Montag, 9. Juli 2007
Thema: Hinweise
Manchmal fügen sich die Dinge und alles gerät gut.

Im April fand im Rahmen des IndieLisboa Filmfestivals die vom hochgeschätzten Olaf Möller kuratierte Reihe "A German Cinema" statt, die eine sehr subjektive und glücklicherweise sehr schmock- und industriebefreite Schau des interessanteren deutschen Films gestattete.

Reiche Nachlese in Form von Texten belohnt auch das hiesige Publikum: Der ebenso geschätzte Michael Baute war in die Jury berufen und berichtet nun in üblich charmanter Weise von seinen Abenteuern. Olaf Möller kommentiert und reflektiert seine Zusammenstellung (sehr schön der eine Absatz über Karmakar, den ich aus einer Laune heraus, die ich nicht bereue, letztens um 1 Uhr nachts auf der Simon-Dach-Straße als den besten proklamiert und verteidigt habe), alldieweil Cristina Nord schließlich "Notizen zur Berliner Schule" beisteuert. Alles als Langtexte auf newfilmkritik.de, wo Michael Baute, eigener Aussage nach, den Hausmeister gibt.

So gut und spannend kann Kinokultur in manchen schönen Momenten dann eben doch sein, wenn alles passt und von Herzen kommt. Danke allen Beteiligten.

Bleibt allein die Frage, wann, endlich, ich Chronik des Regens sehen kann.


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Mittwoch, 4. Juli 2007
Thema: Hinweise
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If you’re purely after facts, please buy yourself the phone directory of Manhattan.
Die "New York Times" hat Werner Herzog interviewt.


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Liebe Leute, so geht's nicht. Man kann nicht einfach allerweil dem Florian von Hinkel-Sonder-Dunnerstein zu Markenlaken an der Havelsburg (oder wie die Type halt heißt) die Pillen wegnehmen. Dann dreht der nämlich völlig ab und also blöde Filme oder er fährt wie narrisch durch's Land, um allen, die bei drei nicht auf den Bäumen sind, seinen Goldschwengel ins Gesicht zu halten, oder aber er schreibt deliranten Schwachsinn in Formvollendung auf und schickt das dann Qualitätszeitungen, die's dann auch noch abdrucken ("Ah, der Typ mit dem Goldschwengel!" o.ä.) und zur Krönung noch ein relevanzpornografisches "Debatte" drüber kleistern. Und am End' gibt's dann wieder Tränen und lange Gesichter überall.

Also, Leute. A) Wer war's und B) mach's nie wieder!


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Thema: Hoerspiele
Eine lobenswerte Initiative des WDRs:
WDR 3 startet eine neue Initiative im Netz: Mit dem Hörspiel von Schorsch Kamerun "Ein Menschenbild, das in seiner Summe null ergibt" wird erstmals ein Hörspiel, das im Radio gesendet wird, auch als Download im mp3-Format angeboten. Und jeden Monat wird es bei WDR 3 ein weiteres Hörspiel zum befristeten Herunterladen geben.
Das Hörspiel des Goldene-Zitronen-Sängers kann man auf dieser Seite beziehen. Schön wäre das, wenn weitere Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit vergleichbaren Aktionen nachziehen.


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Sonntag, 1. Juli 2007


Die "Jungle World" wird 10. Der linken Wochenzeitung aus Berlin ist dies einen so amüsanten, wie informativen Rückblick wert, der sich über eine ganze Ausgabe erstreckt; ich meinerseits entbiete beste Glückwünsche und freue mich auf mindestens weitere zehn Jahre des Zentralorgans der Rocklinken.

Dass ich mich über dieses Jubiläum freue, hat natürlich viele Gründe. Der vorderste ist publizistikwissenschaftlich freilich schnell erklärt: Einigen Studien zufolge greifen Medienkonsumenten vor allen Dingen auf Medien mit jenen Inhalten zurück, die eigene Ansichten und Meinungen bestätigen und verstärken. Für mich bedeutet dies, dass im hiesigen Blätterwald keine Tages- oder Wochenzeitung meiner eigenen Ansicht so nahe kommt wie eben besagtes Kreuzberger Blatt. Wo sonst findet man schließlich ein dezidiert linkes Organ, dass Juden und Israelis nicht totzuschlagen und Israel den Fluten des Mittelmeers zu überantworten gedenkt? Wo sonst wird den linken Unarten eklen Moralisten- und Körnerfressereitums auf so unverschämt sympathische Weise das einzig sinnvolle Körperteil, richtig: der Mittelfinger, gezeigt? Wo sonst gibt's statt linker Gartenzwergkolonien nochmal eine Ahnung davon, was das schöne Leben sein könnte? Eben!

Ja, manchmal liegt die Zeitung nicht ganz richtig. So fuckin' what. Nur die übelsten Menschenfeinde haben beim Patentamt ein Anrecht auf Unfehlbarkeit(TM) hinterlegt. Mag nicht jedes Cover den Gepflogenheiten politischer Korrektitüde entsprechen, so ist's doch jedes Mal erfrischend, weil ein paar Koordinaten verschoben oder zumindest in Frage gestellt werden. In Frage stellen finde ich nämlich ganz grundsätzlich gut, schlimmer als jede Angemessenheit ist schließlich Gesinnungskruste und ästhetischer Biedermeier. Lieber zweimal gut provoziert, als einmal es allen recht gemacht.

Aber es gibt ja noch andere Gründe, warum ich mich dieser Zeitung mit dem goldenen Herzen romantischer Krimineller so verbunden fühle (Abo gekündigt: Februar 2001). Zum einen, weil ich just zu dem Zeitpunkt, als das Blatt unter schwersten, ja skandalösen Bedingungen die Welt betrat, mit einigen Provinzgenossen zur gemeinsamen Wohnungssuche in Berlin weilte. Mann, was hatte das Eindruck auf mich gemacht: Friedrichshain lag damals, Mai '97, ja noch halb in Trümmern, an den heutigen Amüsierbetrieb daselbst war noch lange nicht zu denken und jede zweite Fassade verkündete es per Anschlag, was in den Redaktionsräumen der "Jungen Welt" vor sich ging und dass eine Zeitung namens "Jungle World" in Aktion getreten sei. Es gab damals noch besetze Häuser und auf einen wie mich, der damals noch eine lustige Frisur, Militärhosen im camouflage-Stil und schwarze T-shirts mit düsteren Bildern das Elend dieser Welt betreffend trug, machte das schon höllisch Eindruck, was hier, in dieser Stadt, vor sich ging. Ich war mir sicher: Hierher kam ich und würde die Revolution noch sehen. Die nächsten 13 Monate sah ich dann in braver Ausübung meiner Bürgerpflicht zunächst einmal nackte Seniorengenitalien. Das (und die) war(en) meist beschissen. Festzuhalten bleibt aber: Jedes Jubiläum der "Jungle" ist damit für mich auch "Berlin-Jubiläum".

Dann immerhin veröffentlichte ich in der "Jungle" auch meinen ersten Feuilleton-Artikel. Hurra, auch wenn sonderlich stolz auf ihn ich eigentlich nicht bin. Ist bislang auch mein einziger geblieben, was späteren Werkphilologen die Arbeit immerhin erleichtern wird.

Schlussendlich gibt es in der "Jungle" immer wieder Dinge, die's woanders ganz einfach mal nicht gibt. Die Filmkritiken sind zwar oft mäßig erfreulich; entweder es herrscht Ahnungslosigkeit oder Pornografie mit liebgewonnenen Seminarhandapparaten. Dann und wann gibt's aber echte Leckerbissen; wenn Kuhlbrodt (Dietrich) dort die Feder schwingt zum Beispiel (grad aktuell wieder mit einem ganz tollen Text), oder wenn Seeßlen sich mal so gehen lassen kann, wie's die Bürgerhefterln ihm wohl kaum gestatten. Nettelbeck schrieb dort sehr schöne Sachen, mal gibt's tolle Dossiers oder Artikelreihen, die feuilletonistisch betrachtet streng genommen gar keinen Sinn ergeben, weil sie von Aktualitätsbezug nicht sind. Ich finde das toll. Das macht die Zeitung zur Wundertüte, zum Experimentallabor. Das stiftet Freude und Frohsinn und alle sind sich's zufrieden.

Oder damals, Kuhlbrodts (Detlef ist jetzt gemeint, nicht Dietrich) Tagebuch aus dem, ich glaub, November. Ein Glanzstück von Zeitungsprosa, so ein bisschen wie Alltagsbloggen in einer Wochenzeitung. Als Stern, Tagesspiegel, Spiegel, Focus und wie die ganzen Spelunken nicht alle heißen, noch nicht einmal den Arsch zur Hand hatten, mit dem man Weblogs schließlich nicht anschaut, gab's in der "Jungle World" schon erste, neugierige, kundige Berichte drüber. Der Praschl hat da mal was getextet, wenn ich mich nicht irre.

Dann noch der Begriff der "Rocklinken", für den man unendlich dankbar sein muss. "Poplinke", was für ein totaler Scheiß, ma echt jetz, wie völlig Wurscht. Aber "Rocklinke", yeah, das isses!

Die "Jungle World" ist ein Freibeuter im Ozean der waldvernichtenden Industrie. Manchmal gibt's nur mitgebrachtes Strandgut, aber häufig kehrt man von verwegenen Expeditionen mit vollen Händen zurück und kann dann exquisite Beute bestaunen.

Als Vagabund solcher Art kann man's nicht jedem recht machen. Die "Jungle" macht's genau den richtigen nicht recht und tut gut daran - auf die nächsten Jahre, mögen's unzählige sein!


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Freitag, 29. Juni 2007
Thema: Hinweise
Merkwürdiges kündigt heute der britische "Guardian" an: Ein ins heutige Los Angeles versetzte Remake von Alfred Hitchcocks so frühem wie stummem Serienkillerfilm The Lodger sei in Planung. Wie man sich das konkret vorstellen darf, bleibt, nun, unvorstellbar; an ein Kunst zwar vielleicht nicht wollendes, aber doch suchendes, vor allem aber Fragen stellendes Projekt wie van Sants Psycho-Remake darf man wohl kaum glauben.

Allerdings bin ich gespannt, welche Spezifika des so in den Stand eines "Originals" gesetzten Films das Remake herausarbeiten wird, um sich selbst als eben solches schließlich zu verhalten, was umso schwieriger sein dürfte, da sich ja der Ripper- und Serienkiller-Thematik ein kaum mehr überschaubares Konvolut von Filmen und Genrebeiträgen anschließt.


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Donnerstag, 28. Juni 2007
Thema: Hinweise
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" - das ist so, als würden ununterbrochen vier Millionen Atombomben explodieren"
Die taz hat Werner Herzog interviewt.


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Mittwoch, 27. Juni 2007
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Call an ambulance, Min's got cancer.
But my heart is busted now I'll die faster.
Her music's been done, her songs have been sung.

- The Van Pelt: His Saxophone is my Guitar.

Die SMS meiner Freundin erreichte mich vorhin auf Arbeit. So ich denn morgen früh Zeit hätte, solle ich vorbei kommen, schrieb sie, "unserm Mäuschen" - das ist unsere Ratte, genannt Radieschen - war es heute nicht so gut gegangen. Vielleicht nur falscher Alarm. Vielleicht ein Abschied.

Angefangen hatte es vor rund drei Wochen. Da entdeckten wir die erste Murmel an ihrem Hinterbeinchen. Innenseite. Tumor. Rattenschicksal, ab einem gewissen Alter. Unser Mäuschen ist nicht ganz zweieinhalb und bestätigt so die Statistik für solche Fälle. Natürlich war sie zuletzt auch älter geworden. Ein grauer Bart am Kinn. Es hüpft nicht mehr. Gemächlich geworden, ruht viel. Aber die Barthaare und Augen, beide witzig geblieben, neugierig auf alles. Und der Hunger erst, den unser kleiner Flatsch - wohlgenährt ist sie ja schon - immer und andauernd hat, wenn irgendwo geräuschvoll was zu essen ausgepackt wird.

Zunächst dachten wir: Das ist so klein, das kriegt man noch weg, operativ. Am nächsten Tag gab es keinen Tierarzt in Friedrichshain und Umgebung, der keinen Anruf von uns erhalten hätte. Allüberall dasselbe: In dem Alter, auch wenn sie rüstig ist, die Ratte, zwecklos. Entweder Quälerei oder das Tier wacht gar nicht mehr auf. Dann war da noch ein zweiter Tumor: Keine Murmel, eher ein Schwamm, am anderen Hinterbeinchen. Den kriegt man gar nicht weg, meinten die Experten. "Machen Sie dem Tier ein paar schöne letzte Wochen. Manche leben noch einige Monate mit einem Tumor. Und wenn es sich zu quälen beginnt, verabschieden Sie sich, ersparen Sie dem Tier das Schlimmste."

Nie hat ein Tier mein Herz derart erobert wie das Radieschen. Vom ersten Tag an, als es ganz frisch angekommen auf dem Küchentisch saß und scheu nach links und rechts schaute, hatte ich einen Narren daran gefressen. In meinem Bekannten- und Freundeskreis kam kaum einer drumrum, sich meine gesammelten Handyfotos anzukucken. Mein ganzer Stolz, das kleine Tier. Man macht sich ja gar keinen Begriff davon, was für ein Glück es ist, am Morgen davon geweckt zu werden, dass ein kleiner Fluff von einem Fellball hektisch an einem entlang wuselt (das Tier lebt frei in der Wohnung meiner Freundin, deshalb). Oder aber, wenn man Sonntag morgens bis mittags weder Drang noch Dringlichkeit verspürt, das Bett zu verlassen, weil man von der Sonne angestrahlt wird und die Augen noch gar nicht offen hat, und wenn dann, zu dieser Ruhe, sich plötzlich das emsige Trappsen kleiner Nagetierpfötchen auf Teppichboden hinzugesellt, weil der kleine Fratz gerade sein Nest verlassen hat und auf Nahrungssuche gegangen ist. Drippdrippdrippeldidripp-drippdripp drippldrippldrippld-dripp. Gefolgt vom Knusperknabbern, wenn der Futtertrog schließlich erreicht ist. Oder aber ein Kratzen und Ziehen, weil sich das Tier an der Matratze hochzieht und mit unter die warme Decke möchte. Guten Morgen, Maus, ja, ich bin auch schon wach, lass mich noch die Augen öffnen, dann bin ich da.

Sein verspieltestes Thema hat Ennio Morricone im Titellied von Mein Name ist Nobody untergebracht. Da steckt viel Witz und Neugier drin, wenn das Lied erst zu drippeln beginnt und schließlich die Flöten einsetzen. Ich kann nicht anders, als in diesem Lied nur noch das kleine Mäuschen zu sehen, wie es noch ganz jung war: Hallo, Welt, da bin ich, was hast Du für mich zu bieten, in Deinen Ecken und Winkeln? Dapp-dadapp-da-dapp-dada-dappdapp.

Radieschen hat mir eine kindliche Qualität von Freude zurückgegeben. Dafür bin ich ihm dankbar. Ich werde mich morgen verabschieden müssen, wahrscheinlich.

Es tut weh. Auf meinen Lippen der Geschmack von Salz. Mach's gut, kleine Maus.

Nachtrag: Heute nachmittag, so gegen halb vier, tat das Herz unseres Mäuschens seinen letzten Schlag. Es entschlummerte, dank einer Spritze, sanft in den Händen und unter den Liebkosungen meiner Freundin. Dem waren Stunden des Abschieds mit vielen Tränen und Zärtlichkeiten vorausgegangen. Ich hatte dem Mäuschen nochmals Sahne vom Vanillepudding mitgebracht, die es immer so gern mochte. Näschert wie eh und je hatte es mir diese von der Fingerkuppe geschleckt, da glomm nochmals der alte Eifer in seinen Augen auf.



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Montag, 25. Juni 2007
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Erst vor kurzem musste ich innerlich wieder schwer die Augen nach oben verdrehen, als ein Kommilitone im filmwissenschaftlichen Referat es sich nicht nehmen ließ, anhand einer Sequenz aus einer us-amerikanischen TV-Serie auf "die prüden Amis" hinzuweisen. Schon deshalb muss man der flickr-Kontroverse der letzten Tage - und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir in naher Zukunft noch viele weitere Spektakel solcher Art erleben werden - eigentlich im höchsten Maße dankbar sein, weil sie deutlich aufzeigt, in /welchem/ Land der westlichen Industrienationen der Jugendschutz, nimmt man ihn beim juristischen Wort, ins völlig Groteske und Bizarre entglitten ist. Ob und wie der deutsche Jugendschutz solche Manöver wie die von flickr zur deutschen Premiere eingeleiteten wirklich nötig machen oder nicht, ist dabei völlig unerheblich - es reicht alleine schon der Umstand, dass man, um auch wirklich sicher gehen zu können, angesichts einer paranoischen Gesetzeslage solche Restriktionen am besten schon im Vorfeld quasi-paranoisch in Erwägung ziehen muss.

Es ist erstaunlich, wie wenig Bewusstsein dessen herrscht, was in dieser Hinsicht in Deutschland abgeht. Da ich in einer Videothek jobbe, liegen mir Feld-Erkenntnisse sozusagen "aus erster Hand" vor. Groß ist oft das Erstaunen, wenn die Leute erfahren, dass es so etwas wie Indizierungen gibt und welche hirnrissigen Manöver diese nötig machen, will man nicht strafrechtlich belangt werden (dass die Bundesrepublik die einzige Nation des Abendlandes ist, in dem Herstellung und Vertrieb so genannter,allerdings fiktiver "Gewaltfilme" mitunter auch strafrechtlich belangt werden können, spricht dabei Bände), von Beschlagnahmungen und Verboten ganz zu schweigen.

Und schließlich sollte noch auf eines hingewiesen werden. Als in den USA "Deep Throat" an den us-amerikanischen Kinokassen in die Top5 der Jahresabschlussbilanz der Filmindustrie quasi "gewählt" wurde, drehte man in Deutschland noch strunzdumme Schulmädchenreport- und Lederhosenfilme, die an Misogynie, Verklemmtheit, Lustfeindlichkeit und Spießbürgerlichkeit kaum zu übetreffen sind. An subversive Meisterwerke wie The Opening of Misty Beethoven oder Thundercrack! ist unter deutschen Bedingungen, egal an welchem exakten historischen Ort, schon gleich nie überhaupt nur zu denken gewesen. Die Nachwirkungen dieser schwer neurotisierten Kultur sind heute noch zu spüren, wenn sie nicht noch immer alltäglich ist, betrachtet man sich etwa nur die Diskrepanz zwischen empörten Headlines, Kleinanzeigenteil und dem Altherrenwitz in Fotoform, welche die erfolgreichste Zeitung Deutschlands, im übrigen noch immer die beste Widerspiegelung der Kultur-Kloake, die dieses Land nun einmal ist, ohne mit der WImper zu zucken in sich vereint.


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Thema: videodrome
Pullquote hat eine Demonstration des Single Shot Verfahrens von Leonard Retel-Hemrich gepostet - und das Material ist so erstaunlich wie atemberaubend. Gut gefällt mir, dass es hier nicht nur um eine technische Spielerei geht, sondern dass Retel-Hemrich in der Tat nach Möglichkeiten des künstlerischen/filmischen Ausdrucks sucht. Mehr Informationen gibt es hier.

[via]



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Thema: Hinweise
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"...das ist noch roh und anarchisch und vulgär".
Die "Süddeutsche" hat Werner Herzog interviewt.



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Freitag, 22. Juni 2007
Thema: Hinweise
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"Und dann habt ihr einen Gegner vor euch, sowas habt ihr noch nie erlebt."

Der "Tagesspiegel" hat Werner Herzog interviewt.



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In japanischen Filmen sitzen die Leute oft auf dem Boden ihrer Wohnstätten. In mir hat das immer einen ganz eigentümlichen Eindruck einer gewissen Freiheit, oder vielleicht besser Vetrautheit erweckt. Ein Wohnraum ist erst dann erschlossen, wenn man in ihm mit aller Selbstverständlichkeit sitzen kann und schließlich denn auch sitzt.

Gerade jetzt im Moment sitze auch ich hier auf dem Boden meines Wohnzimmers. Der Grund dafür ist einfach: Seit wenigen Tagen habe ich meinen ersten Laptop. Und obendrein ist's noch mein erstes Linux-System. Neue Welten.

Es fühlt sich schön und gut an. Auch das Netz fühlt sich jetzt anders an. Ich habe mir Kubuntu besorgt und fühle mich sogar schon recht sicher damit. Das System läuft, ist zu meiner Zufriedenheit schnell und ich kann alles damit machen, was ich vorhabe. Und das beim Erstkontakt und ganz auf eigene Faust (zugegeben: Zahlreiche Foren und Wikis haben mich durch bereitgestelltes Wissen unterstützt). Es ist beeindruckend, wie easy Linux mittlerweile zu handhaben ist (wenn man nicht gerade äußerst spezielle Wünsche an sein System richtet). Zweifler und Skeptiker, die sich zurück- und an ihrem WinXP halten, seien beruhigt und zugleich zum Wechsel ihrerseits angehalten.Traut Euch einfach! :-)

Jetzt gerade bin ich sehr glücklich über meine neue Arbeitsumgebung und deren Portabilität. Wundervolle Potenziale für die Zukunft tun sich auf. Ich sitze auf dem Wohnzimmerboden und bin im Internetz. Das hat's vorher bei mir nicht gegeben.


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Wollte nur kurz durchgeben, bzw. darauf hinweisen, dass heute abend um 22.15 auf RTL die Serie Prison Break startet. Wer noch nicht das Vergnügen hatte, diese Serie via Import-DVD zu sehen, darf sich meiner dringenden Empfehlung sicher sein! Prison Break erfindet das Rad zwar kaum neu, hebt aber Erzähl- und Spannungsökonomie auf ein ordentlich hohes Niveau. Nicht zuletzt ist Scofield, die Hauptfigur, schlicht und ergreifend the new cool (ein Aspekt, der allerdings in synchronisierter Form vermutlich beschädigt wird).

Auf SpOn gibt's ein paar Beobachtungen (siehe aber auch FAZ), die a bissl zu sehr auf mangelnde Logik versteift sind (meine Güte, na sicher ist da viel heiße Nadel drin, aber bei Hitchcock weist ja auch kein Mensch dauernd drauf hin, dass da ganz schön viel ganz schön unlogisch ist!), wo das Spannende an der Serie doch gerade die Aufbereitung des Verhältnisses zwischen allmächtig nur erscheinendem Überwachungsapparat und intellektuell-sportiv informierten Umgehungsstrategien ist, die im Zeitalter von Innenministeriums-Deppen, Videotechnik-Lobbyisten und Kontroll-Freaks fast schon subversiven Charakter erreicht.

Aber egal. 22.15, RTL: anschauen, Chips & Bier nicht vergessen.


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Im Abspann finden sich kaum Figurennamen. Alle, um die es im Kern geht, sind lediglich in Form ihrer basalsten Funktion ausgestellt: The Driver, steht da, the Detective, the Player, the Kid usw. Und um Funktionen, ums Funktionieren, damit mithin um Ökonomie, auch der des Erzählens, geht es letzten Endes. Der Fahrer aus dem Titel, Ryan O'Neal spielt ihn als Mann ohne Regungen mit Bravour, fährt wie kein zweiter, der Detective ermittelt regelrecht um sein Leben, und "The Player", gespielt von einer der schönsten Frauen der Welt: Isabelle Adjani, setzt aufs Ganze und tut, was eine femme fatale im Noir-informierten Thriller zu tun hat. Ein Rad greift folgerichtig ins Nächste, immer gibt es nur die nächste Schaltung, die sich aus der voran gegangenen ergibt.

Der Tonfall des Films ist blanke Lakonie: Mehr wird weggelassen, denn gezeigt. Aufs allerallernotwendigste reduziert ergibt sich bei The Driver Brillanz und Eleganz zu gleichen Teilen. Figuren lernt man nicht kennen, Psychen bleiben außen vor, Psychologisierungen schon erst recht. Motive, Biografien - alles Ballast, der die schlichte Anordnung von Bewegungen und Manövern, die The Driver ist, nur unnötig verschleiern würde. Dem Minimalsmus jeglicher Figurenregung in diesem Film entspricht der Minimalismus von Form und Story: Unaufgeregter war selten ein Film aus dem Herzen der US-Filmindustrie, zumal im Zeitalter nach Jaws und Star Wars.

Minimal bleibt einer hingegen nicht: Der Detective, der einzige, der im eigentlichen Sinne handelt (wenngleich man sich beim "Player" darüber nicht sicher sein kann). Seine Obsession, den Driver dingfest zu machen, führt, zumindest im Maßstab des Films, zu emotionalen Ausbrüchen, die in der stumm bleibenden Fassade des Drivers ihren Widerpart erhalten. Der Driver selbst hingegen bleibt, wie wohl Titelheld, bis zum existenzialistischen Nullpunkt geronnen bloßer Reaktion verpflichtet: Sondieren der Lage, sich darauf einstellen, ihr gemäß manövrieren, dabei nicht mit der Wimper zucken. Interesse- und motivlos kennt er in einer Welt, die offenkundig nichts zu bieten hat (die Kulisse, eine us-amerikanische Großstadt, bleibt seltsam diffus, nicht einsortierbar und auffallend unattrakativ als Lebensraum, dabei doch stets präsent über die um eigentümliche Authentizität bemühte Tonspur), nichts anderes außer: Überleben, against all odds.

Ein Held ist er deshalb genau nicht. Er gewinnt kein Herz, rettet keins, greift nicht ein, kein Impetus geht von ihm aus, kommt gerade so ums Schlimmste herum, läuft am Ende aus der Welt. Was er aber kennt ist Solidarität der Klasse wegen: "Go home", sagt er zu seinesgleichen auf Seiten des Widerparts, die Pistole in der Hand. Mehr bleibt ihm selbst am Ende schließlich auch nicht übrig. My car, my home - all diese american values, von denen schlussendlich kaum was bleibt, von Trostzuflucht und Utopieversprechen ganz zu schweigen.

Ein stilles Meisterwerk.

imdb


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Samstag, 16. Juni 2007
David Bordwell hat einen ausführlichen und, wie kaum anders zu erwarten, glücklicherweise sehr theorielastigen Nachruf auf den kürzlich verstorbenen Filmtheorie-Pionier Rudolf Arnheim verfasst.

Mittlerweile ist auch auf der Website des Deutschlandfunks ein Nachruf zu finden, den man sich auch anhören kann.



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Thema: Hinweise
Vor wenigen Tagen bot sich im us-amerikanischen Fernsehen die seltene Möglichkeit zur Sichtung von Frederick Wisemans letztem Dokumentarfilm State Legislature. Der New York Times ist's eine (wenngleich pikierte) Fernsehkritik wert.

Ich habe den Film auf der letzten Berlinale gesehen und war begeistert.



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Donnerstag, 14. Juni 2007
Thema: Kinokultur
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Die FSK hat mal wieder zur Überarbeitung gebeten. Corpus Delicti ist der heute startende Hostel 2. Sicher, geschnitten hat ihn die FSK nun nicht; doch wenn einer ungeschnittenen Filmfassung die schon aus juristischen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Gründen notwendige Freigabe selbst noch für Erwachsene verwehrt wird, was bleibt einem da noch anderes übrig als eben die Schere anzusetzen? Die FSK ist und bleibt in solchen Fällen eine Instanz der Vorabzensur.

Fünf Minuten des Films fehlen. Fünf Minuten, die zu sehen die FSK einem erwachsenen Menschen nicht zutraut. Dabei spielt es keine Rolle, ob man den Film nun sehen möchte oder nicht, ob einem das Genre nun passt oder nicht. Mir ganz persönlich ist das auch egal, ob da fünf Minuten drin sind oder nicht - weil ich mir den Film im Kino eh nicht anschauen werde. Trotzdem gibt es nicht den geringsten Grund dafür, dass mir und jedem anderem erwachsenen, also mündigen Bürger eine FSK vorschreibt, in welcher Fassung ich einen Film sehen darf und in welcher nicht. Noch dazu, wenn, wie Kothenschulte in der "FR" schreibt, der Sinn des Werks durch solche Eingriffe in dessen Integrität verzerrt wird - shame on you!

Zweite Baustelle der FSK derzeit: Die Freigabe des Films Nympha, den epiX auf den Markt bringen möchte. Kann man hier im Firmenforum nachlesen. Dem Vernehmen nach (und ich glaube Morris von epiX, den ich persönlich kenne, ohne weiteres) ist der Film zwar nicht ganz ohne, aber keineswegs kontrovers; entsprechend ratlos hockt man nun bei epiX da. Muss man eben nochmal prüfen lassen (kostet Geld), auf eine andere Kommission hoffen, oder eben den Film kürzen. Und da das Verfahren der FSK so transparent wie ein Moortümpel ist, muss man eben auf gutglück kürzen. Was für eine Saubande.


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Dein neuer Webauftritt ist zwar ein bisschen gewöhnungsbedürftig, wird aber wohl mit der Zeit okay gehen. Wenngleich ich die vorherige Schlichtheit eigentlich ganz angenehm fand (und die Werbebomben ringsum, well, für was gibt's AdBlock, nicht?).

Aber unverzeihlich, also wirklich unverzeihlich ist: Dass Du Dein weitreichendes Online-Archiv mit dem neuen Auftritt einfach mal vom Netz genommen hast. Sorry, aber: Dat is Bullshit, big style.


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Mittwoch, 13. Juni 2007
Thema: Hinweise
Großer Lesespaß: Ekkehard watscht Hostel 2 gehörig ab. Da schon Teil 1, ebenfalls von Eli Roth in die Welt gebracht, ein selten gesehenes Ausmaß von Blödheit und Langeweile erreicht hatte, kann die Kritik wohl kaum daneben liegen.


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Mittwoch, 13. Juni 2007
Seminarsichtung "Sex im Film", 12.06.2007.



Als die berüchtigten Experimentalfilm-Sequenzen gegen Ende von Behind the Green Door, diesem höchst seltsamen, höchst befremdlichen, wundervoll enrückenden und nie ganz zu greifenden Porno, einsetzen, kommt spürbar Bewegung in den fast zum Bersten gefüllten Seminarraum. Geschäftigkeit in allen Ecken, plötzlich hört man allüberall Stühle rücken, Sitzpositionen sich wechseln, papiernes Rascheln, weggelegte Stifte und nervöses Lachen, das hilflos, auf der Suche nach Antwort und Echo, in den Raum geworfen wird und dabei stets an sich vorbei zielt.

Man spürt es förmlich im Raum stehen, wie wenig mit den so erstaunlich primitiven, aber wirkungsvollen Sequenzen zurande gekommen wird. Die Kontraktionen eines, wie es scheint, übervoll mit Sperma gefüllten Schwanzes, in extremer Zeitlupe, gespiegelt, symetrisch, farbverfremdet, Ekstase am Null- und höchsten Potenzpunkt in Marilyn Chambers Gesicht. Über den Umweg von King Kong findet eine Adaption der Traumnovelle zum psychedlisch-infernalen Höhepunkt eines 2001 - Odyssee im Weltraum. Venus and beyond the Infinite.

Die Körper gelangen in diesen Momenten zu ihrem ekstastischen Verlöschen. Neigt der Pornofilm ansonsten rhetorisch zum Index - "Dies ist die Spur dessen, was wirklich war" -, verflüchtigt er sich hier ganz ins piktorial-abstrakte. Die einzigen cum shots des Films brechen die Diegese vollends auf: Porno als Event in 2-D, das zur Wichsvorlage schlechterdings nicht eignet, dafür aber viel vom Ich-Verlust des Orgasmus erzählt: Der kleine Tod als Entgrenzung - von Körpern, Subjekten, Referenz.

Behind the Green Door hat auch im Jahr 2007 irritiert, nimmt man das Seminar zum Kronzeugen. Eine Domestizierung des Bilderwucherns in der anschließenden Diskussion fand kaum statt; wohl merkte man den Drang, das Gesehene zu sortieren, einzuordnen. Der Widerspenstigkeit dieses vielleicht nicht genießbaren, aber doch bemerkenswerten movies ist's gedankt, dass dies, gottlob, nicht gelang.

imdb


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Auf der Comickonferenz vor wenigen Tagen fragten wir uns in einem Gespräch am Rande noch, ob er denn noch lebe. Ich meinte, ja, das hätte ich ja doch wohl mitgekriegt, wenn nicht. Am letzten Tag der Tagung ist er in der Tat verstorben: Rudolf Arnheim ist tot, er wurde schließlich 102 Jahre alt.

Arnheims Beitrag zur Filmtheorie mag für heutige Belange nicht mehr von allzu großem Interesse sein. Dennoch ist seine frühe Filmästhetik und -theorie als eine der ersten überhaupt zumindest historisch von absolutem Belang - und bis heute immer wieder eine anregende Lektüre. Nicht zuletzt verlieren wir mit Arnheim einen der letzten, informierten Zeitzeugen der Stummfilmzeit.

Viel mehr als übliche Presseagentur-Notizen ließen sich im Feuilleton bislang kaum ausmachen. In der "FR" schreibt Kothenschulte einen Nachruf, sowie Gregor Dotzauer im Tagesspiegel.


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Samstag, 9. Juni 2007
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Der eitle Volkssport der wohlfeilen Distanzhuberei ist einer, dem selbst noch bei vorhandenen nur besten Ab- und Ansichten immer wieder vorrangig bloß der ekle Speichel im Barte eines Wolfgang Thierses anzusehen ist und schon deshalb als Praxis abzulehnen. Raul Zelik schreibt im "Freitag" noch einiges wichtiges mehr; nicht allem ist zuzustimmen, doch als korrektive Widerstimme im Kanon der distanziert gleich sich Schaltenden ist sie von absoluter Relevanz: klick!


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Freitag, 8. Juni 2007
Thema: Kinokultur
"Südwest Aktiv" hat den Regisseur interviewt.


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