nicht wenig, und das ist sein Problem: Er bringt es nicht. Die saftig-libertine Liebe in der Ménage à trois bleibt irgendwo auf halbem Wege zwischen Leinwand und Zuschauer auf der Strecke, verhakt sich im reichhaltig versammelten Dekors aus 20er- und 30er-Kitsch, stolpert durch ein Studio-Paris, das sich ernster nimmt als es je ernst genommen werden könnte. Dem großen Melodram geht's nicht anders, auch Charlize Therons Versuche, an Mata Hari und Marlene Dietrich anzuschließen, schlagen fehl, von den ganzen historischen Irrungen und Wirrungen, durch die es die Figuren durch ganz Europa verschlägt, ganz zu schweigen. Weil der Film wie versessen darauf ist, seine Theaterrequisiten, seinen alten Zwirn und seine musealen Einrichtungsgegenstände auszustellen und darob glatt den Zuschauer vergisst, der sich, wie Stephen Holden in der Times anmerkt , glatt ins hausbackene Hollywood von 1965 zurückversetzt empfindet.

Ein Film, der über seine inszenatorische Perfektion glatt sich selbst vergisst und, gerade aufgrund des offensichtlichen Aufwands, jedes Detail am rechten Fleck zu postieren, kraftlos und leer wirkt und nicht zuletzt den Zuschauer durch seine Penetranz, Offensichtliches doppelt und dreifach auszusprechen, um schließlich auch noch ein ganzes Orchester an Streichern zu engagieren, wo es an sich nicht Not täte, geradewegs für blöd verkauft. "Kino für Kinofeinde", dachte ich an einer Stelle. Das muss man als derart hininszenierter Film erstmal hinkriegen!

Ab 11. November im Verleih von Tobis im Kino.

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Stefan Höltgens Simulationsraum über Medien/Film/Kultur.


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Thema: Hoerkino


Nach langer Zeit mal wieder. Erstaunt, wie gut diese, immerhin schon 10 Jahre alte, Platte noch immer ist.


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29.09.2004, Heimkino

Operation Eiffelturm ist ein brunzblöder Film, aber nach Strich und Faden. Das Nette daran ist jedoch, dass man sich während der Sichtung eigentlich zu jeder Zeit über irgendwas amüsieren kann. Und weil der Film sich dieser Qualität zu keinem Moment bewusst wird, eigentlich glatt doppelt. Bemerkenswert wenig hält den Gesetzen von Logik und Wahrscheinlichkeit stand; dafür gibt es allerlei feige Hintertürchen, die sich der Drehbuchautor ausgedacht hat, um nicht in Erklärungsnot zu geraten, die in diesem Sinne jedoch erschreckend wenig effizient sind (das ist wie in so einem alten Cartoon von den Warner Brothers, wo eine eilig aufgerissene Tür meist nur eine massive Wand zum Vorschein bringt). Dennoch wird besagter Autor nicht müde, auf das "großartige", "fabelhafte" und "gute" dieses Films und seiner Story hinzuweisen. Alle Naselang jedenfalls kommentiert irgendwer das Geschehen mit exakt diesem recht überschaubaren Vokabular. Am besten in dieser nicht enden wollenden Kakophonie behaupteter Grandezza ist es dann, wenn der herrlich schnöselige, der vorgeblichen super villain-Intelligenz jedoch zu keinem Moment gerecht werdene Bösewicht mit den Worten "Passen Sie gut auf, das ist besser als in jedem Krimifilm" seine Flucht einer Fernsehöffentlichkeit schmackhaft machen will. Im Endeffekt verdrückt er sich aber einfach nur sauerstoffflaschenbewehrt und reichlich unspektakulär durch einen Abwasserkanal, was einem Verbrecher im Namen des materiellen Hedonismus doch recht schlecht ansteht (von dem Film mal ganz zu schweigen).

So richtig Scheiße auch das Bild von den Franzosen, das hier bemüht wird: Billy Dee Williams (in Star Wars als Lando Calrissian umtriebig) verkörpert an einer Stelle aus Gründen der Tarnung einen französischen Koch, der mal sowas von Bilderbuch ist - ein wahrer Traum. Oder der Pariser Bürgermeister, der einen hochrangigen Gast zum Eiffelturm bittet, kurz bevor dieser zum Schauplatz des Schreckens wird: Was der an Gestik und Mimik aufbringt, um irgendeinem verqueren Franzacken-Image Genüge zu leisten, ist eine wahre Pracht. Die bestechende Ähnlichkeit des Innenministers mit, ja, Peter Sloterdijk tut sein übriges.

Kurzum: Ein selten dämlicher, unglaublich großspuriger TV-Film mit bemerkenswert prominenter Besetzung (Peter Fonda, immerhin!), dessen Scheißstory mal sowas von aufgeblasen wird, dass man entweder enerviert die Fernbedienung sucht oder aber sich den Bauch hält vor Lachen. Ich entschied mich für letzteres.

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Mittwoch, 29. September 2004
Thema: Hoerkino
So titelt Jens Balzers Beitrag zur derzeitigen Deutschquotendebatte und in diesem zeigt der Autor ganz wunderbar die vollkommen fehlende Grundlage für das apokalyptische Szenario, das sich Vollmer und Co herbeihalluzinieren, auf. Der ganze Budenzauber gibt sich als das zu erkennen, was er letzten Endes immer nur gewesen ist: Piefig-provinzielle Marktgelüste, vorgetragen von kleinen Pfennigfuchsern schwäbischer Geistesprovenienz, die sich nicht zu blöd sind, mittels ernstbemientem Bendenkenträger-Appellieren an nationalistische Ressentiments ihre Kohlegeilheit befriedigen zu lassen.

[via Gruppe Manuela]


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Thema: Kinokultur
Per Mail der Hinweis auf heimat-komplett.de, eine Protest-Site gegen die Pläne der Öffentlich-Rechtlichen, Edgar Reitz' Heimat 3 - nach Aussage des Protestbetreibers in voller Länge ein "filmisches Meisterwerk" - nur in einer gekürzten Version im TV auszustrahlen. Alles weitere auf der Website.


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Montag, 27. September 2004
26.09.2004, Heimkino

Rückblickend betrachtet war Cube ja weniger ein "schlauer Film", sondern eher ein "Schlau'le" von einem Film. Wirklich begriffen habe ich etwa dieses Zahlensystem, anhand dessen sich Position innerhalb des Würfels wie sicher oder unsicherer Charakter einer Würfelzelle ablesen ließe, nie. Funktionierte dennoch, zumindest auf Ebene der Unterhaltung. Eine Schwäche blieb diese vermeintliche Rationalität dennoch, so irgendwie.

Das Sequel - auf Ebene des Szenarios nahezu schon ein Remake von Teil eins - macht es da schon ein klein wenig schlauer, wie ich finde: Der ganze Mathemumbojumbo wird kurzerhand schon in den ersten Minuten mittels Verweis auf die Numerologie von Teil einst entsorgt und eine unheimliche, fast schon übernatürliche Komponente eingeführt. Gebrochene Dimensionen, sich überlappende Dimensionen, Zeitfluss vorwärts, rückwärts - keine Chance, da durchzublicken: Besser so. Hinzu kommt, dass die Charaktere, die sich diesmal im Kubus wider Willen einfanden, selbst alle über fragmentarisches Wissen über Wesen und Charakter des großen Ganzen verfügen, dieses aber, vermutlich aus Sorge um eigenen Vorteil (oder aber: aus Sorge, aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden), oft nur andeuten, nie aber voll einbringen.

Es ergibt sich ein großes Bild der Verwirrung, die in Teil eins vor allem noch nach außen getragen wurde: Was geht draußen vor sich, warum ist dieser Würfel, wie er ist, und wer warf uns hier hinein? In Teil zwei wird diese um einen inneren Aspekt erweitert, da auch innerhalb der Gruppe nicht mehr gewusst wird, wer gegen wen mit wem intrigiert und sich verschwört. Wer welches Wissen besitzt und welchen Wissensvorteil gegen die anderen einzusetzen bereit ist. Entsprechend schnell löst sich die Gruppe wieder auf, ihr Zustandekommen gleicht eher einer Episode als der Grundlage der ganzen Erzählung.

Die spezifische Art des Kameraeinsatzes könnte man anfangs noch als nur manieriert einschätzen, doch fügen sich die extravaganten Einstellungen, das stete Durchschneiden des Raumes bald der Erzählung und stellen sich in ihren Dienst. Die mangelnde Verlässlichkeit von Zeit und Raum - zum Teil wandeln sich gar Gravitationsverhältnisse von einem Kubus zum nächsten - bildet sich in dieser Kamera ebenfalls ab und hinterlässt den Zuschauer in einem steten Zustand der Verwirrung.

Natürlich ist nicht alles gelungen. Hie und da sind einige Schwächen, auch die eine oder andere Beliebligkeit zu bemerken. Doch insgesamt muss ich sagen, dass der Film - der unter IndieGeeks natürlich den Ruf genießt lange nicht so gut wie der erste Filme zu sein -, gerade aufgrund der geringeren Aussicht auf rationale Durchschaubarkeit, die sich im ersten Film eher als Budenzauber erweist, punkten kann. Beinahe möchte ich sagen: Hat mir besser gefallen.

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25.09.2004, Heimkino; Inhalt

Der Beginn: Ein Furiosum. Die Dekadenz des niedergehenden Adels. Der Schuldfall, ein Mord, sogleich darauf: Die Sühne, ein grausamer Tod des jungen von Baskerville und ein Familienfluch. Der wird später im Film, in der eigentlichen Erzählung, spätes 19. Jahrhundert, von Belang sein.

Kurz nach dem Furiosum, mit dem der Film sein gothisches Projekt markiert, narrative Implikationen aber noch nicht erahnen lässt, der Rahmen dieser Exposition: Sie wurde erzählt im Abendkämmerchen nach Dupin'schem Vorbild. Sherlock Holmes, herrlich souverän von Peter Cushing verkörpert, gibt eine Demonstration seiner Kombinationsgabe, die Scharfsinn ausstellt und den Zuschauer ins Szenario einführen soll: Alles ganz einfach, ein wenig Beobachtungs- wie Kombinationsgabe, dann ist da auch drauf zu kommen können.


(von bmovies.de)

Dies ist, wie sich freilich schnell herausstellt, Betrug am Zuschauer in reinster Form: Der Film wechselt die Location, zieht ins britische Hinterland, ins Moor, in die letzte Bastion des verfallenen Adels: Zum Anwesen fernab der bürgerlichen Städte. Hier präsentiert er ein Sammelsurium skurriler, verdächtiger Charaktere, lässt Watson herumtappen und Holmes ins Blaue kombinieren. Er lenkt Blick auf Details, die, durch solche Fokussierung, wichtig erscheinen, haften bleiben und Möglichkeit zur Beobachtung in Aussicht stellen.

Entsprechend auch die Auflösung des Ganzen: Keine Chance zum Mitkombinieren. Die Lösung liegt außerhalb des Bildrahmens begründet, wesentliche Information wird verschwiegen. Drauf kommen kann nicht, wer das zu Wissende sortiert und auswertet, sondern nur, wer das Genre und Gepflogenheit des Drehbuchschreibens kennt: Natürlich ist nicht der der Bösewicht, den als solchen hinzustellen sich der Film stets und lang bemüht.

Man kann dies wissen, auch ohne den Film schon gesehen zu haben. Dass Der Hund kein fairer Krimi ist, etwa im Sinne einer unausgesprochenen Wette zwischen Zuschauer und Film, das lässt sich schon am Furiosum zu Beginn erahnen: Es geht vielmehr um Ästhetik, um Ausstattung, um den Liebreiz vernebelter Bilder aus dem Moor in schönsten Technicolor. Jedes Bild ein kleines Gemälde, jeder Dialog mit einem kleinen Körnchen Salz, die Blicke und deren Organisation im Schnitt sitzen, die Kamera weiß stets, was sie will: Wer hier im wahrsten Sinne des Wortes Zuschauer bleiben kann, fühlt sich aus dem Film mit Gewinn entlassen.

imdb | mrqe | hammer studios

tv-termine: christopher lee | peter cushing | terence fisher
filmtagebuch: peter cushing | christopher lee | terence fisher | hammer studios


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Sonntag, 26. September 2004
Thema: radio
Hier eine Liste (Word) prominenter Unterzeichner einer Petition von Musiker in eigener Sache, die von wegen Deutschquote die Tage im Bundestag ihre Hochkulturalität geltend machen wollen. Nett immerhin, dass man somit auch eine 1A-Boykottliste zusammengestellt bekommt - praktisch für den nächsten CD-Einkaufsbummel. Des weiteren ja erstaunlich, was sich dort alles an Ex-Sternchen und Zurecht-Versunkenen tummelt. Meine Güte, ihr Peter Schillings und Klaus Lages dieser Welt, geht doch wenigstens mit Würde in den Ruhestand, statt mit solchen Aktionen zu hoffen, dass irgendwer nochmal eure ollen Kamellen im Radio spielt. Und warum einer wie Jan Delay, der nicht müde wird, Staat und Kapital als Giftbringer zu bezeichnen und auch ansonsten hofft, dass nicht die falschen Leute seine Lieder singen, nun plötzlich bei Pappa Staat besonderen Schutz einfordert, verstehe ich auch schon lange nicht mehr.

Geht doch alle wo ihr wohnt!


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Freitag, 24. September 2004
Thema: Kinokultur
Mit "Sehbüchern" will der Leipziger Publisher Kinowelt die Möglichkeiten von Buch und DVD synthetisieren. "Das erste Programm des ARTHAUS Verlages präsentiert einige der Kombinationsmöglichkeiten der neuen SehBuch-Reihe: Romanvorlage mit dem Film-Klassiker, junger deutscher Film mit Geschichte in Romanform, Biografien mit ihrer filmischen Umsetzung. Vier der SehBücher erklären in Wort und Fotos Filme, die zu den besten aller Zeiten gehören: Citizen Kane; 12 Uhr Mittags; Rom, offene Stadt; Sein oder Nichtsein.", lautete es heute in der Pressemitteilung. Veröffentlichungen aus Musik und Oper sind ebenfalls angekündigt.

Die Kombinationen aus Buch und DVD unterliegen der Buchpreisbindung und orientieren sich vor allem am Buchhandel. Weitere Informationen hier (dort auch der Herbstkatalog).


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Warum sagt Milla Jovovich in diesem insgesamt 94-minütigem Film nach rund 70 Minuten den Satz: "Wir haben noch 47 Minuten Zeit"? Der angsterfüllte Kritiker riskierte zur Beantwortung dieser Frage jedenfalls einen Blick auf die Uhr seines Mobiltelefons und wurde daraufhin von einem energischen Sicherheitsmann aus dem Kino befördert. Wovor hatte man Angst? Dass er die Welt vor diesem Machwerk warnt? Dass er den Film mit seinem rund vier Jahre alten Nokiamodell ohne Fotofunktion ins Netz stellen könnte? Darauf gab es keine Antworten. Immerhin: So wurden immerhin fast 20 Minuten seiner Lebenszeit gerettet. Dafür vielen Dank.

Klarer Fall: Kritik der Woche! Danke, Harald Peters!


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Thema: Kinokultur
Es ist nicht der Naturalismus an sich, der den "Untergang" ins Verhängnis führt, es ist die Leugnung der Künstlichkeit dieses Naturalismus. Vorstellbar wäre ein intensives Kammerspiel im Bunker, das freilich gerade die Tatsache, dass es sich um eine Fantasie nach wahren Ereignissen handelt, markieren müsste. Hier fehlt diese Markierung vollständig. Die Buchstabengläubigkeit von Drehbuchautor, Ausstattern, Darstellern, Regisseur ist vollkommen, und sie muss sich mit Notwendigkeit gegen den Film wenden.

Schöner, wichtiger Essay von knoerer zu Hirschbiegels Untergang (filmz.de) beim Perlentaucher.


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Weblogs bleiben auch weiterhin das Größte.

Hier beispielsweise ein Shaw-Weblog. Schlicht in der Gestaltung, kein Tinnef. Irgendein guter Geist dokumentiert hier seine Eindrücke von der großartigen "Shaw Brothers"-Reissue (von der ich im übrigen, von einigen halbgaren Versuchen zur Berlinale, wo eine kleine Handvoll der Filme lief, abgesehen, noch nichts Nennenswertes in Feuilleton oder den üblichen Zeitschriften gelesen zu haben meine) und garniert dies mit erstaunlich handfesten Hintergrundinformationen. Die nette Übersicht links ermöglicht den Zugriff über Jahreszahlen oder Genres. Gerade für Leute, die in dem ungemeinen Wust an wiederveröffentlichen Filmen (bislang so ca. 180 bis 200, würde ich sagen, geplant sind insgesamt ca. 750 Filme der legendären Hongkong-Filmschmiede) nicht auskennen oder auf Nummer Sicher gehen wollen, eine ideale Lösung mit erfreulich viel zum Stöbern.

Schön auch der Gestus der Texte, der nicht schulmeisterlich das "immer-schon-so-gewusst-haben" suggeriert, sondern mit dem Leser an der Hand Entdeckungen anstellt und Überlegungen in den Raum stellt, die nicht immer richtig sein müssen, aber eben auch nicht falsch. Zur Not schaut man eben auch, was zu den Filmen an Informationen bereits verfügbar ist und tut dann beispielsweise dieses Gespräch mit Ang Lee aus der New York Times aus dem Jahr 2001 auf, in dem Lee über die Huangmei Opera im Allgemeinen, über den wundervollen Love Eterne im besonderen spricht.

Auch schön, dass sich der Autor des Blogs darum bemüht, Filme chronologisch zu sichten: Torpediert wird das freilich etwas von der Veröffentlichungspolitik des Publishers, die eine solche Vorgehensweise eigentlich kaum gestattet. Deswegen sind die Reviews vielleicht auch nicht immer dicht am Release-Geschehen, dafür können aber, mit etwas Geduld, zusammen Entwicklungen nachvollzogen werden, die nah an den Veröffentlichungsterminen situierte Reviews oft nicht aufdecken können. Und da die meisten der wiederveröffentlichen Filme ohnehin im Westen nicht bekannt, geschweige denn auf Konserve verfügbar waren, ist man mit dem Autor auch fast schon auf Augenhöhe.

Kurzum: Sympathisch bis auf die Knochen. Bookmarken ist Pflicht.


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Donnerstag, 23. September 2004


gefunden bei diepresse.com (durch das erinnert worden).


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Der Abmahnwahnsinn hat mal wieder ein neues Exempel statuiert: Wie heise heute meldet, sieht sich der Chip- und Prozessorenhersteller Intel dazu gezwungen, gegen die DVD-Infosite und -Community DVD Inside vorzugehen. Es sei einem durchschnittlich begabten Menschen offenbar nicht zuzutrauen, zwischen der Kampagne "Intel Inside" und einer Bezeichnung "DVD Inside" zu unterscheiden. Dass Intel nun gar nicht in DVDs macht, scheint dabei wohl nicht weiter von Belang.

Ob Intel demnächst auch gegen Chio Chips vorgehen wird, steht abzuwarten.


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50 erste Dates (Peter Segal, USA 2004)
Die Idee, eine Frau erobern zu lassen, die infolge eines Unfalls an Gedächtnisschwund leidet und mit jeder Nacht die Ereignisse des Vortages vergisst, ist zwar nicht neu - man denke an den strukturell recht ähnlich angelegten Groundhog Day -, aber zumindest vielversprechend. In den Händen eines begnadeten Regisseurs wäre vielleicht gar ein kleiner Perlenfilm dabei herausgekommen, gerade und auch, weil die beiden Hauptdarsteller Drew Barrymore und Adam Sandler, wenn man sie nur lässt, ganz wunderbar spielen können. Jedoch, der Regisseur heißt Peter Segal und der ist nun ein Studiofunktionär, der Film ist als klassischer Sandler-Film angelegt und steht sich so mit kindischem Humor und schlicht nicht zündenden Gags über weite Strecken selbst im Wege.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

Chaos (Hideo Nakata, Japan 1999)
Mittels der Montage, die zwischen den Zeiten springt, ergibt sich ein verwirrendes Bild um die Entführung der Frau eines Bankfunktionärs. Die Frage, wer wen eigentlich hintergeht, wer was inszeniert, bestimmt das Geschehen, Anlehnungen in Richtung Hitchcock - Vertigo! - sollen für gutes Licht sorgen. Über weite Strecken geht das gut, doch letzten Endes erschöpft sich der Film in seinem kleinen Vexiergimmick und gibt sich als Gymnastikübung für Drehbuchautoren zu erkennen.
[imdb|mrqe]

Shanghai Serenade (Zhang Yimou, China/Frankreich 1995)
Gedämpftes Licht bestimmt das Geschehen und den Raum. Auch das Geschehen selbst ist - der Perspektive des kleinen Jungen vom Lande, der staunend in die Welt der Triaden stolpert, ist's geschuldet - gedämpft. In Details deutet sich an, was wirklich geschieht, der Raum selbst bleibt - Spiegel überall - unübersichtlich. Auf der Insel vor der Stadt dann letzten Endes die Lösung des Knotens, hier, in der Übersichtlichkeit malerischer Idylle (in die, gewiss nicht zufällig, geschissen wird wie nichts Gutes). Es geht um Macht, Gewalt, den Schrecken, den beide in unbedarften Kinderaugen auslösen. Über weite Strecken sehr gelungen, zum Meisterwerk, das der Film unverhohlen sein will, hat es indes nicht ganz gereicht.
[imdb|mrqe]

Die Bourne Identität (Doug Liman, USA 2002)
Was flink und munter wie ein alter Agententhriller europäischer Provenienz beginnt, entpuppt sich im Verlauf zusehends als lahme Ente. Wo er von zunehmender Dramatik und Spannung ausgeht, stellt sich diesseits des Bildschirms allenfalls Langeweile ein. Nicht zuletzt deshalb die für den nächsten Tag angesetzte Pressevorführung des Sequels ohne Reue geschwänzt.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

Underworld (Len Wiseman, USA 2003)
Anämische Vampir-Science-Fiction im sterilen Gothik-Kleid. Das ist wie fettarme Pommes ohne Salz mit Diät-Ketchup und koffeinfreier Pepsi Light und so spannend wie eingeschlafenen Füßen beim Aufwachen zuzusehen.
[imdb|mrqe|filmz.de|angelaufen.de]

The Village (M. Night Shyamalan, USA 2004)
Ein bedacht inszenierter Film, der seinen eigenen Plot Twist vorweg nimmt, um dann letzten Endes doch noch überraschen zu wollen. Dies gelingt nicht ganz - man kennt Herrn Shyamalan dann schließlich doch schon etwas -, doch bezieht dieser Film, ganz im Gegensatz zu Shyamalans Drehbuchgymnastik-Epigonen, auch gar nicht primär daraus seinen Reiz. Ein reduziert sich entfaltender Film über Chiffren und das Erzählen selbst, obendrein kluge Gruselreflexion und Kommentar zur us-amerikanischen Geschichte. Einer dieser vielen "Filme des Jahres" gewiss. Oft schöne Gänsehautschauer gehabt, mich ganz wohlig in den Sessel gekuschelt und einfach nur die erdenfarbene Welt durch dieses Objektiv betrachtet. Über Shyamalans Cameo gefreut - wie dieser inszeniert ist, dass ich ihn bemerkt habe.
[imdb|mrqe |filmz.de|angelaufen.de]

Body Double (Brian de Palma, USA 1984)
Ein Bild von der Wüste zu Beginn wird dem Film alles bestimmendes Programm. Das ist natürlich Palma-Holzhammer, wie man ihn kennt und nur lieben (das tue ich) oder hassen kann (wer auch immer). Auf Ebene seines Konzepts ein überaus guter Film, der den in seiner Gänze atemberaubenden Femme Fatale (filmtagebuch) schon vorskizziert. Auf Ebene des unmittelbaren Zugangs trug der Film sein 80er-Programm dann doch zu ostentativ vor sich her, doch ist das ein ganz persönliches Problem, das ich nun nicht dem Film oder gar De Palma selbst ankreiden will. Vielleicht aber gelingt es mir auch, das bei einer zweiten Sichtung auszublenden, da ich nun schon weiß, um was eigentlich geht, auf was eigentlich zu achten ist.
[imdb|mrqe]


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Mittwoch, 22. September 2004


Die Welt hat einen weiteren Visionär verloren.


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Dienstag, 21. September 2004
hier.

Ungemein umfangreiches Nachschlagewerk zu Göttern, Helden, Ungeheuerlichkeiten aus Mythologie und Folklore.

[via crime in your coffee, von wo auch sonst!]


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Thema: literatur
Via Filmfilter die frohe Kunde der offiziellen Freigabe der Amazon-Suchmaschine a9.com. Was diese nicht weniger als sensationell macht, ist die zuschaltbare Books-Funktion. Als Suchergebnisse werden dann auch Erwähnungen des Suchbegriffs in Büchern aufgeführt. Was sich hier - gewiss unter kommerziellem Vorzeichen - zur Möglichkeit an Literatur- und Quellenrecherche, auch für die Zukunft, in Aussicht stellt, ist schier atemberaubend.


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Thema: good news
The revolution will be blogged! Naja oder so ähnlich ...

Auf jeden Fall: Die in den letzten Wochen sträflich vernachlässigte DVD-Ecke bei Jump Cut ist wieder da und erstrahlt jetzt in bester Weblog-Tradition als "DVD-Blog". Neben DVD-Reviews wird es dort auch (internationale) News und Infos zum DVD-Geschehen geben.


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Thema: literatur
"Die Brandkatastrophe in der Nacht zum 3. September hat die zum Weltkulturerbe gehörende Herzogin Anna Amalia Bibliothek stark zerstört. Etwa 30.000 historische Bände aus dem 16. bis 18. Jahrhundert wurden vernichtet. Ein Raub der Flammen wurden auch die Musikaliensammlung der Herzogin, darunter Autographen von Mozart und Haydn, sowie zu großen Teilen die so genannte Schurzfleischsammlung aus dem 18. Jahrhundert. Rund 70.000 Bücher mit Feuer- und Wasserschäden nahm das Leipziger Zentrum für Bucherhaltung auf. Auf 500 bis 1000 Euro pro Buch werden die Kosten der Restaurierung geschätzt. Die Kosten für den Wiederaufbau des Gebäudes mit dem berühmten Rokokosaal sollen in vier Wochen feststehen."



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Thema: Kinokultur


"Ostensibly a remake of Hitchcock's Rebecca, Kohraa fared poorly, according to Hemant Kumar, because Nag couldn't decide to make it either a ghost story or a psychological drama sans haunting presence. But that ambiguity--"kohraa," after all, means "fog"--seems intentional. Everything about Kohraa--from the plot to the cinematography--seems crafted to thwart the average viewer's expectations. The result is an arty noir ghost story that could have been filmed by Maya Deren taking conflicting, oulipian instructions from Fritz Lang and Robert Wiene."


Weiter hier auf Gary Sullivans Jump-Cut-Weblog Ghost World, auf dem in Zukunft mehr Essays zu klassischen Bollywood-Filmen folgen sollen.

Das klingt nach einer echten Perle und ruft mir einmal mehr meine Pläne zur Bollywood-Aufarbeitung ins Gedächtnis zurück. Der Film ist auf jeden Fall vorgemerkt.


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Dienstag, 21. September 2004
hier

Erster Eindruck: Nach den ganzen bonbonfarbenen Sequels offenbar mal wieder ein richtig düsterer Batman-Film. Bin schon sehr gespannt, zumal mit Christopher Nolan einer der begabtesten Neo-Noir-Regisseure und mit Christopher Bale passendes Gesicht und Stimme gewonnen werden konnten. Auch die übrige Besetzung (imdb) liest sich wie ein Traum.


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Thema: Hoerkino
So ein bisschen ist das wie ein alter Freund, der nach langer Zeit mal wieder vorbeischaut und im besten Sinne alles beim Alten geblieben ist: Alive and kicking.

Es geht um Mooney Suzuki, deren ersten drei an die Grenze zum Wahnwitz limitierte EPs ich 1999 rauf und runter hörte. Im folgenden verlief sich das etwas, zumal auch die erste LP (erschienen auf dem altehrwürdigen Estrus Records-Label) nicht ganz den hohen Erwartungen genügte. Die zweite Scheibe zog dann vollends an mir vorüber: Wusste gar nicht, dass es die gibt, dass es die Band noch gibt.

Da macht der Titel der neuen Platte, Alive and Amplified, Sinn. Und in der Tat: Man ist nicht nur in die Verstärker, die die Welt bedeuten, eingestöpselt, sondern auch hungrig und - noch immer - lebendig. Ein kleines Juwel ist die Scheibe geworden, zwischen RetroRock, Hymnen an das Leben selbst und '70er Power Pop. Klingt nach den Strokes? Diese lustlose Bande bitte gleich vergessen - Mooney Suzuki sind nicht nur älter als jene Schnösel, sie sind auch, wenn man das in diesem Retro-Sinnsystem so sagen darf, der real shit. Mit Leichtigkeit und Eleganz spielen Mooney Suzuki so ziemlich alles an die Wand, was diesen vergangenen Sommer für sich das Prädikat "Sommeralbum" erschleichen wollte und schaffen vielleicht die Scream, Dracula, Scream-Scheibe dieser Dekade.

Wunderbar auch der herrlich saftige Clip zum Titeltrack, den es hier auf der Website als Stream gibt. Könnte man schnell als Retro-Koketterie abtun, sicher. Aber: Das hier ist Leben und Kraft, Lust und Leidenschaft.

Schöne Platte, schöner Clip. Und nicht zuletzt eine schöne Wiederbegegnung.


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Montag, 20. September 2004
Thema: Kinokultur
Neuer Link in der Linkliste: De Palma a la Mod, eine inoffizielle Newssite zu Brian de Palma (filmtagebuch), unter anderem mit allerlei News zur Ellroy-Adaption The Black Dahlia, die De Palma von David Fincher übernommen hat und demnächst mit Josh Hartnett und Scarlett Johansson inszenieren wird.


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Thema: Kinokultur
Schon Anything Else? (filmz.de) gesehen? Der war mal wieder richtig gut, nach den letzten Jahren der Durchschnittlichkeit im Werke Woody Allens (filmtagebuch) zumal.

Natürlich hat er auch schon wieder einen neuen Film fertiggestellt. Melinda and Melinda heißt der und kommt März 2004 in die US-Kinos und dann, dank weltweiter Distribution durch Fox, hoffentlich auch bald bei uns.

ScreenDaily hat ihn bereits vorab gesehen und ist von dieser Tragikomödie überaus angetan: "Allen's most adult work in a while" und "the most visually satisfying of Allen’s recent films" steht da zu lesen. Das musikalische Konzept sei "clever" und die Leistungen der Darsteller "really dazzling".

Solch lediglich anerkennende Begeisterung ist aintitcoolsnews' Sache nicht. Hier gibt man sich wie gewohnt und auch erwünscht schlicht enthusiatisch: "Woody on top form", "a truly great Allen return to form", "excellent", "superb" und so weiter und so fort.

Klarer Fall: Wir freuen uns und sind mehr als nur gespannt.

Nachtrag, 16.03.:
J. Hoberman zeigt sich in der Village Voice nicht ganz so begeistert: " Neither comedy nor tragedy, the movie is closest to genteel soap opera." Der deutsche Kinostart wurde derweil still und leise auf Ende April verschoben - immerhin, einen Trailer im Kino habe ich bereits sehen können.

Nachtrag, 24.03.2005:

Netter Werbebanner aus dem Onlineangebot der New York Times:



woody-allen.de | woody allen im tv


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Thema: Kinokultur
Olaf Möller hält die Fahne des allgemein neugierigen, stets aber auch kritischen, vor allem aber nie um klare Worte verlegenen Filmjournalismus auch weiterhin hoch und beweist mit dieser Kritik zu Hirschbiegels aktueller Führerbunkerrevue (filmz.de), dass er noch immer mit zum Besten gehört, was in deutscher Sprache zum gegenwärtigen Kino zu lesen ist.

Selbstverständlich aber noch viel, viel besser sind die Kommentare, die eifrige Leser dort, bei diepresse.com., zum Besten gegeben haben. Es findet sich eine Bratwurstigkeit dokumentiert, die man am besten langsam, Stück für Stück, und mit einem großen Grinsen im Gesicht nachvollziehen sollte. Bemängelt werden "difuse Sätze", "übertriebene Interpretationen" und natürlich "Verbaldurchfall". Natürlich wird auch nicht zu überbietender Schwachsinn attestiert und vorgeschlagen, dass er, wenn er schon der Meinung sei, sich durch niederwerfende Kritiken hervorzutun, doch bitte an Hollywoodfilmen vergreifen möge (wo doch gerade mit Hellboy (filmz.de) ein so ganz und gar wunderbarer Hollywoodfilm deutschen Filmen mit gutem Recht die Säle wegnimmt). Am besten gefällt mir natürlich die Wortschöpfung "Alt-Austro-Freudiano-Neo-Marxist" - auf sowas muss man erstmal kommen. Ein anderer meint, etwas Gutes an dem Film erkannt zu haben: "Es wird Hitler als Wahnsinniger dargestellt. Bleibt zu hoffen dass das Kinopublikum die heutigen politischen Wahnsinnigen dadurch leichter erkennen möge." - hach ja.


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Thema: Visuelles


imdb | mrqe

[via classic reproductions]


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Thema: good news
Unter diesem Titel inszenierte der italienische SFX-Meister Sergio Stivaletti eine Hommage an den "Maestro of the Macabre" Mario Bava (filmtagebuch). In Cameorollen treten Claudio Simonetti von der Band Goblin (die vermutlich seit Mitte der 70er jeden zweiten Italo-Horrorfilm musikalisch gewürzt hat) und Mario Bavas Sohn Lamberto (u.a. A Blade in the Dark und Prinzessin Fantaghiro) auf.

Ein ausführliches Essay über Mario Bava in der Senses of Cinema-Reihe "Great Directors" findet sich hier .



imdb | offizielle Site

[via crime in your coffee]


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Thema: DVDs
Ein Film, der sich selbst Thriller - En grym film (international: They call her One-Eye) nennt, macht keine Gefangenen. Der schwedische Rape/Revenge-Film aus dem Jahr 1974 war bislang nur eingeweihten Pulp- und Genrefans ein Begriff - darunter Quentin Tarantino, der dem Film Einfluss für Kill Bill zuspricht und wohl vor allem Darly Hannahs Figur Elle Driver zumindest rein äußerlich - Stichwort Augenklappe - nach Vorgaben aus Thriller skizzierte. Über den wirklichen Grad der Beeinflussung konnte man indes nur spekulieren: Bislang war der Film auf offiziellem Wege allenfalls als räudige VHS-Kopie aus den 80ern abzugreifen. Gerade deshalb hecheln Filmfreunde aus aller Welt seit Monaten der Veröffentlichung des Films durch den us-amerikanischen Publisher Synapse entgegen.

Für Aufsehen in der Webwelt sorgte nun dieser Thread in einem Diskussionsforum. Dort behauptet ein Kanadier, den Film in den USA vor kurzem erstanden zu haben, beim Grenzübergang aber von den Beamten festgehalten worden zu sein, Verdacht: Kinderpornografie. Die Gestaltung des DVD-Covers war den Exekutivkräften offenbar zu heikel. Anklage wurde letzten Endes mangels Grund nicht erhoben; bleibt allein das Ärgernis eines mehrstündigen Haftaufenthalts und eine Konfiszierung des Films zum Zwecke weiterer Prüfungen. Dies vielleicht auch als kleiner Appell zur Vorsicht hiesiger Filmfreunde: So mancher Zollbeamte mag bei der Durchsicht der Importlieferungen vielleicht auch zum übereifrigen Verdacht neigen ...



Nachtrag: Via Crime in your Coffee noch recht interessante News um einige Scherereien zwischen Regisseur Vibenius und Synapse. So verkaufte Vibenius die Rechte an dem Film vor einigen Jahren offenbar für einen recht kleinen Betrag und wird nun, infolge des nach Tarantinos Respektbekundungen entflammten Interesses an dem Film, nicht müde, Synapse unlautere Geschäftsmethoden bis hin zum Bootlegging vorzuwerfen. Contenance geht anders.


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Thema: Kinokultur
Die Website zum neuen Film von Hou Hsia-Hsien, Coffee Jikou (international: Café Lumière), ist online. Der Hinweis Homage to Yasujiro Ozu - am schönen Trailer ebenfalls abzulesen - lässt zusätzlich aufmerken.



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Freitag, 17. September 2004
Thema: Kinokultur
Habe gerade den neuen Newsletter von der Kubrickausstellung erhalten, der das Gerücht, die Ausstellung sei 2005 auch in Berlin zu sehen, nun endlich als Faktum zementiert:

"Vom 20. Januar bis zum 11. April 2005 präsentiert das Deutsche Filmmuseum die Ausstellung Stanley Kubrick in den Räumen des Martin-Gropius-Bau. Sie findet in Kooperation mit dem Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek statt und wird durch die 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin (10.-20. Februar 2005) unterstützt. Die Berlinale plant Schwerpunkte zum Thema Production Design und stellt in der Retrospektive sowie in anderen Veranstaltungen eine enge Verknüpfung zur Kubrick-Ausstellung her. Parallel zeigt das Filmmuseum Berlin eine Ausstellung zu verschiedenen Aspekten des Production Design im Film."

Rundheraus: Macht mich schon alles recht wuschig, vor allem auch der Support durch die Berlinale. Ich freue mich wie ein Schneekönig, zumal ich die Ausstellung in Frankfurt leider nicht wahrnehmen konnte.


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Heute vor 50 Jahren wurde die Amerika-Gedenkbibliothek zu Berlin eröffnet. Damit feiert heute die größte deutsche öffentliche Bibliothek - und in der Tat ein wahrer Tempel des Wissens und der Kultur - ihren Geburtstag. Nikolaus Bernau schreibt dazu heute in der Berliner Zeitung:

"Wie in den nordamerikanischen Public Libraries sollten die Bibliotheksangestellten eher Auskunftsstellen und Hilfereichende sein als Herrscher über das Wissen. Belletristik, Kunst, Spiele, aber auch die wissenschaftliche Literatur sollte im Freihandbereich jedem Leser direkt zugänglich sein. Für manchen war das zu viel Freiheit. Der Leser sollte doch vor schädlichen Einflüssen bewahrt und zum kulturell Guten gelenkt werden. Auch um das zu garantieren, waren die deutschen Bibliothekare daran gewöhnt, die Bücher herauszusuchen, so, wie es noch bis 1995 Usus war etwa in der Ost-Berliner Stadtbibliothek. In der AGB entfiel dieser Kontrolleur."

und fasst damit zusammen, was ich - Stammkunde der AGB wie des Berliner Bibliothekenverbundes überhaupt - an dieser Bibliothek so schätze: Die vollkommene Freiheit, mich jederzeit zwischen Godzilla und Godard, zwischen Gruselroman und wissenschaftlicher Literatur entscheiden zu können. Ein Gräuel wäre es, würde irgendein sauertöpfischer Bibliothekar vorentscheiden, was an Honorigem ins Regal zu stellen sei.

Gerade deshalb passt es auch, dass zeitgleich im Spiegel ein regelrechter Haufen Scheiße zu lesen ist: Ein Interview mit Antje Vollmer von den Grünen nämlich, zu dem in schöner Regelmäßigkeit fröhliche Urständ' feierndem Thema "Deutschquote im Radio". Kaum ein Satz, bei dem mir nicht der eine oder andere Kraftausdruck entwischt. Wenn ich das schon lese: Formatradio, Qualitätsschutz, kritische Auseinandersetzung, kulturelle Tradition, vor allem aber: hörenswert. Dieses Hülsengewäsch vom Hörenswerten, vom Hochkulturellen, vom Kritischen.

Was die Vollmer hier dem Spiegel ins Diktiergerät rülpst, ist nichts anderes als das pure Gegenteil der Amerika-Gedenkbibliothek. Vorhören, abwägen, protektieren, fördern statt anbieten, verfügbar machen, entdecken lassen. Die Forderung nach Reformhausradio, jetzt und hier für alle, zur Not "mit Entzug der Sendelizenz" durchgesetzt. Eine zusätzliche Ebene an Dämlichkeit erhält dieses provinzielle Profilierungsgehabe nur durch die zunehmende Relevanz von Online-Radio per Breitband-Internet. Mit einem Schlag stehen dem Einzelnen Tausende von Sender zur Verfügung, die ein Angebot abdecken, das sich die Vollmer mit ihrem Bioregionalismus für GEZ-Empfänger nicht zu erträumen wagt! Und was macht sie? Holt mal eben die Fliegenkatsche "Deutsch-Quote" aus der unteren Schublade des Schreibtisches. Borniert ist gar kein Ausdruck für solches Gehabe ...

"Ich scheiß' auf deutsche Texte" (Die Sterne)


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Mittwoch, 15. September 2004
Thema: Kinokultur
"Unter dem Pflaster liegt der Strand", so hieß es ja mal in diversen Polit-Kreisen. Heutzutage muss man das modifizieren: "Unter dem Pflaster liegt das Kino!" Ob sich die Pariser Cineasten, die sich - illegalerweise - in den Pariser Katakomben einfanden, das auch gedacht haben? Die Netzeitung berichtet jedenfalls von einem in der Tat kryptischen Kino unter den Straßen, welches kürzlich von der Polizei ausgehoben wurde. Man fand Whiskeyflaschen, Filmrollen alter Films Noir und ein Kino-Provisorium. Von den Beteibern fehlt jede Spur, nach Rückkehr der Polizei an den Tatort war nur ein Zettel "Versucht nicht uns zu finden" zu entdecken. Swastikas, Keltenkreuze und Davidsterne an den Wänden könnten auf eine "Sekte oder Geheimgesellschaft" hindeuten.

Für den Fall, dass es sich um cinephile Gesinnungsgenossen handelte: Schönen Gruß, wäre gerne dabei gewesen. Whiskey und Films Noirs, 18 Meter unter Pariser Asphalt ...


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Sonntag, 12. September 2004
Thema: Kinokultur
Für einen Splatter-Film besitzt M. Night Shyamalan gleichwohl eine zu große Neigung zur Reflexion.

und

Shyamalan gibt so zu verstehen, dass ihm nie wirklich daran gelegen war, einen Genre-Film zu drehen. Dessen Konventionen und Tricks setzt er ganz bewusst ein, um auf die falsche Fährte zu führen.

So steht das geschrieben. In dieser taz-Besprechung von Shymalans neuem Film The Village (filmz.de), den ich am Abend zu sehen gedenke.

Und ich frage mich ernsthaft, was das so Geschriebene eigenltlich soll. Ich meine, gut, okay, nach bislang drei Filmen, die allesamt vorrangig, ja eigentlich ausschließlich als Genre- un Motivreflexionen funktionierten, ist es beim nun vierten Film gewiss an der Zeit, zumindest eine "Neigung" zur Reflexion mit Kritikermiene zu attestieren. Dass es Shyamalan - immerhin ohne weiteres als Auteur anzusehen - nicht darum zu tun ist, einfach nur Genre-Einerlei anzufertigen, darf man 2004 auch gut und gerne wissen, ohne es als interessantes oder gar selbstentdecktes Detail verkaufen zu wollen.

Und was soll dann der Käse gleich zu Beginn, das mit dem Splatterfilm, der, wie's scheint, nur von dem zu drehen ist, dem Reflexion eher ungelegen ist? Mal ganz ehrlich: Hä??


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Samstag, 11. September 2004
10.09.2004, Heimkino

Mir scheint, man kann diesen Film vorrangig auch als auf Ebene der Montage erzählt wahrnehmen. So gesehen handelt The Getaway davon, wie entweder ein Mann oder aber ein Paar aus Mann und Frau wieder in die Linearität und in ihr Hier und Jetzt zurückfindet. Wie Beschädigungen - an Geist, Stolz und Liebe gleichermaßen - überwunden werden.

Die ersten acht Minuten, die diese Erzählung bereits voll etablieren, sind schier atemberaubend: Doc ist im Knast, seit Jahren schon. Dies wird nicht nur einfach erzählt, es wird filmisch kommuniziert: Die Montage zerhäckselt alles. Bild und Ton gehen Scheren ein, die sich zwar gelegentlich schließen, nur um sich erneut weit klaffend zu öffnen. Einschneidungen von einer Kürze, die nur mit Framezahlen noch wiederzugeben wären. Es gibt keine Zeitspur, kein Hier und Jetzt, das als filmische Gegenwart wahrzunehmen wäre. Es gibt nur alles erdrückenden Zustand, der nicht zu bändigen ist, schon gar nicht von dem, der, wortwörtlich, drin gefangen ist; eine Maschinerie - unaufhörlich bestimmt das Rattern einer industriellen Maschine die Schnittfolgen, sie verstummt schlagartig mit der Öffnung des Tors zur Freiheit -, die Dich beschädigt, zerstört, Dir alles nimmt. Dazwischen immer wieder Gesten der Zärtlichkeit, eine Frau, die weit weg ist. Erinnerung? Zukunft? Wunschvorstellung? Der filmische Raum bleibt im Vagen.

Dann die Freiheit. Und wieder sind Raum und Zeit Gegenstand der Sabotage. Die beiden Eheleute, noch distanziert, stehen an einem Fluß, ringsumher ausgelassene Kinder, Sonnenanbeter. Der Blick ins Wasser, in Zeitlupe der Sprung hinein. Sich Küssen im Fluss. Der Schnitt zurück ans Ufer, der Sprung hat nicht stattgefunden. Wunsch des Beschädigten also. Und dann aber eben doch die Andeutung des Sprungs, der jedoch keine Vollendung im Bild findet. Schnitt in die Wohnung der Beiden: Beide nass, der Sprung, das ausgelassene Spiel im Wasser hat augenscheinlich doch stattgefunden. Blick in die Zukunft dann also doch? Oder nur illustrierte innere Welt? Der Raum bleibt weiterhin im Vagen.

Am Ende dann die Fahrt zum Horizont, eine lange Einstellung. Beide, nach unzähligen Querelen und Anstrengungen, wieder vereint. "Sie ist ein feiner Kerl, ohne sie wäre ich aufgeschmissen", meint der Typ, der beide über die Grenze nach Mexiko bugsiert, als er von seiner Gattin spricht. Der erste Mensch, der die beiden inmitten ihrer Krise gut behandelt und ihnen den Trost der Solidarität spendet: "Ich hatte auch schon Ärger mit der Polizei." Die Geste bleibt nicht unbelohnt, der grimmige Existenzialismus erfährt eine zusätzliche zärtliche Nuance. Alles ist möglich, wenn man sich nicht hängen lässt. Sogar die Re-Etablierung eines integeren Raums, der nicht durch Institutionen, Geldhaie, schmierige Gangster und Denunzianten destabilisiert wird. Die letzte Einstellung ist lange, ihren Raum haben sich die Beiden mit Händen und Füßen zurückerobert.

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