Mittwoch, 2. Oktober 2013
Zu swingendem Jazz rasen alte Schreibmaschinen auf einer Leine an tippenden Händen vorbei: jedes Paar nur ein Satz. Großaufnahme: "Colin terminait sa toilette", steht da, die ersten Worte von Boris Vians Liebesroman "Der Schaum der Tage" von 1946. Kann und sollte man so verstehen, dass Colin seine Hygieneroutine zum Beschluss bringt. Oder man sieht darin die Zerstörung sanitärer Anlagen bezeugt. [weiterlesen bei der taz]



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Freitag, 27. September 2013


[...] Ab wann sind Bildanschlussfehler tatsächlich als willentliche Flüsterpost eines berüchtigten Perfektionisten zu verstehen? Bilden eine deutsche Schreibmaschine und die (nach einigen numerologischen Stunts) allgegenwärtige Zahl „42“ bereits einen Verweis auf die Shoah? Oder ist „The Shining“ im Gesamten gar, wie ein ganz besonders versponnener Mumpitz glauben machen will, das höchst verklausulierte Geständnis eines Regisseurs, die TV-Übertragung der Mondlandung gefakt zu haben, wie wiederum eine besonders populäre Verschwörungstheorie aus dem Milieu der Mondlandungsskeptiker besagt? [weiter in der taz]


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Donnerstag, 26. September 2013


Am Anfang brennt die Welt. Eine lodernde, dämonisch leckende Feuersbrunst wie aus der Hölle unter dem unbekümmerten Blick eines pupillenartigen Vollmonds. Dann das neblige Morgengrauen: Die Wälder dampfen aus, ruhen in der Zeit. 1987, informiert eine Texttafel, fielen weite Teile des texanischen Waldes einem solchen Feuer zum Opfer. Ein Jahr später bilden die teils bizarr in den Himmel aufragenden Geäste in Form eines "wasteland" just in jenem Moment, in dem das Leben Millimeter um Millimeter in jenes zurückkehrt, die Kulisse für David Gordon Greens neuen Film "Prince Avalanche". [weiterlesen beim perlentaucher]


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Dienstag, 17. September 2013


Am Wochenende zum dritten Mal beim Hofbauer-Kongress gewesen, geweint, geschluchzt, gejauchzt, gefreut.

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Lolita am Scheideweg (Jess Franco, Spanien 1980)
Venusberg (Rolf Thiele, BRD 1963) [mehr und mehr, sowie reda]
Baron Pornos nächtliche Freuden (Frits Fronz, Österreich 1969)
Christophs Trailershow (diverse)



++
Unersättliche Triebe (Hiroshi Mukai, Japan 1967)
Barbara (Frank Wisbar, BRD 1961)
Menschen von Morgen (Kees Brusse, BRD 1965) [mehr]
Der Todesschrei des Gelben Panthers (Joseph Kong, Taiwan 1972)



+
Ich lebte wie Eva (Zygmunt Sulistrowski, USA/Brasilien 1963)
Entfesselte Begierde (Jess Franco, Frankreich/Belgien 1973)
Dazu gehören Zwei (Henry Levin, USA 1960)





+/-
Das liebestolle Internat (Jürgen Enz, BRD 1982)
Geschäftliche Reise zur Erholung in Afrika (Vernon Whitten, ??)

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Töchter der Sonne (Alexander Swiagenin, Schweiz 1964)

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Die Sex-Spelunke von Bangkok (Erwin C. Dietrich/Peter Grau, Schweiz 1974)



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Donnerstag, 15. August 2013
Die Bewerbung Richtung Hollywood, als die ich Neil Blomkamps Überraschungshit "District 9" vor knapp 4 Jahren an dieser Stelle deutete, ist offensichtlich angekommen: Mittlerweile dreht der südafrikanische Regisseur im Tentpole-Segment der aktuellen US-Filmproduktion und genießt einen zuvor kaum denkbaren Zugriff auf Stars wie Matt Damon und Jodie Foster, die er als Antipoden ins Bild setzt: Hienieden Damons eigens auf bullig getrimmter Streetfighter-Körper in der Rolle eines zur ewigen Subalternität verdammten Arbeiters im totalverslummten Los Angeles des 22. Jahrhunderts - sehr augenfällig droben, am Himmel, Jodie Foster als aasig-kultivierte Sicherheitschefin von Elysium, einer gated community, die sich vollends aus ihrer sozialen Eingebettetheit gelöst und über den Wolken eine Kolonie des Wohlstands mit gepflegten Gärten, erstklassiger medizinischer Betreuung und einem bestens geregelten Klima bezogen hat. Beverly Hills ist jetzt eine Raumstation, während die nach einer ökologischen Katastrophe kaum mehr bewohnbare Erde in Schmutz und Rohheit versinkt, von einer Armada - mit Verlaub - richtig geil animierter Cop-Robots und einer vollautomatisierten Verwaltung eher weniger rechtsstaatlich moderiert. [weiter beim perlentaucher]



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Donnerstag, 8. August 2013
Heute sind drei Texte aus meiner Feder veröffentlicht, bzw. online gestellt worden:

Über den heute anlaufenden Lone Ranger: "Was sich in Tontos Gesicht abzeichnet - die Liebe zur Krustentextur, zum Detail von Riss und Schmutz - gilt für den ganzen Film, der eine in Schmutz und Staub erstarrte Welt zeigt, in der sich die lebensweltlichen Vorzüge der Zivilisation in nur wenigen Nischen zeigen. Eindeutig steht "Lone Ranger" diesseits einer von der Achse des Italowestern zweigeteilten Filmgeschichte und blickt von dort zur anderen Seite hinüber. Und zumindest ästhetisch ist das für den Westernliebhaber - ganz anders als Tarantinos zumindest halb missratener "Django Unchained" - ein gewaltiges Geschenk: Die Landschaften sind weit, die Canyons tief, die Dampfloks schön und die Sonne brennt dazu erbarmungslos vom Himmel, während der Score des im heutigen Hollywoodkino leider unvermeidlichen Hans Zimmer immerhin immer wieder von den eigenen fürchterlichen Klangsignaturen absieht, um sich von Ennio Morricone inspirieren zu lassen. Sogar ein, zwei Bildzitate aus Alejandro Jodorwoskys bizarrem Acid-Western "El Topo" gibt die Recherchetiefe her." [weiterlesen beim perlentaucher]



Über Antonio Pientrangelis Ich habe sie gut gekannt von 1965, der kürzlich bei Fernsehjuwelen auf DVD erschienen ist: "Wenn Adriana im Glitzerkleid mit ihrem Goggomobil in den Morgenstunden über die wie leer gefegten Boulevards of Broken Dreams in Rom fährt, klirrt das zwar unterschwellig, doch umso schmerzhafter; ganz ähnlich wie schon die erste, lange Einstellung des Films: Da tastet die Kamera suchend den Strand ab, kriegt Adriana in den Blick, wie sie sich bäuchlings in der Sonne aalt, wird beim Hintern etwas langsamer und fährt ihren nackten Rücken ab (kurios: in der deutschen Fassung präsentiert sie sich andersherum, mit Muscheln auf den Brüsten). Glamourös ist das trotz Sixties-Chic mit geschwungener Sonnenbrille und Transistorradio nicht: Am Strand liegt allerlei Müll, da wirkt auch Adriana schon vom Meer so ausgespuckt, wie der Stars-und-Sternchen-Betrieb sie zum Ende hin ausgespuckt haben wird." [weiterlesen beim freitag]



Außerdem läuft ab heute Andrzej Zulawskis Possession in der Brotfabrik. Dazu etwas im Berlinteil der heutigen taz: "Was an Traumata und Neurosen reichlich in seinen Figuren steckt, lässt er im aufgeputschten Modus ausagieren. Der entfesselte, der hysterisch rasende, der katatonisch verkrampfte Körper wird bei Zulawski auf eine Weise zum brachialen Spektakel, das zuweilen um die Gesundheit der Darsteller fürchten lässt. Bestnoten in Cannes erhielt dafür seinerzeit Isabelle Adjani, dieses an sich porzellanhaft fragilste aller Geschöpfe des französischen Arthouse-Kinos, die hier im Stieren und Zucken, im Sichwinden und Schreien an die Grenzen ihrer Physis reicht." [weiterlesen bei der taz]



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Montag, 5. August 2013
Kein Theaterfundus-Kino: Die Geschichte vom Findling, der im frühen 19. Jahrhundert in Nürnberg auftaucht, gebrochen bis gar nicht spricht, fortan als Sensation gilt und wenige Jahre später einem Attentat zum Opfer fällt, das seiner Herkunft an Rätselhaftigkeit nicht nachsteht, dient hier allenfalls als Stichwortgeber, nicht als fester Bezugspunkt. Nürnberg ist hier Italiens Küste, Kaspar Hauser eine halbnackte, stets "Io sono Kaspar Hauser" plappernde Frau im Rave-Chic und statt, wie der historische Hauser, am Klavier, soll er/sie am DJ-Pult ausgebildet werden: Kaspar Houser. [weiter in der taz]



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Donnerstag, 1. August 2013
Schon seit Längerem sind sanft widerständige Regungen im Horrorfilm zu beobachten, die sich gegen die Eskalationen des Genres positionieren. Filme wie "Paranormal Activity" oder Ti Wests "House of the Devil" und "The Innkeepers" stellen den Exzessen der Torture-Porn-Welle das grundlegende Vokabular des Gruselfilms entgegen: Sie bedienen eine Ästhetik der Latenz statt die gefräßige Logik einer gesteigerten Sichtbarkeit, die alles Stoffliche dem hungrigen Kameraauge zuführt. Sie schätzen den Grusel knarrender Türen und knirschender Bodendielen gegenüber Fleischerhaken und creative killing und setzen aufs ästhetisch Wesentliche - Rückkunft der Gruselklassik!

In diesem Sinne ist der australische Filmemacher James Wan ein Seitenwechsler: Mit seinem ersten "Saw"-Film hatte er 2004 entschiedenen Anteil an der Brutalisierung des Horror- und Splatterfilms, nur um über den Umweg des 2010 entstandenen "Insidious" in "The Conjuring" beim Dielen- und Treppenhorror anzukommen, der sein Publikum schon mittels zweimaligen Händeklatschens - originell und unerwartet platziert - aus dem Kinosessel fahren lässt. [weiterlesen beim perlentaucher]



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Mittwoch, 31. Juli 2013
Heute Abend um 21 Uhr läuft der großartige Dokumentarfilm Monarch im Open-Air-Kino vom Prince Charles in Kreuzberg. In der heutigen taz lege ich den Film wärmstens ans Herz:
Ein Stimmungsbild: Die alte BRD an der Kippe zwischen den 70ern und 80ern. Während weit draußen im All zwei Voyager-Sonden den Jupiter passieren, fährt ein etwas sonderbarer Herr - im Auftritt leicht linkisch, zwar freundlich, doch hinreichend distanziert, die Kleidung gerade so, dass sie dem Milieu zwar zuzwinkert, doch im Zweifelsfall die kleinbürgerliche Fassade wahrt - im beigen Mercedes durchs Land, zieht durch die Kneipen und lebt in einer Welt zwischen Zitrone, Pflaume und der goldenen 7: das ist Monarch.

Und Monarch fegt die Gurke, wie er sagt: Er leert Geldspielautomaten. Legal, methodisch, professionell - mit Feingefühl für Haptik und Mechanik des Geräts.
Weiterlesen bei der taz. Und nochmal deutlich mehr bei The Wayward Cloud.

Hier stellt sich Monarch vor:



Und hier der traumhaft großartige Voiceover zu Beginn des Films (samt Ansage):



Sowie Werbematerial (mehr davon hier)









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Donnerstag, 18. Juli 2013
Große Roboter und speckig-schwartige Urvieh-Titanen. Triftt das eine aufs andere, gehen ganze Metropolen zu Bruch. In der Arena zwischen bonbon-neonfarbener Glitzer-Hydraulik und moosig-graugrüner Ungetümswampe reichen Trivialfilm-Geschichte und High-Concept-Filmproduktion, mexikanischer Auteurismus und europäisch-literarische Fantastik einander unter viel Getöse die Hände - ein exotistisches Kitschfilm-Hongkong bietet die Hintergrundkulisse. Was einst in nachmittäglichen Jugendvorstellungen der Eckkinos den naiven Charme des Selbstgebastelten verströmte, kehrt technologisch hochfrisiert über den Umweg Mexiko und USA zurück. [weiterlesen beim perlentaucher]



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lol