Freitag, 30. März 2007
Thema: Hinweise
Die Aufführung/Veröffentlichung des restaurierten Killer of Sheep (click) zieht eine erfreuliche Reihe von Texten nach sich. Nach dem bereits erwähnten Feature über die mühselige Restauration folgen nun auch inhaltliche Auseinandersetzungen. GreenCine Daily weist u.a. auf folgende Texte hin:
  • Ein ausführliches Interview mit dem Regisseur auf der Mutterseite
  • Hoberman mit ausführlicher Besprechung
  • New York Magazine
  • Manohla Dargis für die New York Times
  • Salon.com mit Filmkritik
  • The Nation
  • indieWire
  • Bleibt mir nur erneut die Empfehlung, Gelegenheiten zur Sichtung unbedingt wahrzunehmen.



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    Thema: Jukebox

    archive.org ~ autres directions in music



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    Der Film Tron, entstanden 1982, ist für die US-Sicherheit "sensitive". Teile des Films wurden zwar mit Genehmigung in einer mittlerweile geschlossenen Nuklearanlage gedreht, könnten für Terroristen aber dennoch aufschlussreich sein. Aus diesem Grund hat das FBI jüngst veranlasst, dass die Disney Studios sämtliche Kopien des Films übergeben und er auch als DVD aus dem Handel gezogen wird.

    Mal wieder absolut unglaublich, was drüben bei den Amis abgeht, nicht? Stimmt. Es entspricht ja auch nicht den Tatsachen, sondern ist ein sich mittlerweile munter verbreitendes Gerücht in der Blogosphäre, das langsam, aber sicher, auch in die deutsche hinüberschwappt (wo man, ja schon aus historischen Gründen, gerne dazu neigt, "dem Amerikaner" jeglichen Verstand in Abrede zu stellen und deshalb auch alles gleich mal übernimmt und dupliziert, was in diese Denke passt).

    Aber: Es ist eben auch nix dran an der Geschichte. Ihren Ursprung hat sie in dieser 'Meldung', die zwar äußerlich nach "News" riecht - bei genauerem Hinsehen aber in der Sektion "Fiction" des Portals gepostet wurde. Der Status des Textes ist also der einer literarischen Kurzgeschichte, die für sich die rhetorisch-literarische Strategie einer Textsortenmimese anwendet. Eine beliebte Haltung vor allem auch in der Science-Fiction- und anderer phantastischer Literatur (man erinnere sich an Welles' Bearbeitung von Krieg der Welten, oder an Stokers Dracula, nicht zuletzt ist auch Stephen Kings Carrie über weite Strecken in dieser Form abgefasst).

    Dies nur mal so am Rande, bevor es allüberall wieder heißt, von wegen "unglaublich, die Amis" und so. ;-)


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    Mittwoch, 28. März 2007
    Thema: Jukebox
    01. Besuch die Mega Super Mammoth MP3 Blog List.

    02. Scroll wild und großzügig über die Liste mit bislang insgesamt 1077 Blogs. Schau dabei nicht auf die Liste.

    03. Bleib willkürlich stehen und klick den nächsten Link über Deinem Mauszeiger an.

    04. Hör Dir an, was das Blog zu bieten hat.

    05. Berichte!


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    Thema: Hinweise


    GreenCine hat sich mit dem 'Godfather of Gore' unterhalten.

    Sein Blood Feast ist in Deutschland noch immer staatsanwaltschaftlich verboten. Damit kein erwachsener Bürger des Landes sieht, wie das aussieht, wenn auf Schaufensterpuppen-Arme Himbeersirup geschmiert wird und wenn Kalbszungen in die Kamera gehalten werden. Denn Deutschland meint es gut mit Dir.


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    Das Frohlocken darüber, dass exakt jenes Buch, das man sich gerade in bester Erhaltung im Wissenschaftsantiquariat zum Preis von unter zwei Schokoladenriegel unter den Nagel gerissen hat, mitunter im dreistelligen Bereich gehandelt wird.

    Noch viel mehr allerdings darüber frohlocken, dass man sich ein so dickes, so tolles Buch ins Regal stellen kann.

    Ach, überhaupt: Das Bücherkaufen. Keine Woche ohne die Sorge, wo das nur alles wieder untergebracht werden soll.


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    Die jüngste Zeit war eine bemerkenswerte für Takashi Miike. An sein einstiges Images als durchgeknallter Splatter-Rabauke erinnert nur mehr wenig; dafür hat er zuletzt vor allem seine kreative Vielseitigkeit unter Beweis gestellt und einige seiner besten Filme vorgelegt.

    Sein neuester Film ist nun - man höre und staune - ein Remake von Sergio Corbuccis Schlammwestern Django, übersetzt allerdings in eine japanische Umgebung, die, so stellt der erste Teaser-Trailer (man klicke auf den Button rechts) in Aussicht, vom Original indes nicht allzu weit entfernt ist. Ich bin gespannt.

    Nachtrag: Der Trailer ist jetzt auch auf YouTube.


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    Montag, 26. März 2007
    Thema: DVDs

    Einer der besten Filme meiner diesjährigen Berlinale war Killer of Sheep, der als restaurierte Wiederaufführung im Forum lief. Die am Ende dieses Interviews angekündigte DVD liegt nun vor und ist der New York Times ein Feature wert, in dem der mühselige Prozess dieser Veröffentlichung - alleine die Heranschaffung der Musikrechte dauerte rund sechs Jahre - näher beleuchtet und gewürdigt wird.



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    Sonntag, 25. März 2007
    Thema: radio


    Egg City Radio ist ein neuer Podcast [feed], der aus dem Projekt Post Punk Junk hervorgegangen ist. Sehr toll ist die zweite Sendung, die sich ganz der Filmmusik von John Carpenter widmet, deren stringenten und atmosphärischen Minimalismus ich schon immer sehr bewundert habe. Dazu passt, dass ich Carpenter als Regisseur in den letzten Tagen des vergangenen Jahres in einer kleinen 'Privat-Retro' wieder für mich entdeckt habe. Schon leicht jenseits der Schwelle zu seiner Post-Klassik ergab sich dazumal, in den 80er Jahren, nochmals eine Art dialektisches Straucheln des klassischen Kinos mit sich selbst. Ein eigenartiges, nicht zuletzt auch höchst unterhaltsames Vexierbild, das mir Carpenter retrospektiv als einen meiner liebsten Regisseure Hollywoods erschloss.

    Aber egal, wie gesagt, zweite Folge, John Carpenter als Komponist.


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    Samstag, 24. März 2007
    Thema: radio


    Zahlreiche Radiowerbespots für allerlei exploitative Filmkunst aus den 60er und 70er Jahren hier. Dokumente einer Zeit, als das Kino noch einmal vom Hauch des Nickelodeon durchweht wurde. Als Filme noch damit beworben wurden, dass am Eingang Kotztüten verteilt würden, ohne die der Zutritt zum Saal nicht möglich sei. Und welcher nun der "positively most horrifying film" aller Zeiten gewesen ist, erfährt man
    hier!



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    Freitag, 23. März 2007
    Thema: TV-Tipps
    Da das Cine:tv vom Christian wohl grade pennt, weise eben ich drauf hin: Morgen abend läuft Anthony Manns hervorragender, förmlich von mythologischen Strukturen durchsetzter Western Der Mann aus Laramie im Bayerischen Dritten. Sollte man mal gesehen haben, finde ich. Spät in der Nacht, selber Kanal: Ich erschoss Jesse James, Western von 1949, verantworlicht zeichnete Sam Fuller.

    Überhaupt laufen morgen über den ganzen Tag verteilt haufenweise amerikanische Western in den ARD-Sendern; HR, WDR, BR - einfach selber nachschauen. Einen späten italienischen - mit Franco Nero und von Enzo G. Castellari - zeigt dann Tele5 am kommenden Dienstag: Die Rache des weißen Indianers. Ob ein Italowestern von '93 was taugt, ist freilich die ihrer Beantwortung harrenden Frage. Experte Keßler weist ihn in seiner Tv-Woche als "Öko-Variante von Keoma " aus - und Keoma ist ja schon mal nicht der allerschlechteste Referenzpunkt - und hat überdies in ihm viele "liebe Gesichter aus alten Tagen" wiedergesehen. Wie das nun zu werten ist?


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    Thema: videodrome


    By Kurtis Hough.

    [via]


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    Dienstag, 20. März 2007
    Thema: festivals
    Was ich an David Bordwell immer so großartig finde - und was ich bei so vielen anderen Filmwissenschaftlern oft ein wenig vermisse -, ist, dass er sich keinen Zacken aus der Krone bricht, wenn er angelegentlich auch 'nur' mal als "Fan" auftritt. Seine stürmische Begeisterung für Film ist ungebrochen, und er hat keine Scheu dies zu kommunzieren. Das mündet nicht nur in wissenschaftlich sehr exakte Studien, sondern auch in schöne, bestens informierte Fanbücher wie sein Planet Hongkong, das mir bis heute eines der liebsten über die großartige Filmwelt der Ex-Kronkolonie ist.

    Der Grund, warum ich dies schreibe, ist ganz einfach: Bordwell weilt gerade in Hongkong. Auf dem Hongkong International Film Festival, das stolze 23 Tage dauert. Und Bordwell bloggt aus Hongkong. Das macht Freude. Und ein wenig neidisch. Aber ich freue mich schon darauf, was Onkel David die Tage noch aus Fernost zu berichten weiß.


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    Montag, 19. März 2007


    Was ich mir ja wünsche, ist, dass mehr Vorträge, Konferenzen, wenn nicht gleich ganze Vorlesungen, via youtube aus den Sälen und Seminarräumen hinaus gelangen:
    Fredrich Jameson: What is left of Theory?
    Slavoj Zizek: Why only an Atheist can believe

    [via]



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    »Das deutsche Jugendschutzrecht ist unter den demokratischen Rechtsstaaten mit Abstand das strengste.«

    In der hervorragenden Textreihe Zensur zwischen öffentlich und privat befasst sich Peter Mühlbauer auf Telepolis mit der hiesigen, "Jugendschutz" genannten Zensurkultur und -politik. Mühlbauer schreibt höchst aufgeräumt, dankenswerterweise kaum echauffiert und mit bestens informierter Expertise. Die Lektüre ist deshalb von großem Gewinn und wird ausnahmslos allen empfohlen - gerade auch denjenigen, die meinen, dass von Zensur ja doch gar nichts zu spüren sei. Wo ein Staat seinen erwachsenen Bürgern den Medienkonsum diktiert, wird Informiertheit zur Pflicht.

    Teil 1: Wer wacht über die Wächter (12.03.)
    Teil 2: Kinder, Pornos, Killerspiele (19.03.)

    Die Reihe ist auf sechs Artikel angelegt und wird fortgesetzt.



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    Vom 2.-30. April findet im Kino Arsenal eine Werkschau mit restaurierten, englisch untertitelten Kopien der Filme von Mikio Naruse statt. Die Reihe entspricht derjenigen, die derzeit auch im Filmmuseum München und im Deutschen Filmmuseum Frankfurt läuft [edit: Lukas informiert im Kommentar: In Berlin umfasst die Reihe lediglich 10 von den 30 Filmen, die in München & Frankfurt zu sehen sind - schade!]. Das Kino Arsenal reiht sich damit in die derzeitige internationale Aufarbeitung des Werkes von Mikio Naruse ein, die von zahlreichen DVD-Veröffentlichungen in Großbritannien und den USA begleitet wird.

    Weiterführende Links:

    movie magazine search engine ~ movie blog search engine

    Die komplette Pressemitteilung des Kino Arsenals mit Info- und Programmtext findet sich im Kommentar.


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    Thema: DVDs
    ALAN MOORE -writer, artist and performer- is the world's most critically acclaimed and widely admired creator of comic books and graphic novels.

    In The Mindscape of Alan Moore we see a portrait of the artist as contemporary shaman, someone with the power to transform consciousness by means of manipulating language, symbols and images.

    The film leads the audience through Moore's world with the writer himself as guide, beginning with his childhood background, following the evolution of his career as he transformed the comics medium, through to his immersion in a magical worldview where science, spirituality and society are part of the same universe.
    The Mindscape of Alan Moore erscheint Ende März als 2-DVD-Set in Großbritannien bei Shadowsnake Films.

    info ~ trailer



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    Sonntag, 18. März 2007
    Zahlreiche Texte und Links zu Texten zur Theorie der Montage finden sich hier zusammengestellt.

    [via]


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    Thema: Kinokultur
    In drei Artikeln mit je unterschiedlichen Standpunkten befasst sich die Filmkritik der New York Times mit dem immer wichtiger werdenden Phänomen des online viewing, welches das Filmgeschehen zusehends von den klassischen Spielhäusern ablöst - for better or for worse.

    Manohla Dargis nimmt eine gelassen-hoffnungsvolle Haltung ein: Ein Bildschirm ist zunächst ein Bildschirm. Schon heute und bereits in Vergangenheit erlebten die Filmbegeisterten ihre Inititalerlebnisse nicht im Kino, sondern vor dem heimischen Fernsehgerät mit all dessen Unzulänglichkeiten. Vom Videofenster auf dem Computermonitor ginge deshalb kaum eine Gefahr aus; allerdings ist die digitale Cinemathek via Netz noch eher utopische Illusion: Derzeit scheitere das Angebot noch an Kapazitätsmängeln.

    Noah Robischon hat sich neugierig umgeschaut und mehrere Angebote getestet. Mehr als cineastisches Geektum hat er kaum entdecken können, er sieht aber durchaus Potenzial für die Zukunft.

    A.O. Scott macht einem erst das Wasser im Mund wässrig - bleibt dann aber doch in Reserve. Schon die klassischen Distributionskanäle produzieren eine Überzahl von Filmen, die kaum überschaut werden können; online viewing würde diese Zahl noch steigern - ohne ein ordentliches Auswahlkritierium zur Seite zu stellen. Bleibt die Gewissheit: The Future is unwritten!

    [via]


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    Freitag, 16. März 2007
    Der Trailer zu Charlotte's Web, hierzulande seit Januar unter irgendeinem Schweinchen-Willbur-Titel im Kino und wohl wieder so eine Weihnachtsferkelei, die davon erzähllt, dass zu schlachtendes Schwein als besserer Mensch anzusehen sei, dieser Trailer also hat einige Attraktionen zu bieten, die auf einen geheimen Hauptdarsteller schließen lassen:








    Überhaupt ist es interessant, in wievielen Filmen an welchen Ecken und Enden Ratten auftauchen, wenn man nur erst einmal darauf achtet. Meine "Kulturgeschichte der Ratte im Film" muss endlich Kontur annehmen!

    Und dieses Bild bestätigt in der Tat aufs heftigste unsere Vermutungen, was unsere kleine Ratte desabends im Nest so treibt, bzw. wie sie es sich dort gehen lässt...

    Warum die possierliche Digitalratte Meerschweinchenpfötchen aufweist, ist mir allerdings ein Rätsel.



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    Mittwoch, 14. März 2007
    » hihi
    goethe knew it and didn´t give a flying fuck on correctness in grammar.


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    Am Sonntag, den 25. Februar 2007, schmierten Unbekannte antisemitische Drohungen an die Fassade des Kindergartens Gan Israel in Berlin-Charlottenburg. „Scheiß Juden“, „Auschwitz“, „Weg hier“, dazu Hakenkreuze und Runen. Wie sehr sich der Anschlag nicht nur gegen eine jüdische Einrichtung, sondern gerade auch gegen die Kinder richtete, zeigt die Tatsache, dass die Täter Spielzeug der Kleinen mit SS-Runen beschmierten und zerstörten. Auch wenn die Rauchbombe, die die Täter in den Kindergarten warfen, durch Zufall nicht zündete: Der psychische Schaden ist immens, aber auch der praktische Schaden ist erheblich.
    Spendenaufruf.


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    Dienstag, 13. März 2007

    Schon die ersten, sagen wir, zehn Minuten verweisen einen Gutteil des Science-Fiction-Kinos der letzten Jahre in seine Schranken. Children of Men folgt der Tugend jener besseren phantastischen Literatur - von J.B. Ballard beispielsweise, oder Philip K. Dick -, die sich nicht im ziselierten Ausmalen und seitenweise blumigen Sichtbarmachen übt, sondern in wenigen Anmerkungen, Nebensätzen, quasi en passant, eine ganze Welt mit ganz eigenen Implikationen entstehen lässt. Der Spezialeffekt hier nicht als Augestelltes, das in erster Linie auf Rechnerpower und money is time verweist, sondern ganz im Sinne der Etablierung dieser Welt arbeitet. Diese wiederum ist eine, in der seit 18 Jahren keine Menschen mehr geboren wurden. Im London der ausgehenden 2030er Jahre führt dies zusehends zum Chaos zwischen Lethargie und terroristischen Anschlägen. Unterdessen stehen an aller Ecke die Menschenkäfige bereit: Wie wir bald lernen, sind seit einigen Jahren sämtliche Ausländer als illegale Flüchtlinge eingestuft und werden, wie einer sagt, "wie Küchenschaben" gejagt.

    Die Welt hier ist dunkel und trostlos, doch nicht im pathetischen Sinne, weit also entfernt von den Dystopiebehauptungen des in dieser Hinsicht so kläglich gescheiterten V wie Vendetta. Sie ist trostlos, gerade weil die Menschen sich in ihr mit einer Präsenz des Alltäglichen und des Trotts bewegen, die vor der Leidensfähigkeit des Menschen fürchten lässt.

    Theo, einstiger Politaktivist, nun im Büroleben gestrandet, gespielt von Clive Owen, der hier die beste Performance seines Lebens vorlegt, Theo also schlafwandelt beinahe schon durch diese Welt. Wie alles andere in diesem Film ist auch er von einer Tiefe der Zeit geprägt, die die Welt von Children of Men fest im Glaubhaften verankert: Alles, hat es den Anschein, ist hier so, und dies seit langem. Unversehens gerät Theo in die Auseinandersetzungen verschiedener Untergrundorganisationen, die sich um eine junge Afrikanerin drehen, die, wie sie Theo bald offenbart, das erste Kind der Menschheit seit Jahren in sich trägt. Theo, der vermutlich nicht ganz ohne Grund so heißt, fällt wider Willen die Aufgabe zu, die werdende Mutter zu schützen.

    Cuarón durchdringt diese Welt mit seiner Kamera eher, als dass er sie mit ihrer Hilfe konstruiert. Auffallend häufig zieht er sie nach hinten, lässt sie also rückwärts fahren, was bis heute im Erzählkino eine eher ungewöhnliche Art des Filmens darstellt. Entsprechend ausgefeilt ist seine mise-en-scène. Dies nicht als bewusstes Statement zum Status Quo der Filminszenierung zu lesen, fällt schwer: Cuarón lässt selten schneiden, dafür ist seine Kamera ungeheur agil im Feld; den actionreichsten Moment gegen Ende fängt er schließlich in einer so wenig heischenden wie dennoch atemberaubenden Plansequenz ein. Was ein Michael Bay anhand geschätzter 180 Schnitte aufgelöst hätte, mittels Bergen von footage, die am Ende montiert werden, ist bei Curaón eine einzige, schier endlose Kamerabewegung, die dem Raum zwar Kontinuität verleiht, aber dennoch keine Weiträumigkeit, sondern, ganz im Gegenteil, eine beengende Trostlosigkeit etabliert. Diese, bisweilen fast - im allerdings guten Sinne - gemächliche, Sorgfalt in der Inszenierung stellt unter dem Vorzeichen heutigen Filmeschaffens eine kleine Oase dar; unweigerlich fühlt man sich an Glanzmomente der Filmgeschichte aus den 70er Jahren erinnert, als eine lange gute Einstellung mehr zählte als montierte Hektik.

    Children of Men begeistert weniger auf Fanboy-Ebene, eher spricht aus ihm die souveräne Geste eines Regisseurs, der sich auf allen Gebieten absolut sicher ist. Der Film zeichnet ein düsteres und melancholisches Bild der Zukunft, die Ernsthaftigkeit des in ihm eingebetteten Kommentars ist jederzeit abzuspüren. Es ist spannend zu beobachten, wie in jüngster Zeit - etwa auch in Linklaters A Scanner Darkly - klassisch phantastische Stoffe jüngst wieder auf ihr eigentliches Potenzial hin abgeklopft und in dessen Sinne eingesetzt werden. Schön, dass es wieder ernster zugehen darf; für mich zählt Children of Men jedenfalls, nach nun nachgeholter Sichtung, zu den besten Kinohighlights des vergangenen Jahres.

    » imdb ~ filmz.de



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    Thema: Hinweise
    Lukas hat diese Chance genutzt und war begeistert (und beides freut mich gleichermaßen!). [wer sie nicht genutzt hat - hat das Nachsehen!]

    Christian hat zu Infernal Affairs und Departed in kühler Präzision rundherum alles auf den Punkt gebracht.


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    Sonntag, 11. März 2007
    Thema: Kinokultur
    Die Cahiers Du Cinema gibt es nun auch als eAusgabe - in englischer Sprache: Ein sample der Februar-Ausgabe kann hier eingesehen werden.

    Ob die eAusgabe in Zukunft die gesamte Printausgabe in Englisch bringen wird, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen, bzw. sind die Angaben recht kryptisch. Die Februar-Ausgabe weist einige englische Seiten auf, für den 09. März ist ein komplett übersetztes Pendant angekündigt, dass auf der angegebenen Website allerdings noch nicht abrufbar ist.

    Dass sich die Handhabe, die komplette Ausgabe online auch auf englisch anzubieten, etabliert, steht zu wünschen. Ein wenig schade bleibt es natürlich, dass auf diese Weise der Text als solcher zusehends ins Grafische entschwindet, was einer privaten elektronischen Archivierung - mit allen Annehmlichkeiten einer solchen - freilich zum Nachteil gereicht. Aber vielleicht findet sich dafür noch eine Lösung.


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    Samstag, 10. März 2007
    09.03.2007, b-ware!LadenKino

    Die U-Bahn kommt in Gang, über das Bild rollen sich unzählige Fahndungsfotos wie ein Fetisch: Gesucht wird Matsu, genannt "Sasori", der Skorpion, gespielt von Meiko Kaji. der unangefochtenen Königin des japanischen Exploitationfilms. Ein Chanson hebt an: Das Rachelied einer Frau. Schon der Vorspann ist reinste, rauhe Poesie, wie man sie nur im Exploitationfilm finden kann; die existenzialistische Schönheit des Verbrechens in einer schmutzigen Welt.

    Von der Poesie der Filmlayer und Vorspannmusik wechselt der Schnitt hart zur blanken Realität: Matsu im Innern der U-Bahn. Im zweiten Teil war sie den Häschern des Strafvollzugs entkommen, nun versucht die gesuchte Ausbrecherin unterzutauchen. Es gelingt nicht, ein Polizist in zivil versucht sie zu überwältigen, indes ohne Erfolg: Sie steht draußen, vor der U-Bahntür, die sich schließt, er noch im Innern, beide mit einer Handschelle aneinander gekettet. Mit großem Schwung zieht sie das Messer - zwei, drei Hiebe später ist der Polizist entarmt und Matsu gelingt die Flucht: Mit einer Handschelle am Handgelenk und mit einem abgeschnittenen Arm im zweiten Ring. Der gerade erst begonnene Film hat hier bereits seinen ersten Höhepunkt.

    Die Gewalt ist grell, doch wirkt sie nie der Gewalt alleine wegen aufgegeilt. Es liegt keine Herrlichkeit in ihr; sie wirkt gehetzt, reflexartig, wie ein letztes Mittel in einer übermächtig gewordenen Welt, die einen zu verschlingen droht. Im Falle von Sasori 3 ist dies wörtlich zu verstehen: Matsu flüchtet in die graue Unterwelt verelendeter Prostituierter und muss schließlich in die abgedrängte no go area der Gesellschaft schlechthin flüchten: In die Kanalisation, wo sie Wasserfluten und Feuersbrunst gleichermaßen zu widerstehen hat.

    Der erste Sasori-Film war ein von der Muse höchst inspiriertes Meisterwerk des Exploitationfilms, das zwischen Sleaze und dem Autorenfilm entlehnten ästhetischen Manövern changierend den Clash höchst unterschiedlicher Film- und Bildmodi zelebrierte; von solchen Ambitionen ist nun der dritte Teil zwar leider weit entfernt. Doch baut Shunya Ito auch in diesen regelmäßig melancholisch-poetische Zwischentöne ein, etwa in jenen Momenten, in denen die Prostituierte, bei der Matsu untergekommen ist und für deren Sache sie fortan kämpft, Matsu in der Kanalisation sucht: Zu diesem Zweck beugt sie sich über die zahlreichen Kanaldeckel ihrer Stadt, ruft wehmütig "Sasori" in die Tiefe darunter und wirft brennende Streichhölzer als visuelles Signal hinterher. Die Perspektive wechselt in die Kanalisation, von wo aus man den tief gestaffelten Raum sieht - und die brennenden Streichhölzer, die von oben herab fallen und die nach und nach näher an die Kamera kommen, begleitet vom Rufen der Frau, die ihre Weg- und Kampfgefährtin sucht.

    Wenn Sasori 1 also Künstlichkeit suchte, sucht der dritte Teil nun die rauhe Poesie im Faktischen. Matsu ist in der konkreten Welt angekommen, wo sie erneut dazu gezwungen ist, ihre Skorpionstachel auszufahren. Erneut verleiht ihr Meiko Kaji eine atemberaubende Präsenz. Am Ende scheint sie ihren Frieden gefunden zu haben, indem sie sich als Person ganz auslöscht: "Aufenthalt unbekannt", endet das letzte Schriftinsert. Der vierte Teil lugt schon um die Ecke.

    Eine DVD ist von Rapid Eye Movies angekündigt.

    » imdb



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